Selbstverteidigung und waffenlose Abwehr Teil 5 - improvisierte Waffen

Was ist der Unterschied zwischen waffenloser und bewaffneter Selbstverteidigung? Vom rechtlichen und ethischen Standpunkt aus betrachtet muss der Angriff schon massiv sein, um den Einsatz einer Waffe zu rechtfertigen. Technisch gesehen sollte es keinen großen Unterschied zwischen unbewaffneten und bewaffneten Abwehrmaßnahmen geben.

Die Nutzung improvisierter Waffen

Dies ist umso richtiger, wenn es um die Nutzung von improvisierten Waffen wie Kugelschreiber, Taschenlampen und vergleichbaren Alltagsgegenständen geht. Die grundsätzliche Funktion einer improvisierten Waffe ist es, uns zu ermöglichen, noch härter und effektiver als mit der bloßen Hand zuzuschlagen. Auch wenn die unterschiedlichsten Arten und Größen von improvisierten Waffen existieren, sind die alltagstauglichen klein und leicht genug, dass sie in eine Faust passen. Auch als "Faustladungen" bekannt, erlauben sie es, die exakt identischen Taktiken und Techniken anzuwenden, die man auch mit leeren Händen ausführen würde – aber eben mit größerer Effektivität. In den vorherigen Kolumnen unserer Serie habe ich die Idee erläutert "einen Plan zu haben und ihn im Notwehrfall auch konsequent umzusetzen". Anstatt sich Gedanken über unterschiedlichste Abwehrtechniken gegen eine Vielzahl von möglichen Attacken zu machen, ist es unser erklärtes Ziel, sich auf eine einzige "Standardsequenz" an Bewegungen zu fokussieren, die nahezu universell gegen jede Art von Angriff einsetzbar ist. Die wichtigsten Elemente unserer Standardabwehr sind die beiden ersten Bewegungen: das Ausfahren des linken Armes (und die schon erklärte Vielzahl an Funktionen, die daraus entstehen) sowie die von oben nach unten verlaufende Hammerfaust mit der rechten Hand. Diese beiden natürlichen, instinktiven Bewegungen können in einem Verteidigungsfall so oft wie nötig wiederholt werden, wobei gerade die Hammerfaust wie dafür geschaffen ist, mit einer improvisierten Waffe ausgeführt zu werden.

Bildabfolge von Selbstverteidigung mit improvisierten Waffen.
Zuerst wird der Angriff mit der kreisenden Eröffnungsbewegung der linken Hand pariert und nach unten abgelenkt. In der weiteren Aktion wird der angreifende Arm durch die Fortführung der Kreisbewegung weiter nach links gelenkt und hinter dem eigenen Ellbogen eingehakt und kontrolliert, um gleichzeitig einen bewaffneten Hammerschlag gegen das Schlüsselbein des Aggressors zu landen.

Waffenauswahl und richtiger Griff

Eine gute improvisierte Waffe muss stabil genug sein, um auch bei maximalem Krafteinsatz genutzt werden zu können. Sie sollte groß genug sein, die Hand auszufüllen und mindestens etwa einen Zentimeter an beiden Seiten der geschlossenen Hand hinausragen. Auch der Durchmesser des Gegenstandes sollte groß genug sein, um die Hand auszufüllen und einen sicheren Griff zu gewährleisten. Griffige Oberflächenstrukturen können ein Vorteil sein, sie dürfen aber nicht so aggressiv sein, dass bei vollem Krafteinsatz im Eifer des Gefechtes mit Verletzungen der Hand zu rechnen ist. Vermeiden Sie unbedingt Objekte mit scharfen Oberflächen und Kanten. Einige so genannte "taktischen Taschenlampen", die ich bewundern dürfte, besitzen scharfkantige Hosentaschen-Trageclips und andere Designmängel, so dass sie als Selbstverteidigungsmittel kaum taugen und zu Eigenverletzungen führen könnten. Die simpelste Handhabung einer solchen improvisierten Waffe besteht darin, sie fest mit der Hand zu umschließen und eine Faust zu bilden. Hierbei sollte das Abwehrwerkzeug an der Ober- und Unterseite der Faust herausstehen und der Daumen wird auf die an der Oberseite herausstehende Stirnfläche des Gegenstandes aufgelegt. Durch diese Abdeckung mit dem Daumen wird sichergestellt, dass sich unsere improvisierte Waffe beim Auftreffen im Ziel nicht in der Hand nach oben verschiebt und so die ganze Kraft ins Ziel übertragen wird. Mit dem geeigneten Selbstverteidigungswerkzeug und einem ordentlichen Griff kann man nun die gleichen Bewegungsabläufe unserer Standardabwehr ausführen, wie wir sie bisher in Teil 1-4 unserer Serie (siehe unten) vorgestellt haben.

Versuch Schlag ins Gesicht eines Aggressors zu landen, zur Selbstverteidigung.
In der Folge versucht der Autor auch einen Treffer im Gesicht zu landen, wird hierbei aber geblockt. Wieder die natürliche, elliptische Bewegung nutzend, befreit er sich von dem Blockarm, um sich Freiraum für einen horizontalen Ellbogenstoß zu verschaffen.

Deeskalation ist die erste Selbstverteidigung

Weil unsere improvisierte Waffe keine auf den ersten Blick offensichtliche Waffe ist, können wir sie jederzeit einsatzbereit in der Hand halten, ohne allzu große Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Sehen wir uns also mit einer potentiellen Gefahr konfrontiert, die sich im Vorfeld nicht vermeiden ließ, nehmen wir, mit unserer Abwehrwaffe in der rechten Hand, die bereits erläuterte Bereitschaftshaltung ein. Versuchen Sie, den Aggressor verbal und durch beruhigende Gesten mit der linken Hand zur Vernunft zu bringen und die Situation zu entspannen.

Wenn wir uns aktiv verteidigen müssen

Reagiert das Gegenüber nicht auf unsere Deeskalation und greift uns beispielsweise mit einem geradlinigen Fausthieb (Boxen: "Jab") oder einem von oben nach unten verlaufenden Hammerschlag auf unsere Körpermitte an, fahren wir aus der Bereitschaftshaltung unseren linken Arm aus (erste Bewegung unserer Standardabwehr), fangen den Schlag ab und leiten seinen Unterarm von uns weg nach unten. Diese fließende, kreisende Bewegung wird im Uhrzeigersinn fortgesetzt, bis sich unser Arm kurz vor der 9:00 Uhr Position unter dem Arm des Angreifers befindet. Die Kraft unserer Rückenmuskulatur nutzend, haken wir uns hinter seiner Armbeuge ein und ziehen den Arm hart in Richtung unserer Brust. Sein Arm ist nun gefangen genommen und demobilisiert. Während wir den Gegner an uns heranziehen, führen wir die zweite Aktion unserer Basisbewegungssequenz aus: die Hammerfaust, die durch unsere improvisierte Waffe noch mehr Eindruck hinterlassen wird. Das Schlüsselbein ist beispielsweise ein hervorragendes Ziel, das mit einem einzigen Schlag oder multiplen Schlägen gebrochen werden kann. Behalten Sie weiterhin die Kontrolle über den bereits gefangenen Arm des Angreifers und führen Sie, je nach Bedrohungsgrad des Angriffs, die Schlagserie mit dem Verteidigungswerkzeug fort. Hierbei können das andere Schlüsselbein, Brustbein, Hals, Gesicht und sogar die Augen geeignete Ziele sein. Falls der Kontrahent versucht ihren rechten Arm zu blocken oder zu greifen, setzen Sie die kreisende Bewegung ein, um seine Hand nach unten von sich weg abzuleiten, um ihrerseits ihre Schlagserie fortsetzen zu können. Sie können alternativ in diese Aktion auch die anderen, bisher nicht ausgeführten Schritte unserer Standardabwehr integrieren, wie beispielsweise einen horizontalen Ellbogenstoß, ein Kniestoß in den Unterleib oder tiefen Tritt in Richtung des gegnerischen Knies, Schienbeins oder Fußgelenks. Sie werden feststellen, dass Sie mit nur wenig Übung die identischen, intelligenten, waffenlosen Techniken auch mit der improvisierten Waffe anwenden können. Hierbei kommt der eröffneten Bewegung, mit der man eine gegnerische Gliedmaße sofort unter Kontrolle bekommt, eine wesentliche Bedeutung zu, die wächst, wenn der Angreifer bewaffnet ist.

Ellbogenschlag und Kniestoß zur Selbstverteidigung, Bildabfolge.
Er beendet die Sequenz mit einem Kniestoß auf den Oberschenkel und einem stampfenden Tritt zum Knie, was die Mobilität des Angreifers zerstört und die sichere Flucht ermöglicht.
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