Selbstverteidigung und waffenlose Abwehr Teil 6 - der Bodenkampf

Eine der interessantesten Entwicklungen in der Kampfkunstszene der letzten Jahre ist die große Popularität der "Mixed Martial Arts" (MMA) und das gesteigerte Interesse an dem damit verbundenen Bodenkampf. Auch wenn Bodenkampfsysteme wie Jujitsu, Judo und unzählige Formen des Ringens seit sehr, sehr langer Zeit existieren, explodierte förmlich das Interesse an diesen Techniken mit den ersten "Ultimate Fighting Championships" (UFC) in den frühen 1990er Jahren. Doch nur, weil MMA und der sportliche Bodenkampf mittlerweile sehr bekannt sind, bedeutet dies noch lange nicht, dass sie eine realistische Basis für die Selbstverteidigung darstellen. Weil alle Formen des sportlichen Bodenkampfes, selbst beim UFC, an ein klares Regelwerk gebunden und "illegale" Techniken verboten sind, ist ihre Tauglichkeit für realitätsnahe Selbstverteidigung mit großer Skepsis zu betrachten. Um sich durch die richtige Vorbereitung erfolgreich eines Angriffs auf der Straße erwehren zu können, muss man die harte Realität erkennen und akzeptieren, dass sich hier die Akteure mit ihren Attacken an keinerlei Regeln halten. Erläutern wird dies näher an einem simplen Beispiel in Form der "Schutzposition" im MMA Sport. Wird man hier zu Boden gebracht, ist es vermutlich das Ziel, den Angreifer möglichst nah an sich heranzuziehen, um ihn mit den Beinen im Hüftbereich zu umklammern und so zu kontrollieren. Im sportlichen Wettkampf macht das Sinn, weil man nicht nur ein hohes Maß der Kontrolle des Kontrahenten erlangt, sondern auch weil die Technik zu weiteren Möglichkeiten wie Hebeln und Haltegriffen führen kann. Doch im echten Leben, wäre es nahezu tödlich, wenn man auf dem Boden liegend, die Beine öffnet, weil uns der Aggressor mit einem Tritt oder Schlag einfach im empfindlichen Unterleib treffen würde.

Sport & Wirklichkeit

Sobald man einen Kampf vom Ring oder der Matte, wo beide Kämpfer nach klarem Regelwerk agieren, auf die Straße verlegt, verändert sich alles. Ein einziger Schlag oder Stoß, der im Sport vielleicht recht uneffektiv wäre, könnte bedingt durch die Umgebung tödlich enden, wenn man gegen eine harte Oberfläche prallt oder auf einem solchen Untergrund aufschlägt. Ebenso kann jeder Wurf auf eine harte Oberfläche leicht zu einer Lähmung oder schwerwiegenden Verletzung führen. Befindet man sich also in einer realen Verteidigungssituation auf dem Boden, muss man sofort bereit sein, um sein Leben zu kämpfen. Eine der gefährlichsten Situationen im sportlichen MMA Wettkampf ist die "aufgesessene" oder "festgenagelte" Position. Hierbei wird man vom Gegner zu Boden geschlagen oder geworfen. Er sitzt auf unserer Brust auf und hat viel Bewegungsfreiheit, um uns mit Schlägen und Ellbogenstößen zu treffen, während wir uns verzweifelt gegen die Attacken verteidigen.

Hat der Gegner uns zu Boden gebracht, wird es brenzlig

In dieser recht ausweglosen Situation ist es für uns sehr schwierig, die nötige Schlagkraft zu generieren, um den Gegner effektiv zu treffen. Übertragen wir diese Kampfsituation auf die Straße, wird die damit zusammenhängende Gefahr sofort ersichtlich. Landet der Aggressor nur einen soliden Schlag an unseren Kopf, der dann durch die Schlageinwirkung auf einen harten Untergrund auftrifft, kann dies schnell zur Bewusstlosigkeit und ernsthaften, wenn nicht gar tödlichen Verletzungen führen. In einer Reihe von traditionellen Kampfsport-Abwehrmaßnahmen wird meistens der Versuch unternommen, den Fuß des Kontrahenten mit dem eigenen Fuß zu fangen und ihn durch Anhebung der Hüften und Körperdrehung abzuwerfen. Auch wenn diese Techniken auf der Straße hilfreich sein könnten, ignoriert man hierbei doch ein naheliegendes, empfindliches Ziel sowie die effizienten Abwehrmöglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen. Kann man den Aggressor nicht daran hindern, einen auf dem Boden festzunageln (was immer die beste Verteidigung darstellen würde), hebt man den Kopf vom Boden ab und presst die Hände sofort möglichst kräftig gegen den eigenen Kopf, wodurch die Arme und Hände einen soliden Käfig gegen Angriffe des Gegners bilden. Außerdem hilft diese Einheit dabei, den Kopf vom gefährlichen Untergrund fernzuhalten und Schläge besser wegstecken zu können. Aus dieser Position heraus ist man vorbereitet, einen unter den gegebenen Umständen möglichst kraftvollen, effektiven Gegenangriff auszuführen.

So befreien wir uns aus der Bodenposition

Holt der auf einem sitzende Aggressor zu einem weiteren Schlag aus, spannt man die Bauchmuskeln an und schnellt nach vorne, um die Ellenbogen mit maximaler Kraft in seinen Unterleib zu rammen. Weil der Kontrahent über keinerlei geeignete Abwehrmaßnahmen verfügt, wiederholen wir unseren Angriff, falls wir nicht getroffen haben. Bei einem Treffer wird es die natürliche Reaktion des Gegenübers sein, sich nach vorne zu beugen, was wiederum seinen Kopf in die Reichweite unserer Hände bringt.

Abfolge zur Selbstverteidigung, wenn der Gegner auf einem sitzt. Teil Eins, Schutzkäfig.
Hat einen der Angreifer auf den Boden festgenagelt, probiert man unter allen Umständen den Kopf vom Boden fernzuhalten und mit Armen und Händen einen Schutzkäfig zu bilden.
Abfolge zur Selbstverteidigung, wenn der Gegner auf einem sitzt. Teil zwei, Ellbogenstoß.
Bei maximaler Anspannung der Bauchmuskeln bewegt man sich nach vorne und treibt die Ellbogen in den Unterleib des aufsitzenden Aggressors. Diese Taktik wird wiederholt, bis sich der Kopf des Angreifers in Reichweite der Hände befindet.
Abfolge zur Selbstverteidigung, wenn der Gegner auf einem sitzt. Teil drei, Griff an den Kopf.
Der Kopf wird mit beiden Händen gegriffen und die Daumen in seine Augen getrieben.
Abfolge zur Selbstverteidigung, wenn der Gegner auf einem sitzt. Teil vier, Rolle.
Nun stößt man das rechte Bein seitlich aus und hält damit sein Fußgelenk fest, während man seinen Kopf nach rechts dreht, um ihn abwerfen zu können.
Abfolge zur Selbstverteidigung, wenn der Gegner auf einem sitzt. Teil fünf Fixierung des Gegners.
Die Dreh- und Rollbewegung wird fortgesetzt, um ihn in die Rückenlage auf den Boden zu bringen.
Abfolge zur Selbstverteidigung, wenn der Gegner auf einem sitzt. Teil sechs, Kraftaufbau mit den Beinen.
Hierbei werden die Beine gespreizt, um maximale Haltekraft zu generieren, während man seinen Kopf gegen den Boden drückt.
Abfolge zur Selbstverteidigung, wenn der Gegner auf einem sitzt. Teil sieben, abschließender Ellbogenstoß.
Als Abschluss folgt ein kräftiger Ellbogenstoß zum Kopf unter Ausnutzung  des eigenen Körpergewichtes.

Die Kontrolle beim Bodenkampf wiedererlangen

Wir greifen seinen Kopf mit beiden Händen und stechen unsere Daumen in seine Augen. Damit übernehmen wir das Kommando und die Kontrolle über seinen Kopf, wodurch wir seinen Körper manipulieren können. Während wir seinen Kopf drehen, stoßen wir unser Bein in die gleiche Richtung aus, um sein Bein auf dieser Seite damit festzuhalten. Wir drehen weiter seinen Kopf und rollen uns auf das ausgestreckte Bein hinüber, um den Kontrahenten endgültig von uns abzuwerfen. Wir setzen unsere Dreh- oder Rollbewegung fort, so, dass wir uns nun über ihm befinden. Während der ganzen Aktion behalten wir unseren Griff an seinem Kopf bei und drücken ihn zu Boden, wobei wir unsere Beine weiter ausspreizen und angespannt halten, um seinen Körper besser zu kontrollieren. Seinen Kopf Richtung Boden drückend und seinen Körper durch unsere Spreizzange kontrollierend, holen wir unter Nutzung unseres Körpergewichts mit dem anderen Arm zu einem kraftvollen Ellbogenstoß gegen seinen Kopf aus. Alternativ kann man auch seinen Kopf mit beiden Händen gen Boden drücken und Kniestöße in Richtung des Unterleibs abfeuern. Beide Methoden dürften zu einem raschen Ende des Kampfes führen. Der Boden ist ein gefährlicher Ort. Endet man in einer Selbstverteidigungssituation dort, muss man logisch und konsequent vorgehen, wenn man die Begegnung überstehen möchte.

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