Es wurden während der Recherche immer mehr! Fab Defence, Roni, B & T – klar. Aber da sind noch Marken wie CAA, Recover oder Donaustahl, um die definitiv nicht vollständige Aufzählung heutiger Anschlagschäfte zum Nachrüsten zu schließen. Meist sind es welche für Pistolen, oft im Kaliber 9 mm Luger. Das als Anschlagschaft nutzbare Holzetui der C96 kennt jeder mit auch nur oberflächlicher Ahnung von historischen Pistolen. Die „Lange 08“ hatte einen Anschlagschaft, wie die weniger bekannte Bergmann-Bayard. Dann die Inglis-Variante der FN Highpower, um ein jüngeres Muster aufzuzählen. Hersteller wie Star haben auch nach dem Zweiten Weltkrieg an ihren 1911-Klonen Typ „MB“ Anschlagschäfte vorgesehen, sowie lange einreihige Magazine mit 16 und 32 Patronen Kapazität. Die Sowjetunion rüstete ihre in 9 mm Makarow gefertigte Reihenfeuer-APS Stetschkin damit aus.



Als deren Fertigung um 1975 auslief, war die VP 70 von Heckler & Koch, 9 mm Luger, erst einige Jahre in Produktion, welche 1984 endete. Der Feuerwahlschalter der Reihenfeuerpistole VP 70 M saß am Anschlagschaft, und mal nicht an der Pistole. Mit einem 18-Schuss-Magazin plus polymerem Aufbau war die VP 70, wie vieles von Heckler & Koch, ihrer Zeit weit, weit voraus. Dann schien bei großen Marken erst mal Schluss mit „so etwas“. Bis Wilhelm Bubits der von ihm mitentwickelten Steyr M9 vor rund 25 Jahren wieder einen Anschlagschaft verpasste. Und so wird das damals oft belächelte Dreieckskorn der M9 interessant – auf weite Distanzen zielt man damit genauer als mit einem Balkenkorn. Der Steyr-Schaft hat eine ausreichende Länge und fasst zwei Reservemagazine. Etwa zeitgleich kamen erste Zubehörschäfte von Nicht-Waffenherstellern auf den Markt. Zum Aufklappen und Einlegen der Waffe, zum Anstecken am Griff oder zum Befestigen an einer Picatinny-Schiene. Aktuell legte Wilhelm Bubits für die türkische Canik Mete ein Muster mit Anklemmprinzip nach. Und irgendwie ist die Idee, mit einem Ansteckschaft aus einer Kurzwaffe eine behelfsmäßige Langwaffe zu stricken, extrem überlebensfähig. Und sehr alt. Gute 300 Jahre.
Der Anschlagschaft: Konzept aus der Vorderladerära
Man muss nicht lange suchen, um Angebote zu originalen Steinschlosspistolen mit Anschlagschäften zu finden. Dabei existieren nicht nur Einzelstücke, die Büchsenmacher für die Rüstkammern honoriger Eigentümer hergestellt haben. Ein frühes Beispiel bereits militärischer Nutzung in größerem Stil ist die schwedische Kavalleriepistole m/1807. Schweden war seit dem Dreißigjährigen Krieg hinsichtlich der Bewaffnung seiner Truppen vielen anderen europäischen Staaten lange Zeit weit voraus und stets an technischen Neuheiten und Taktiken interessiert. Zwar war der Anschlagschaft der m/1807 an sich nichts Neues mehr, aber damit wurden mehrere Reiter-Regimenter ausgerüstet. Es waren also schon „Stückzahlen“ und diese für militärischen Gebrauch. Die legendäre C96 in 9 mm Luger kam erst 1917, 110 Jahre später. Als das Steinschloss um etwa 1830 von der Perkussionszündung abgelöst wurde, tat die folgende Perkussionsära den Anschlagschäften an Kurzwaffen keinen Abbruch. Und sogar an Vorderlader-Repliken findet sich hin und wieder ein Anschlagschaft. Keinen hohen Verbreitungsgrad hatten dagegen Revolver mit Anschlagschaft. Selbst damals hochwertige Colt-Revolver litten unter Gasdruck-Inkontinenz, welche bei dem kurzen Anschlag für Unbehagen im Gesicht des Schützen sorgen. Ein bis heute noch bestehendes Problem.
Die moderne Zeit: Mauser C96 bis H&K MP7

Die Massenproduktion von Handfeuerwaffen im Laufe des Ersten Weltkrieges führte auf deutscher Seite zu großen Mengen der als „Rote 9“ bekannt gewordenen Mauser C96, Kaliber 9 mm Luger statt 7,63 mm x 25. Die „Lange-“ oder „Ari-08“ mit Anschlagbrett nahm die Waffengattung vorweg, die heute PDW, „Personal Defence Weapon“ genannt wird. Diese sind dort zu finden, wo selbst Karabiner hinderlich sind und die Unterstützungskräfte im normalen Gefechtsverlauf keinen direkten Kontakt zur gegnerischen Truppe haben. Was aber, wenn doch? Dann konnten Angehörige der Kaiserlichen Artillerie mit ihrer „Ari“ auf „... 300 Meter noch einen Pferdeschädel durchschießen“. Dann konnte der sowjetische „Tankist“ 40 Jahre später beim Ausbooten aus seinem angeknackten T 54 mit der APS Stetchkin agieren statt mit einer Makarow. Der Weg führte aber ab 1918 über modifizierte Pistolen P 08 mit Trommelmagazin, Anschlagschaft und Reihenfeuereinrichtung erst zur Maschinenpistole und (noch) nicht zur PDW. Dabei hat der Anschlagschaft geholfen, denn ohne diesen sind Pistolen mit Reihenfeuereinrichtung nicht zu bändigen. Die ab 1932 angebotene Reihenfeuer-Pistole Mauser Modell 712 zum Beispiel. Trotz der im Weltkrieg Zwo massenhaft gefertigten Maschinenpistolen blieben die Optionen zum Anschlagschaft für manche Dienstpistolen erhalten. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand eher die Reichweitensteigerung der Pistolenpatrone durch den sichereren Anschlag im Vordergrund. Die Renaissance Reihenfeuer schießender Pistolen kam ab 2002 mit der PDW von Heckler & Koch als MP7, und auch der Herstaler PDW FN 90 – nur, hätte man ja auch schon ab 1970 zur HK VP 70 M greifen können...
Auf dem Schießstand mit der Canik SFx Rival-S und der GSG-9:

Zuerst eine Klärung zu Nam’ und Art: Der hier verwendete Pistolenkarabiner GSG-9 hat keine BKA-Freigabe für das sportliche Schießen, der Erwerb ist nur für Jäger oder mit entsprechender EWB möglich. Die Canik SFx-S bleibt auch mit Ansteckschaft eine normal zu erwerbende Pistole. Der kurze GSG-Karabiner – es existiert auch eine 16“-Variante für Sportschützen – kam wegen seines kurzen Rohres zum Einsatz. Die 190 Millimeter Lauflänge dieses GSG-9-Modells stehen eher in Relation zu den 125 Millimetern Rohrlänge der Canik SFx-S. Geschossen wurde auf 50 und 100 Meter, eine für Pistolenkarabiner zwar schon weite, aber außenballistisch durchaus handhabbare Distanz. Je nach Laborierung, also Geschossmasse und Mündungsgeschwindigkeit, fällt ein Geschoss der 9 mm Luger auf 100 Meter zwischen 15 und 30 Zentimeter unter den vorigen Treffpunkt, so dieser bei etwa 15 bis 25 Meter gelegen hat.

Obwohl für die Canik SFx-S eine Brückenmontage erhältlich ist, entschlossen sich die Tester, beide Waffen, statt mit Zielfernrohr über ein Rotpunktvisier zu schießen. Praxisnah findet sich auf Pistolen eher solches als Zielfernrohre. Der Sitzendanschlag mit der Canik gestaltet sich für den Rücken extrem unbequem. Dennoch gelang trotz verkrampfter Haltung auf 50 Meter ein Fabelstreukreis. Davon ab zeigt der Karabiner schon auf diese Distanz eine höhere Gleichmäßigkeit bei meist konstant besseren Gruppen. Ausnahmen zeigen sich auf 100 Meter aber bei beiden Waffen, die Suche nach abgestimmter Munition lohnt sich. Der ursprünglich an der Canik montierte Kompensator wurde bald entfernt. Nicht wegen schlechterer Schussleistung, sondern der auf so nahe Distanz zum Gesicht erfolgten Belästigung durch den Gasschlag.
Canik SFx Rival-S und GSG-9 Rifle: Technische Daten und Preis
Hersteller | Canik SFx Rival-S | GSG-9 Rifle 7,5“ |
Kaliber: | 9 mm Luger | 9 mm Luger |
Kapazität: | 18 + 1 Patronen | 10 + 1 Patronen |
Lauflänge: | 127 mm (5“) | 193 mm (7,5“) |
Abzugswiderstand: | ca. 1.950 g | 2.200 g |
Gewicht: | rund 1.200 g | 2.230 g |
Preis (UVP): | 1.499,- / 1.549,-* Euro | 799,- Euro |
Ausstattung: | *= Für Hartchrom-Oberfläche. Ansteckschaft kostet 79,- Euro. | Selbstlader mit Masseverschluss, einstellbarem Abzug, umsetzbarem Spanngriff. Durchgehende Picatinny-Schiene, Korn auswechselbar (insges. 10 Varianten), Kimme seitenverstellbar. Schienengeführter Schubschaft. |

Fazit mit Pistole Canik SFx Rival-S und Pistolenkarabiner GSG-9: Ist der Anschlagschaft noch zeitgemäß?
Ja, es geht. Auch nach über 300 Jahren. Bei sauberer Schussauslösung sind mit Pistole plus Anschlagschaft auf 100 Meter Trefferleistungen im Bereich DIN A5 oder kleiner möglich. Ein 9 mm-Karabiner punktet mit stabilerer Handhabung, konstanteren und auch kleineren Streukreisen, hindert im Umgang aber wie eine Langwaffe. Die Pistole, im Holster versorgt und der leichte wie kleine Anschlagschaft im Rucksack oder der Bekleidung angeklettet, trägt sich ungleich komfortabler. Aber dafür verzeiht das kurzrohrige und leichte Konstrukt selbst den kleinsten Wackler nicht. Nur lausige 2° Versatz lassen das Geschoss auf 100 Meter über drei Meter auswandern. Über Rohr- wie Visierlänge punktet der Karabiner. Doch Gründe, weswegen der Anschlagschaft ausstirbt, sind nach diesem Test nicht in Sicht.
Mehr über Canik erfahren Sie auf der Webseite des Herstellers oder beim deutschen Importeur, Huntex. Zur GSG-9 gibt es mehr auf der Webseite von German Sport Guns.
Dieser Artikel erschien auch in der VISIER, Ausgabe 02/2025. Dort sind auch die detaillierten Schießergebnisse für beide Waffen mit jeweils 5 Laborierungen enthalten. Das Heft können Sie im VS Medien-Shop online kaufen. Es steht auch als ePaper zur Verfügung.