Bleiverbot in Munition, Teil 2: Die Stellungnahme der Deutschen Schießsport-Union DSU zu den EU-Plänen

Wir haben die gleichen Fragen auch mit einer Redaktionsfrist an die drei anderen großen deutschen Schießsportverbände gestellt, ausführliche Antworten erhalten und veröffentlichen jetzt (da als erste geantwortet) die ungekürzte Stellungnahme der Deutschen Schießsport-Union (DSU). Die anderen Verbände BDMP und BDS kommen danach einzeln und in der Reihenfolge des Antwort-Eingangs zu Wort.

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Mit fast 18.000 Mitgliedern in 445 Vereinen bietet die 1984 gegründete DSU ein umfangreiches Programm an Schießsport-Disziplinen an. Die Bandbreite geht dabei vom Schwarzpulver-Schießen über moderne Handfeuerwaffen-Wettbewerbe bis zu Modellkanonen. Dem Waffengesetz entsprechend, ist auch die DSU ein vom Bundesverwaltungsamt anerkannter Verband. Die Geschäftsstelle der zentral organisierten DSU und damit auch der Sitz befindet sich in Weissenthurm in Rheinland-Pfalz.

Die Antworten der DSU schickte im Auftrag von DSU-Präsident Frank Neis der Verbandsjustiziar Alexander Eichener, selbst aktiver Sportschütze und in der Freiburger Anwaltskanzlei Brüggemann & Eichener als Jurist auch spezialisiert auf Waffenrecht.

Drei Fragen von all4shooters.com an die Deutsche Schießsport-Union (DSU) zum Thema Bleiverbot in Munition - und die Antworten

1. Wie steht Ihr Verband zu den erweiterten Plänen der ECHA aus dem September 2021, auch Indoor-Shooting in das Verbot von Blei in Munition zu integrieren?

DSU-Justiziar Alexander Eichener
Alexander Eichener, Jurist,  Sportschütze und Verbandsjustiziar der DSU

Alexander Eichener für die DSU: Aus Sicht der „Verbotsbefürworter“ wäre eine solche Erfassung und Ausweitung natürlich nur konsequent. Denn wer Blei ganz generell für böse und furchtbar hält, ohne die jeweiligen konkreten Bewandtnisse und Gefahren nüchtern näher zu prüfen und abzuwägen, der müsste dementsprechend auch ein vollständiges Bleiverbot immer und überall fordern. Doch genau hier liegt der Fehler. Der Denkfehler liegt darin, dass innerhalb des weiten Gebiets der Europäischen Union die Schießstandverhältnisse äußerst verschieden sind. Zwischen Outdoor-Schießstätten, auf denen ohne jegliche Umweltschutz- und Eingrenzungsmaßnahmen Blei seit vielen Jahrzehnten einfach in die Landschaft entlassen wird (nur mit natürlichem Boden, Hängen oder Erdwällen als Geschossaufnahmen) und noch existierenden kleinen, schlecht belüfteten, feuergefährlichen Indoor-Butzen einerseits, und zwischen modernen, allen medizinischen und umweltschützerischen Anforderungen (gekapselte Geschossfänge, Hochleistungsbelüftung) entsprechenden Schießstandrichtlinien, wie wir sie in Deutschland haben, besteht innerhalb der Europäischen Union eine gewaltige Spanne.

Bei den beteiligten Fachgremien ist noch nicht hinreichend verstanden worden, dass es falsch wäre, eine generelle EU-Rechtsregelung in gleicher Weise allen Mitgliedstaaten überstülpen zu wollen. Vielmehr kann eine solche EU-Regelung überhaupt nur dort gerechtfertigt sein, wo nationale Regelwerke nicht schon ein gutes Schutz- und Sicherheitsniveau geschaffen haben.

Aus eben diesem Grunde waren in Deutschland bereits viele frühere Wurfscheiben-Schießstände geschlossen worden (leider); aus diesem Grunde stößt die Umwidmung und Weiternutzung großzügig angelegter militärischer Schießanlagen, wie wir sie überall in Deutschland hatten, auf große praktische und finanzielle Schwierigkeiten; aus diesem Grunde ist auch der Betrieb von Indoor-Ständen hier wegen der immer höher werdenden Lüftungsanforderungen sehr teuer geworden. Das erlebt auch unser Verband, ebenso wie BDS und BDMP.

DSU-Vizepräsident Bernhard Schneider mit einem Pistolen-Karabiner
DSU-Vizepräsident Bernhard Schneider mit einem Pistolen-Karabiner

Zumal gibt es in Deutschland für unsere aus Lärmschutzgründen zunehmenden Indoor-Stände (die von der DSU als Großkaliberverband rege genutzt werden, und auf die wir gerade für unsere dynamischen und Mehrdistanz-Disziplinen dringend angewiesen sind) keinerlei Regelungsbedarf auf europäischer Ebene. Im Gegenteil sind die deutschen Regelungen fortschrittlicher, sorgfältiger und gesundheits- wie umweltbewusster als die Regelungen vieler anderer europäischer Nationen.

Deshalb sollte die Europäische Union in einer etwaigen Richtlinie Ausnahmetatbestände für alle diejenigen Mitgliedsstaaten eröffnen, die bereits ein hinreichendes Mindest­schutz­niveau auf nationaler Ebene umgesetzt haben.


2. Welche konkreten politischen Maßnahmen ergreift Ihr Verband, um dieses Verbot auf EU-Ebene zu verhindern und die Interessen des Sports und seiner Mitglieder zu wahren?

Alexander Eichener für die DSU: Die DSU – als verhältnismäßig kleiner schießsportlicher Dachverband mit etwas unter 18.000 Mitgliedern – kanalisiert und bündelt ihre Anstrengungen zusammen mit anderen Ver­bän­den im „Forum Waffenrecht“ als der Interessenvertretung des legalen Waffen­besitzes in Deutschland. Eine derartige Abstimmung und gemeinsame Interessenvertretung ist umso wichtiger, als gerade auf EU-Ebene eine frühzeitige Einflussnahme von entscheidender Bedeutung ist, auch wenn dies ein mühseliges, langes und oft schwerfälliges Geschäft ist. Auch die letzten Waffenrechtsreformen haben wieder einmal gezeigt, dass wesentliche Weichenstellungen für das Recht in den einzelnen Mitgliedsstaaten schon auf der Ebene der Europäischen Union geschehen.

  • a) Im ersten Schritt sind dies die beteiligten Fachgremien (hier also die ECHA) und EU-Beamte, schon lange vor dem eigentlichen Normsetzungsprozess. Das Forum Waffenrecht hatte damals im Vorfeld der letzten EU-Waffenrechtsrichtlinie viel getan. Jetzt geht es aber um Umweltrecht.
  • b) Der zweite Schritt ist die Beeinflussung und richtige Information der zuständigen Fachbeamten in der Kommission, welche die EU-Richtlinie dann konkret entwerfen; das Europäische Parlament und dessen Abgeordnete haben zwar an Gewicht gewonnen, können zu diesem Zeitpunkt aber noch wenig ausrichten.
DSU-Schützin
Auch bei halboffenen Schießständen (hier auf Kurzdistanz) gibt es bereits strenge Regelungen für die umweltgerechte Entsorgung der Geschosse im Kugelfang.
  • c) Das Hauptproblem gerade in Deutschland ist aber eine nationale Tendenz, die allfälligen EU-Vorgaben immer noch übertreffen zu wollen und sie als vermeintlicher Musterschüler 200%ig zu verschärfen. Das Problem liegt oft gar nicht einmal so sehr bei den europäischen Vorgaben, sondern im deutschen Unwillen, vorhandene Spielräume, sachgerecht eröffnete Anpassungen und Ausnahmemöglichkeiten auch sinnvoll und kreativ zu nutzen: das beklagen im Gespräch mit uns auch deutsche Parlamentsabgeordnete immer wieder.

Im Schießsport hat sich dies erst letztes Jahr in der gänzlichen überzogenen deutschen, nationalen Umsetzung des „Magazinverbots“ durch die Beamten des Bundesinnenministeriums gezeigt; hier hätten die Vorgaben der EU ganz anders und viel sachgerechter gelöst werden können.

Die gleiche Gefahr besteht für uns alle jetzt auch wieder bei einem Bleiverbot.

3.  Welche Alternativen sehen Sie, wenn es tatsächlich in 2 Jahren zu einem Bleiverbot in Munition kommt? Denkmodell: Internationale Wettbewerbe mit Teilnahme von Nicht-EU-Staaten oder Olympische Wettbewerbe außerhalb der EU eingeschlossen.

Alexander Eichener für die DSU: In 2 Jahren wird ein solches Verbot sicherlich noch nicht kommen (können), das lässt der komplexe europäische Zeitplan nicht zu. Aber es droht. Im Bereich der Jagd konnte man sich in Europa vor 30 Jahren auch noch überhaupt nicht vorstellen, dass die Verwendung von Blei in Flintenschrot und in Büchsengeschossen eingeschränkt oder gar verboten würde. Heute ist dies vielfach bereits gelebte jagdliche Praxis. Wir müssen die Gefahr für den Schießsport also sehr ernst nehmen und handeln. Panikmache und Untergangsstimmung wären falsch, denn noch ist nichts beschlossen; Abwiegelung im Sinne eines „es wird schon nicht so schlimm kommen“ noch falscher.

Ein Bleiverbot im Schießsport ist für die DSU genauso wenig akzeptabel wie für die anderen Großkaliberverbände, für den Deutschen Schützenbund oder für die weltweite ISSF.

Es ist nicht umsetzbar. Gerade in den weltweit am meisten geschossenen Disziplinen – auch und besonders in den Ländern mit strengen Waffenrechtsordnungen –, nämlich in den Disziplinen für Druckluftwaffen und Kleinkaliberwaffen (wie sie im Übrigen auch in der DSU gern geschossen werden, trotz unseres Schwerpunkts als Großkaliberverband), bleibt Blei als Geschosswerkstoff weiterhin gänzlich unverzichtbar. Es ist nicht ersetzbar, angesichts der bestehenden hohen Präzisionsstandards und Präzisionsanforderungen.

DSU Schwarzpulver
Schwarzpulver-Disziplinen, hier mit einem Luntenschlossgewehr, nehmen bei der DSU einen breiten Raum bei den Wettbewerben ein. Auch hier wird mit Blei geschossen.

Ein etwaiges „Bleiverbot“ könnte also weder von der ISSF noch vom IOC akzeptiert werden. In zu vielen Mitgliedsländern dieser weltweiten Verbände wird Blei – ungeachtet der EU und ihrer Vorstellungen – weiterhin schießsportlich verwendet werden. Es würden also nur diejenigen Nationen entscheidend benachteiligt bzw. von einer zukünftigen Teilnahme am Leistungssport praktisch ausgeschlossen, die solche überzogenen Verbotsregelungen isoliert umsetzen wollten. Diese Konsequenz müssen einerseits als allgemeine Sportvertretungen der DOSB und das EOC (als Kontinentalverband des IOC), und andererseits die ISSF und die ESC als weltweite und europäische schießsportliche Dachverbände, gegenüber der Europäischen Union mit Nachdruck vortragen und hierfür ihr Gewicht einsetzen.

Kommentar von all4shooters.com: Es droht eine Überregulierung, auf EU-Ebene wie bei der Umsetzung in deutsches Recht

Ulrich Eichstädt
Ulrich Eichstädt, Content-Manager bei  all4shooters.com, zu den DSU-Antworten

Die Stellungnahme der DSU deutet gleich in mehreren Punkten eine mögliche Gefahr an, wenn sich die EU mit dem Thema "Bleiverbot im Sportschießen" beschäftigt. Die durchaus funktionierenden Kontakte der deutschen Schießsport- und Waffenrechtsverbände in die EU-Gremien nützen hier wenig, weil es nicht mehr um Waffenrecht, sondern um Umweltrecht geht. Hier steht auch die Bevölkerungsmeinung noch mehr als bei "gefährlichen" Waffen einer möglichen "Umweltverschmutzung" entgegen. Der übliche Politiker-Reflex sowohl auf EU-Ebene wie in Deutschland ist leider, in Hektik mit einem Rundumschlag erst einmal alles zu einzuschränken, statt mit Augenmaß und vor allem unter Berücksichtigung bereits bestehender, strenger Regelungen zu entscheiden. Solange nationale Unterschiede, die beim Schießstandbau und dem Umweltschutz auch innerhalb der EU extrem sind, auf ein Einheitsmaß abgebügelt werden, bliebe den Verbänden nur übrig, sich nach einem Bleiverbot anschließend mit gnädig gestatteten "Ausnahmeregelungen" zufriedenzugeben, wie es leider der Deutsche Schützenbund schon resignierend angedeutet hatte. Und dann droht weiterhin, dass auch die deutsche Umsetzung einer EU-Richtlinie in nationales Recht zu 200 Prozent preussisch voraneilend verschärft würde, auch wenn das selbst die EU nicht fordern sollte. Das hat die DSU ebenfalls anhand der organisatorisch gescheiterten Magazinregelung von 2020 als Beispiel genannt.

Ob aber im Übrigen das Forum Waffenrecht das richtige Gremium ist, die Interessen von Industrie, Handel und Sport auch auf EU-Ebene zu vertreten, das sei dahingestellt (das schreibe ich, obwohl ich FWR-Förderkreismitglied 000001 bin). Aktuell sprechen die im FWR organisierten Verbände nur noch offiziell mit einer gemeinsamen Stimme. Die Abstimmungen zwischen den Verbänden dauern viel zu lang, nicht jede Mitgliedsorganisation ist offenbar mit den Verlautbarungen und Plänen einverstanden  (nachlesbar in der letzten, mit zwei Jahren Verzögerung (!) erschienenen FWR-Zeitschrift Forum News).

Wer also für seine jeweiligen Verbandsmitglieder und ihre Beiträge das maximal Mögliche auf EU-Ebene herausholen möchte, der sollte (zumindest parallel zu den FWR-Aktivitäten) selbst eigenständig tätig werden und sich nicht darauf verlassen, dass das FWR wie beim Ablasshandel schon alles regelt. Das passiere auch bereits auf mehreren Ebenen, wie es etwa der Schützenbund in seiner Stellungnahme andeutete (er ist kein FWR-Mitglied mehr, sympathisiert aber mit den Zielen, solange sie eben DSB-konform sind). Während der DSB aber oft die Rückendeckung des Deutschen Olympischen Sportbunds und als alleiniger Olympia-Teilnehmerlieferant auch meist die der Politik genießt, wird es für die kleineren Verbände schwerer.

Eine neue Einigkeit, auch und gerade im gemeinsam betriebenen Forum Waffenrecht, wäre für alle Verbände daher der erste notwendige Schritt, um wieder reagieren und auch proaktiv vorangehen zu können (UE).