Test: Taschenpistole von "Peter Merz in Basel" – wie schießt sich das Einzelstück?

Peter Merz Taschenpistole
Charakteristisch für den Merz sind der steile Vogelkopf-Griff, der Spornabzug, der lange Sporn des Hahns und der Ausstoßerstab links. Man beachte die recht groß ausgeführte Rankengravur.

Und dann war da das Angebot eines Lesers, doch auch mal seine Taschenpistole vom Typ Derringer für VISIER und all4shooters.com zu testen und vorzustellen. Anfangs erzeugte der Vorschlag in der Redaktion keine besondere Spannung, zugegebenermaßen. Bis ein Name fiel: Peter Merz.

Also noch mal nachgefragt. Und da war dann zu hören, der fragliche Derringer trüge nicht nur die gleiche Laufinschrift, wie sie an dem auf all4shooters vorgestellten Revolver zu sehen war – Sie erinnern sich: 20 Schuss und zwei Läufe übereinander. Nein, zudem sei der Derringer von sehr ähnlicher Machart, auch die Gravuren glichen sich stark. Nach dieser Ansage stieg das Spannungsbarometer bis zum Anschlag. Denn trotz der großen Leserresonanz auf den Artikel zu diesem Multischuss-Bock-Revolver liegen zur Person von Peter Merz bislang nur vage Angaben vor: Leider schon vor längerer Zeit verschieden, sei er an Waffentechnik hochinteressiert gewesen und habe Waffen gesammelt, so war zu erfahren. Aber auch, er sei ein recht eigenwilliger Mensch gewesen, seine Angehörige seien ausgewandert. Für die, wahrscheinlich von Peter Merz inspirierten oder sogar entwickelten, mit Blick aufs Technische hochinteressanten Realstücke gibt es Hinweise auf einen Entstehungs-Zeitraum zwischen 1950 und 1970. Als Hersteller wurde eine Uhrenmanufaktur im Schweizer Jura genannt – es bleibt also auch in dieser Hinsicht spannend.

Derringer von Merz:

Schon der erste Blick auf den Derringer beseitigt letzte Zweifel an der Fertigungsgleichheit: Die tiefe, blau-schwarz glänzende Brünierung, eine zum Verwechseln ähnliche Gravur, der hochglanzverchromte Hahn und Abzug – es hätte der Signatur gar nicht bedurft. Und sofort fällt auf: Diese Waffe zeigt sich anders konstruiert als gängige Derringer-Modelle. Die orientieren sich meist an der Bauweise des 41er Remington Over-Under-Derringer, konstruiert von William Elliot, produziert 1866 bis 1935 und bis heute vielfach kopiert sowie variiert. Solche mit Bockläufen bewehrten Kurzwaffen verriegeln über eine Welle im Boden, deren Nocke hinter einem korrespondierenden Hakenstück des unteren Laufes eingreift. Sie verfügen oft über einen Auszieher, der beide Hülsen simultan entsorgt. Und sie haben zwei im Stoßboden eingelassene Schlagbolzen, die durch eine im Hammer eingebaute Klinke abwechselnd angeschlagen werden. Das sorgt automatisch dafür, beide Läufe durch Nachspannen des Hahnes hintereinander abfeuern zu können.

Peter Merz Taschenpistole mit geschwenktem Lauf
Ist der Lauf zur Seite geschwenkt, lässt sich die Waffe laden, auch kann man mit dem zum Transport und Führen eingeschraubten Stab von vorn leere Patronenhülsen ausstoßen.

Peter Merz gestaltete seinen Derringer hingegen als "Wender". Die Läufe werden nach dem Entriegeln nicht nach oben geklappt, sondern um eine Achse jeweils 180 Grad gedreht. Ob nach links oder rechts, ist egal. Es findet sich also kein Umschaltmechanismus für zwei Schlagbolzen, sondern nur ein einfaches Hahnschloss, das stets die Patrone im oberen Lauf zündet. Das ist für einen Waffentyp, dessen Einsatzdistanz kaum zwei Meter überschreiten dürfte – freundlich formuliert – schon gewagt, da nach dem ersten Schuss kaum Zeit zum Wenden bliebe. Peter Merz hielt es wohl mit einer alten Combat-Weisheit: Der erste Treffer zählt! Und wie kommen die Hülsen wieder raus? Nix da mit Auto-Ausstoßer oder (wenigstens) Auszieher – linksseitig am Laufbündel prangt eine Hülse und die enthält eine Ausstoßerstange. Damit lassen sich die Patronenhülsen erst entsorgen, wenn man den Stab losgedreht hat. Ganz der Erste war Peter Merz freilich nicht mit dem Prinzip der Wendepistole: Zwischen 1868 und 1880 lieferte der US-Hersteller Frank Wesson seinen in drei Größen und in den drei Kalibern .22 Short Rimfire, .32 Short Rimfire und .41 Short Rimfire gebauten Superposed-Derringer, dessen Laufbündel sich ebenfalls manuell um eine in Schussrichtung liegende Achse drehen ließ.

Zwei Schmankerl an der Taschenpistole von Peter Merz:

Peter Merz Taschenpistole Entriegelungshebel
Die Detailansicht der Merz-Taschenpistole zeigt den Entriegelungshebel samt (teilweise erkennbarem) Riegelnocken an der Hebelwelle.

Nach der ersten Bestandsaufnahme gab es enttäuschte Gesichter. Eine für Nahdistanz-Konfrontationen gedachte nur einschüssige, aber zweiläufige Waffe – das war jetzt alles? Auf den zweiten Blick fielen jedoch die einseitig angebrachten, kleinen Laschen an den Kimmenflanken auf. Sie dienen als Anschlag, der die korrekte Lage des Laufes ermöglicht. Erst bei näherer Beschäftigung mit dem Verriegelungshebel kam die Besonderheit dieser Waffe zum Vorschein: Der Nocken an der Achse des Hebels greift nicht in den Lauf, sondern in den Kimmenausschnitt – da also hat sich die technischskurrile Besonderheit dieser Waffe versteckt! Es scheint, dass Merz seine Waffen eher aus einer ingeniös-verspielten Laune als aus praktischen Erwägungen heraus schuf.

Weitere Spekulationen drehten sich um das Kaliber der Waffe: .32 Smith & Wesson. Diese seit 1878 auf dem Markt befindliche Patrone realisiert aus zwei bis drei Zoll langen Läufen zwischen 100 und 150 Joule. Das klingt nicht beeindruckend. In den USA wird sie zu den "Laugh first, die later"-Patronen gezählt. Frei übersetzt: "Lache erst, stirb später". Aber nach Lachen wird König Umberto I. von Italien kaum zumute gewesen sein – er erlag am 29. Juli 1900 seinen Wunden, hervorgerufen durch Schüsse in .32 S&W. Und auch nicht US-Präsident William McKinley, der am 6. September 1901 ebenfalls mit diesem Kaliber tödlich verwundet wurde. Zu dieser Zeit war die .32 S&W eine begehrte Patrone für kleine, leicht zu verbergende Revolver. Ab 1920 verlor dieser Waffentyp immer mehr Boden an Taschenpistolen.

In der Nierentisch-Ära um 1950 zählte die .32 S&W zu den noch bekannten, aber längst nicht mehr populären Kalibern. Warum hat der Hersteller dieses Derringers keine andere, deutlich stärkere Patrone gewählt, etwa .32 S&W Long oder gar .38 Special? Vielleicht wegen des geringen Gasdrucks der .32 S&W, der bei nur 900 bar liegt, und weil sich eine Uhrenmanufaktur der verwendeten Stähle für eine Waffe nicht sicher war. Heute, über 140 Jahre nach ihrem Debüt, wird die .32 S&W kaum noch gefragt. Lediglich der brasilianische Hersteller CBC fertigt unter der Marke Magtech eine Laborierung, das italienische Unternehmen Fiocchi eine zweite, beide mit CIP-Zulassung. Für den Test greifbar war die Magtech-Patrone, gefertigt mit einem Hartbleigeschoss von 85 Grains (5,5 Gramm).

Technische Daten des Merz Derringers:

Modell:Peter Merz in Basel Taschenpistole
Preis:antiquarisches Einzelstück
Kaliber:.32 S&W
Kapazität:2 Patronen
Maße (LxBxH):155 x 26 x 95 mm
Lauflänge:69 mm
Laufprofil:Zug-Feld, 3 Züge rechts
Drall-Länge (zirka):1:14" (356 mm)
Gewicht:405 g
Ausführung:Doppelläufige Hahnspanner-Pistole mit Wender-System und manuellem Hülsenausstoßer. Verriegelung im Kimmenausschnitt. Material: C-Stahl, hochglanzbrüniert, Hahn und Abzug verchromt, Griffschalen aus Nussbaum. Dekor: einfache, florale Rankengravur. Visierung: U-Kimme / Dreieckskorn.

An der Feuerlinie – wie schießt sich der Merz Derringer?

Peter Merz Taschenpistole mit beschossenen Holzbrettern
Der Merz-Derringer auf den vom all4shooters-Team zwecks Check der Wirksamkeit beschossenen Brettern.

In gespannter Erwartung, welche Schussleistungen sich aus dieser Uraltpatrone ergeben, ging es auf den Schießstand. Im Mittel aus je fünf Messungen pro Lauf lag die Geschoss-Geschwindigkeit, einen Meter hinter der Mündung gemessen, bei rund 206 Meter pro Sekunde. Das ergibt eine Energie von 117 Joule. Signifikante Abweichungen zwischen den Läufen ließen sich nicht feststellen. Auf eine Distanz von rund eineinhalb Metern schossen die Läufe etwa drei Zentimeter auseinander, bei einem Hochschuss vom Haltepunkt von rund sieben Zentimeter. Das sind bei einer solchen Nahdistanzwaffe sehr gute Werte. Bei drei Meter liegen beide Treffer schon an der oft zitierten Bierdeckelgröße, und auf fünf Meter Entfernung sollte die Trefferfläche nicht unter DIN A 4 messen – selbst bei längerem Zielen. Dies liegt auch an der Derringer-typischen Ergonomie: Den Vogelkopfgriff umfassen nur kleine Handschuhgrößen noch mit zwei Fingern. Einige Weichholzbretter im Kugelfang klärten die Durchschlagskraft: Rund zwei Zentimeter starke Fichtenbretter durchschlagen aus dem Merz abgefeuerte Geschosse noch glatt, hingegen bilden drei Zentimeter schon das Limit. Im Schuss bockt die Waffe erwartungsgemäß nur wenig. Dabei liegt der Merz-Derringer mit 405 Gramm beim Gewicht eher im Mittel der heutigen Modelle. Die Hülsen lassen sich leicht entfernen. Würden die Patronenlager nicht auch die Hülsenränder aufnehmen, ließen sich die Hülsen ohne Probleme mit den Fingernägeln ausziehen.

Unser Test-Fazit zum Derringer von Peter Merz:

Wie der Multischuss-Revolver ist der Merz-Derringer eher ein Demonstrationsobjekt außergewöhnlicher Waffentechnik als bloßer Zweckgegenstand. Bleibt nur zu hoffen, dass noch andere Merz-Waffen auftauchen und mit ungewöhnlicher Konstruktion überraschen.