Pistole mit Rollenverschluss: Die Heckler & Koch P9S − Geschichte und Funktion eines gesuchten Sammlermodells 

Obwohl nicht gerade klein in ihren Abmessungen ist die Heckler & Koch P9S von eleganter Erscheinung. Schlank ist der Verschluss, der Lauf an die Mündung leicht hervorstehend. Metallisch blank blitzt er hervor, setzt einen farblichen Akzent im sonst vorherrschenden Schwarz. Schwarz ist der Verschluss, der in Blechprägetechnik hergestellt wurde. Glänzend an den Seiten, matt an der Oberseite. Schwarz sind auch die Metallteile des Griffstücks, die zu sehen sind. Denn der größte Teil des aus diversen Metallstücken zusammengeschweißten Rahmens ist mit einem schwarzen Stück Kunststoff verkleidet, das den Griff und den Abzugsbügel bildet. Die Griffschale, serienmäßig ebenfalls aus schwarzem Kunststoff, umschließt den hinteren Teil des Griffstücks. Im Auswurffenster wird noch einmal blankes Metall sichtbar – ein Teil der Laufbefestigung und gleichzeitig Verriegelungsstück. Orange die Markierung an der Kimme, weiß am Korn. Rote und weiße Farbe gibt es nochmals am Sicherungsflügel. Das Ganze arrangiert zu einer Pistole mit außergewöhnlichem Design. Wir werfen einen Blick auf die Technik dieser klassischen Pistole.

Heckler & Koch auf dem Weg zur P9S

MP5 von Heckler & Koch mit Zielfernrohr.
Die MP5 verwendet den Rollenverschluss in der althergebrachten Art.

In der P9S − die Abkürzung bedeutet Pistole 9-Schuss, Spannabzug − hat der im schwäbischen Oberndorf beheimatete Waffenhersteller all seine Erfahrung aus seinen bisherigen Waffenentwicklungen einfließen lassen – und musste für die neue Pistole doch so manches neu entwickeln. Im Jahr 1956 montierte Heckler & Koch die ersten in Spanien entwickelten CETME-Gewehre für die Bundeswehr, fertigte die zum G3 weiterentwickelte Waffe später in Großserie. Mit der Maschinenpistole MP 5 festigte man seinen Ruf gute Behördenwaffen zu entwerfen und mit der HK 4 hatte Heckler & Koch auch schon eine innovative Pistole im Programm, die den Weg zu deutschen Behörden fand. Der Zoll führte die ungewöhnliche Pistole mit der Möglichkeit zum Kaliberwechsel. Dabei beschränkte er sich aber auf 2 der insgesamt 4 lieferbaren Kaliber, nämlich 7,65mm Browning und .22 l.r.

Die Heckler & Koch P9 im Detail

Im Jahr 1968 entstand dann die P9 im Kaliber 9 mm Para. In der Projektphase noch als vollautomatische Waffe geplant und als Ausstattung für Panzerbesatzungen und Fallschirmtruppen gedacht, wurde sie dann doch nur als halbautomatische Pistole mit eher zivilem Anspruch realisiert. Zwei Jahre später, im Jahr 1970, kam dann der Spannabzug dazu. Fertig war die P9S. Sowohl die P9 wie auch die P9S haben einen innenliegenden Hahn. Er kann mittels eines an der linken Seite des Griffstücks angebrachten Spannhebels gespannt und in der Kombination mit dem Abzug auch wieder entspannt werden. Der Spannhebel ist ein Blechprägeteil, mit Kunststoff umspritzt. Die eigentliche Besonderheit steckt aber im Innern der Waffe. Es ist ihr Verschlusssystem.

Die Funktion des Rollenverschlusses bei G3 und MP 5

Ein beweglich abgestützter Rollenverschluss – so nennt Heckler & Koch diese Verschlussart. Sie stellt, anders als der Rollenverschluss des MG 42, keine starre Verriegelung zwischen Verschluss und Lauf her, sondern dient wie ein Getriebe der Übersetzung. Technisch korrekt ist es, sie deshalb als übersetzter Masseverschluss zu klassifizieren. 

Der grundsätzliche Aufbau: Ein Verschlusskopf mit je einer Übersetzungsrolle an der linken und an der rechten Seite. Ein Steuerstück, das die Rollen in der Endphase der Schließbewegung aus dem Verschlusskopf drückt und ein Verschlussträger, der relativ zum Verschlusskopf deutlich schwerer ist. Dazu gehören bei G3 und MP 5 ein massives, in das Gehäuse aus Blech eingesetztes Widerlager für die Rollen, das gleichzeitig die Aufnahme für den Lauf bildet. Es wird sinnigerweise Verriegelungsstück genannt. 

Die Funktion: Unter dem Druck der abbrennenden Treibladung drückt der Boden der Patronenhülse auf den Stoßboden am Verschlusskopf. Dieser beginnt nun zurück zu weichen. Da die Verschlussrollen mit der Bewegung nach hinten mittels der Schrägflächen am Verriegelungsstück nun in den Verschlusskopf hinein und auf das Steuerstück gedrückt werden, weicht dieses – und mit ihm der Verschlussträger – nach hinten aus. Der Verschlussträger wird beschleunigt. Er bewegt sich dabei zunehmend schneller nach hinten als der Verschlusskopf. Schließlich nimmt er den Verschlusskopf mit. Der Verschluss öffnet. Geführt wird der Verschluss bei G3 und MP 5 in Führungsbahnen, die ins Waffengehäuse geprägt sind.

Schlitten mit  am Lauf befestigtem Verriegelungsstück, der Verschlusskopf und der Verschlussträger.
Im Schlitten ist alles vereint: Das am Lauf befestigte Verriegelungsstück, der Verschlusskopf und der Verschlussträger mit dem hier nicht sichtbaren Steuerstück.
Rollenverschluss einer MP5.
Zum Vergleich der Rollenverschluss einer MP5, mit Verschlusskopf und Verschlussträger inklusive angesteckter Schließfeder.

Verschlussaufbau bei der P9S von Heckler & Koch

Vergleich 4 verschiedener Patronenhülsen.
Die Hülsen zeigen den Unterschied deutlich. Links frühe HK P9S ohne, rechts MP5 mit Gasentlastungsrillen.

Bei der P9S ist die Funktion im Prinzip genauso. Faktisch sieht der Aufbau aber anders aus. Der P9S fehlt das Waffengehäuse, wie wir es bei G3 und MP 5 kennen. Stattdessen hat sie ein Verschlussstück, das wie bei vielen anderen Selbstladpistolen auch als Schlitten auf dem Griffstück gleitet. In diesen Schlitten ist ein massiver Block eingesetzt, der auch das Steuerstück bildet. Darauf sitzt nun, durch eine gefederte Sperre gesichert, der Verschlusskopf mit seinen beiden charakteristischen Rollen. Das Verriegelungsstück, an dem sich die Rollen abstützen, bildet auch hier die Aufnahme für den Lauf. Es wird auf das Griffstück geklemmt. Die Schließfeder, bei G3 und MP 5 im sogenannten Durchladerohr oberhalb des Laufes untergebracht, ist hier über den Lauf geschoben. Der Lauf bewegt sich im Schuss nicht.

Frühe P9S weisen gegenüber den Exemplaren aus späterer Fertigung eine Besonderheit auf: sie haben keine Gasentlastungsrillen. Diese bei G3 und MP 5 für eine zuverlässige Funktion als zwingend notwendig erachtete Besonderheit wurde hier zunächst weggelassen. Mit der Umstellung von einem 6-fachen auf ein 4-faches Polygonprofil wurden dann auch Gasentlastungsrillen eingearbeitet. Sie gewährleisten ein zuverlässigeres Ausziehen der Patronenhülse – sorgen im Umkehrschluss aber für eine deutlich stärkere Beschmauchung des Verschlusskopfes und des Magazins. An den ausgeworfenen Patronenhülsen ist die Zeichnung der Gasentlastungsrillen oft deutlich erkennbar.

Zerlegeschutz in P 9S.
Bei dieser H&K ist im Verschlussträger der Zerlegeschutz sichtbar, der später wegfiel.

Das Fazit − das leistet die P9S von Heckler & Koch

Im Ergebnis ist die P9S eine Pistole, die sich angenehm weich schießt – zumal der Rückstoß noch durch ein Pufferelement vorne im Griffstück gedämpft wird. Im wichtigen Behördengeschäft hatte die P9S gegenüber der nur wenige Jahre jüngeren P7 aus dem eigenen Haus bald das Nachsehen. Die Stückzahlen der P9S blieben daher insgesamt gering. 

Neben der Version im Kaliber 9 mm Para gab es auch eine Version im Kaliber .45 ACP sowie eine im Kaliber 7,65mm Para. Zur Standardversion gesellten sich schon früh Sportmodelle mit längerem Lauf und verstellbarer Visierung. Heute ist sie ein gesuchtes Sammlerstück und noch immer ein technischer Leckerbissen. Gerade wegen ihres Verschlusssystems. Aktuell wird dieses Modell in gutem Zustand immer wieder mal zu Preisen von 700,- bis ca. 1.000,- Euro auf Sammlerbörsen oder in Internetbörsen angeboten.

Stand Mai 2020: Wer sich für so eine Waffe interessiert, wird hier bei Jagdwechsel.at fündig.


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