Klassische Pistole aus den 1970-er Jahren: HK P9S in 9 mm Luger: Ein Youngtimer von Heckler & Koch im Test

Beide HK P9S von hinten links.
Schlitten und Rahmen der HK P9S wurden geprägt, der Polygonlauf gehämmert.
Der Abzugsbügel bildete zugleich die Vorderseite des Griffstücks.

Als die ersten Pistolen mit Rollenverschluss anno 1969 bei Heckler & Koch in Serie gingen, hieß die Pistole noch P9. Besonders erfolgreich war die P9 aber nicht, denn neun Jahre später endete die Produktion der Waffe nach lediglich 510 Exemplaren. Stattdessen ging aber ab 1970 parallel die Variante P9S an den Start, deren Fertigung erst 1995 endete. Bis auf den traditionellen Spannabzug für den ersten Schuss unterschied sich die P9S nicht wesentlich von dem reinen Single-Action-Modell P9. Die neuen Pistolen aus Oberndorf zeichneten sich damals durch 3 Merkmale aus: den Lauf mit Polygonprofil, die spanlose Fertigung wesentlicher Teile im Kaltpress-Verfahren und natürlich den beweglich abgestützten Rollenverschluss, ähnlich dem Verschlussprinzip im Stil des Heckler & Koch G3. Polygonläufe finden sich auch heute noch bei Pistolen diverser Hersteller, aber geprägte Griffstücke oder Schlitten eher nicht und Rollenverschlüsse als Verrieglungselement hatten sich auch niemals besonders viele Pistolenhersteller auf die Fahnen geschrieben. Neben der P9/P9S befinden sich aber Rollenverschlüsse als Verriegelungselement auch bei der tschechoslowakischen vz. 52 oder der seltenen Pistole Korriphila HSP 701. Das erste funktionstüchtige Versuchsmuster entstand in Oberndorf bereits im Jahr 1966. Frühe Prototypen besaßen zumeist noch eine Aufnahme für einen Anschlagschaft und eine Einrichtung für Dauerfeuer, die allererste Ur-P9 verfügte sogar noch über einen außenliegenden Hahn. Einen Schlaghahn besitzen zwar auch alle späteren P9 und P9S, der sitzt allerdings vor Stößen oder Schmutz gut geschützt im Inneren der Konstruktion. Auch das Stahlgriffstück wurde komplett verblendet, der Magazinbereich durch die Kunststoffgriffschale und die Rahmenvorderseite vom Griffbereich bis unter die Mündung durch den Abzugsbügel, ebenfalls aus Polymer gefertigt.

Gründerjahre: Die P9S bei Heckler & Koch

Detailaufnahme der HK P9S von links.
Der Hebel hinter dem Abzug dient zum (Ent-)
Spannen und als Verschlussfanghebel.

Frühe P9S erkennt man heute an der Form der Griffschale, dem nach oben geschwungenen Abzugsbügel ohne die aggressiv geformte Fingerauflage späterer Varianten sowie durch Verarbeitungsdetails wie die Hochglanz-brünierten Schlittenflanken. Die abgebildete P9S mit der Nummer 100008 stammt aus der frühesten Phase der Serienproduktion, diese startete mit der Nummer 100001. Trotz Spannabzug findet sich in der Modellbezeichnung aber noch kein "S", weil der Hersteller erst noch einen Bestand an komplettierten P9-Verschlussgehäusen verarbeiten musste. Bei etwas späteren Mustern findet sich dann noch ein kleines "s" zwischen dem Herstellerschriftzug und der Modellbezeichnung, dafür reichte der Patz gerade noch aus.

Mehrfach überarbeitet und nicht nur in 9 mm Luger:

Unterschiedliche Signalstifte an den beiden P9S-Modellen.
Die P9S aus früher Fertigung (rechts) besitzt noch den kleinen Signalstift oberhalb
des Griffhorns und eine Griffschale mit stärker ausgeprägter Daumenaufl age.

Die Varianten der Heckler & Koch P9S

In den 1970ern wurde die P9S mehrfach überarbeitet, zu sehen etwa am rechts stärker ausgenommenen Auswurffenster oder dem rechteckig geformten Signalstift für die Spannanzeige späterer Varianten. Apropos Varianten: Standardmäßig lieferte HK die P9S als Pistole im Kaliber 9 mm Parabellum mit Vierzoll-Rohr und starrer Visierung. Ab 1973 fertigte man aber auch einige Exemplare in 7,65 mm Parabellum und 3 Jahre später kamen die wesentlich erfolgreicheren Modelle in .45 ACP auf den Markt. Das Unternehmen fertigte die P9S sowohl in 9 mm Luger als auch in .45 ACP in mehreren Sportversionen, erkennbar an der verstellbaren Mikrometerkimme. Neben vierzölligen Modellen stellte man auch Modelle mit einem auf 5,5 Zoll (141 mm) verlängerten Lauf nebst Laufgewicht vor. Typisch für die Sportmodelle war auch der aus dem Abzugsbügel hochschwenkbare Triggerstop. Dieser begrenzte wirksam den enormen Nachzug des P9S-Abzugs nach dem Auslösen. Hochgeschwenkt begrenzte er allerdings den Abzugsweg des Spannabzuges, unüberarbeitet ließen sich die Sportmodelle mit aktiviertem Triggerstop nur noch vorgespannt schießen.

Alle Details zur Heckler & Koch P9S auf einen Blick

Modell:HK P9S
Produktion:1970 - 1995
Kaliber:9 mm Luger
Kapazität:9 + 1 Patronen
Maße (L x B x H):192 x 34 x137 mm
Lauflänge:102 mm
Visierlänge:147 mm
Ausschnitt Kimme:3,5 mm
Kornbreite:2,9 mm
Abzugsgewicht:4.500 / 1.600 g
Gewicht:930 g leer
Ausstattung:Spannabzug, beweglich abgestützter Rollenverschluss, gehämmerter Polygonlauf aus rostträgem Stahl, Schlitten und Griffstück aus Stahlblech.

Hebelwerk: Technik und Bedienung der P9S von Heckler & Koch

Die P9S von Heckler & Koch in zerlegtem Zustand.
Die 2 Verschlussrollen greifen beidseitig in Nuten in der Laufgabel hinter dem Patronenlager der HK P9S ein.

Heckler & Koch beschritt nicht nur bei Fertigungstechnologien und dem Verschluss-System eigene Wege - auch bei der Bedienung der P9S findet sich mancherlei Eigenheit. Da wäre zunächst die Demontagewippe oben im Abzugsbügel. Zum Zerlegen der P9S entfernt man das Magazin. Dann drückt man die Wippe ein und den Schlitten ein paar Millimeter nach vorn. Das war es auch schon fast, denn jetzt lässt sich das gesamte Oberteil mit einem Griff nach oben abheben. Dann drückt man den Lauf durch die Mündungsbuchse des Schlittens, bis hinten die Laufgabeln freikommen, schwenkt die Gabeln aus dem Verschlussgehäuse heraus und hebt dann den Lauf zusammen mit der Schließfeder aus dem Schlitten. Viel einfacher geht es nicht und inklusive der Vorholfeder fallen bei der Demontage nur 5 Baugrupen an. Und dann wäre da natürlich noch der Multifunktionshebel rechts hinter dem Abzugsbügel. Solange man die P9S rein als Single Action-Pistole schießt, fungiert die Taste ganz konventionell als Schlittenfanghebel zum Arretieren oder Vorlassen des Verschlussgehäuses. Möchte man aber den gespannten Schlaghahn entspannen, dann läuft dies ebenfalls über diesen Hebel. Dazu muss allerdings zunächst der Hebel sehr weit nach unten heruntergedrückt, dann über den Druck auf den Abzug der Hahn entspannt werden und das um Himmels Willen nicht in umgekehrter Reihenfolge. Will man nun eventuell den innenliegenden, entspannten Hahn erneut vorspannen, dann funktioniert dies ebenfalls über einen herzhaften Druck auf den Multihebel, diesmal allerdings ohne Umwege über den Abzug.

Vergleich der Auswurffenster beider HK P9S.
Das Modell der P9S aus frühester Serienfertigung (links) besitzt noch ein deutlich kleineres Auswurffenster als spätere Exemplare.

Dieses Bedienungs-System wirkt aktuell sicherheitstechnisch bedenklich und wird auch dann nicht unbedingt großartig, wenn man den Sicherungsflügel dazwischenschaltet. Dieser findet sich ähnlich wie bei älteren Walther-Entwicklungen oben im Schlitten und wird ganz traditionell zum Sichern nach oben (und ergonomisch damit in die falsche Richtung) geschoben. Das eher verhalten gebogene Abzugszüngel war zu Zeiten der P9S ungewöhnlich, kommt aber aktuell schwer in Mode. Das gilt aber eher für reine Single-Action-Modelle oder Pistolen mit mittellangem Abzugssystem und stets gleichbleibendem Abzugsweg und -widerstand, weniger für Pistolen mit traditionellem DA/SA-Abzug wie im Fall der P9S. Der Spannabzug der P9S läuft gleichmäßig, aber relativ hart. Außerdem ist der Abzugsweg auch für ein e DA/SA-Pistole relativ lang. Um den Spannabzug der Waffe gut kontrollieren zu können, braucht es schon eine große Männerhand und allzu kurze Finger sollte man auch nicht haben. Wer wie bei den Sport-Varianten nur den Single-Action-Abzug nutzt, hat mit dieser Problemzone des Designs dagegen keine größeren Schwierigkeiten. Der Magazinhalter unterhalb der Griffschale war damals noch keine komplett unübliche Lösung für europäische Pistolen. Das Prinzip verträgt sich nicht mit Magazinen in Überlänge und zudem benötigt man für das Entnehmen des Magazins beide Hände, was sich bei Drucktasten oder Hebeln für den Zeigefinger oder Daumen wunderbar mit nur einer Hand bewerkstelligen lässt. Heutzutage wird dieses Prinzip dagegen nur noch selten verwendet, am ehesten bei einigen auf Westentaschenpistolen spezialisierten Unternehmen.

Die H&K P9S aus heutiger Sicht:

Detailaufnahme in den Sch.itten der P9S von HK.
Das Verschlussstück mit Rollen findet
sich hinten im Schlitten. Die Auszieherkralle der P9S von Heckler & Koch greift von oben in die Hülsenrillen.

Für Systemsammler ist die P9S obligatorisch, zu einzigartig ist die Kombination von Verschluss-System, Fertigungsverfahren und der Materialkombination. Auch für Sammler von Polizeiwaffen ist die Pistole hoch interessant und auf dem Sammlermarkt finden sich auch Exemplare der Saarländischen Polizei mit der entsprechenden Stempelung. Eine Vertreterin der für die Polizei Malaysias gefertigten P9S dürfte aber nur schwer aufzutreiben sein, ebenso eine der seltenen P9S mit dem Staatswappen Saudi- Arabiens. Was den Einsatz als Begleiter bei der Jagd betrifft, mit der nur gelegentlich geübt oder geschossen werden soll: Die P9S kann auch heute noch mit einigen Pluspunkten aufwarten, die bei Pistolen nie aus der Mode kommen. Da wären neben der feinen Verarbeitung die Top-Präzision bei guter Zuverlässigkeit. Als Spannabzugswaffe ist ihr Sicherheitskonzept allerdings unnötig kompliziert zu bedienen. Zudem fällt sie in Relation zu ihrer Kapazität unnötig groß und schwer aus und für kleinere Hände eignet sie sich nicht so recht. Als Sportpistole leisten die mit einer Mikrometervisierung ausgestatteten P9S in statischen Disziplinen auch heute noch gute Dienste, speziell die langläufigen Varianten mit Laufgewicht. Diese gab es als Büchsenmacherarbeit sogar bis hinauf zu Achtzoll-Modellen.

Blick von oben in das Griffstück der Heckler & Koch P9S.
Der Schlaghahn (hier gespannt, ganz rechts) wird komplett verdeckt. Er kann nur über den Abzug oder den Multifunktionshebel der H&K P9S manipuliert werden.

Das Problem ist hier eher, dass dies auch bei topgepflegten Gebrauchtwaffen die Vorbesitzer diese Qualitäten oftmals sehr zu schätzen wussten – die Schussbelastung eines Sportmodells wird im Durchschnitt erheblich über der einer gewöhnlichen HK P9S mit Vierzoll-Rohr und starrem Visier liegen. Egal ob als Sportmodell oder in der Standardausführung: Ersatzteile gibt es nur noch bei einigen Handelsunternehmen, nicht aber beim Hersteller. Die meisten Komponenten der Waffe lassen sich aber auch heute noch relativ problemlos beschaffen. Das ist auch besser so, denn die vergleichsweise komplexe Konstruktion besteht selbst bei den Standardmodellen mit starrer Kimme aus fast 80 Einzelteilen. Zu den Problemzonen der P9S zählen die Polymer-Puffer und auch deren Gehäuse. Die Puffer sollten theoretisch etwa alle 5.000 Schuss gewechselt werden. Beachtet man dies nicht, dann werden die Puffergehäuse zusätzlich stark belastet und können reißen. Sie sind als Ersatzteil deutlich schwerer zu beschaffen als die Puffer selbst und erheblich teurer sind die Puffergehäuse obendrein.