Gamsjagd in Frankreich – Bergjagd extrem

Die Anreise nach La Motte-en-Bauges erfolgte über die Schweiz. Gejagt wurde in "The National Hunting and Wild Fauna Reserve of Les Bauges" mit der örtlichen Unterstützung des "Office National des Forêts" und deren Ranger (Bergjagdführer). Das Jagdrevier hat eine Größe von 5.214 ha. Die höchste Erhebung ist der Arcalod mit 2.217 Höhenmetern. Das Revier ist bekannt für seinen hervorragenden Bestand an Gamswild. Doch das war nicht immer so.

Historischer Hintergrund des Jagdreviers in den Alpen

Teilstück der Schweizer Autobahn.
Die Anreise erfolgte über die Schweiz.

In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts war der Bestand an Gamswild hier komplett zusammengebrochen. Ursache war die starke Bejagung durch die einheimische Bevölkerung in der damals wirtschaftlich schwachen Region. Die Bergjagd auf Gamswild diente damals der ureigensten Form der Nahrungsbeschaffung. Das Verschwinden des Gamswildes begann jedoch schon viel früher. Um 1900 kaufte der französische Staat Flächen in der Region auf. Dies geschah um die Bevölkerung vor Fluten und Erdrutschen zu schützen. Verheerende Katastrophen waren damals keine Seltenheit. Um 1913 bemerkten Forstarbeiter, dass das Gamswild in der Region auf dem Rückzug war. Sichtungen wurden immer seltener. Dieser Prozess fand seinen Höhepunkt in den 30er Jahren. Der 2. Weltkrieg tat sein übriges dazu. Dass völlige Verschwinden des Gamswildes in der Region war nur noch eine Frage der Zeit.

Französischer Abschussplan in den Voralpen.
Auch in Frankreich macht der Abschussplan genaue Vorgaben.

Nach dem Krieg begann der französische Staat wieder Flächen in der Region zu kaufen und das Gamswild unter Schutz zu stellen. Ab dem Jahr 1954 wurde gefangenes Gamswild (aus Kroatien) in der Region angesiedelt, so dass ab dem Jahre 1958 wieder die kontrollierte Bejagung erlaubt wurde. Im Jahre 1985 begann die Markierung von Gams und Muffelwild. 1985 war auch das Jahr, in dem ein neues Austauschprogramm seinen Anfang nahm. So arbeitet das "The National Hunting and Wild Fauna Reserve of Les Bauges" heute mit Regionen in den USA, Kanada, Norwegen, Italien, Griechenland, Deutschland, Australien, Wales und Zimbabwe zusammen. Ein gutes Beispiel wie sich Jagd und Naturschutz gegenseitig unterstützen und nicht gegeneinander arbeiten. Seit dem Jahre 1996 gibt es hier eine professionelle Jagdschule in der im Jahre 2018 126 Jäger ausgebildet wurden.

Der Abschlussplan für die Region sieht 100 Abschüsse von Gamswild, 60 Stück Mufflon, 6 Stück Rehwild sowie 12 Stück Rotwild vor. Schwarzwild, welches auch hier mächtig zu Schaden geht – ist nicht begrenzt. Dass Schwarzwild bis auf 1.800 m zu finden ist, war auch für uns überraschend. Nach diesem kurzen Rückblick in die Geschichte der Region geht’s jetzt aber auf die Bergjagd. Halten Sie sich fest, schnallen sie sich an. Das ist nix für schwache Nerven.

Die richtige Ausrüstung entscheidet bei der Bergjagd

Das Gelände des Reviers.
Von der Beschaffenheit unterscheidet sich das Gelände stark von  der Jagd in den Karpaten.

Wer an das Wild heran will, der muss wohl oder übel den Berg hinauf. Anders als bei der Jagd auf Rotwild in den Karpaten – all4hunters.com berichtete – sind die Aufstiege hier sehr viel steiniger und ja −  an einigen Stellen des Massiv "Les Bauges" ist körperliche Fitness überlebensnotwendig. Zur Ausrüstung ein paar Tipps. Wechselsachen mitnehmen, auf leichte Kleidung (keine Baumwolle) achten, festes Schuhwerk (Bergschuhe, knöchelhoch) sind Pflicht. Als Tipp sei hier der Pirschstock von Jackele erwähnt, der uns gute Dienste leistete und neben seiner Hauptaufgabe als Zielstock noch einen 2. Zweck erfüllte. Als stabiler Haltgeber im Berghang konnte der Jackele voll überzeugen. Unser französischer Jagdführer Thierry war von dem Pirschstock so begeistert, dass er ihn gar nicht mehr hergeben wollte. An dieser Stelle noch der Hinweis: Bitte ausreichend Wasser mit sich führen, mindestens 1 l pro Jäger sind Pflicht.

Jäger schießt seine Waffe ein.
Das Einschießen der Waffe in neuem Gelände ist Pflicht.

Auch bei der Waffe sollte man auf das Gewicht achten. Jedes kg welches man mit sich führt, muss den Berg hoch und auch wieder runter. Wenn man dann noch Strecke macht, kann man sich vorstellen, dass die Bergjagd mehr als pures Jagdvergnügen ist. So erging es uns dann auch am ersten Jagdtag. Nach dem Kontrollschießen der Waffen, ging es mit den Bergjagdführern ins Jagdrevier. Tja und hier bleibt dann auch dem hartgesottenen Flachlandjäger die Spucke weg. Schon die Fahrt mit dem Auto ist ein Abenteuer, zwar sind die Wege deutlich erträglicher als zum Beispiel in Rumänien, wo wir vorzugsweise auf Rückegassen fuhren. Als wir das Auto jedoch verlassen und unseren Berg sehen, da kommen dann doch Zweifel auf, ob dass was wir da vorhaben wirklich so clever ist. Gut, unser Jagdführer lacht die ganze Zeit. Ist das jetzt ein gutes Zeichen?

Der Aufstieg geht an die Substanz

Zwei Jäger beim Aufstieg im alpinen Gelände.
Das Terrain in den französischen Voralpen bringt Mensch und Material an seine Grenzen.

Egal, kneifen gilt nicht – Augen zu und durch, es wird schon schief gehen. Zu unserem Erstaunen sind die ersten paar Meter weniger schwieriger als gedacht. Im Gegensatz zur Rotwildjagd in Rumänien wird der Berg in Frankreich gequert, zumindest am Anfang. Ein Knacken in der Dickung, Muffelwild geht ab. Zu kurz um zu filmen oder Stefan in Stellung zu bringen. So gehen wir langsam weiter. Auf ca. 1.200 Höhenmeter verlassen wir den schützenden Bergwald und erreichen ein Geröllfeld. Vor uns eine Steilwand aus grauen kalten Stein. Diese Wand aus Kalkstein geht senkrecht in die Höhe. Wie sollen wir da hochkommen?

Unser Bergführer ist schon im Hang und quert die erste Passage. Wir also hinterher und das bitte ganz vorsichtig. Oftmals ist der sichere Tritt hier weniger als 1 m breit. Weiter oben wird die ganze Sache dann noch etwas enger und schmaler. 30-40 m Abgrund im Blick, man kann sich vorstellen, dass ein Schritt über Leben oder Tod entscheidet. Ohne den Pirschstock von Jackele wäre der Aufstieg wohl nicht möglich gewesen. Man hält sich an allem fest, was einem in die Finger gerät. Nach ca. 300 m haben wir diese Hürde genommen. Vor uns ein Flussbett mit riesigen Gesteinsbrocken. Hier noch hoch, dann sind wir auf dem Hochplateau auf dem wir Gamswild erwarten.

Gamswild − die Stücke im Anblick

Jäger und Jagdführer mit zwei erlegten Stücken Muffelwild.
Glücklicher Erleger und Jagdführer: Erfolgreich konnten 2 Stücke Muffelwild erlegt werden.

Nach ca. 100 m ein Blick durch das Fernglas und tatsächlich bekommen wir 2 Gamswildstücke auf 600 m in Anblick.  Ein Fernglas mit Entfernungsmesser ist hier wirklich sinnvoll. Zu weit für einen sauberen Schuss, entschließen wir uns weiter Richtung Gipfelplateau zu steigen. Hinter einem kleinen Bergrücken taucht auf einmal Muffelwild auf. Dann geht alles ganz schnell. Unser Bergjagdführer Thierry gibt einen Widder frei, Stefan liegt in Bruchteilen von Sekunden auf dem Boden und geht mit der Sauer 404 in Anschlag – für unseren Kameramann fast zu schnell – lässt er die Speedtip Pro in .300 WinMag von RWS  fliegen. Das Stück zeichnet gut und geht noch 30 m - bevor es liegt. Unser Jagdführer sagt, dass wir ein 2. Stück – weiblich – erlegen möchten und so fliegt die Speedtip Pro heute auf zum 2. mal. Auch das Stück liegt. Danach fällt erst einmal die Anspannung von uns ab.

Die Stücke werden versorgt und dann kommt die Frage, auf die ich natürlich in keinster Weise vorbereitet war. Mit französischem Akzent seinen Namen zu hören war für mich an diesem Tag eh schon Premiere, das 2. Stück dann ins Tal bergen zu dürfen – darauf war ich nun gar nicht vorbereitet. Man kann sich vorstellen, dass was jetzt kommt, sprengt den Rahmen und könnte für eine eigene Geschichte herhalten. Deshalb will ich es kurz machen. Einfach den Film anschauen und Ja: "Ich hatte die Schnauze gestrichen voll."   Zwei mal lag ich auf der Nase, eine blutige Flanke und 3 kg weniger Gewicht – das stand am Abend auf meiner Stempelkarte. Für den nächsten Tag ist Regen angesagt. Ob das gut geht?

Der 2. Jagdtag in den französischen Voralpen

Aufstieg am Berg über Geröll.
Der Aufstieg über Geröll macht die Jagd im alpinen Gelände nicht einfacher.

Früh am Morgen. Es regnet. Wir bereiten uns vor, der 2. Jagdtag steht an. Heute soll es nicht ganz so dramatisch werden.  "Wie am ersten Tag, oh NO?",  sagt unser Bergjagdführer Thierry und lacht. Die Jäger schauen sich an. Allen steht in diesem Augenblick der selbe Gedanke aufs Antlitz geschrieben: "Meint der das jetzt ernst oder wird es noch schlimmer werden?"   Einer der anderen Jagdgäste hat schon aufgegeben. Ob es an dem ersten Jagdtag oder am reichhaltigen Essen lag? Wir werden es wohl nie erfahren. Eines ist Fakt, die Jagd auf Gamswild ist nichts für Weicheier und das meine ich noch nicht mal abwertend.

Mann muss sich einfach darüber im klaren sein, dass man hier an seine Grenze kommt. Deshalb auch der treffende Name "Hart an der Grenze" für den Film im Oldenburger Jagdcenter.

Wir steigen ins Auto und fahren im Dunkeln los. Heute sind wir einen Berg weiter gefahren und stehen nun im strömenden Regen im Wald und warten. Warten das es hell wird. Nach 20 Minuten hört es auf zu regnen und wir machen uns startklar. Die ersten 500 m sind relativ einfach zu bewältigen. Kühe stehen links und rechts des Weges und beäugen uns mit Gleichmut. Wir verlassen das Tal und steigen über ein Flussbett mit nassen und glitschigen Geröll in den Mittelteil des Berges ein.

Jäger mit erlegter Gams.
Die Gams lag am Platz. Der Erleger ist zufrieden.

Zu unserer Überraschung geht’s doch einfacher als gedacht. Obwohl man aufpassen muss. Alles ist nass und feucht. Ausrutschen will man auch nicht. Ich denke kurz an meine blutige Flanke. Die beiden Stürze im Steilhang vom Vortag haben ihre Spuren hinterlassen − nicht nur am Körper sondern auch im Kopf. Wir verlassen das Waldstück und kommen am unteren Bergkopf an. Die Sicht ist gut, trotz des Nebels − der sich auf der anderen Seite des Tales am Berg festklammert und noch nicht loslassen will. Doch die Sonne wird das schon richten. Es dauert nicht lange und wir sehen die ersten Gämse. Zwei Böcke ruhen auf der Alm. Für einen sicheren Schuss zu weit von uns entfernt, ziehen wir weiter. Unser Jagdführer Thierry sagt, dass wir noch 25 Minuten weiter aufsteigen müssen und dann mit mehr Gamswild rechnen können. Gute Aussichten. Wir ziehen also langsam weiter. Der Kameramann ist gerade dabei, ein Foto vom Blick ins Tal zu machen, als Stefan und Thierry hinter einem kleinen Hügel im Anstieg verschwinden. Als die beiden eingeholt sind, steht Stefan schon mit der Sauer 404 in Anschlag und hat eine Gams im Fokus. Die Kugel fliegt und das Stück liegt am Platz.

Das Stück wird versorgt und wir sind in diesem Moment nicht wirklich traurig darüber, dass die Pirsch in den Bergen heute schneller zu Ende gegangen ist. Vielleicht war es ja auch ein Vorteil am ersten Tag die harte Tour durch die Berge zu machen.


Über diese Bergjagd ist auch ein Film entstanden, der auf dem  YouTube-Kanal des Oldenburger Jagdcenters abrufbar ist.