Vorsicht vor digitalen Rattenfängern! Wie findet man den richtigen Online-Jagdscheinkurs?

all4hunters.com informiert und zeigt Ihnen, was man bei der Ausbildung zum Jungjäger beachten sollte. Dazu finden Sie in diesem Beitrag, Grafiken und Videos, die das Dilemma verdeutlichen, in dem ein Jagdschüler steckt. Dieser Beitrag ist in mehrere Bereiche unterteilt und Sie können direkt zu den einzelnen Abschnitten springen und sich die Informationen heraussuchen die Sie benötigen:

  1. Geschichte von Online-Lernsystemen
  2. Was für ein Lerntyp bin ich?
  3. Wo möchte ich den Jagdschein machen?
  4. Verkürzte Kursform: ja oder nein?
  5. Datenschutz bei Online-Jagdscheinkursen
  6. Support durch Fachautouren, geprüfte Dozenten und Berufsjäger
  7. Wie sieht es mit der Praxis aus?
  8. Vorsicht vor den Rattenfängern
  9. Die Lernwege zum Jagdschein
  10. Checkliste zur Jagdscheinausbildung

Was sagen Verbandsvertreter zu Online-Jagdscheinkursen?

DJV.de
Torsten Reinwald, Pressesprecher und stv. Geschäftsführer, Deutscher Jagdverband e.V.

Torsten Reinwald, Pressesprecher und stv. Geschäftsführer, Deutscher Jagdverband e.V.:

"Online-Elemente sind eine sinnvolle Ergänzung zum Präsenzunterricht. Unsere Befragungen unter Jungjägern in den Jahren 2011 und 2017 zeigen: Die Jagdschüler sind mit der derzeitigen Ausbildung sehr zufrieden – zur Qualität der Ausbilder sagen das beispielsweise 85 Prozent. Beim Thema Mediennutzung gibt es allerdings Nachholbedarf, hier sinkt die Zufriedenheit. 2017 waren nur 59 Prozent sehr zufrieden.

 Die Jagd ist ein Handwerk. Ich muss im wahrsten Sinne des Wortes begreifen, was sie ausmacht. Präsenzunterricht – ganz besonders bei der Waffenhandhabung oder Wildbrethygiene – ist nicht durch digitale Inhalte ersetzbar. 

Für die Ausbildung an der Waffe fordern wir bundesweit einheitliche Mindestkriterien, die Eingang finden sollten in das neue Bundesjagdgesetz.

Wir machen uns zudem dafür stark, dass es einen bundeseinheitlichen Schießübungsnachweis gibt. Jeder Jäger sollte mit seinen Waffen vertraut sein – und das geht durch Übung. Wenn natürlich auf einem Schießstand tatsächlich einfach so das Übungsheft gestempelt wird, lehnen wir das strikt ab."

Henning Voigt, Leiter Jägerlehrhof des LJV Mecklenburg-Vorpommern

Henning Voigt, Leiter Jägerlehrhof des LJV Mecklenburg-Vorpommern, zu seiner persönlichen Sicht der Dinge:

"Ich selber verfüge über keinerlei Erfahrung in der Duchführung von Online-Kursen. In mehr als 30 Jahren habe ich ca. 2.000 Jungjägeranwärter/innen im Rahmen des Präsenzunterrichts und in der Praxis ausgebildet. Die Jägerprüfungsverordnung und der Ausbildungsrahmenplan für M-V schreiben einen praktischen Ausbildungsteil vor. Die Praxisanteile sollen etwa ein Drittel der Ausbildung betragen. Diese praktischen Ausbildungsstunden lassen sich natürlich nicht im Online-Unterricht vermitteln, auch nicht hilfsweise.

Im fachtheoretischen Unterricht lehren wir nicht alleine Fachwissen, sondern auch grundlegende Haltungen, die der Weidmann oder die Jägerin unbedingt beachten muss. Ich denke hier besonders an Fragen der Weidgerechtigkeit und die ethische Einstellung zum Wildtier und zur Umwelt. Diese Dinge lassen sich nach meinem Dafürhalten nicht im Online-Unterricht vermitteln. Online-Jagdscheinkurse können demnach nur zusätzlich zum Präsenzunterricht sinnvoll sein.
Ein weiterführendes Lehrgangsangebot halte ich für wichtig. Die Landesjagdverbände führen Fachlehrgänge in den verschiedensten Bereichen durch. Diese Lehrgänge sind stark nachgefragt und gut besucht. Das Wichtigste für den Jungjäger oder die Jungjägerin ist nach bestandener Jägerprüfung aber ein guter Lehrprinz. Wichtig ist nun ein Jäger, der den Jungjäger mit ins Revier nimmt und ihm unter Anleitung die Möglichkeit gibt, praktische Erfahrungen zu sammeln. Das Lernen ist nämlich nicht mit Bestehen der Jägerprüfung beendet, das Lernen in der Praxis beginnt jetzt erst richtig."

1. Geschichte von Online-Lernsystemen

Online-Lernkurse findet man wie Sand am Meer. Den Trend, im eigenen Tempo zu lernen, gibt es in allen erdenklichen Bereichen – also auch in der Jagd-, Angel- und Outdoor-Branche. Nicht erst seit Corona ist das Lernen von Zuhause zur neuen Normalität geworden. 1951, also vor 70 Jahren, nahm die erste "School of the Air" in Alice Springs (Northern Territory/ Australien) ihren Betrieb auf. Schüler wurden so per Fernunterricht im Outback unterrichtet. Anfangs per Kurzwellenfunk, also über das Radio, später – mit Beginn des Internetzeitalters – wurde und wird ausschließlich über die Datenbahnen des World Wide Web unterrichtet. Auch bei uns ist das Lernen über Onlinemedien nicht mehr wegzudenken. Dennoch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass Online-Lernsystem nicht gleich Online-Lernsystem ist. Und wenn man nicht aufpasst, ist das Geld schneller weg, als einem lieb ist.

2. Was für ein Lerntyp bin ich?

Bevor man sich für ein Lernsystem entscheidet, sollte man sich folgende Frage stellen: Was für ein Lerntyp bin ich eigentlich?Was so simpel klingt, wird spätestens dann zum Problem wenn man sich wirklich diese Frage stellt und keine eindeutige Antwort darauf hat.

Die meisten von uns kennen ja nur den Präsenzunterricht mit Lehrer an der Tafel und Banknachbarn. Präsenzunterricht und Online-Unterricht sind jedoch zwei völlig unterschiedliche Lernsysteme. Während ich im Unterricht mit Lehrer und Banknachbarn direkten Kontakt im Klassenzimmer habe, Fragen stellen kann und manch einer auch gerne mal beim Nachbarn sein Wissen abholt, sieht das bei Online-Kursen ganz anders aus. Hier sitzt man in der Regel alleine vor dem Notebook und muss sich durch den Lernstoff arbeiten. Das stellt manch einen vor Probleme, denn Fragen die aufkommen, kann man eben nicht direkt mit dem Banknachbarn oder Lehrer klären. Zudem kommt, dass Online-Lernsysteme vor allem in der Erwachsenenbildung zum Einsatz kommen. Schüler die zum Beispiel einen bewegungsintensiven Arbeitsalltag haben, können sich möglicherweise nicht so lange vor dem Rechner konzentrieren, da die Körperbewegung des Alltags fehlt. Man sollte also Lust haben sich alleine durch die Inhalte zu arbeiten.

Stellen Sie sich also die Frage, ob Sie zum Online-Lernen geschaffen sind oder ob Sie es bevorzugen in der typischen Lernumgebung aus Klassenzimmer, Lehrer und Banknachbarn die Lerninhalte aufzunehmen.

3. Wo möchte ich den Jagdschein machen? 

Nicht unwesentlich ist die Frage: Wo möchte ich den Jagdschein machen? Wir haben für euch mal die Prüfungsvoraussetzungen in den einzelnen Bundesländern in drei Grafiken zusammengefasst. Wenn man sich die Grafiken in Ruhe anschaut stellt man fest, das in Deutschland – was die Jagdscheinprüfung betrifft – echtes Chaos herrscht. Das was in Mecklenburg-Vorpommern als relevanter Prüfungsstoff für die Jagdscheinprüfung angesehen wird, spielt in Hamburg oder im Saarland möglicherweise keine Rolle.

Schauen Sie sich dazu mal die Prüfungsbedingungen im praktischen Teil (Schießprüfung) an. Es ist kein Wunder, dass in manchen Bundesländer (gefühlt) an jeder zweiten Ecke eine Jagdschule den Umgang mit scharfer Munition lehrt. Die aktuellen Zahlen des Deutschen Jagdverband e.V zur Ausbildung von Jägern im Jahr 2020 spiegeln das sehr deutlich wider. Während es in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern mit ca. 1,6 Millionen Einwohnern 2.350 Anmeldungen zur Jagdscheinprüfung gab, kommt Berlin mit 3,8 Millionen Einwohnern nur auf 26 Anmeldungen für das Grüne Abitur. An der Kurspflicht kann es nicht liegen, denn in Berlin besteht diese nicht, dass heißt ich muss rein rechtlich nicht am Präsenzunterricht teilnehmen und kann mich trotzdem zur Jägerprüfung anmelden. Auch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen besteht keine Kurspflicht, doch 2020 gab es hier 3.973 (Niedersachsen) und 1.593 (Nordrhein-Westfalen) Anmeldungen zur Jägerprüfung. Ein weiteres Bundesland in dem es keine Kurspflicht gibt ist Rheinland-Pfalz. Hier benötigt man jedoch einen Mentor, der einen über 12 Monate auf die Jägerprüfung vorbereitet und von der Prüfungskommission der Landesjägerschaft akzeptiert werden muss.

Man könnte die Frage "Wo möchte ich den Jagdschein machen?" noch weiter führen, denn es gibt so einige Dinge die man auf jeden Fall im Blick behalten muss, wenn man den Jagdschein machen möchte. Für diejenigen die sich auf die Jägerprüfung online vorbereiten möchten und auf den Präsenzunterricht verzichten wollen, sei an dieser Stelle angemerkt, dass nur die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Würtenberg einen gewissen Anteil von Online-Unterricht als Prüfungsvoraussetzung für die Jägerprüfung anerkennen. Man kann also verkürzt sagen, dass es aktuell nur in drei Bundesländern möglich ist ohne Kurspflicht und sich ausschließlich mit Online-Jagdkursen auf die Jägerprüfung vorzubereiten. Das trifft auch auf Rheinland-Pfalz zu, nur mit der Einschränkung das man dort einen Mentor braucht, um zur Prüfung zugelassen zu werden.

In welchen Bundesländern ist welche Schießprüfung für den Jagdschein nötig? (Klicken Sie auf das Bild, um es zu vergrößern).

4. Verkürzte Kursform: ja oder nein?

Nicht jeder hat 12 Monate Zeit, sich auf die Jägerprüfung vorzubereiten. Das liegt an den unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen jedes Jagdschülers. Viele Jagdscheinanwärter sind beruflich stark aktiv und sind oftmals an kurze Zeitfenster gebunden. Viele nehmen für die Jagdscheinausbildung auch Urlaub. Es ist also kein Wunder das kurze Jagdscheinkurse im Trend sind. Doch sind sie auch sinnvoll? Diese Frage sollte sich jeder stellen, der sich mit der Absicht trägt das Grüne Abitur abzulegen.

Sie sollten auf jeden Fall skeptisch werden, wenn die Jagdscheinausbildung extrem kurz daher kommt. Mann kann sich natürlich auch über Online Jagdschein Kurse fortbilden. Nichtsdestotrotz, muss man Exponate, Bäume und Jagdeinrichtungen im Revier auch einmal angefasst haben, um sie zu begreifen. Das geht online natürlich nicht. Offensichtlich wird das beim Thema Waffenhandhabung. Die Schießprüfung ist in jedem Bundesland zur Jagdscheinprüfung Pflicht. Hier den Unterricht zu kürzen wäre fatal! Auch online kann man die Waffenhandhabung nur bedingt vermitteln, denn in der Jagdscheinprüfung muss man mit Flinte, Büchse und Kurzwaffe fehlerfrei abliefern. Vorsicht ist also geboten, wenn Jagdscheinkurse im Schnellverfahren angeboten werden.

5. Datenschutz bei Online Jagdscheinkursen

Wie immer, wenn es um persönliche Daten mit Bezahlfunktion geht, achten Sie auch bei Online-Jagdkursen auf den Datenschutz. Da man beim Kauf von digitalen Produkten in der Regel keinen Verkäufer im herkömmlichen Sinne vor sich hat, solltet Sie bei Online-Angeboten skeptisch sein, wenn es zum Beispiel kein Impressum auf der Internetseite gibt. Seriöse Anbieter werden Ihnen ohne Nachfragen die Datenschutzverordnung ihres Angebotes zur Verfügung stellen. Vorsicht bei Adressen aus dem Ausland, die Angebote auf dem deutschen Sprachmarkt anbieten.

Wie sind die schriftlichen Jagdprüfungen in den einzelnen Bundesländern gestaltet? (Klicken Sie auf das Bild, um es zu vergrößern).

6. Support durch Fachautouren, geprüfte Dozenten und Berufsjäger

Es gibt mittlerweile Jagdschulen die ihr eigenes Kursangebot mit Online-Jagdscheinkursen aufgewertet haben und als zusätzliches Angebot neben dem Präsenzunterricht anbieten. Hier könnt Sie in der Regel sicher sein, dass Sie immer einen Ansprechpartner haben, wenn es mal um Nachfragen zum Online-Jagdscheinkurs geht. Wer kein eigenes Online-Lernsystem als Ausbilder (Hegering, Jagdschule) bietet und auf die klassischen Lernsysteme setzt, wird Ihnen auch immer einen Support und Hilfe bei Nachfragen anbieten. Ein Service der beim reinen Download eines Jagdscheinkurses fehlt. Natürlich sollten Sie auch fragen, auf Grund welcher Daten die Ausbildungsmaterialien erstellt wurden. In aller Regel ist es so, dass auch Online-Anbieter von Jagdscheinkursen ihr Wissen aus den klassischen Buchtiteln von Bruno Hespeler, Herbert Krebs, Siegfried Seibt oder durch das Lernsystem von Friedhelm Heintges erworben haben.

7. Wie sieht es mit der Praxis aus?

Praxisunterricht ist im Online-Seminar nur schwer vermittelbar. Das wird sich auf Dauer auch nicht so schnell ändern, denn auch wenn mir ein Dozent zeigt, wie ich den Schwanenhals zu spannen habe, fehlt mir doch die haptische Erfahrung. Die Waffenhandhabung hatten wir ja schon mal erwähnt, doch man kann es nicht oft genug sagen: Die Waffenhandhabung muss sicher sein, dass geht nur über Anfassen, Begreifen und letztendlich nur über den scharfen Schuss auf dem Schießstand. Schießen lernt man nicht über einen Online-Jagdscheinkurs. 

Das kann in den einzelnen Bundesländern bei der mündlichen Jagdprüfung auf Sie zukommen (Klicken Sie auf das Bild, um es zu vergrößern).

8. Vorsicht vor digitalen Rattenfängern

Wie schon in Punkt 2 des Beitrages erwähnt, sollte man sich im Vorfeld darüber im Klaren sein, was man für ein Lerntyp ist. Das selbstständige Lernen von Zuhause aus, ist nicht jedermanns Sache. In den Angeboten von digitalen Lerninhalten tummeln sich auch schwarze Schafe. Die versprechen dann in der Regel mehr als sie halten können. Wenn man für digitale Inhalte bezahlt, die Rechnung sofort da ist und man keine digitalen Produkte per angekündigten Download erhält, dann ist etwas faul. Das Geld ist dann in der Regel erst mal weg. Das passiert in Jagdschulen und Hegeringen per Ausbildungsvertrag natürlich nicht, denn hier haben Sie einen Ansprechpartner.

9. Die Lernwege zum Jagdschein

Im Augenblick gibt es drei Wege um den Jagdschein zu erlangen. Nummer 1 ist der klassische Weg, der über eine private Jagdsschule oder einen Hegering in unterschiedlich langen Kursformen im Präsenzunterricht angeboten wird. Weg Nummer 2 ist eine Kombination aus dem klassischen Präsenzunterricht und dem Nutzen von Online-Jagdscheinkursen, die durch die Jagdschulen selbst zur Verfügung gestellt werden. Daneben gibt es auch Jagdschulen und Hegeringe die auf die klassischen Lernsysteme setzen und damit den Unterricht per Online-Lernsystem aufwerten.

Das kann übrigens auch ortsunabhängig passieren, etwas was der klassische Produkt-Download nicht bieten kann. Bei Weg Nummer 1 und Weg Nummer 2 ist in der Regel auch immer ein Ansprechpartner in Form von Berufsjäger, Dozent oder Fachautor vorhanden. In beiden Beispielen wird der Praxisbezug immer einen sehr wichtigen Anteil in der Jagdscheinausbildung einnehmen,  achten Sie also darauf. Die Qualität einer Ausbildungsstätte können Sie auch daran erkennen, ob es in der praktischen Schießausbildung auch ein Schießsimulationstraining gibt. Jagdschulen, die neben der klassischen Schießausbildung auch Schießsimulation anbieten, solltet ihr also suchen. Genauso sollte eure Jagdschule über ein eigenes Lehrrevier verfügen. Weg Nummer 3 ist der reine Online-Jagdscheinkurs, der für manchen Jagdschüler genau das Richtige ist und in den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und mit Einschränkung Rheinland-Pfalz sicherlich auch den Weg zur Prüfung ebnet. Doch es fehlt eben der Praxisbezug, man kann eben nicht ins Lehrrevier gehen und wird in "Teilen" nur in Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg als Zugangsvoraussetzung für die Jägerprüfung anerkannt.

10. Checkliste zur Jagdscheinausbildung

Wenn Sie den Jagdschein machen wollen, sollten Sie sich folgende Fragen stellen:

  1. Was für ein Lerntyp bin ich?
  2. Welche Kursform kommt in Frage?
  3. In welchem Bundesland lebt ich und wo möchte ich jagdlich aktiv werden?
  4. Habe ich einen jagdlichen Background?
  5. Aus welchem Grund möchte ich Jäger werden?