ECHA Entscheidung: Blei für Aufnahme in das Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe vorgeschlagen

Das Gute am Umgang mit der EU und ihren Agenturen ist, dass man genau weiß, was man zu erwarten hat - nämlich, dass sie auf niemanden hören und ihren Weg weitergehen werden, ohne Rücksicht auf die Folgen für die europäischen Bürger, die Gesellschaft und die Wirtschaft. Was uns zu dieser Aussage bringt? Ungeachtet der vielen Stellungnahmen, die im Rahmen der öffentlichen Konsultation eingegangen sind, und trotz der begründeten Einwände schlägt die Europäische Chemikalienagentur ECHA in ihrer 11. Empfehlung vom 12. April 2023 Bleimetall für die Aufnahme in Anhang XIV der REACH-Verordnung vor, zusammen mit sieben weiteren Stoffen, die "besonders besorgniserregend" und "von höchster Priorität" sind.

Verbot von Bleimetall in Munition: Eine "unnötig bürokratische Belastung" und viele negative Folgen

In einem Positionspapier, das gemeinsam mit der AFEMS (Association of European Manufacturers of Sporting Ammunition) und anderen 30 Verbänden erarbeitet und von diesen mitunterzeichnet wurde, merkt die International Lead Association (ILA) an, dass "die Umsetzung der Empfehlung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), Blei in das REACH-Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe aufzunehmen, schwerwiegende Folgen für ein breites Spektrum strategisch wichtiger europäischer Industrien und Anwendungen hätte".   

Dazu gehören die Herstellung von Nichteisenmetallen, wie zum Beispiel "die Produktion von Bleibatterien, die Automobil-, Maschinen- und Anlagenbauindustrie, der Marinesektor, die Luft- und Raumfahrt und die Verteidigung, das Gesundheitswesen, saubere Energien - einschließlich Solar-, Nuklear- und Offshore-Windkraft, die Verwendung von Blei zur Abschirmung ionisierender Strahlung, zum Schutz von Arbeitnehmern, Patienten und der Öffentlichkeit, als Legierungsmittel und viele weitere Bereiche, in denen Blei ein wesentlicher Rohstoff ist, für den es keine technischen oder sozioökonomisch sinnvollen Alternativen gibt."

In vielen wirtschaftlich und gesellschaftlich wichtigen Anwendungen, so betonen die Verbände, ist die Verwendung von Bleimetall nicht nur unvermeidlich, sondern sogar unerlässlich und umfassend geregelt.

Was wäre nach Meinung der ECHA der erwartete Mehrwert einer Zulassungspflicht von Blei?

Logo der ECHA.
Unternehmen, die Blei verwenden, müssten eine Zulassung beantragen und bezahlen, um es bis zum "Sunset Date" (Festlegung frühestens 2028) weiter zu verwenden.

"Die EU verfügt bereits über einen umfassenden Rahmen bleispezifischer Rechtsvorschriften, die darauf abzielen, die Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu beherrschen". Die ECHA selbst "hat in der Tat eingeräumt, dass die Mindestanforderungen zum Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmern durch die verbindlichen Grenzwerte für Blei festgelegt zu sein scheinen, wobei im Rahmen der Richtlinie über krebserzeugende, erbgutverändernde und fortpflanzungsgefährdende Stoffe bereits strengere Werte vorgesehen sind. Und die Daten zeigen, dass der Großteil der industriellen Bleiemissionen inzwischen aus Tätigkeiten stammt, die NICHT in den Geltungsbereich der REACH-Zulassung fallen."

"Die Aufnahme von Blei in die REACH-Zulassungsliste würde lediglich unnötigen bürokratischen Aufwand verursachen, Investitionen blockieren und ist nicht die beste Option, um das Risikomanagement zu verbessern, eine schnellere Substitution zu fördern oder die Exposition zu verringern. Sie würde kaum mehr tun, als Unsicherheit zu schaffen, was die finanzielle Lebensfähigkeit erfolgreicher europäischer Unternehmen untergräbt. Die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit erfolgreicher EU-Wertschöpfungsketten wird dadurch effektiv verringert, und es wird potenziell Konkurrenten aus Nicht-EU-Ländern die Tür geöffnet, die weiterhin Blei zur Herstellung von Produkten verwenden werden, die nach wie vor einen gesellschaftlichen Bedarf haben.

Darüber hinaus würde die Aufnahme von Blei in den REACH-Anhang XIV zu einer noch nie dagewesenen Anzahl – viele Tausende – von Zulassungsanträgen führen, die die ECHA und ihre Ausschüsse sowie den REACH-Ausschuss der EU-Kommission und dessen Entscheidungsprozess überfordern würden. In den Schlussfolgerungen des Positionspapiers wird die Kommission schließlich aufgefordert, die Empfehlung der ECHA abzulehnen und die EU-Unternehmen zu unterstützen.

Position der AFEMS: Statt an einer Zulassungspflicht von Blei an realistischen Beschränkungen für Bleimunition arbeiten

In Bezug auf die nächsten Schritte stellt AFEMS fest, dass "es große Unsicherheiten hinsichtlich des Zeitplans für den Regulierungsprozess gibt. Es ist Aufgabe des REACH-Ausschusses der Europäischen Kommission, diese Empfehlung politisch und technisch zu erörtern und zu entscheiden, ob Blei in den Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen werden soll oder nicht". 

Im "worst-case scenario" müssten Unternehmen, die Blei verwenden, eine Genehmigung beantragen und bezahlen, um es bis zum so genannten "Ablaufdatum", das frühestens 2028 festgelegt werden sollte, weiter zu verwenden. Eine Genehmigung für die weitere Verwendung von Blei kann tatsächlich erteilt werden, wenn keine technisch und wirtschaftlich tragfähigen Alternativen zur Verfügung stehen. Es gibt auch keine Ausnahmeregelung für militärische Zwecke, da diese von den Mitgliedstaaten festgelegt werden muss und nur einer begrenzten Anzahl von Unternehmen gewährt werden könnte.

Die einzig praktikable Strategie besteht nun darin, die Notwendigkeit von Beschränkungen anstelle von Zulassungen hervorzuheben und darauf hinzuweisen, dass die von dem Stoff ausgehenden Risiken auch durch eine angemessene Aktualisierung der Grenzwerte für die Exposition am Arbeitsplatz (Occupational Exposure Limits, OEL) wirksam gesteuert werden können. Letztendlich wird die Politik die Angelegenheit entscheiden. Aufgrund unserer bisherigen Erfahrungen gibt es wenig, was uns beruhigen könnte.

UPDATE: Die International Lead Association (ILA) fordert die EU-Kommission zur Zurückweisung der ECHA-Vorschläge auf

Die ILA hat die Europäische Kommission schriftlich aufgefordert, die Empfehlung der ECHA, Blei in die REACH-Liste der zulassungspflichtigen Stoffe aufzunehmen, abzulehnen. In einem Schreiben an die Kommission warnte Dr. Steve Binks, ILA-Direktor für regulatorische Angelegenheiten, dass die Empfehlung "erhebliche Konsequenzen für einen großen Teil der europäischen Unternehmen"  haben würde.

Die ILA hat der Kommission die oben zitierte offene Stellungnahme übermittelt. Dr. Binks sagte: "In vielen wirtschaftlich und gesellschaftlich wichtigen Bereichen ist die Verwendung von Blei nicht nur unvermeidlich, sondern auch unerlässlich und umfassend geregelt. Viele Produkte und Anwendungen, die auf Blei angewiesen sind, untermauern die politischen Ziele der EU für die beiden Übergänge und für eine strategisch autonome, nachhaltige Zukunft". Die ILA wird sich mit Vertretern der Europäischen Kommission und anderen Interessengruppen treffen, um gegen die Empfehlung zu argumentieren, da Blei in Europa bereits umfassend geregelt ist.


Update vom 19.04.2023: Schweden lehnt ein vollständiges Verbot bleihaltiger Munition ab - das sind die Gründe:

Schweden will den EU-Vorschlag über ein Verbot aller bleihaltigen Munition stoppen. Die vorgeschlagenen Ausnahmeregelungen reichen nicht aus, um Jagd- und Sportschießen in Schweden und Europa zu schützen, so die Regierung Der Minister für ländliche Angelegenheiten Peter Kullgren und Romina Pourmokhtari (Umweltministerin), gaben am 16.04.2023 bekannt, dass die Schwedische Regierung den von der ECHA vorgelegten Vorschlag für ein vollständiges Verbot von Blei in Munition definitiv nicht unterstützen werde.

„Blei aus Munition stellt vor allem in Feuchtgebieten eine Umweltgefährdung dar, doch die aktuellen Vorschriften sind restriktiv genug. Ich kann mich nicht hinter dieses weitreichende Verbot stellen“, sagte Umweltministerin Romina Pourmokhtari. „Wir wollen kein vollständiges Verbot von Bleimunition. Bleifreie Munition ist für viele Jäger keine Option. Es geht um die Gefahr von Querschlägern, um Tötungswirkung und Tierleid“, ergänzt Peter Kullgren.

Schweden werde mit der aktuellen Ausgestaltung des Vorschlags nicht hinter der Verordnung stehen, heißt es weiter. Die Regierung hofft, Unterstützung für ihre Linie aus anderen Ländern mit der gleichen starken Jagd- und Schießsporttradition wie Schweden zu finden.

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