Eines gleich vorneweg: ALLE Erklärungen einzelner Kaliber und Sonderlaborierungen werden wir hier schon aus Platzgründen und wegen der Übersichtlichkeit nicht im Detail liefern können. Es geht eher um die Prinzipien der Kaliber-Bezeichnungen, aus der sich ein Großteil der ja auch historisch gewachsenen oder nach den Erfindern benannten Patronen ableiten lassen. Denn bereits das Wort Kaliber, ins Deutsche schon um 1600 vom noch älteren französischen calibre übernommen, gab es als Maßeinheit in den verschiedensten Sprachen schon ein paar Jahrhunderte früher, etwa bei khalib aus dem Arabischen.

Grundsätzlich bezeichnet "Kaliber" in der Ballistik ein Maß für den Innendurchmesser von Waffenläufen und ebenso den Außendurchmesser von Geschossen. Bei gezogenen Läufen, wie sie für Büchsen und für Kurzwaffen verwendet werden, unterscheidet man zwischen Innenkaliber (dem Durchmesser zwischen den Feldern, also den hervorstehenden Teilen der Laufinnenwand) und dem Außenkaliber (dem Durchmesser zwischen den Zügen, den eingeschnittenen Teilen der Laufinnenwand). Und da beginnen bereits die feinen Unterschiede: Weil die Projektile durch eben diese Läufe verschossen werden sollen, sind tatsächliche Geschosskaliber stets minimal kleiner als das entsprechende Rohr-Innenmaß. Die Felder greifen nach dem Abschuss mehr oder weniger stark in die Geschossoberfläche ein und erzeugen so den für eine stabile Flugbahn notwendigen Drall, damit sich das Geschoss nach dem Austritt an der Mündung weiter um seine Längsachse dreht. Bei Vorderladerwaffen muss das Geschoss, meist eine Rundkugel, von vorn in den Lauf geschoben werden, es ist dadurch immer deutlich kleiner als das Laufinnenmaß. Ausgeglichen wird dies durch "Geschosspflaster", Umwicklungen aus Papier oder Stoff, denn das Geschoss sollte ja auch wegen des benötigten Gasdrucks durch das entzündete Pulver stets dicht an der Laufwandung anliegen.
Am Anfang gab es nur glatte Kanonenrohre

Es begann mit Kanonen und mit der Artillerie, etwa Mitte des 14. Jahrhunderts. Über den Rohrdurchmesser machte sich zunächst niemand Gedanken, denn diese wurden mit Feld- und Kieselsteinen geladen. Als ab etwa 1400 gemeißelte Steinkugeln verwendet wurden, wurde auch deren Durchmesser zu einem Kriterium, denn man hätte sonst zu jeder Kanone auch die nur für sie passenden Steinkugeln mitführen müssen, eine logistische Katastrophe. Anfang des 16. Jahrhunderts begann man, Kanonenrohre zu bohren, und Georg Hartmann, seines Zeichens Vikar in Nürnberg, erfand ein erstes Kalibersystem: Das Rohrkaliber entsprach demnach dem Gewicht einer Steinkugel, die gerade so in einen Lauf passte. Eine schwere "Metze" hatte ein Kaliber von 30 Pfund, eine ganze "Schlange" von 24 und eine halbe "Schlange" von 12 Pfund. Das Nürnberger System wurde bald international übernommen, selbst als schon Kugeln aus Blei oder Eisen gegossen wurden. Problematisch war allerdings, dass die Länder vor der Vereinheitlichung der Gewichtsangaben ab Mitte des 19. Jahrhunderts alle leicht voneinander abweichende Grundmaße für etwa ein Pfund besaßen, und daher wichen auch Kaliberangaben voneinander ab.
Die Briten wählten zum Beispiel das britische Pfund mit 453,6 Gramm Hüttenblei als Bezugsgröße – so entstanden auch die noch heutige verwendeten Schrot-Kaliber: Eine gewaltige Flinte im Kaliber 4 (heute durchaus noch im Großwild-Einsatz) verschoss eine Bleikugel von einem Viertel-Pfund, das aktuell wohl meisteingesetzte Kaliber 12 entspricht im Durchmesser einer Bleikugel von von einem Zwölftel Pfund. Die bei Kaliberangaben folgende Zahl wie x/70 oder x/76 markiert die Hülsenlänge, und zwar im geöffneten, respektive abgeschossenen Zustand. 12/70er Hülsen können also problemlos auch aus einem längeren 12/76er Lager verschossen werden, andersherum geht's nicht, da die geöffnete Hülse dann über das Patronenlager hinausreichen würde. Des Weiteren gibt es Patronen-Aufschriften wie etwa Magnum (bei 12/76 Magnum oder 12/89 Super Magnum), für deren Abschuss die dann für höheren Druck ausgelegte Flinte auch einen entsprechenden Beschuss aufweisen muss. Kaliber 12 ist also größer als 16, Kaliber 16 (oft in kombinierten Waffen, der Handlichkeit wegen) ist größer als Kaliber 20. Das Kaliber .410 ist die einzige Ausnahme, es ist eigentlich ein Kaliber 36, stammt aber aus dem Zoll-System und entspricht einem Laufdurchmesser von 0,410 Zoll. Im amerikanischen Sprachgebrauch wird statt caliber (englisch calibre) meist Gauge (ga.) verwendet, zu Deutsch etwa "Eichmaß".
Die Schrot-Kaliber und die entsprechenden Laufbohrungen
Kaliber: | 4 | 8 | 10 | 12 | 16 | 20 | 24 | 28 | 32 | .410 |
Laufbohrung in mm | 26,73 | 21,22 | 19,69 | 18,53 |
16,84
|
15,63
| 14,71 | 13,97 | 13,37 | 10,4 |
Die metrischen Kaliber und die Zoll-Kaliber


Bei gezogenen Läufen in Kurz- wie Langwaffen ist das System der Kaliber-Bezeichnungen leider nicht so einheitlich wie bei Flinten. Zunächst einmal gibt es wie bei alltäglichen Längen- und Gewichtseinheiten wie Meilen statt Kilometer, Yard statt Meter, Unze statt Gramm ähnliche Unterschiede auch bei Waffen- und Munitionskalibern. Im europäischen Bereich hat sich ausgehend von Frankreich das metrische System durchgesetzt, während etwa in Großbritannien (zumindest in einigen Bereichen) und in den USA das angelsächsische Maßsystem dominiert. Im metrischen System sind alle Angaben auf Dezimalbasis aufgebaut, vom Ur-Meter oder Ur-Kilogramm entweder in dezimalen Bruchteilen oder einem dezimalen Vielfachen. Das 1874 eingeführte CGS-System von Länge, Masse und Zeit (Centimeter, Gram, Second) wurde ins MKS-System (Meter, Kilogramm, Sekunde) und schließlich in das seit 1960 international gültige SI-System physikalischer Größen überführt. Bei Kalibern werden metrisch eben Millimeter und Zehntel davon als Maß verwendet, etwa 9 mm Luger (auch 9x19 mm), 7,65 mm Browning (nach dem Erfinder) oder 8x57 IS, wobei das "x57" die Hülsenlänge in Millimetern ist.
Im anglo-amerikanischen Sprachraum hingegen wird auf Inch-Basis gerechnet, wobei ein Inch (oder ein Zoll im deutschsprachigen Raum) 25,4 mm misst. Kaliber werden daher entsprechend in Hundertstel Inch/Zoll gemessen. Bei allen Kalibern unter einem Zoll (also kleiner als 25,4 mm) würde es bei der ehemaligen Militär-Kurzwaffenpatrone .45 zum Beispiel eigentlich 0,45 Zoll, also ein 45 Hundertstel Zoll heißen. Der Zusatz Zoll oder Inch wird auch durch Anführungsstriche oben verkürzt, also .45". Die Amerikaner verwenden zudem einen Punkt statt des Dezimalkommas, und da fast alle Kaliber unter einem Zoll eine Null vor dem Punkt hätten, fällt diese Null einfach weg. Man spricht dann auch von Punktkalibern. Noch einfacher, aber falsch wird es sprachlich durch "eine Zweiundzwanziger" oder "einen Fünfundvierziger-Colt", wenn der nicht waffenkundige Journalist daraus wieder auf ein nicht existentes Kaliber 22 oder 45 schließt und sicherheitshalber noch ein "Millimeter" anhängt...
Umgekehrt kann man zumindest das Nominalkaliber (dazu gleich mehr) in Millimetern errechnen, indem man ein Zoll-Kaliber mit 25,4 multipliziert, andersherum ein metrisches Kaliber durch 25,4 teilt, um ein Zoll-Kaliber zu bestimmen. Kaliber .22 wäre also 5,6 mm und das dicke Kaliber .50 entspricht 12,7 mm, ein metrisches Kaliber wie 7,62 entspräche einem Kaliber .30. In Zoll werden übrigens auch die Längen von US-Waffenläufen angegeben, während man im Rest der Welt weitgehend die Lauflänge in mm oder cm nennt.
Theorie und Praxis: Nominal-, Feld- und Zugkaliber

Das simple Ausmessen mit einer Schieblehre bringt aber zumindest kein direkt nutzbares Kalibermaß. Das liegt unter anderem daran, dass sich das im Bodenstempel der Hülse oder auf der Packung genannte Nominal-Kaliber auf drei verschiedene Größen beziehen kann: auf das Zug-, Feld- oder Geschoss-Kaliber, wobei der Wert dann meist noch abgerundet ist (Zug-Kaliber bezeichnet den Abstand zwischen zwei gegenüberliegenden Zügen; sinngemäß gleiches gilt für das Feld-Kaliber. Das Geschoss-Kaliber ist der größte Geschoss-Durchmesser). Während bei Patronen-Munition das Geschoss-Kaliber stets größer ist als das Feld-Kaliber, weil sonst die Felder nicht einschneiden könnten, haben die Geschosse für Vorderlader-Gewehre mit gezogenen Läufen einen etwas kleineren Durchmesser als das Feld-Kaliber – richtig, man braucht Platz für das Pflaster der Büchse.

Oft werden selbst in der seriösen Literatur die Begriffe „Kaliber", „Patrone" und „Laborierung" durcheinandergebracht. „Kaliber" bezieht sich stets nur auf die nominale Größe des Geschoss- oder auch Laufdurchmessers (Beispiele: .38" (.380") .30 (.300"). .22 (9 mm, 8 mm S). Mit Zusätzen zur Kaliber-Bezeichnung dagegen wird stets eine bestimmte Patrone oder Laborierung beschrieben. Dabei ist die „Patrone" die Kombination eines bestimmten Kalibers mit einer Patronenhülse bestimmter Geometrie (Beispiele: 9 mm Luger, .357 Magnum, .460 Weatherby Magnum). Es gibt demnach kein Kaliber .38 Special, sondern eben nur das Kaliber .38" und die Patrone .38 Special. Die kontinental-europäischen Büchsenpatronen werden üblicherweise durch die Angabe von Kaliber und Hülsenlänge und unter Umständen weiterer spezieller Hinweise charakterisiert (Beispiele: 5,6 x 57; 7 x 66 vom Hofe S.E.).
Anders die amerikanischen Bezeichnungen für Kurzwaffen-und Büchsenpatronen: Neben der Kaliber-Bezeichnung (selbst in den USA immer öfter auch in Millimetern) enthalten sie meist Wortzusätze, die auf den Hersteller, Erfinder, passende Waffen oder ähnliches hinweisen oder bloße Phantasienamen darstellen (Beispiele: .308 Winchester, 7 mm Remington Magnum, .22 Hornet, .45 Long Colt). Einige Patronen-Bezeichnungen enthalten außerdem noch das Modelljahr wie beispielsweise die „.30" Government 1906" – die übliche und bekanntere Kurzform ist .30-06 Springfield. Auch kann man der Patronen-Bezeichnung die Basishülse hinzufügen, aus der die betreffende Patrone entwickelt wurde. So ist die .25-06 Remington aus der .30-06 hervorgegangen, die 7-mm-08 Remington aus der .308 Winchester und die .22-250 Remington aus der .250-3000 Savage. Deren unüblicher Zusatz 3000 ist ein Werbegag und bezieht sich auf die Anfangsgeschwindigkeit in "feet per second" (Fuß pro Sekunde, umgerechnet hier 915 m/s).
Bei historischen Waffen aus dem 19. Jahrhundert und auch in der Schwarzpulver-Epoche der Patronen-Munition existierten noch keine Normmaße. Oft hatten die Hersteller recht unterschiedliche Vorstellungen davon, welches Zug-, Feld- oder Geschoß-Kaliber im Einzelfall das günstigste wäre. Daher differieren selbst bei einer bestimmten Patronensorte die Kaliber bisweilen ganz erheblich. Ein typisches Beispiel bietet die .38 Long Colt von 1874 mit einem tatsächlichen Geschoß-Durchmesser zwischen .36.2" (= 9,19 Millimeter) und .38.2" (= 9,7 Millimeter). Ähnlich liegen die Dinge bei anderen Patronen der .38er Kaliber Kategorie wie etwa .38 Colt New Police, .38 Merwin & Hulbert, .38-40 WCF und .380 Short C.F. Mit anderen Worten: Die früheren Kaliber-Bezeichnungen waren eher Anhaltswerte. Als die moderne Mantelgeschoß-Munition aufkam und die Norm-Maße sich allmählich durchsetzten, änderte sich allerdings am Wirrwarr nicht viel. Lediglich die Toleranzen wurden etwas enger.

Erst seit einigen Jahrzehnten bemüht man sich, die Kaliber-Bezeichnung neuer Patronen auf ein tatsächlich vorhandenes Maß abzustellen. So hat das Mantelgeschoß der Revolverpatrone .357 Magnum einen Durchmesser von .357" (= 9,07 Millimeter), und auch bei der .257 Weatherby Magnum basiert die Kaliber-Bezeichnung exakt auf dem Geschosskaliber (.257" = 6,53 Millimeter). Die Kaliber-Bezeichnung anderer moderner Patronen entspricht dem minimalen Feld- oder dem minimalen Zug-Kaliber oder beiden. Ein typisches Beispiel ist die bereits vorgestellte Patrone .308 Winchester oder 7,62 mm x 51 Nato: minimales Zug-Kaliber ist .308" (= 7,82 Millimeter), minimales Feld-Kaliber aber .300" (= 7,62 Millimeter). Die Zahl 51 gibt übrigens die Länge der Hülse in Millimetern an, um diese Patrone von anderen 7,62er Laborierungen zu unterscheiden.
Und, für die mitlesenden Journalisten und eine beachtliche Anzahl von Waffenbehörden, die immer noch Munitions-Zusatzeinträge in eine WBK ablehnen: Warum passt eigentlich eine .38er Patrone in einen .357er Revolver und lässt sich daraus legal verschießen? Zum einen ist .38 dank des Inch-/Zoll-Punktes vorneweg um 33 Tausendstel kleiner im Kaliber und keinesfalls größer als .357. Und es liegt an den fast identischen Abmessungen: Das maximale Geschoss-Kaliber der Munition .357 Magnum liegt bei 9,12 mm, bei der .38 Special sind es 9,14 mm, und beide haben ein minimales Feld-/Zug-Kaliber von 8,79/9,04 mm. Soweit es sich bei der .38 Special um Laborierungen mit Mantel-Geschoß handelt, bringt das Verschießen aus einer .357er Trommel keine technischen Probleme, sieht man von längerem Freiflug und vom Ausbrennen des Patronenlagers ab.
Wer soll da (zumindest ohne Internet-Recherche) den Überblick behalten? Seit dem Jahrtausendwechsel wurden über 60 neue Patronen offiziell eingeführt. Beispiele für drei der modernsten Jagd- und Long Range-Patronen der letzten Jahre haben wir übrigens in diesem Video- und Textbeitrag vorgestellt, in dem Munitionsfachmann Jens Tigges die Patronenfamilien ARC, Creedmoor und PRC und ihre jeweiligen Vorteile näher präsentiert.
Und wo stehen die Regeln über alle diese Kaliber?

Das Zusammenspiel zwischen Waffen, ihrer Zulassung und der daraus verschießbaren Munition liegt in Deutschland im Zuständigkeitsbereich der Beschussämter, die wiederum ihre Maßgaben aus dem Beschussgesetz beziehen. International werden bis auf handgeladene "Wildcats" und Versuchspatronen alle standardmäßige "Gebrauchs-Laborierungen" heute von der Ständigen Internationalen Kommission zur Prüfung von Handfeuerwaffen (kurz C.I.P.) geprüft und zugelassen (in den USA übernimmt das SAAMI-Institut eine ähnliche Aufgabe). Und da gibt es etwa Zentralfeuerpatronen mit und ohne Rand, Patronen mit Gürtel, Pistolen- und Revolvermunition, Randfeuerpatronen und Schrotpatronen. Für jedes Kaliber wird eine Konformitätsbescheinigung ausgestellt, wenn die von der C.I.P. festgelegten Normen eingehalten sind. Jede Munitionsschachtel wird mit einem Kontrollkennzeichen (Logo des Beschussamtes) versehen. Außerhalb des CIP-Gebiets hergestellte Waffen, etwa aus den USA, müssen bei der Einfuhr nach Deutschland grundsätzlich neu beschossen werden.
Wichtige Links rund um Kaliber und Munition
Liste aller C.I.P.-zugelassenen Kaliber (Datenbank)
Waffengesetz von 2002 in der letzten Fassung von 2024