Dürreperiode 2018: Unsere Sauen brauchen dringend Wasser! Was Sie als Jäger wissen sollten.

Das Schwarzwild ist in diesem Jahr offenbar sehr viel heimlicher als in den Jahren zuvor. Ob das an den hohen Abschusszahlen aus dem letzten Jahr oder am abgeschwächten Jetstream liegt, wollten wir in einem Interview von Kai-Uwe Kühl von K&K Premium Jagd wissen. Ende Oktober haben wir mit ihm übrigens schon über die aktuelle Drückjagdsaison gesprochen.

all4hunters.de: Herr Kühl, Sie standen uns ja bereits mehrmals für kurze Interviews zur Verfügung. Als Jagdprofi haben Sie Ihr Ohr sehr nahe am Ort des Geschehens. Ihre Prognose, dass das Schwarzwild auf die aktuellen Umwelteinflüsse reagiert, zeigt sich auch hier am Flechtinger Höhenzug. Ist das Schwarzwild heimlicher geworden?

Kai-Uwe Kühl: Das Schwarzwild ist sicherlich nicht heimlicher geworden, nur weil auf dieser Jagdveranstaltung weniger Schwarzwild vorkam als in den Vorjahren. Die langanhaltende Trockenheit in der Magdeburger Börde und in der Altmark haben dazu geführt, dass die Sauen dort hingezogen sind, wo es noch genügend Wasser gibt. Also in Richtung Flüsse oder Feuchtbiotope. Sauen benötigen immer Wasser. Hat ein Revier genügend Wasserlöcher und Bäche, so gibt es dort auch Sauen. Ich kenne etliche Privatreviere, die neue Wasserlöcher angelegt und gepflegt haben. Das Schwarzwild dankt es zahlreich. Aber hier auf den Flechtinger Höhen ist der Boden bis in eine Tiefe von 50 cm steinhart ausgetrocknet und selbst die Feuerlöschteiche sind ausgetrocknet. So gesehen reagiert das Schwarzwild und verändert temporär seinen Einstand.

Extremsommer 2018: Worauf muss sich die Jägerschaft jetzt einstellen?

all4hunters.de: Wetterexperten befürchten ja das Schlimmste. Im letzten Jahr Tief Xavier im Osten der Republik, dann im Januar Friederike, die Schäden in Millionenhöhe verursachten. Eine der Ursachen für den diesjährigen Extremsommer soll der abgeschwächte Jetstream sein. In Kalifornien verheerende Waldbrände, in Italien Überschwemmungen. Bei uns in Mitteleuropa bringt der Borkenkäfer anstatt einer Brut gleich 4 Bruten durch und zu allem Überfluss kommt dann noch das Diplodia-Triebsterben hinzu, welches den Waldbesitzern zu schaffen macht. Der Klimawandel ist in vollem Gange. Das Wild reagiert. Was glauben sie, worauf muss sich die Jägerschaft einstellen?

Kai-Uwe Kühl: Auf veränderte Waldbilder. Die Sturmschäden und nun die bundesweiten Borkenkäferkalamitäten werden für neue Aufforstungsflächen und in wenigen Jahren für neue Dickungskomplexe und Einstände sorgen. Das heißt, dass die Bedingungen für das Schalenwild nicht schlechter werden. Buchen-und Eichelmast, hohe Stickstoffeinträge, eine intensive Landwirtschaft mit ausgedehnten Monokulturen für die Gewinnung erneuerbarer Energien und für die Futtermittelindustrie, keine normalen Mortalitäten durch harte und nasse Winter stehen auf der Seite der Lebensverbesserungen. Die wachsende Zahl an Prädatoren wie den Wolf und die drohende ASP stehen auf der Seite der Risiken. Wobei wir noch genau hinsehen müssen, ob der Wolf auch beim Rot- und Schwarzwild so massiv eingreift wie beim Dam- und Muffelwild. Ebenso müssen sich die Jäger darauf einstellen, dass das Niederwild noch weiter reduziert wird, solange die intensive Landwirtschaft den Lebensraum für Wildtiere und Bienen weiterhin so verschlechtert. Nutznießer ist aktuell nur das Schwarzwild.

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Kai-Uwe Kühl von K&K Premium Jagd zum Extremsommer 2018: "Das Schwarzwild ist sicherlich nicht heimlicher geworden, nur weil auf dieser Jagdveranstaltung weniger Schwarzwild vorkam als in den Vorjahren."

Wildschweine in Not: Wo ist unser Schwarzwild? Haben wir es im letzten Jahr mit den Abschusszahlen übertrieben? 

all4hunters.de: Sie sprachen davon, dass insbesondere das Schwarzwild reagiert. Und Sie sagten auch, dass das Schwarzwild eher die Flussniederungen und das Schilf sucht, weil dort mehr Nahrung vorhanden ist. Die trockenen Böden hier sind einfach im Augenblick zu nährstoffarm. Nun hört man aber auch, dass selbst dort, wo die Bedingungen im Augenblick noch besser erscheinen, das Schwarzwild fehlt. Wo ist unser Schwarzwild? Haben wir es im letzten Jahr vielleicht doch übertrieben mit den Abschusszahlen?

Kai-Uwe Kühl: Ich glaube, es ist noch zu verfrüht, um eine abschließende Beurteilung vornehmen zu können. Sicherlich ist die Steigerung der Abschusszahlen auf 820.000 beim Schwarzwild nicht zu unterschätzen. Insbesondere in den Regionen und Landkreisen, die überdurchschnittlich viele Sauen erlegt haben. Die Abschusssteigerung wird ja nicht nur zu Lasten der Frischlinge und Überläufer gegangen sein, sondern sicherlich ist auch ein hoher Anteil an Bachen dabei. Ob die alle nichtführend waren, lasse ich einmal dahingestellt sein. Es ist ja Wunsch der Politik, dass die Jäger das Schwarzwild intensiv bejagen. Und nicht wenige Jäger lassen sich vor den Karren spannen und erlegen auch jedes Stück Schwarzwild, was in Anblick kommt. Es gibt aber auch etliche Reviere, die den Fokus auf die Bejagung von Frischlingen und Überläufern bis 50 kg legen und Bachen konsequent schonen, damit Sozialstrukturen erhalten bleiben. In unserem föderalistischen Deutschland gibt es auch beim Thema ASP kein einheitliches und auch wissenschaftlich gestütztes Vorgehen, wie wir die Schwarzwildbestände intelligent absenken sollten. Sollte die ASP Deutschland nicht erreichen, mache ich mir um die Schwarzwildbestände keine Sorgen. Nur die Jäger, die jetzt regional jammern, dass es weniger Schwarzwild zu jagen gibt, sollten einfach sich selber reflektieren, was sie im letzten Jahr an Sauen erlegt haben und wie viele Bachen dabei waren. Jedes Bundesland macht seine eigenen Vorgaben, Freigaben oder legt gar Abschussprämien fest, in der Hoffnung, dadurch die Bestände abzusenken. Mir scheint es, dass die Waidgerechtigkeit und der Mutterschutz teilweise ad acta gelegt werden.

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Die langanhaltende Trockenheit hat dazu geführt, dass die Sauen dort hingezogen sind, wo sie noch ausreichend Wasser vorfinden. In Revieren mit genügend Wasserlöchern und Bächen fühlt sich das Schwarzwild derzeit heimisch.

Dürreperiode 2018: Was muss die Politik jetzt tun?

all4hunters.de: Die Endverbraucherpreise für Lebensmittel steigen, die Dürre sorgt für die höchsten Kartoffelpreise seit 5 Jahren. Der Trend wird sich aller Voraussicht nach im nächsten Jahr fortsetzen. Es scheint so, als wenn es von der Dürreperiode im Sommer ohne viel Regen im Herbst direkt in den Winter geht. Es ist Frost für Dezember angekündigt. Notfütterungen stehen möglicherweise bevor. Tönnies (Betrieb zur Fleischverarbeitung) kündigt an, 10.000 Stück Schwarzwild aus Deutschland zu verarbeiten, um die Jäger zu unterstützen. Die ASP steht vor der Tür. Welche Weichen muss die Politik aus Ihrer Sicht jetzt stellen?

Kai-Uwe Kühl: In dieser Frage steckt viel Sprengstoff und Komplexität. Dass die Endverbraucherpreise für Lebensmittel steigen, ist ja nur begrüßenswert. Wir Deutschen geben für Nahrungsmittel weniger aus als das Gros unserer europäischen Nachbarn. Stattdessen haben wir aber 5 Mobilfunktelefone. Es wäre ja wünschenswert, wenn die Landwirte endlich die Preise vom Lebensmittelhandel bezahlt bekommen würden, die sie benötigen. Stattdessen bekommen Landwirte ohne irgendein Zutun, ich glaube zwischen € 270,00 - 320,00 pro Hektar an Subvention. Das ist eigentlich dem Steuerzahler kaum noch vermittelbar. Es erschließt sich mir auch nicht, warum Waldbesitzer, die Trinkwasser und Sauerstoff produzieren, keine Subventionen bekommen. Es wird dringend Zeit, dass wir lernen, für hochwertige Lebensmittel mehr Geld zu bezahlen. Es fehlt wie so oft eine bundeseinheitliche, bzw. europäischen Steuer- und Fiskalpolitik, bzw. Subventionspolitik. Wir müssen wieder zurück zu den familiären bäuerlichen Betrieben kommen. Bisher hat hier die Politik versagt, Rahmenbedingungen zu setzen, die diese bäuerlichen Klein- und Mittelbetriebe fördern. Stattdessen werden 80 % der landwirtschaftlichen Flächen für erneuerbare Energien und Futtermittel verwendet und wir führen täglich Tiefkühlteiglinge aus dem Ausland wie Polen oder China ein, weil unsere Bäcker gar nicht mehr genug Getreide für die Brotproduktion haben und wir am Sonntag in den Tankstellen unbedingt frische Tiefkühlteiglinge aus dem Ausland kaufen müssen. Sollte die ASP großflächig auftreten, die Mastbetriebe geschlossen werden, der Futtermittel produzierende Landwirt plötzlich keine Einnahmen mehr generieren, dann könnte es ein großflächiges Sterben der landwirtschaftlichen Betriebe geben und möglicherweise eine neue Besitzerstruktur im ländlichen Raum. Denn es ist genügend Geld im Umlauf und Großinvestoren kaufen doch jetzt schon große Flächen auf. Was sollte die Politik tun? Es gibt bisher keine Erfahrungswerte mit der ASP, da sie auch nicht mit der ESP vergleichbar ist. Wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, dann werden in Deutschland 50 Millionen Hausschweine geschlachtet. In NRW gibt es nach meinen Informationen eine Überproduktion an Hausschweinen von 40% zu dem, was in NRW selber an Schweinefleisch verzehrt wird. Bundesweit sind es meines Wissens 8% Überproduktion. Davon geht der Großteil in den Export nach China, Italien oder Spanien. Die Politik könnte vorgeben, dass nur noch so viele Hausschweine in Deutschland gemästet werden, wie wir Bundesbürger essen können. Das würde das Risiko an Kosten beim Ausbruch der ASP für die deutschen Steuerzahler und die Seuchenkasse reduzieren. 

Andererseits sind die meisten Betriebe ja versicherungstechnisch abgesichert. Daher erscheint es mir nicht sinnvoll, dass wir Jäger unser Schwarzwild auf das Schärfste bejagen und dezimieren, wenn andere Beteiligte so weitermachen wie bisher. Wir produzieren ein hochwertiges Wildfleisch und bekommen andererseits nur € 0,50 pro Kilogramm in der Schwarte oder weniger. Oder deutlicher ausgedrückt: Wir Jäger sollen das Schwarzwild im schlimmsten Fall ausrotten, damit die Mastindustrie weiter volle Kraft voraus schlachten und mästen kann. Wir müssen alle an einen Tisch. Das Thema ist nur gemeinsam zwischen Landwirten, der Mastindustrie und den Jägern zu lösen. Es bilden sich im ländlichen Raum auch immer mehr Interessengemeinschaften mit allen Beteiligten, um pragmatisch die Dinge anzugehen.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat nun die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen, wie im Falle der ASP umgegangen werden soll. Die Länder haben alle Notfallpläne stehen. Trotzdem hat man das Gefühl, dass es kein europäisches Kontrollsystem und Maßnahmenpaket zur Verhinderung der ASP gibt. Es wird wahrscheinlich erst reagiert, wenn die ASP ausgebrochen ist bzw. heißt es, die Jäger mögen alle Wildschweine totschießen. Im Frühjahr stand die Aussage schon einmal im Raum, dass die Firmen Tönnies und Westfleisch 10.000 Stück Schwarzwild den Jägern in NRW abnehmen wollen und dieses zu einem garantierten Preis von € 2,00 pro Kilogramm in der Schwarte. Dafür sollten kleine, regionale Schlachthöfe wieder aktiviert werden und als Sammelstellen fungieren. Doch mein Wissenstand ist der, dass diese Idee zwar noch irgendwie besteht oder mal lose besprochen wurde, aber eine feste Zusage gibt es von Herrn Tönnies nicht. Dafür müssten die Prozesse einmal definiert werden und die daraus abzuleitenden Maßnahmen. Ob Arbeitsgruppen aus Umweltministerium und der Fleischindustrie tagen und die Dinge erarbeiten ist mir nicht bekannt. Nur wir sind mitten in der Jagdsaison und als Jäger sind wir wieder im Regen stehengelassen worden. Dabei produzieren wir, ich wiederhole mich gern, hochwertigstes Wildfleisch und bekommen dafür nur € 0,50 pro kg in der Schwarte und noch weniger, so dass sich dieser Aufwand an Zeit und Geld betriebswirtschaftlich gar nicht mehr rechnet.

Volkswirtschaftlich wäre es sinnvoll, wenn die Jäger für deren Aufwand finanziell entschädigt werden und dafür gesorgt wird, dass unser hochwertiges Wildfleisch zu fairen Preisen abgenommen wird. Wenn mir aber zu Ohren kommt, dass jetzt schon Jagdherren ihre Schwarzwildstrecken einkuhlen wollten, weil sie diese nicht mehr verkauft bekamen, dann fehlen mir die Worte. Dann wäre es sinnvoll, das Wildfleisch den Tafeln in den Städten zur Verfügung zu stellen. Dafür müssten die Länder eigene Landesbetriebe gründen und ein profitables Geschäftsmodell erarbeiten. Es scheint wirklich so, dass wir nahtlos vom Sommer in den Winter wechseln und Frost und Schnee drohen, statt dauerhafte und dringend benötigte Regenfälle zu bekommen. Da viele Äsungswiesen vertrocknet sind, droht wirklich eine Notzeit. Im Sommer wurden ja schon in bestimmten Regionen Strohballen verfüttert, weil Rinder und andere Nutztiere keine Äsung mehr auf den Weiden fanden. Und das Rotwild natürlich auch nicht mehr. Dieses stand dann tagsüber an den Heuballen und äste diese. Warten wir es ab, wie streng der Winter wird und wann die Kreisjägermeister die Notzeit ausrufen, was einhergeht mit der Jagdruhe oder Schonzeit. Auch wenn es einigen Interessengemeinschaften gut in den Kram passt, Wild in der Notzeit nicht zu füttern, sondern es sich selber zu überlassen, um Bestände abzusenken. So sollten wir Jäger diesem Zeitgeist entschieden gegenübertreten und den Tierschutz nicht außer Acht lassen.

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Für die Druckjagdsaison 2018 wünschen wir Ihnen weiterhin Waidmannsheil!

Wir danken Kai-Uwe Kühl für sein Engagement und seine offenen Worte. Das Interview für all4hunters.de führte Matthias Haack Mitte November 2018 bei einer Drückjagd in Sachsen-Anhalt.


Mehr über K&K Premium Jagd erfahren Sie direkt auf der Webseite des Veranstalters von Jagdreisen.

Mehr rund um die Drückjagdsaison 2018 gefällig? Wir haben noch weitere Video-Interviews geführt: