Droht in Europa ein komplettes Verbot von Bleischrot-Munition für Jäger und Sportschützen durch die Hintertüre?

Man könnte das Drama sehr einfach und treffend mit nur einem Satz zusammenfassen: Wenn es nach der EU-Kommission geht, sind Wetlands / Feuchtgebiete künftig quasi überall, wenn es um den Einsatz von bleihaltiger Schrotmunition geht. Mit der neuen Einführung von sogenannten 400-Meter-Pufferzonen durch die EU-Kommission rund um Feuchtgebiete (und damit sind keine sichtbaren Wasserflächen gemeint) sind viele Länder "fast komplette Feuchtgebiete". So beispielsweise im Norden von Europa.


+++ Lesen Sie hier unser Update vom 16. Januar 2020 zum Verbot der EU von bleihaltiger Schrotmunition +++

Der REACh Ausschuss der EU hatte im November die Aufgabe, den Vorschlag der EU Kommission zum Verbot von Bleimunition in Feuchtgebieten neu zu formulieren. Hier finden Sie den neu formulierten Textentwurf, der als Link zu einem Word-Dokument hinterlegt ist:

COMMISSION REGULATION (EU) …/… of XXX amending Annex XVII to Regulation (EC) No 1907/2006 of the European Parliament and of the Council concerning the Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals (REACH) as regards lead in gunshot in or around wetlands 

Das sind die wichtigsten Änderungen in der Neuformulierung der Änderungsverordnung der EU zur Verwendung und zum Besitz von bleihaltiger Schrotmunition vom Januar 2020:

  1. Der allgemeine Übergangszeitraum wird von 18 Monaten auf 24 Monate ab Inkrafttreten der Änderungsverordnung geändert
  2. Die Pufferzone wird von 400 Meter auf 300 Meter verkleinert, was aber das Problem dieser Definition nicht beseitigt
  3. Der problematische Begriff des "Besitzes" von Bleimunition bleibt unverändert
  4. "Feuchtgebiete" werden weiterhin durch die Verwendung der ungeeigneten RAMSAR-Definition beschrieben

Unser Kommentar:
Leider werden durch diese neuen Formulierungen des REACh Ausschusses die kritischen Punkte des vorherigen Textes wie das Heranziehen der RAMSAR-Definition für Feuchtgebiete, der Begriff des Besitzes von bleihaltiger Munition und die so gut wie nicht kontrollierbare Situation für den Jäger/Sportschützen und die Vollzugsbeamten, das Vorhandensein einer Pufferzone sowie die unzureichende Zeitspanne für die Durchsetzung der Beschränkung nicht behoben. Das Unheil nimmt als weiter seinen Lauf, weil die EU Kommission offenbar nicht bereit ist, sachliche Fehler und Unklarheiten in ihrem Entwurf zu beseitigen. Damit bleiben alle unten definierten Probleme in Bezug auf Praxistauglichkeit und Überprüfbarkeit  bestehen.


RAMSAR-Definition von Wetlands und eine Europa Karte:

RAMSAR-Karte Feuchtgebiete ohne Pufferzonen
Diese Gebiete sind möglicherweise betroffen − Wie sähe diese Karte wohl mit Pufferzonen aus?

Derzeit genießen 2.187 Gebiete mit fast 2,1 Millionen km² den Schutz gemäß den Richtlinien der RAMSAR-Konvention von 1971. Sie verteilen sich auf 168 Staaten (Stand: Juli 2014). In dieser Karte sind jedoch noch keine 400-Meter-Pufferzonen verzeichnet. Eine kartografische Sichtweise auf Europa mit Pufferzonen ist aktuell nicht verfügbar – und sicher nicht mal eben so zu erstellen. Genau dort beginnt das Desaster: Was ist eigentlich ein Feuchtgebiet? 

Aber das ist nur eines von vielen Problemen. Die gesamte Dokumentation der ECHA ist über 300 Seiten stark – das wollen wir Ihnen an dieser Stelle ersparen. Nur eines sei vorweg erwähnt: Selbst die ECHA hatte diese Definition nicht empfohlen, auf die sich die EU-Kommission nun versteift.

Fest steht jedoch: Man will offenbar in der EU ein Bleiverbot in Munition "erzwingen"

Hier die Details: Wenn die Fläche eines Landes an Wetlands nach der neuen Definition mehr als 20% beträgt, empfiehlt die EU-Kommission ein komplettes Verbot von Munition mit Bleischroten. Das oben stehende Update macht die Entschlossenheit der EU ein weiteres Mal klar. Aber auch die Tatsache, dass man offenbar nicht zu echten Nachbesserungen bereit ist.

Darüber hinaus beschränkt sich der Verbotsvorstoß nicht auf Jäger, wie man meinen könnte, sondern umfasst explizit auch Schießplätze und damit Sportschützen gleichermaßen.

Und wem das noch nicht reicht, dem sei gesagt, dass man all dies rechtlich auf den Weg bringen möchte, ohne der Industrie, den Verbänden, dem Handel oder den betroffenen Zielgruppen die Chance zu geben, in angemessener Zeit auf all das zu regieren. 

Stakeholder sind geschockt, bezeichnen diesen Vorstoß von ECHA und EU-Kommission sowohl inhaltlich als auch vom grundsätzlichen Vorgehen her als undemokratisch und unangemessen. Darüber hinaus gibt es erhebliche Zweifel an der Auswahl und Bewertung der Studien, die die ECHA herangezogen hat, um die Schädlichkeit von Blei in Munition zu belegen. Das Thema der relevanten Partikelgröße von Bleimetall bei der Bewertung von Human- und Ökotoxizität hatten wir bereits auf all4hunters.com veröffentlicht. 

Nun ist Eile geboten. Alle Interessensvertreter von Industrie und Verbänden (wie FACE, CIC, AFEMS und Viele mehr) arbeiten an detaillierten Stellungnahmen.


Wir empfehlen Ihnen die Stellungnahme der RUAG Ammotec (Hersteller der Munitionsmarken RWS, GECO, NORMA, ROTTWEIL) als Lektüre, um zu verstehen, wie komplex, aber auch wie wichtig es ist, diesen Verbots-Sachverhalt zu verstehen, weil er das Potenzial hat, unsere gesamte Branche und unsere Passion in einer Art und Weise zu schädigen, die unvorstellbar ist. 

Die Stellungnahme des Munitionsherstellers RUAG Ammotec zum Thema "Blei in Munition" können Sie sich hier als PDF herunterladen.


Das erwartet Sie, wenn Sie sich die Zeit nehmen, dieses Dossier zu mit konkreten Lösungsvorschlägen zu lesen:

  1. Allgemeine Vorbemerkungen zum Vorgehen der ECHA bei der Definition von Verwendungsverbotszonen für bleihaltige Schrotmunition durch Jäger und Sportschützen

  2. Konsequenzen der erweiterten Definition eines Feuchtgebiets durch die EU-Kommission

  3. Bewertung der Konsequenzen aus den neuen 400-Meter-Pufferzonen

  4. Was bedeutet "Besitz / beabsichtigter Verwendungszweck" von bleihaltiger Schrotmunition durch Jäger und Sportschützen in den neu definierten Verbotszonen?

  5. Offene Fragen zu Systemverträglichkeit, Sicherheitsfaktoren und Kosten in Wechselwirkung von Munition und Waffe bei alternativen Geschoss-Materialien

  6. Jagdpraktische Tauglichkeit / Tierschutz sowie die Ökosystemverträglichkeit von bleihaltiger Munition im Vergleich zu alternativen Werkstoffen 

7. Fazit / Warum ein grundsätzliches Verbot von Bleischrot-Munition in Feuchtgebieten nicht angemessen ist


Stellungnahme der RUAG Ammotec vom 14. November 2019 an Stakeholder: REACh / Ban of lead in Wetlands

Am 17. August 2018 wurde der Europäischen Kommission (EU) die Stellungnahme der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zur Beschränkung des Bleischusses über Feuchtgebieten übermittelt.

Am 28. Oktober 2019 hat die EU ihren Vorschlag für die REACH-Verordnung vorgelegt.

Auf der Sitzung des EU-REACH-Ausschusses am 19. November 2019 werden die Mitgliedstaaten über den Vorschlag der EU diskutieren. 

Die RUAG Ammotec bringt ihre ernsthaften Bedenken zu folgenden Themen zum Ausdruck und bietet dementsprechend Lösungsansätze an. 

Wir bitten Sie, diese Bedenken auf der bevorstehenden Sitzung des EU-REACh-Ausschusses am 19. und 20. November 2019 in Brüssel vorzutragen und eine neue Risikobewertung und sozioökonomische Analyse des Vorschlags zu fordern, um so einem generellen Verbot von Blei in Munition Argumente entgegenzusetzen.

1. Allgemeine Vorbemerkungen zum Thema Verwendungsverbotszonen für bleihaltige Schrotmunition durch Jäger und Sportschützen

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) der Europäischen Kommission hat im Jahr 2017 ein Dossier zur Einschränkung des Eintrages von Bleischrotgeschossen in Feuchtgebieten vorgelegt. Laut dem Dossier stellt der Eintrag von Blei in solchen Gebieten (engl. Wetlands) für die Tierwelt eine ernst zu nehmende Gefahr dar.

Ente mit Nachwuchs schwimmt im See
ECHA und RAMSAR definieren Feuchtgebiete insbesondere als Lebensräume für Wat- und Wasservögel.

Die ECHA hat sich in der Definition dieser Gebiete der RAMSAR-Konvention angeglichen, in dem Feuchtgebiete insbesondere als Lebensräume für Wat- und Wasservögel von internationaler Bedeutung definiert sind. Im Wortlaut: "Feuchtgebiete sind Feuchtwiesen, Moor- und Sumpfgebiete oder Gewässer, die natürlich oder künstlich, dauernd oder zeitweilig, stehend oder fließend, Süß- oder Brack- oder Salzwasser sind, einschließlich solcher Meeresgebiete, die eine Tiefe von sechs Metern bei Niedrigwasser nicht übersteigen".

Die ECHA möchte jedoch in der geplanten Verordnung auch die angrenzenden Areale dieser Feuchtgebiete als "Verwendungsverbotszone" (400-Meter-Pufferzone) von Bleischrot ausweisen, da die Möglichkeit besteht, dass abgefeuerte Bleischrotmunition in den angrenzenden Feuchtgebieten landen kann.

REACh wurde erlassen, um den Schutz menschlicher Gesundheit und der Umwelt vor Risiken, die durch Chemikalien entstehen können, zu verbessern. REACh steht für "Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe".

Seit einigen Jahren besteht u.a. in Deutschland bereits ein Verwendungsverbot von Bleischrotmunition bei der Jagdausübung an, auf und in unmittelbarer Nähe von Gewässern. Die geplante EU-Verordnung will ein Verwendungsverbot von bleihaltiger Munition in diesen Gebieten auch auf jagdbares Haarwild ausdehnen.

Fakt ist, dass es für europäische Jäger und Schützen zu einer Reihe von rechtlichen Problemen führen wird. Es gibt auch rechtliche Probleme hinsichtlich des Umfangs der Beschränkung, die über das ursprüngliche Ersuchen der EU an die ECHA hinausgeht.

Angesichts der neuen Punkte, die in den Vorschlag der EU zusätzlich aufgenommen wurden (und in der Stellungnahme der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) nicht angemessen berücksichtigt wurden) erfordert der Vorschlag der EU unserer Ansicht nach jetzt eine neue Risikobewertung und sozioökonomische Analyse.

2. Definition eines Feuchtgebietes durch die EU-Kommission

Die eindeutige Definition eines "Feuchtgebietes" ist ein Schlüsselfaktor für die Umsetzbarkeit und Durchsetzbarkeit der vorgeschlagenen Beschränkung. Die EU übernimmt die vollständige Definition des RAMSAR-Übereinkommens für Feuchtgebiete für diese Verordnung, was unseres Erachtens ungeeignet ist. 

Begründung:

  • Aus rechtlicher Sicht umfasst die RAMSAR-Definition das gesamte Wasser, einschließlich kleiner Pfützen oder eines Wassergrabens am Rand eines Feldes.
  • Durch die Einbeziehung von Überschwemmungsgebieten wird die Beschränkung sowohl für Jäger und Schützen als auch für Vollzugsbeamte unklar und ist nicht kontrollierbar.
  • 24 von 28 EU-Mitgliedstaaten haben bereits nationale Gesetze zur Verwendung von Bleischrot über Feuchtgebieten, jedoch wendet kein Mitgliedsland - aufgrund der damit verbundenen Probleme - die vollständige RAMSAR-Definition an.
  • Diese Erweiterung (der nach RAMSAR-Definition ausgewiesenen Flächen) soll erfolgen, obwohl es keine nennenswerten Nachweise für die verbundenen Risiken bei der Aufnahme von Blei durch Wasservögel gibt, die sich auch außerhalb von klassischen Feuchtgebieten ernähren.
  • In diesem Zusammenhang weist auch bereits der SEAC-Ausschuss der ECHA darauf hin, dass die Verwendung der RAMSAR-Definition die Durchsetzbarkeit und Einhaltung der Beschränkungen in bestimmten Formen von Feuchtgebieten nahezu unmöglich macht (z.B. Unterschied zwischen Überschwemmungsgebieten, Sümpfen, Mooren etc. sowie in Landschaften mit vielen kleineren temporären Wasserflächen und / oder mehr oder weniger trockenen Überschwemmungsgebieten). 

Lösungsansatz:

Damit diese Verordnung für Jäger und Vollzugsbeamte praktikabel, verhältnismäßig und verständlich ist, sollten Feuchtgebiete künftig als Feuchtgebiete mit sichtbarem Wasser definiert werden. Um Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollen von den Mitgliedstaaten einheitliche Mindestgrößen von schützenswerten Wasserflächen festgelegt werden.

3. Die 400-Meter-Pufferzonen

Die ECHA erörterte zwar Pufferzonen, kam jedoch zum Schluss, dass diese für diese Einschränkung ungeeignet sind.

Der Ausschuss für sozioökonomische Analyse (SEAC) der ECHA verfügte nicht über ausreichende Informationen, um die sozioökonomischen Auswirkungen von o.g. Pufferzonen zu bewerten. Daher hat die SEAC keine Schlussfolgerung zu den Auswirkungen der Pufferzonen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit gezogen. Der Hauptgrund, warum eine Pufferzone in der Stellungnahme der ECHA nicht enthalten war, lag in der bereits erwähnten praktischen Anwendbarkeit.

Fakt ist, dass die EU den ECHA-Vorschlag, die Verwendung von Bleischrot ausschließlich in Feuchtgebieten zu verbieten, ignorierte und die zusätzliche Einführung von 400-Meter-Pufferzonen fordert. 

Dieser Vorschlag der EU Kommission erweitert den Geltungsbereich der Verordnung unverhältnismäßig. In den meisten Fällen erfolgt die Schussabgabe innerhalb besagter Pufferzone weder in Richtung der Feuchtgebiete, noch werden von den Schroten eine Strecke von 400 Meter zurückgelegt. 

Mit dem Vorschlag der EU-Kommission hat sich die Verbotszone gegenüber dem ursprünglichen ECHA-Vorschlag erheblich vergrößert, da alle Schüsse mit Bleischrot (unabhängig von Zweck und Richtung) in diesen Zonen verboten werden.

Aufgrund dieser Erweiterung der Beschränkung durch die EU sind eine neue Risikobewertung vom RAC und eine sozioökonomische Analyse von SEAC erforderlich.

Pufferzonen im Sinne von vollständigen Verbotszonen werden nur in sehr wenigen Mitgliedstaaten verwendet, in denen enge Verbote in genau definierten Feuchtgebieten mit klaren (kartierten) Grenzen eingeführt worden sind. 

Die überwiegende Mehrheit der derzeitigen Beschränkungen überträgt den Schützen die Verantwortung dafür, dass der abgegebene Bleischrotschuss nicht in Feuchtgebieten landet. Die Formulierung "Schießen an, auf bzw. in unmittelbarer Nähe von Gewässern" hat daher eine verbindliche Rechtswirkung im Vergleich zu einer nicht nachvollziehbar definierten 400-Meter-Pufferzone.

In diesem Zusammenhang argumentierte die ECHA (als Übermittlers des Dossiers), dass es auf Grundlage seines Fachwissens und seiner lokalen Kenntnisse in der Verantwortung des Jägers / Schützen liege, sicherzustellen, dass bei der der Schussabgabe mit der Flinte kein Bleischrot in Feuchtgebieten eingebracht wird. 

Der Vorschlag der EU berücksichtigt auch nicht, dass fast jeder Schießstand in der EU, von denen viele KMU (kleine, mittlere Unternehmen) sind, innerhalb der 400-Meter-Pufferzone liegt. Der Wechsel zu alternativen Schrotmaterialien in Schießständen erfordert zudem umfangreiche infrastrukturelle Arbeiten und höhere Entsorgungskosten, sodass es zu einer Gefährdung der Existenz kommen kann. Es liegen bis dato keine Informationen über die Anzahl von Schützen und Anzahl / Orte von Schießstände vor, die sich in den neu definierten Feuchtgebieten der verschiedenen Mitgliedstaaten befinden. Anhand dieser fehlenden Daten würden sich eventuell die wirtschaftlichen Auswirkungen des EU- Vorschlags abschätzen lassen. Diese zusätzlichen Kosten wurden bis dato weder von der ECHA noch von der EU bewertet.

Dies erfordert eine neue Risikobewertung und sozioökonomische Analyse.

Lösungsansatz:

  • Pufferzonen sollten aus dem EU-Vorschlag gestrichen werden.
  • Schießstände sollten prinzipiell nicht in dieser Thematik berücksichtigt werden, da sie ohnehin einem gesonderten Genehmigungsverfahren unterliegen.

4. Besitz / beabsichtigter Verwendungszweck von bleihaltiger Schrotmunition 

Aufgrund der unklaren Situation bezüglich der künftig noch auszuweisenden Feuchtgebiete stellen sich auch Fragen bezüglich der Handhabung beim Besitz von Bleischrotmunition und dessen Kontrolle in den fraglichen Flächen. 

Die EU versteht offensichtlich nicht, dass die Umsetzung dieser Forderung praxisfremd und quasi nicht kontrollierbar ist. Laut SEAC gibt es in diesem Zusammenhang ernsthafte Unklarheiten bei der Interpretation des Besitzes von Bleischrotmunition, die bezüglich der beabsichtigten Verwendung noch geklärt werden müssen. Es ist davon auszugehen, dass Jäger im Zuge der Jagdausübung auch Flächen durchqueren müssen, die künftig als Feuchtgebiete definiert werden könnten (RAMSAR-Definition mit zusätzlichen 400-Meter-Pufferzonen). Diese Verordnung darf keinesfalls dazu führen, dass diese Jäger wegen des Besitzes von Bleischrotmunition innerhalb von den neu definierten Feuchtgebieten strafrechtlich verfolgt werden. Der Sachverhalt des Besitzes von Bleischrotmunition wird von der ECHA prinzipiell anerkannt. Im Zuge der Jagdausübung bedeutet diese neue Regelung, dass das Verbot einer Verwendung von Bleischroten in der Praxis weit über tatsächliche Feuchtgebiete hinaus ausgedehnt wird, ohne dass dies gerechtfertigt wäre bzw. die Verhältnismäßigkeit in Betracht gezogen wird. 

Lösungsansatz:

Um eine rechtsverbindliche und praxisgerechte Lösung zu finden, ist für die Verwendung innerhalb der neu definierten Feuchtgebiete eine klare Definition der beabsichtigen Verwendung (der im Besitz des Schützen befindlichen Bleischrotmunition) erforderlich. Praktisch gesehen wäre eine rechtsverbindliche Kontrolle nur im Augenblick der Schussabgabe (in flagranti) möglich.

5. Systemverträglichkeit, Sicherheitsfaktoren und Kosten in Wechselwirkung von Munition und Waffe 

Die Systemverträglich d.h. die Wechselwirkung der Munition auf die immanenten Komponenten der Waffe (Lauf) sind durch die höhere Härte aller Ersatzstoffe im Gegensatz zu Blei kritisch zu sehen. Die höhere Härte der Ersatzstoffe führt zu einer stärkeren Beanspruchung der Läufe und der Verriegelung der Waffensysteme. Die höhere mechanische Beanspruchung führt zu einer schnelleren Materialermüdung und Verschleiß der Waffenläufe.

Der höhere Härtegrad alternativer Munitionswerkstoffe birgt auch im Hinblick auf die Geschossflugbahn und etwaige Abpraller ein signifikant erhöhtes Sicherheitsrisiko im Sinne der Hintergrundgefährdung. Dies führt zu einer Gefährdung des Schützen sowie unbeteiligter Dritter.

In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass einige EU Mitgliedstaaten − u.a. Deutschland − Mitglied der CIP (Ständige Internationale Kommission für die Prüfung von Handfeuerwaffen und Munition) sind.

Mitglieder der CIP haben sich über Staatsverträge zur gegenseitigen Anerkennung von Prüfzeichen, sowie dem verbindlichen Einhalten eines gemeinsamen Regelwerks verpflichtet. Das heißt, es dürfen keinerlei zivile Waffen und Munition in den bzw. aus dem Geltungsbereich der CIP-Länder in Verkehr gebracht werden, die nicht diesem Regelwerk entsprechen. 

Der Vorschlag der EU (Punkt 12) besagt, dass die Kosten der vorgeschlagenen Beschränkung hauptsächlich von den Jägern und Sportschützen getragen würden und dass die Kostenerhöhung für diese angemessen sei. 

Die EU macht einen Fehler bei der Behauptung, dass in fast allen EU-Mitgliedstaaten eine "Infrastruktur zum Prüfen von Patronen" vorhanden ist.

Dies zeigt einen völligen Mangel an Verständnis für das Problem: Es sind die Schrotflinten, die für die Verwendung mit alternativen Materialien für Munition geprüft werden müssen, nicht die Munition für sich. Weiterhin muss noch die Frage aufgeworfen werden: Welche Mitgliedstaaten verfügen über die notwendige Infrastruktur zum Prüfen von Schrotflinten? 

Durch die Verwendung der RAMSAR-Definition mit zuzüglichen 400-Meter-Pufferzonen ist ein viel größerer Anteil von Jägern und Sportschützen in den Geltungsbereich der Beschränkung einbezogen. Das Ausmaß und die Auswirkungen auf Millionen europäischer legaler Waffenbesitzer wurden daher von der ECHA oder der EU nicht angemessen berücksichtigt. 

Weiß die Europäische Kommission, wie viele Jäger und Sportschützen betroffen sein werden und wie viele Schrotflinten angepasst bzw. ersetzt werden müssen?

Die EU schlägt Mitgliedstaaten mit mehr als 20 % Feuchtgebieten sogar vor, die Verwendung von Bleischrot vollständig zu verbieten. Dies ist jedoch im Hinblick auf die Auswirkungen und den Anwendungsbereich des EU-Vorschlags nicht ausreichend erläutert und gerechtfertigt. 

Lösungsansatz:

Da dieses Verbot de facto zu einer Unbrauchbarkeit von Millionen Schrotflinten und somit quasi zu einer Enteignung führt, erfordert dieser Sachverhalt eine neue Risikobewertung und sozioökonomische Analyse.

6. Jagdpraktische Tauglichkeit / Tierschutz sowie die Ökosystemverträglichkeit von Blei im Vergleich zu alternativen Werkstoffen

Die seit Jahrzenten bewährten und optimierten bleimetallhaltigen Werkstoffe für Jagdmunition stellen in der Jagdausübung eine tierschutzgerechte Tötungswirkung sicher. Andere Metalle haben sich hierbei als weniger effektiv und im Zusammenspiel von Waffen und Munition als problematisch gezeigt.

Zum derzeitigen Stand sieht RUAG Ammotec daher die Vorgaben eines weidgerechten und tierschutzgerechten Tötungseffektes in der Jagdpraxis von bleifreier Munition nicht hinreichend gedeckt.

Diese Forderung nach einer tierschutzgerechten Tötung ist in vielen europäischen Ländern gesetzlich verankert (z.B. in Deutschland sogar im Grundgesetz ...). 

Die seit Jahren anhaltende Diskussion, Blei in Jagdmunition zu ersetzen, hat auf technischer Ebene zu zahlreichen Untersuchungen geführt.

Vergleichende Untersuchungen der Universität München (TUM) haben allerdings gezeigt, dass die am Markt erhältlichen alternative Schrot- bzw. Kugelmunition gerade in Feuchtgebieten ökotoxikologisch signifikant bedenklichere Wirkungen haben als metallisches Blei.

So wurde ein Toxizitätstest mit dem, für diese Feuchtgebiete geltenden Schlüsselorganismus, großen Wasserfloh (Daphnia magna) durchgeführt. Der große Wasserfloh stellt in diesen Habitaten eine wichtige Schlüsselposition in der Nahrungskette dieser Ökosysteme dar. Die Untersuchungen haben ergeben, dass die freigesetzten Zink- und Kupferionen der alternativen Munitionswerkstoffe auf diesen Organismus sehr toxisch wirken und Mortalitätsraten von bis zu 100 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe gemessen wurden. Dagegen kam es in den von Bleischrot kontaminierten Lösungen zu keiner von der Kontrollgruppe signifikant abweichenden Mortalitätsrate.

RUAG Ammotec steht daher einem pauschalen Verbot von bleihaltigen Jagdmunition kritisch gegenüber. Zumal der Stand der Forschung noch nicht hinreichend die Auswirkungen alternativer Werkstoffe und deren Legierungen für die Umwelt dargelegt hat.

Lösungsansatz:

Solange es keine mindestens gleichwertigen Lösungen gibt, ist metallisches Blei weiterhin als Werkstoff für Munition zu erhalten.

Darüber hinaus sind die Folgewirkungen eines pauschalen Bleiverbotes nicht absehbar und können zu sehr großen Herausforderungen werden, die wichtige Aspekte der Jagd, des Tierschutzes, des Artenschutzes und des Umweltschutzes gefährden.

RUAG Ammotec als größter europäischer Munitionshersteller arbeitet deshalb an einem   Lösungsansatz, der für die Jagd an Gewässern und Feuchtgebieten alle Aspekte abdeckt. So wäre die Verwendung von verzinntem Bleischrot eine mögliche Variante, da metallisches Zinn als Oberflächenbeschichtung human- und ökotoxikologisch − auch in größeren Mengen − unbedenklich ist und man könnte unverändert die Vorteile von metallischem Blei im Hinblick auf Tötungswirkung, Systemverträglichkeit und Hintergrundgefährdung weiterhin unverändert nutzen. Zinn ist im Punkt Ökotoxikologie deutlich unbedenklicher als beispielsweise Kupfer, Zink, nickel-/chrom-/kunststoffbeschichtetes Weicheisen.

All diese Fakten werden von der EU-Kommission bis dato offensichtlich schlichtweg ignoriert!

7. Fazit:

Es muss auch weiterhin auf die positiven Eigenschaften von Blei als Werkstoff für Jagdmunition zurückzugegriffen werden können. Aus fachlicher Sicht ist ein Komplettverbot im Sinne einer Güterabwägung derzeit nicht zielführend. Dieses Ergebnis wird aufgrund diverser Untersuchungen und wissenschaftlicher Studien erhärtet.

Zudem sind bei den Alternativen noch sehr viele Fragen offen:

  1. Ist die Wirksamkeit von Alternativen bzgl. des Tierwohls und geltenden Tierschutzgesetzen auch innerhalb der Staaten, die Mitglied in der CIP sind, gegeben (Killing Effect)?

  2. Entspricht die Verwendung von Alternativen in allen Ländern geltenden rechtlichen Grundlagen (z.B. CIP)?

  3. Ist die sichere Verwendung von Alternativmunition in den vorhandenen Waffen sichergestellt (Systemverträglichkeit)?

  4. Gibt es Bedenken erhöhter Gefährdungspotentiale bei Alternativwerkstoffen (z. B. Abpraller)?

  5. Ist der Verbraucherschutz beim Verzehr von durch Alternativmunition erlegten Tieren sowie die Qualität vom Wildbret hinreichend sichergestellt (Lebensmittelqualität, Toxikologie)?

  6. Welche direkten bzw. indirekten toxikologischen Auswirkungen haben auf dem Markt verfügbare Alternativen auf die Umwelt (Tier-, Pflanzen- und Artenschutz)?

  7. Gibt es Untersuchung zur Ökotoxizität von Alternativen?

  8. Unter welchen Gesichtspunkten erfolgt die Gewichtung etwaiger alternativer Materialien?

Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Stellungnahme den EU-Grundsätzen einer "besseren Rechtsetzung" folgen sollte, damit sie in einem angemessenen Verhältnis zum Level-Risiko steht und für Jäger, Schützen und Vollzugsbeamte verständlich ist. 

Derzeit ist das Dossier sehr vieldeutig, unverhältnismäßig, diskriminierend und enthält zahlreiche Fehler, deshalb sehen wir hier massiven Korrekturbedarf.


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