Bleiverbot in Munition: Kein Fairplay einer EU-Institution! FACE beantragt Wiedereröffnung der Konsultationsphase

Der Artikel befasst sich mit der Einschätzung des Europäischen Bürgerbeauftragten zu einem Missstand in der Verwaltungstätigkeit der European Food Safety Authority (EFSA) im Zusammenhang mit dem Antrag von FACE auf Zugang zu den Dokumenten, die die EFSA der ECHA zum Entwurf des laufenden Beschränkungsverfahrens für Blei in Munition unter REACH vorgelegt hatte. Die EU ist bekannt dafür, ihren Mitgliedstaaten und Bürgern strenge und manchmal absurde Regeln und Vorschriften aufzuerlegen. Doch wenn die EU an der Reihe ist, ihre eigenen Regeln einzuhalten, können die Dinge offenbar anders aussehen. So geschehen bei der Vorgehensweise der EU im laufenden Beschränkungsverfahren für Blei in Munition im Rahmen von REACH, der europäischen Verordnung über chemische Stoffe und ihre sichere Verwendung. 

Wie FACE (Federation of Associations for Hunting and Conservation of the EU), berichtet, hat der Europäische Ombudsmann einen Fall von Verwaltungsmängeln bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgestellt. Diese war nicht in der Lage, wichtige Dokumente rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Dies hinderte FACE daran, die während der öffentlichen Konsultation im vergangenen Jahr gemachten Anmerkungen zum Beschränkungsverfahren selbst zu untermauern und ihre Stellungnahme abzugeben.

Die EU-Kommission arbeitet an einem vollständigen Verbot von Blei für alle Arten von Geschossen und Schroten. Das große Problem ist, dass u.a. das alternative Material Kupfer bereits auf der Beobachtungsliste der ECHA steht. Kupfer ist keine "grüne Munition" und i.d.R. keine ballistisch sinnvolle Lösung für Randfeuer-Munition oder Schrotpatronen.

Verwaltungsmängel beschädigen Ansehen der EU-Institutionen

"Fälle von Missständen in der Verwaltung, wie dieser, können das Handeln von Entscheidungsträgern beeinträchtigen und letztlich dem Ruf der EU-Institutionen schaden", so FACE in einer auf der Website Euractiv veröffentlichten Mitteilung. 

"Diese Situation hätte leicht vermieden werden können, wenn man sich an ein ordnungsgemäßes Verfahren gehalten und sich auf vorhandene, von Fachleuten überprüfte Forschungsergebnisse gestützt hätte. Der bereits holprige Weg des Beschränkungsberichts nach Annex XV der ECHA im Zusammenhang mit dem Vorschlag eines nahezu vollständigen Verbots der Verwendung von Blei in Munition für die Jagd und den Schießsport stellt einen neuen Stolperstein dar. 

Dies gefährdet nicht nur den erfolgreichen Abschluss eines Gesetzgebungsverfahrens, das mindestens 7 Millionen Bürger betrifft, sondern stellt auch die Grundsätze in Frage, nach denen die Bürger ihr Recht ausüben, zum Gesetzgebungs- und Politikgestaltungsprozess der EU beizutragen", bemerkt FACE.

"Verzögerter Zugang ist verweigerter Zugang" – Unfaires Spiel bei REACH?

Die ECHA und die EU-Kommission sind auf einem politischen Kreuzzug gegen Blei in Munition. Wir von all4shooters.com haben regelmäßig über dieses politische Spiel berichtet. Doch was ist eigentlich passiert? FACE rekonstruiert die Geschichte: "Im Rahmen der Vorbereitung des Dossiers zur Risikobewertung für die menschliche Gesundheit stellte die EFSA der ECHA (Europäische Chemikalienagentur) die Eingangsdaten zur Aufnahme von Wildfleisch und Blei in Wildfleisch zur Verfügung. Die ECHA nutzte diese Informationen dann zur Berechnung der gesundheitlichen Auswirkungen auf Jäger und ihre Familien (etwa 13,8 Millionen Menschen) in ihrem mehr als 1.000-seitigen Bericht, der die bisherige Meinungsbildung der ECHA maßgeblich beeinflusste."

An diesem Punkt ging jedoch etwas schief: "Im Rahmen des Beschränkungsverfahrens unter REACH stellte FACE mehrere Fragen zu den von der ECHA verwendeten Zahlen, da diese erheblich von den veröffentlichten wissenschaftlichen Erkenntnissen über Bleikonzentrationen in Wildfleisch in Europa abwichen. Normalerweise wird jedem der Zugang zu solchen Daten auf Antrag vor der öffentlichen Konsultation gewährt. Am 23. Februar 2021 hatte FACE bei der EFSA den Zugang zu den Dokumenten beantragt, die es der ECHA vorgelegt hatte. Seit Beginn des Antrags von FACE gab es jedoch zahlreiche Verzögerungen sowie Versuche der Rechtfertigung und Fristverlängerung. Nachdem die öffentliche Konsultation zur Risikobewertung der ECHA bereits abgeschlossen war, wurde das angeforderte Dokument erst am 13. Oktober 2021 an FACE weitergegeben."

Durch die Verzögerungen "wurde FACE das Recht vorenthalten, die Daten zu den Bleikonzentrationen in Wildfleisch im Beschränkungsbericht nach Annex XV der ECHA zu überprüfen und die während der öffentlichen Konsultation vorgebrachten Kommentare gründlich zu untermauern".

Und das ist keine Frage von Details: "Bei der Betrachtung der Daten wurden die Unterschiede zwischen der mittleren Bleikonzentration der EFSA und der bisherigen Forschung mit dem Zugang zu den Daten sofort deutlich. Wenn man beispielsweise eine Handvoll extremer Ausreißer aus den Datensätzen der EFSA entfernt, liegen die Bleikonzentrationen in Wildfleisch, das mit Gewehrmunition erlegt wurde, unter dem zulässigen Höchstwert (ML), der in der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Europäischen Kommission für Fleisch von domestizierten Tieren festgelegt ist. Die Auswirkungen von Blei auf die Gesundheit müssen im Rahmen der Arbeit der ECHA genau kommuniziert werden, damit fundierte Entscheidungen getroffen werden können."

Nachdem FACE eine Beschwerde beim Europäischen Ombudsmann eingereicht hatte, vertritt dieser nun die Auffassung, dass es sich um einen Fehler der Verwaltung handelt, da die EFSA fast acht Monate brauchte, um eine Entscheidung über die Offenlegung zu treffen und das "verzögerter Zugang verweigerter Zugang ist". "Dies hat FACE, die 7 Millionen europäische Jäger vertritt, daran gehindert, sich angemessen an der öffentlichen Konsultation der ECHA zu beteiligen. Da es sich um einen schwerwiegenden Verfahrensfehler handelt, hat FACE die Wiedereröffnung der öffentlichen Konsultation beantragt, bei der alle interessierten Parteien Beweise für die Risikobewertung der ECHA für die menschliche Gesundheit vorlegen können."

Statement des FACE-Präsidenten: Konsultationsverfahren der ECHA muss wieder geöffnet werden

In einer Stellungnahme kommentiert FACE Präsident Torbjörn Larsson: "Eine weitere EU-Institution hat Millionen von europäischen Bürgern im Stich gelassen. Diesmal ist es die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die gegen die Regeln verstoßen hat. Sie hat es versäumt, Informationen zur Verfügung zu stellen, die eine wesentliche Grundlage für das aktuelle Gutachten der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) zur Beschränkung von Blei in Munition bilden."

"Das Problem ist, dass die Verzögerung so groß war, dass die öffentliche Konsultation der ECHA abgeschlossen wurde, bevor die Daten öffentlich zugänglich waren. Die ECHA hat die Daten bereits verwendet, um die Risiken für Jäger und ihre Familien abzuschätzen, die etwa 13,8 Millionen Personen in der EU27 umfassen. Darüber hinaus wurden bei einer sorgfältigen Prüfung mehrere Probleme mit den Daten und ihrer Präsentation festgestellt, die jedoch nicht rechtzeitig erkannt werden konnten", fügt Larsson hinzu. 

In seinem Bericht stellt "der Ombudsmann einen Missstand im Umgang der EFSA mit dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zugang zu Dokumenten fest, insbesondere die Nichteinhaltung der in den EU-Rechtsvorschriften über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten festgelegten Fristen", so der FACE Präsident: "Als Reaktion auf den Bericht des Ombudsmannes habe ich die ECHA schriftlich aufgefordert, die Konsultation erneut zu eröffnen, um ein faires Verfahren zu gewährleisten. Hier geht es um Fair Play für über 10 Millionen Bürger (Jäger und Sportschützen) sowie um die Kernprinzipien der EU, nämlich Transparenz und Rechtsstaatlichkeit. Die EU-Institutionen müssen einen Richtungswechsel vornehmen, um sicherzustellen, dass Fairplay erreicht wird."


Hintergrundwissen zum Erhalt von Blei in Munition: Das sind die involvierten internationalen Verbände und Organisationen

Verbot von Blei in Munition: Treffen wird das nicht nur Jäger! Auch Sportschützen werden die Auswirkungen empfindlich zu spüren bekommen.

Das Europäische Schießsportforum (ESSF) ist eine informelle Plattform, auf der Vertreter internationaler Organisationen, die auf europäischer Ebene in den Bereichen Sportschießen, Jagd, Sammeln von Schusswaffen, Handel und Industrie tätig sind, einen offenen Dialog führen. Dabei erörtern sie Fragen von gemeinsamen Interesse, insbesondere die ökologischen, rechtlichen, politischen und sozioökonomischen Aspekte dieser Aktivitäten.

Die ESSF setzt sich zusammen aus dem Europäischen Verband des zivilen Waffenhandels (AECAC), dem Verband der europäischen Hersteller von Sportmunition (AFEMS), dem Europäischen Rat für Schießsport (ESSC), dem Verband der europäischen Hersteller von Sportfeuerwaffen (ESFAM), der Föderation der Verbände für Jagd und Naturschutz der EU (FACE), der Stiftung der europäischen Gesellschaften der Waffensammler (FESAC) und dem Europäischen Institut für Jagd- und Sportwaffen (IEACS).

In diesen Sektoren sind in Europa mehr als 600.000 Menschen beschäftigt, und der Jahresumsatz beläuft sich auf rund 40 Milliarden Euro, wenn man die Einnahmen aus der Jagd und dem Schießsport insgesamt mit einbezieht. Insgesamt sind dies 14.000 Einzelhändler, 300.000 Sammler und über 10 Millionen Jäger und Sportschützen in Europa, die gehört und respektiert werden wollen.

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