ISSF regelt Finale neu

ISSF-Regelwerk ab 2013, Titelseite

Alles geschehe mit dem Ziel, den Schießsport für die Zuschauer wie für die Medien attraktiver zu gestalten - so die einhellige Meinung der ISSF-Gremien, die die neuen Regeln Mitte November beschlossen und jetzt veröffentlicht haben. Die Technische Kommission sowie die beteiligten Disziplinen-Komitees für Gewehr, Pistole und Flinte hatten sich vorher auf einige durchaus aufsehenerregende und zunächst ungewohnte Neuerungen geeinigt, die jetzt fixiert wurden - trotz zahlreicher Einwände der Sportler in den Internet-Foren und bei Wettkämpfen.

Eine der Kern-Änderungen: Die Finalisten, die sich über den Vorkampf für die Endrunde qualifiziert haben, nehmen nicht mehr ihr dortiges Resultat mit, sondern alle acht oder sechs Sportler (je nach Disziplin) beginnen bei Null. Dieses Verfahren kennt man zwar aus anderen Sportarten, etwa der Leichtathletik, wo ein großer Vorsprung im Halbfinale ebenfalls im Finalrennen nicht mitgezählt wird. Der Unterschied, ob sich jemand für ein Finale qualifiziert oder nicht, sei manchmal nur ein Zehntelring im Vorkampf oder gar ein zusätzliches "Shoot-off" (woran sich auch künftig nichts ändern wird. Aber die Finalisten müssten nun ihr ganzes Können aufbringen, um eine Medaille oder einen Titel zu erringen, und die Rangliste im Finale nach jedem Schuss sei für Zuschauer wie für die Journalisten besser verständlich. Bei den Kugelwettbewerben mit Gewehr und Pistole werden künftig die Probeschüsse vom folgenden Wettkampf durch eine feste Zeitvorgabe plus Pause abgekoppelt, so dass alle Schützen gleichzeitig mit dem Wettkampf beginnen.

Die Finalkämpfe für Luftgewehr und Luftpistole, Freie Pistole und KK-Liegend werden gravierend geändert. Statt wie bisher 10 Schuß werden maximal 20 Schuß abgefeuert. Frei übersetzt aus Paragraph 6.17.2 der neuen Regeln (hier im PDF-Format)

Das Finale besteht ab jetzt aus zwei Serien zu je drei Wettkampfschüssen in 150 Sekunden bzw. (nur KK-Liegend) in 100 Sekunden. Danach folgen 14 einzelne Finalschüsse auf Kommando in jeweils 50 Sekunden (KK-Liegend in 30 Sekunden). Nach dem achten Schuss scheiden der dann jeweils Schütze aus, bis nur noch die beiden letzten Sportler um Gold und Silber schießen.

Hier die weiteren Änderungen ab 2013 in Stichworten

Gewehr-Disziplinen:

  • In den Finales wird nicht mehr nur stehend geschossen, sondern alle drei Stellungen mit entsprechender Umrüstzeit. Die Drei-Stellungs-Finale 3 x 20 und 3 x 40 Schuss gehen nun über 3 x 15 Schuss mit Zeitbegrenzung.
  • vorerst für das Jahr 2013 wird bei Luftgewehr 10 m und 50 m KK liegend schon ab dem Vorkampf in Zehntelringen gewertet, um das Feld etwas auseinanderzuziehen.
  • Die Gewehr-Schießkleidung wird stärker reglementiert, um ausrüstungsbedingte Vorteile auszuschalten. Hierzu zählen neue Meßmethoden bei der Kleidungsdicke, biegsame Schuhsohlen und ähnliches.
     

Pistolen-Disziplinen:

  • Nicht nur bei der Olympischen Schnellfeuerpistole, sondern auch bei der zweiten 25-m-Disziplin Sportpistole (Damen) gibt es im Finale keine zehn Ringe mehr pro Schuss, sondern eine "Hit- or-miss"-Regelung. Ein "Hit" innerhalb der Ringzone ab 9,7 und besser zählt einen Punkt, außerhalb keinen Punkt. Bei OSP werden acht Fünf-Schuss-Serien in je vier Sekunden geschossen, der jeweils schlechteste der zu Beginn acht Starter scheidet aus.

  • Die komplizierte neue Final-Regelung bei Sportpistole würde, sorry, den Rahmen einer Internet-Meldung sprengen - wahrscheinlich werden es die Journalisten auch nicht begreifen...   

Das neue ISSF-Regelwerk als PDF-Dokument (englisch)


Kommentar: 

Angesichts der Tatsache, dass die Finalwettkämpfe bei Olympia in London gut besucht waren und die Sportler von den Zuschauern auch begeistert beklatscht wurden, bleibt hier die Frage, ob die ISSF-Funktionäre bei aller Innovationswut die Schützen aus den Augen verloren haben, die ihren Regeln ja schließlich folgen sollen. Alle Änderungen der letzten Jahre wurden bis auf die unterste Kreismeister-Ebene detailgetreu vom Deutschen Schützenbund in die Sportordnung übernommen - auch wenn die maximale Größe einer Augenabdeckung eines Bezirksmeisters sicher auch danach kein Fernsehteam anlockte. Schwerwiegender sind die Änderungen bei der Gewehr-Ausrüstung. Wer gerade eine teure Maß-Lederjacke, -hose oder neue Schießschuhe gekauft hat, wird sauer reagieren, wenn er nun erneut Sondermüll entsorgen müsste, von den Kosten der nicht mehr verkaufbaren Lagerware bei den Herstellern ganz abgesehen. Hier wird eventuell das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und den Sportlern, die das ja meist ehrenamtlich machen, ein Olympia-Korsett übergestülpt, was nicht für die Freizeitschützen gedacht war. Mancher könnte da endgültig die Flinte ins Korn werfen.


Andererseits müssen Sportordnungs-Änderungen in Deutschland vom Bundesverwaltungsamt in Köln genehmigt werden - weltweit übrigens ein einmaliger Eingriff des Staates in die Autonomie des Sports. Und das BVA macht momentan durch Ablehnung aller Änderungswünsche negative Schlagzeilen, nachdem man zunächst zwei Jahre durch Aussitzen überbrücken wollte. Vielleicht hat die Nicht-Aktivität des Amtes hier mal etwas Gutes und zögert die Umsetzung der neuen ISSF-Regeln bis zur untersten Vereinsebene noch ein wenig hinaus...

Ulrich Eichstädt