Beruf Büchsenmacher: Mit Leidenschaft dabei − eine angehende Büchsenmacherin im Interview

Manch einer wird Anna-Leena Zöller (Leena mit zwei "e" ist kein Fehler) vielleicht noch kennen. Bei all4shooters präsentierte sie auf der IWA 2019 am Stand von Krieghoff eine Flinte. Aber in der jungen Frau mit hessischen Wurzeln schlägt weit mehr als man denken könnte. Sie gehört zu den (leider) wenigen Damen, die sich dazu entschieden haben, einen Beruf auszuüben und zu erlernen, ohne den unser aller Hobby nicht ganz so schön wäre: den des Büchsenmachers. Bei einem Besuch in einem der schlagenden Herzen der deutschen Waffenindustrie – im thüringischen Suhl – stand auch ein Besuch bei Anna-Leena Zöller auf dem Programm, um sie zu ihrem Werdegang und ihren weiteren Planungen für die Zukunft zu befragen.

Hier finden Sie unseren Film über Anna-Leena Zöller in der Berufsfachschule Büchsenmacher und Graveure Suhl.

Und hier das Interview mit Anna-Leena Zöller:

Anna-Leena Zöller in der Werkstatt
Das Arbeiten mit den Händen
gehört für die angehende
Büchsenmacherin einfach dazu.

all4shooters.com: Erzähl uns doch etwas zu deiner Herkunft und dazu, was du bislang so gemacht hast.

Anna-Leena Zöller: Aufgewachsen bin ich in Bad Nauheim in Hessen. Dort habe ich meinen Realschulabschluss gemacht und im Anschluss die allgemeine Fachhochschulreife Maschinenbau, also das sogenannte Fachabi, abgelegt. Danach habe ich eine Ausbildung zur Industriemechanikerin bei Rolls Royce in der Luftfahrttechnik absolviert und weitere sieben Jahre hauptsächlich im Qualitätsmanagement als Kaizen-Praktikerin und als Sicherheitsbeauftragte gearbeitet.

Wieso hast du gerade den Beruf des Büchsenmachers gewählt?

Durch meine erste Ausbildung fand ich großen Gefallen daran, Dinge selbst herzustellen. Vor allem die manuelle und die maschinelle Fertigung üben einen großen Reiz auf mich aus. Dazu kommt dann noch meine Liebe zu Details und zur Präzision. Leider musste ich nach meiner ersten Ausbildung aber die Erfahrung machen, dass handwerkliches Können nicht mehr so gefragt ist. Also suchte ich nach einem Feld, in dem ich mich verwirklichen konnte. Da ich von Haus aus eine Affinität zu alten Handwerksberufen habe und seit über zehn Jahren im Schießsport aktiv bin, war der Weg eigentlich schon vorgezeichnet. Den letzten Ausschlag gab dann ein familiärer Schicksalsschlag. Um meinen Vater zu ehren, bin ich dann nach Suhl gegangen, um hier den Beruf des Büchsenmachers zu erlernen und meinen Leidenschaften für das Handwerk nachzukommen.

Bist du familiär "vorbelastet" was das Thema Waffen angeht?

Das kann ich auf alle Fälle mit "ja" beantworten. Mein Vater war langjähriger und begeisterter Sportschütze. Er war vor allem sehr erfolgreich mit dem Revolver in .44 Magnum, den ich heute unter anderem auch noch schieße. Als Kind bin ich immer mit zum Schießen gegangen, auch wenn es nur zum Spielen war. Das erste Mal geschossen habe ich dann mit sieben Jahren mit dem Luftgewehr im alten Bad Nauheimer Verein, den es heute leider so auch nicht mehr gibt.

Büchsenmacher und Frauen? Ist das nicht ein Widerspruch beziehungsweise warum nicht? Oder musst du dich mit Klischees auseinandersetzen?

Anna-Leena Zöller begutachtet eine Flinte.
Anna-Leena Zöller begutachtet
eine Flinte. Filigranität liegt ihr
besonders am Herzen.

Die Frage habe ich schon erwartet, kann sie aber natürlich nicht allgemein, sondern nur subjektiv beantworten. Gerade, da es oft um filigrane Handarbeit und sorgfältiges und präzises Arbeiten geht, müsste es eigentlich eher ein Frauenberuf sein. Man braucht halt Geduld, Fingerfertigkeit, aber auch ein gewisses Maß an Kraft. Ich sehe darin deshalb nicht den geringsten Widerspruch. Vor allem aber macht mir der Beruf viel Spaß.

Wie bist du aufgenommen worden von den Mitschülern?

Es ist wie überall im Leben: Mit manchen versteht man sich sehr gut, mit anderen weniger. Schade finde ich nur, dass es immer wieder Menschen gibt, die einem missgünstig entgegenstehen, nur weil man gut ist in dem, was man macht, und immer besser werden will, um sich eben vom Rest abzuheben. Man steht ja als Frau noch viel eher unter Druck, um sich im „Männerberuf“ behaupten zu können, auch wenn mir das jetzt nicht äußerst schwer fällt.

Hattest du schon einmal negative Erfahrungen wegen der Berufswahl?

Nicht direkt, nur einmal während des Praktikums. Bei einstmaligen Traditionsbetrieben heißt es nicht zwingend, dass der "Nachwuchs" das gleiche Herzblut oder Interesse an den Tag legt wie seine Vorfahren. Oder gar dies nur macht, da der Betrieb halt schon da war. Bei solchen Menschen kann man schnell seine Motivation verlieren, darf sich aber nicht unterkriegen lassen.

Wieso fiel Deine Wahl auf Suhl als Ausbildungsort?

Blick in die Lehrwerkstatt der Büchsenmacherschule in Suhl.
lick in die Lehrwerkstatt der Büchsenmacherschule in Suhl. Der Anteil an Frauen ist gering.

Die dortige Büchsenmacherschule ist die einzige, die eine Vollzeitausbildung anbietet. Wobei ich gestehen muss, dass mir kleine, selbstständige Büchsenmacher davon abgeraten haben, den Beruf jetzt noch zu erlernen. Und ich habe zuerst versucht, einen anderen Weg zu gehen. Zwei große Unternehmen, bei denen ich mich beworben habe, haben weder zu- noch jemals abgesagt. Leider scheint man als Person oft nicht mal mehr wichtig genug für eine Rückmeldung zu sein, selbst nach mehrmaliger Anfrage. Dennoch wollte ich meinen Traum unbedingt verfolgen und deswegen bin ich nach Suhl an die Büchsenmacherschule gegangen.

 Was reizt Dich am meisten am Beruf des Büchsenmachers?

Genauigkeit bei der Ausbildung in Suhl.
Genauigkeit ist eines der Kernworte
während der Ausbildung in Suhl.

Ich kann zukünftig mein Hobby mit dem Beruf verbinden. Zudem ist Büchsenmacher eben etwas Besonderes, bei dem das eigene Können gefragt ist, wo man nicht nur Knöpfe drückt. Außerdem stirbt der Beruf leider aus und genau das möchte ich nicht.

Moderne oder Tradition? Was ist in Deinen Augen wichtiger?

Sowohl als auch. Fortschritt ist wichtig, um am Markt bestehen und mithalten zu können. Aber das alte Handwerk und das Wissen dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Zumal gerade, was Tradition angeht, es immer weniger wird, egal in welcher Hinsicht. Das alte Handwerk ist deswegen in meinen Augen ein bisschen wichtiger. Es muss auch noch jemanden geben, der mal etwas reparieren oder anpassen kann. Und das geht leider mehr und mehr verloren.

Gibt es Felder in der Ausbildung, die Dir eher liegen oder die Dir vielleicht Probleme machen?

Eigentlich nicht, man kann ja alles erlernen. Wo es hapert, muss man eben nachbessern und lernen, bis man es beherrscht. Probleme sehe ich auch eher als Potentiale, etwas verbessern zu können.

Wie sehen deine Pläne für deinen weiteren Lebensweg aus?

Im Anschluss an die Ausbildung möchte ich den Meister machen. Deswegen suche ich auch einen Büchsenmachermeister, von dem ich viel lernen und Erfahrungen sammeln kann. Danach bin ich mir etwas unschlüssig, aber der Weg in die Selbstständigkeit spielt bei meinen Überlegungen schon eine Rolle. Aber auch einer Arbeit im Ausland wäre ich nicht abgeneigt.

 Die "Waffenwelt" ist im Umbruch. Wo steuert der Markt nach deiner persönlichen Einschätzung hin?

Kurz gesagt: Immer mehr Plastik und Massenfertigung. Kaum einer will oder kann mehr Handarbeit oder Einzelanfertigungen bezahlen. Selbst große Waffenhersteller bilden zum Teil keine Büchsenmacher, sondern nur noch Industriemechaniker aus. Da muss man sich schon fragen, was mit unserer deutschen Waffentradition einmal geschieht, wenn mehr und mehr Wissen verschwindet.

Hast du noch eine abschließende Bemerkung oder Grüße?

Ganz liebe Grüße an meine derzeitigen Vereine in Veilsdorf und die SG08 Bad Nauheim und meine ehemaligen Vereine in Zella-Mehlis und den SVO Oberstedten bei Oberursel ... und natürlich alle Schützen, Schützinnen und Schießsportbegeisterte, die ich kenne.

Vielen Dank für das Interview.

Schüler und Lehrer mit überdimensionierter Langwaffe.
Mit Spaß bei der Sache und einem überdimensionierten "Werkstück".

Man darf gespannt sein, wie der Weg der sympathischen jungen Dame weitergeht, die bald ins dritte Lehrjahr kommt. Ihre Ansichten und Pläne sind aller Ehren wert und man kann ihr nur viel, viel Glück auf dem weiteren Weg wünschen.


Weitere Informationen zum Berufsbild und der Ausbildung zum Büchsenmacher oder Graveur, gibt es auf den Seiten der Berufsfachschule Büchsenmacher und Graveure Suhl.