Weder Gewehr noch MG: Das RPK-16, Russlands neues, leichtes Maschinengewehr

Zeichnung des RPK-16 von rechts.
Das RPK-16 setzte sich bei der Ausschreibung gegen andere Muster durch. Als Basis dient das russische AK-12-Sturmgewehr.

Wenn es um das Thema leichte Maschinengewehre geht, muss davon immer in Abhängigkeit gestellt werden, wozu sie überhaupt benutzt werden. Im Falle von Russland respektive der Sowjetunion liegen die Wurzeln in der Offensive. Ab 1944 führte die Rote Armee hauptsächlich offensive Militäreinsätze durch. Dafür benötigte die Infanterie ein leichtes und führigeres Maschinengewehr. Das bewährte Degtjarew DP-27 war dafür nicht gedacht und nicht modern genug. So sollte ein leichtes MG für die gerade eben eingeführte Patrone M43 (7,62x39) konstruiert werden. Diese Munition hatte ausreichende Mannstoppwirkung und Präzision auf Distanzen bis zu 800 m. Als Sieger ging das Degtjarew-MG RD-44 hervor. Nach der Fertigung einer kleinen Versuchsserie und der Truppenerprobung wurde diese Waffe unter dem Namen "das leichte Maschinengewehr System Degtjarew (RPD)" als Hauptmittel zur Feuerunterstützung der sowjetischen Infanterietruppe eingeführt. Am Anfang der 1960er Jahre trat das führige und mit dem AKM vereinheitlichte Kalaschnikow-lMG (RPK) an die Stelle der RPD. Nichtsdestoweniger blieben die RPD bis heute in den Lagern der Truppenreserven. Dennoch hielt sich das System "RPK" um einiges länger bei der Roten Armee (und dem Militär anderer Länder) und auch bei den Polizeien dominieren diese Waffen nach wie vor.

Die Neuerungen des leichten Maschinengewehrs:

RPK-16 von oben.
Draufsicht auf das neue lMG RPK-16. Dahinter steckt eine lange Entwicklung, die ihren Anfang in den 2010er Jahren nahm.

Die Einsatzerfahrungen, vor allem bei der Terrorbekämpfung seitens Armee und Polizei, zeigten jedoch, dass etwas Neues von Nöten war. Am besten ein "Sturm-Maschinengewehr", das für Nahdistanzen, Straßen- und Häuserkämpfe bei Feuerunterstützung der Stoßtruppen oder beim direkten Einsatz des Schützen geeignet ist. Geringes Gewicht, kompakte Abmessungen, hohe Kadenz und eine entsprechend starke Munition, um Wirkung zu erzeugen – das waren die Forderungen. Am Anfang der 2010er Jahre erstellte das russische Innenministerium ein Pflichtenheft für ein solches Sturm-MG zusammen – man hatte sich schlussendlich auf das Kaliber 5,45 mm verständigt. Da das russische Verteidigungsministerium im Rahmen des Ratnik-Programms auch die Entwicklung eines neuen lMG als Ersatz für RPK-74 beabsichtigte, beschloss man, beide Projekte unter einen Hut zu bringen und ein lMG mit 2 Wechselläufen zu entwickeln: Das Maschinengewehr für die Armee sollte einen Lauf mit Standardlänge haben, das Sturm-MG für die Polizei einen kurzen Lauf. Im Mai 2011 schrieb das Forschungsinstitut des russischen Innenministeriums FKU NPO "STiS" den offenen Wettbewerb "Entwicklung eines Sturm-lMG mit variabler Schusskadenz" unter der Chiffre "Tokar" aus. Laut den Anforderungen sollte das neue MG bei einem Gewicht von 6,5 kg eine Gesamtlänge von 900 mm beim langen Lauf beziehungsweise 700 mm mit dem kurzen Lauf aufweisen. Die Munitionszufuhr sollte sowohl über die neu entwickelten 60- und 90-Schuss-Magazine als auch über die Standard-Magazine erfolgen. Um die Feuerdichte an diverse Einsatzszenarien anzupassen, wurde die variable Schusskadenz vorgesehen: die niedrige 550-650 Schuss/min und die hohe 900-1000 Schuss/min. An dieser Ausschreibung nahm nur ein einziges Unternehmen teil – das Degtjarew-Werk aus Kowrow (OAO "ZiD"), dessen Versuchsmuster des MG im Jahr 2013 vorgestellt wurde. Allerdings ohne Erfolg.

Eine neue MG-Ausschreibung in 2016

Im Jahr 2016 kam "Tokar-2" mit der entsprechenden Ausschreibung. Der größte Unterschied war die Munitionszufuhr: entweder über das 60-Schuss-Magazin oder über den Gurtkasten für 100 oder 250 Schuss. Degtjarew nahm erneut teil, jedoch bekundete ein unerwarteter Wettbewerber, der Kalaschnikow-Konzern, nun ebenfalls Interesse. Auch das Werk "Molot" schien Interesse zu haben, aber bis heute erblickte dessen MG noch nicht das Licht der Öffentlichkeit. Auf alle Fälle stand der Sieger bald fest und das RPK-16 (die Zahl gibt das Jahr 2016 an, in dem die Entwicklungen begannen) kam nach Vorversuchen im Februar 2019 zur Einsatzerprobung in die Truppe. Unter anderem wurde es an die Moskauer Höhere Allgemeine Militärschule sowie an russische Spezialeinheiten geliefert.

Aufbau und Funktionsweise des RPK-16:

Als Basis dient das AK-12-Sturmgewehr. Das RPK-16 weist im Vergleich zum Sturmgewehr eine höhere Feuerdichte und eine größere effektive Schussweite auf. Die Funktionsweise – Gasdrucklader mit Drehkopfverschluss mit 2 Verriegelungswarzen – wurde nicht verändert und vollständig vom Kalaschnikow-Sturmgewehr übernommen. Da die meisten Teile des RPK-16-MGs mit dem Sturmgewehr vereinheitlicht sind, kann jeder Soldat, der an den Kalaschnikow-Sturmgewehren ausgebildet ist, diese Waffe sofort einsetzen.

Schalldämpfer des lMG RPK-16.
Auch für den Betrieb mit Schalldämpfern eignet sich das neue leichte Maschinengewehr von Kalaschnikow. Und es bietet noch mehr.

Im Unterschied zum Sturmgewehr und den lMG der vorherigen Generationen (RPK und RPK-74) präsentiert sich der Lauf des RPK-16 nicht nur massiv ausgeführt, sondern auch wechselbar. Der Lauf wird im Gehäuse durch einen sich quer bewegenden Keil fixiert. Jedoch wird der Laufwechsel nicht zur Laufkühlung, sondern für Anpassung der Waffe an unterschiedliche Einsatzszenarien durchgeführt. Dafür gibt es 2 Läufe: einmal 370 mm und einmal 550 mm lang. Mit dem kurzen Massivlauf kann das MG etwa in Straßen- und Häuserkämpfen eingesetzt werden. Und mit dem langen Lauf für Kämpfe im offenen Gelände oder in der Wüste. Darüber hinaus ergibt sich ein praktischer Nutzen: Der Wechsel eines verschlissenen oder defekten Laufes kann direkt vom Soldaten durchgeführt werden, ohne die Waffe in die Werkstatt oder zum Hersteller zu schicken. Das RPK-16 verfügt über einen Schlitz-Mündungsfeuerdämpfer anstatt der Mündungsbremse. Mittels des Schnellverschlusses kann er bei Spezialoperationen durch einen Schalldämpfer ersetzt werden. Der Systemkasten fällt robuster und etwas massiver aus. Im Vergleich zum "klassischen" Kalaschnikow-Gewehr haben AK-12 und RPK-16 den überarbeiteten Gehäusedeckel, dessen Stärke bei 1,5 mm liegt (anstatt 1 mm). Der Deckel hat eine neue Halterung und lässt sich nach oben aufklappen.

Vorderschaft des leichten Maschinengewehrs.
Einiges dran: Am RPK-16 lassen sich diverse Zubehörteile anbringen, wie Zweibeine oder Optiken.

Der Schaft des RPK-16

Hinterschaft des RPK-16.
Kein starrer Holzschaft mehr, sondern
ein moderner Schubschaft, der sich bei
Bedarf auch einklappen lässt.

Es erscheint aber bemerkenswert, dass die Entwickler des RPK-16 auf den herkömmlichen, für das Liegendschießen mit dem Zweibein optimierten Hinterschaft nach dem RPD-Vorbild verzichtet haben. Für AK-12 und RPK-16 verwenden die russischen Konstrukteure den links am Gehäuse angeklappten, in 4 Positionen längenverstellbaren Teleskop-Hinterschaft aus Kunststoff, der zum Kalaschnikow-Upgrade- Kit KM-AK (6Tsch63) gehört und im Rahmen des F&E-Projektes "Obwes" im Auftrag des russischen Verteidigungsministeriums entwickelt wurde. Im Stil der AR-15/M16-Schulterstütze ausgeführt, verbessert sich wesentlich die Ergonomie der Waffe. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung, dass diese Kriegswaffe keinen verstellbaren Schaft braucht, ist diese Eigenschaft beim RPK- 16 ein Vorteil, weil der Schütze die Schaftlänge an eine Vielzahl von Schießsituationen (gekleidet in leichte Sommeruniform, in Panzerweste oder in dicken, für den russischen Winter aktuellen Wintermantel) anpassen kann. Da es im Hinterschaft keinen Platz mehr für das Putzzeug gibt, ist dieses in dem hohlen, ergonomisch geformten Pistolengriff mit Fingermulden untergebracht. Das RPK-16 verfügt weiter auf der 12-Uhr- Position des Kunststoff-Vorderschaftes über eine lange Picatinny-Schiene nach MIL-STD 1913, die die Montage von unterschiedlichem Zubehör erlaubt.

Optik und Magazinoptionen fürs RPK-16: Ein vielseitiges, leichtes Maschinengewehr

Kurvenvisier des RPK-16.
Obwohl das RPK-16 für den Gebrauch von Optiken gedacht ist, verfügt es über ein Kurvenvisier.

Außerdem verfügt das RPK-16 über ein integriertes Ringkorn, dessen Fuß auf die Gasentnahme versetzt wurde. Hinzu tritt dann ein Kurvenvisier. Als Standard- Optik dient das Zielfernrohr 1P86-1, dessen Vergrößerung schrittweise von 1 bis 4 verändert werden kann und das als Reflexvisier oder als Scharfschützen-Zielfernrohr Verwendung findet. Zusätzlich kann das RPK-16 auf Entfernungen bis zu 500 m auch in die Rolle des "Designated Marksmann Rifle" schlüpfen. Seitlich – finden sich noch zwei abnehmbare Schienen und eine unter dem Vorderschaft, wo sich weiteres Zubehör, wie ein Zweibein, anbringen lässt. Das RPK-16 kann mit den gewöhnlichen Standard-Kastenmagazinen für 30 und 45 Schuss bestückt werden. Darüber hinaus lässt sich ebenso das speziell für das neue MG entwickelte Trommelmagazin für 95 Schuss verwenden. Zudem passt das Trommelmagazin des RPK-16 auch für das AK-12. Durch den Verzicht auf die Gurtzufuhr ist das RPK- 16 zuverlässiger, einfacher, leichter und das Nachladen geht schneller.

Ringkorn des RPK-16.
Das Kurvenvisier ergänzt ein stählernes Ringkorn (Bild), um so die Einsatzbereitschaft des Nutzers aufrecht zu erhalten.

Das Fazit zum Maschinengewehr RPK-16 in 5,45x39:

Systemkasten mit Trommelmagazin.
Speziell entwickelt: Für das RPK-16 schufen die Konstrukteure ein Trommelmagazin mit 95 Schuss, das sich auch bei der AK-12 verwenden lässt.

Bei der Entwicklung ihres Pendants zum FN Minimi (M249) verzichteten die Ingenieure des Kalaschnikow-Konzerns auf die Munitionszuführung mittels Gurt. Damit einher geht die maximale Unifizierung mit dem neuen russischen Standard-Sturmgewehr AK-12. Eigentlich stellt das RPK-16 ein für intensiveres Feuer geeignetes AK-12-Sturmgewehr dar. Dafür gibt es 2 Gründe. Erstens: Russische Militärs legen großen Wert auf die Gleichheit der Schusswaffen, indem unterschiedliche Waffentypen dennoch den gleichen Aufbau und Wirkungsweise haben und sich lediglich durch einzelne Teile unterscheiden. Das vereinfacht Fertigung, Wartung, Reparatur und Ausbildung für den Umgang mit Waffen. Und zweitens: Für die Produkte des Kalaschnikow Konzerns entstand ein breites Angebot an Zubehör wie diverse Zieloptiken, Magazine, Waffenkisten, Waffenregale, Waffenstützen für Panzerfahrzeuge und Hubschrauber und noch vieles mehr. Nach der Indienststellung eines neuen Waffenmodells muss diese "Infrastruktur" nicht erneuert werden, wenn es auf der gleichen Basis fußt. Offen bleibt allerdings die Frage, ob die RPK- 16-Variante im Kaliber 7,62x39 mm ein gutes Exportpotential haben könnte. Es bleibt da abzuwarten, wie sich die weltweite politische Lage weiter entwickelt. Und zum Schluss noch eine interessante Anekdote. Ohne darauf zu warten, dass der RPK-16 in Produktion geht und zur Truppe geht, hat eine russische Firma bereits mit der Produktion eines Kits begonnen, mit dem Airsoft-Versionen des Kalaschnikow-Sturmgewehrs in die entsprechende RPK-16-Variante umgebaut werden können. Das spricht für großes Vertrauen in die Waffe.

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