
Sie gilt als das Chamäleon im modernen Pistolenbau: Die SIG Sauer P320. Wohl kaum eine andere Polymerpistole hat so viele Gesichter wie die vor rund zehn Jahren auf dem Markt erschienene Dienstpistole. Ausgerüstet mit einer zusätzlichen manuellen Sicherung, ist sie seit 2017 als M17/M18 die Dienstpistole der amerikanischen Streitkräfte. Der Clou: Bei der P320 kann die waffenrechtlich relevante, abgekapselte Abzugseinheit in verschiedene, (bei uns frei erwerbbare Griffstücke) eingesetzt werden. Die Rahmen stehen wiederum in unterschiedlichen Dimensionen und einer Vielzahl von Materialien wie Polymer, Wolfram-verstärktes und schwergewichtiges Polymer sowie Leichtmetall und neuerdings auch Stahl zur Auswahl. Mit dem Tungsten Infused Grip Modul (TXG) hat sich SIG Sauer als Technologieführer verdient gemacht, handelt es sich doch um das erste Großseriengriffstück, das durch Einbringung von Wolfram in den polymeren Grundstoff das Gewicht in die Höhe treibt und sich trotzdem fertigungstechnisch einfach spritzen lässt. Mit den AXG-Modellen offeriert man zudem auch noch Leichtmetallgriffstücke, die unserer Meinung nach einen interessanten Kompromiss aus gelungener Haptik und tragbarem Gewicht darstellen.

Brandneu und bei uns schon auf dem Wunschzettel, ist die P320 XFive SXG, die auf einem Vollstahlgriffstück aufbaut und so die Herzen der Sportschützen höherschlagen lässt. So könnte man mit der modularen Pistole in einer sportlichen Konfiguration beispielsweise mit schwerem Tungsten-TXG-Griffstück tagsüber auf dem Schießstand unterwegs sein und abends mit kürzerem, leichtgewichtigem Polymergriffstück den Reviergang erledigen. Die SIG Sauer P320 gibt es in den Kalibern 9 mm Luger, 10 mm Auto und .45 Auto in Lauflängen von 3,7“/94 mm bis 5“/127 mm. In den Custom Works- und Legion-Baureihen entdeckt man zudem spezielle P320-Modelle wie beispielsweise P320 AXG Legion, P320 MAX (benannt nach dem IPSC/Action-Topschützen Max Michel), P320 XFive DH3 oder P320 Spectre Comp Blackout mit Kompensator. Darüber hinaus kann man sich im Rahmen des Custom Works-Projekts auch seine individuelle P320-Wunschwaffe zusammenstellen. Aber nicht alle Griffstück- und Verschlussgrößen sind untereinander kombinierbar. Aufschluss darüber, was mit was harmoniert, liefert der SIG P320 Konfigurator. Leider erreicht nur ein kleiner Teil des Produktportfolios Deutschland.
Das Comeback der 10 mm Auto und warum Jeff Cooper sich für die SIG Sauer P320 XTEN begeistern könnte
Vor rund zwei Jahren schickte SIG Sauer die P320 XTEN ins Rennen, um dem in den USA gerade wieder einmal auflebenden Hype rund um die Powerpatrone 10 mm Auto eine entsprechende Plattform zu bieten. Vor wenigen Jahren noch galt die daraus hervorgegangene .40 Smith & Wesson als idealer Kompromiss zwischen zielballistischer Wirkung, Kontrollierbarkeit und Magazinkapazität. Heute ist die auch als verunglimpfte "40 Short & Weak" (= kurz & schwach) bei vielen Kurzwaffenherstellern ganz aus dem Programm verschwunden. Dafür erlebt die leistungsstarke 10 mm Auto ein Comeback. So gibt es heute wieder mehr Fabrikmunition in 10 mm Auto als noch vor einigen Jahren, sodass so mancher bei der vom Combat-Papst Jeff Cooper favorisierten Patrone eventuell schwach werden könnte. Da ist die Full-Size P320 XTEN mit 5“/127 mm Lauflänge und einer Magazinkapazität von 15 Patronen sicherlich ein interessanter Kandidat.
In den USA gibt es dazu noch eine Variante mit 3,8“/97-mm-Lauf und im Verschluss integrierten Kompensator. Unsere Full-Size-Ausführung macht mit 216 mm Länge und rund 950 Gramm Gewicht ihrem Namen alle Ehre. Angesicht der kernigen Patrone wäre eine Ausführung mit schwerem TXG-Tungsten-Griffstück sicherlich wünschenswert. Leider gibt es diesen Griffrahmen nicht für die langen 10 mm/.45 Auto-Patronen. Die XTEN kommt gleich mit Ausschnitt für ein Leuchtpunktvisier und setzt dabei auf den Footprint des Leupold DeltaPoint, den auch die SIG Sauer Leuchtpunktvisiere nutzen. In unseren Breitengraden undenkbar, in den USA teilweise praktiziert, ist die Jagd mit der Kurzwaffe. Da wäre die XTEN in 10 mm Auto mit dem langen Lauf und der ballistischen Ausbeute durchaus verwendbar. German Sport Guns lieferte für den Test gleich das hauseigene Leuchtpunktvisier Romeo 1 Pro mit. Die Form des X Series-Griffstück ist flach gehalten und mit einer Oberflächenstruktur versehen, die weit nach oben reicht und einen guten Kompromiss aus Griffigkeit und Schonung der Kleidung bei verdeckter Trageweise bietet. Mit rund 34 mm Breite sollten auch Schützen mit mittelgroßen Händen mit dem Griffstück gut zurechtkommen. Die rund 1.800 Gramm Abzugsgewicht bei leichtem Kriechen gehen unserer Meinung in Ordnung. Die Stahlblechmagazine fassen 15 Patronen, wobei die letzte Pille ordentlichen Druck mit dem Daumen braucht, um ins Magazin gepackt zu werden. Es rastet aber bei geschlossenem Verschluss auch nur schwer ein. Die meisten Anwender werden aber auch mit 14+1 Patronen auskommen.


Handlich und Kompakt: Die SIG Sauer P320 Compact in .45 ACP

Die SIG P320 Compact ist die Antwort für alle, die eine handliche .45er mit kompakten Maßen suchen. Mit rund 215 mm Gesamtlänge und 808 Gramm Gewicht hat sie immerhin noch 9+1 Patronen Platz zu bieten. Das Standardgriffstück mit angedeuteter Daumenauflage fällt etwas balliger und als Kompaktausführung vor allen Dingen kürzer aus. Wer wie der Autor Handschuhgröße 12 besitzt, kommt beim Magazinwechsel nicht umhin, den kleinen Finger abzuspreizen, sonst zwickt es. Für dieses Modell mit dem größeren Magazinschacht für die langen Patronen hat SIG Sauer leider kein anderes Wechselgriffstück im Programm. Unsere Testwaffe besitzt keinen Schlittenausschnitt für ein Leuchtpunktvisier. In Zukunft wird es die kompakte Version in .45 Auto nur noch mit solch einer Schnittstelle geben. Sie ist übrigens das einzige P320-Modell, das für die uramerikanische .45 Auto eingerichtet ist. Die Full-Size-Variante mit rund 120 mm Lauflänge und 10+1 Patronen wurde bereits aus dem Programm genommen. Das zeigt aber auch, dass diese Patrone selbst im Heimatland nicht mehr so hoch im Kurs steht. Mit einem gemessenen Abzugsgewicht von rund 2.200 Gramm bewegt sich der Abzug des voll vorgespannten Schlagbolzenschlosses auf dem typischen Niveau einer Dienstpistole. Die mechanische Visierung weist wie bei der XTEN weiße Kontrastpunkte auf. Die in den USA verbauten Visierungen mit Tritium-Einlagen scheitern bei uns an den übertriebenen wie unsinnigen Strahlenschutzbestimmungen. Typische P320-Features sind der beidseitige Verschlussfanghebel und der auf die andere Seite umsetzbare Magazinauslöseknopf. Übrigens lässt sich die P320 Compact auch mit einem Wechselsystem in 10 mm Auto oder 9 mm Luger umrüsten, die bei uns bei entsprechender Grundwaffe in .45 Auto bedürfnisfrei zu erwerben sind.
Die 10 mm Auto und .45 ACP aus Sicht des Schützen und des Wiederladers
Weil der internationale Markt gerade so viel 10-mm-Auto-Pistolen und Munitionssorten wie seit langer Zeit nicht mehr feilbietet, möchten wir noch kurz die Vor- und Nachteile gegenüber der .45 Auto abstecken. Das größte Plus gegenüber der .45 Auto hat die 10 mm Auto in Sachen Leistung und Magazinkapazität zu bieten. Sie kann gut auf 800 Joule gebracht werden, während bei der .45 Auto durch den niedrigeren Gasdruck bei etwa 550 bis 600 Joule das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Wiederlader können mit Geschossgewichten von 135 bis 200 Grains die 10 mm Auto gut auf persönliche Belange abstimmen. In der Regel wird das Magazin ein bis zwei Patronen mehr fassen, was aber für den jagdlichen Einsatz nicht relevant ist. Nachteilig bei der 10 mm Auto ist, dass man nicht weiß, wie lange der zweite Frühling anhält und wie die Versorgung mit Fabrikmunition in Zukunft sein wird. Wer nicht wiederlädt, kann dann schnell von Engpässen betroffen sein. Darüber braucht man sich bei der .45 Auto keine Gedanken zu machen. Zwar ist das ehemalige US-Army-Kaliber bei Neuwaffen nicht mehr so gefragt, der Bestand an Altwaffen ist aber so hoch, dass die Industrie ausreichend Munition in diesem Kaliber produziert. Zudem bietet die .45 Auto den Vorteil, dass sie immer im Unterschallbereich unterwegs ist und selbst bei einem nicht oder nur unzureichend expandierenden Geschoss schon genug Querschnitt bietet.
Mit der SIG Sauer P320 XTEN und der P320 Compact auf dem Schießstand
Die P320 XTEN wurde für die Präzisionsüberprüfung auf der 25-Meter-Distanz auf dem Sandsack zum Ruhen gebracht. Sieben Laborierungen von 170 bis 200 Grains sollten dabei zur Anwendung kommen. Das montierte Romeo 1 Pro Leuchtpunktvisier mit extrem sauberen, scharf abgegrenztem 6-MOA-Punkt (44 mm auf 25 m) zeigte sich als ideal für die Schussleistungskontrolle. Die softe PPU 170 Grains JHP machte mit 52 mm das Rennen (Für eine leistungsstarke Polymerrahmen-Gebrauchspistole ein durchaus zufriedenstellendes Resultat), gefolgt von unserer Handlaborierung mit dem 200 Grains Hornady XTP und der PMC 170 Grains JHP Fabrikpatrone. Beim Verfeuern der Patronen zeigte sich, welche Leistungsbandbreite in der 1983 erschienenen 10 mm Auto steckt. Während sich die PPU 170 JHP auf .40 S&W-Niveau befand, teilte die Hornady 180 Grains XTP mit über 800 Joule Energie schon kräftig aus. Durch die vergleichsweise hohe Laufseelenachse der P320er Baureihe findet dann auch eine entsprechende Drehbewegung statt. Funktionsstörungen gab es keine zu verzeichnen und das Minileuchtpunktvisier hat auch die kernigen 10-mm-Auto-Munitionssorten scheinbar ohne Blessuren überstanden. Mit der kompakten .45 Auto verlegten wir uns auf die 15-Meter-Distanz. Auch hier sollten bei sieben Laborierungen zwei 5-Schuss-Gruppen als Bewertungsgrundlage dienen.

Als präziseste Laborierung erwies sich hier die Medium-Defensivlaborierung in Form der 185 Grains Speer Gold Dot mit 37 mm. Auf Rang 2 die kernige 220 Grains Hornady Critical Duty sowie auf Platz 3 eine Kopie einer typischen Hardball-Laborierung mit einem 230 Grains Speer TMJ-Geschoss. Auch die kompakte .45er erlaubte sich keine einzige Funktionsstörung. Die härteren Laborierungen kicken sowohl in .45 als auch 10 mm Auto ganz gut, darüber sollte man sich beim Kauf einer Polymerwaffe in solchen impulsstarken Kalibern im Klaren sein. Wer jetzt bei einem möglichen Fangschuss nur an wenige Schuss denkt, sollte aber im Hinterkopf behalten, dass man mit seinem Handwerkszeug auch trainieren sollte. Das kann bei solchen Kalibern dann schon in Arbeit ausarten.
Fazit: SIG Sauer P320 XTEN (10 mm Auto) und Compact (.45 Auto)
Wer eine wandlungsfähige SIG Sauer P320 mit mehr Leistung als im Kaliber 9x19 sucht, der findet vielleicht in den beiden Protagonisten sein Glück. Welches Kaliber man dabei wählt, hängt etwas von den persönlichen Präferenzen ab. Die 10 mm Auto hat zwar mehr Leistung zu bieten, könnte aber in den nächsten Jahren auch schnell wieder aus den Munitionsregalen verschwunden sein. Da braucht man sich bei der .45 Auto keine Gedanken zu machen. Die P320 XTEN geht für 1.289,- Euro, die handliche P320 Compact für 1.199,- Euro über die Ladentheke.
Dieser Test erschien auch in der caliber, Ausgabe 01/2025. Dort sind auch die ausführlichen Schießergebnisse, samt den Ladedaten der erwähnten Handlaborierungen und auch die bemerkenswerten zielballistischen Ergebnisse der Seifenbeschüsse mit der Hornady Critical Duty aus den beiden SIG Sauer P320-Pistolen in 10 mm Auto und .45 ACP enthalten. Sie können das Heft im VS Medien-Onlineshop kaufen. Es steht auch als ePaper zur Verfügung.
Weitere Informationen über die SIG Sauer P320 erhalten Sie auf der Webseite des Herstellers und auch beim deutschen SIG Sauer-Importeur, German Sport Guns.