Dan Wesson in .445 SuperMag: Mit dem Youngtimer-Revolver im exotischen Kaliber auf dem Schießstand

Die Verlängerung einer Patrone verschaffte schon manchem Kaliber Kultstatus, doch beliebig oft lässt sich dieses Rezept nicht anwenden. Dabei scheint es vernünftig, nur die Hülse zu verlängern, um Leistungszuwachs zu erzeugen: Gleiche Laufdurchmesser, gleiche Geschosse, im Wesentlichen gleiche Werkzeuge zur Fertigung von Waffe und Munition – und das Wissen um die erfolgreichen Vorgänger. Denn die .357 Magnum ist nichts weiter als eine verlängerte .38 Special und die potente .44 Magnum nur eine verlängerte .44 Special, die ihrerseits aus der .44 S & W Russian hervorgegangen ist. Aber bei der nochmaligen Verlängerung der .44 Magnum um rund acht Millimeter zur .445 Super Magnum kam ein Grundsatz der Ballistik ins Spiel: Die innenballistisch wichtige Größe für Leistungszuwachs ist die Querschnittsbelastung des Geschosses. Kaliberkleinere Geschosse sind bei gleichem Gewicht länger und haben eine größere Querschnittsbelastung als gleichschwere mit größerem Durchmesser. Bleiben Lauflänge und Treibmittel gleich, treten Geschosse mit höherer Querschnittsbelastung langsamer aus der Mündung als solche mit geringerer Querschnittsbelastung, also "kurze, dicke". Verlängert man den Lauf, geht es rasch in schießende Spazierstöcke über, so die Treibmittelmenge sinnvoll ausgenutzt werden soll. Das zeigen Revolver, die für nochmals verlängerte Langwaffenkaliber wie die .444 Marlin ausgelegt sind. Durchgangszeiten können auch mit stärkeren Treibmitteln gesteigert werden. Diese bedingen aber hochwertigere Verarbeitung und Werkstoffe, wie Jack Fullmer und Dick Casull mit ihrem ab 1983 angebotenen Freedom Arms Revolver in .454 Casull erlebten: Heiße Ladungen und über 2000 Joule Mündungsenergie ließen sich auf Dauer nur aus den hochwertigen und entsprechend teuren FA-Revolvern realisieren.

Patronen und Geschosse in den Kalibern .44 Magnum, .444 Marlin und .445 Super Magnum im Vergleich.
Links die .44 Magnum, rechts die Patrone .444 Marlin. Mitte: Drei Patronen .445 Super Magnum mit den Geschossgewichten 240, 260 und 300 Grains.

Die 1980er – Geburtsstunde vieler Magnumpatronen

Die späten 1980er Jahre waren kurzwaffentechnisch eine aus ballistischer Sicht interessante Zeit. Nicht nur Dan Wesson Firearms und Freedom Arms entwickelten Superkaliber. Die im Verhältnis zum Geschossgewicht mit geringer Querschnittsbelastung funktionierende Patrone .50 Action Express, mit der schnell zur Kultwaffe avancierten Desert Eagle, stellt ab 1990 den Leistungsgipfel funktionierender und bezahlbarer Magnumpistolen dar. Lediglich der zahmere Gasdruck der 1988 von John Linebaugh entwickelten .475 Linebaugh ließ diese Patrone unterhalb der .454 Casull rangieren. Dafür konnten Interessenten anfangs mit preiswert modifizierten Ruger-Revolvern zur Jagd gehen. Scheinbar war der .445 Super Magnum-Revolver von Dan Wesson schon vom Start weg im Hintertreffen. Doch sollten hier weniger Jäger oder die Masse der Sportschützen angesprochen werden. Die erste Zielgruppe führt das Kürzel IHMSA. Dahinter verbirgt sich die International Handgun Metallic Silhouette Association. Freunde dieser Sportart "erlegen" auf bis zu 200 Yards (ein Yard: 0,91440 m) lebensgroße Metallsilhouetten von Hühnern, Truthähnen, Schweinen und Widdern. Dort kam der 10"-Revolver im leistungsgesteigerten 44er Kaliber gut an. Denn Serien um 40 Schuss lassen sich besser mit schweren als mit leichten Waffen überstehen. Auch die sagenhafte Präzision der .44 Magnum, die ja mit der um etwa acht Millimeter verlängerten Hülse übernommen wurde, trug zum Erfolg dieses Revolvers in der Szene bei. Und ein wesentliches Plus: Auf lange Distanzen kehrt sich der Nachteil der höheren Querschnittsbelastung um. Dann sind gleichschwere und anfangs gleich schnelle Geschosse den dickeren Typen überlegen – der Luftwiderstand lässt grüßen!

Dan Wesson 445 mit entnommenem Lauf und Werkzeug.
Der Laufwechsel beim Dan Wesson 445 ist eine Sache weniger Minuten. Mit einer Fühlerlehre lässt sich der Trommelspalt sehr eng einstellen.

Dan Wesson Revolver: Universell dank Laufwechsel

Doch selbst in den USA ist die Zahl der Silhouettenschützen recht klein. Ein technisches Alleinstellungsmerkmal der Dan Wesson-Revolver sollte aber auch außerhalb der Metallplatten umschießenden Fangemeinde für Umsatz sorgen: Die Umsetzung des US-Patents Nr. 4807380 vom 30. Mai 1989, welches eine verblüffend einfache Laufwechselmöglichkeit schützt. Mit der Teilung des Laufes in einen zylindrischen, einfach herzustellenden Lauf und den mittels Haltemutter und eines Passstiftes ‑ fixierten Laufmantel konnte die Lauflänge in Schritten zu jeweils zwei Zoll von vier bis zehn Zoll variiert werden. So war es möglich, die fast 2000 g schwere und über 40 cm lange Silhouettenvariante auf unter 30 Zentimeter zu kürzen.

Querschnittsbelastung und die Lauflänge

Mündungsansicht des Dan Wesson 445.
Eine ringförmige Haltemutter koppelt bei Dan Wesson Lauf und Mantel.

Die Frage, wie sich der Einfluss der Querschnittsbelastung bei kürzerer Lauflänge auf die Leistung auswirkt, konnten die Tester mittels eines in Deutschland seltenen Dan Wesson in .445 Super Magnum mit 6"-Lauf beantworten. Außerdem ging es dabei auch um die oft gestellte Frage, wie sich der Trommelspalt auf die Leistung auswirkt. Denn durch die per Feingewinde im Rahmen befestigten Läufe lassen sich diese nicht nur wechseln, sondern mittels Fühlerlehre auch die Spaltmaße vom Lauf zur Trommel verändern. Mit dieser Methode kalibrierten die Tester die Leistung des Dan Wesson gegenüber einem Ruger Super Blackhawk im Kaliber .44 Magnum. Beim Blackhawk beträgt die Lauflänge 5 ½ statt 6 Zoll. Mit einem Trommelspalt von 0,18 Millimetern (mm) und der American Eagle mit 240-Grains-Geschossen erreichte der Ruger im Mittel eine Mündungsgeschwindigkeit von 410 Metern pro Sekunde (m/s). Wegen des etwas kürzeren Laufes des Rugers stellten die Tester den Laufspalt am Dan Wesson vorab auf 0,6 mm ein. Überraschung: Ganze 382 m/s erreichte der Dan Wesson nur noch, trotz längerem Lauf. Ein drastisch auf 0,20 mm reduziertes Spaltmaß zeigte danach Mittelwerte von 416 m/s. Die mit dem Ruger vergleichbare Mündungsgeschwindigkeit von 410 m/s pendelte sich beim Dan Wesson bei einem Trommelspalt von 0,25 Millimeter ein.

Effekt bei der Variation des Trommelspalts

Spontan entschieden sich die Tester für einen Test im Test: Eine Reduktion des Trommelspalts auf 0,10 Millimeter beschleunigte die Geschosse auf 421 m/s, die Öffnung auf 0,30 mm ließ die Geschwindigkeit auf 397 m/s absacken, also ein Unterschied von 24 m/s durch zwei Zehntel Millimeter mehr oder weniger Spaltmaß. Damit schlagen etwa 150 Joule (J) (1226 J statt 1378 J) weniger im Ziel ein. Die Originaleinstellung des Dan Wesson-Trommelspaltes liegt bei 0,002 Zoll, also nur rund 0,05 mm. Zur Auslieferung war neben dem Werkzeug zum Laufwechsel auch eine Fühlerlehre enthalten. Bei dem im Bereich von Nobelrevolvern liegenden Spaltmaß kletterte die v0 auf 428 m/s. Ganz so unerheblich, wie manche Hersteller behaupten, scheint der Einfluss des Trommelspaltes doch nicht zu sein.

Die beiden Test-Revolver im Detail: Daten und Preise

Modell:Dan Wesson 445 SuperMagRuger Super Blackhawk
Preis:Gebrauchtwaffe1147,- Euro
Kaliber:.445 Super Magnum.44 Magnum
Kapazität:6 Patronen6 Patronen
Maße (L x B x H):315 x 45 x 155 mm290 x 44 x 144 mm
Laulänge:152 mm (6")140 mm (5,5")
Drall:464 mm (1:18 3/4")508 mm (1:20")
Laufprofil:8 Züge, Rechtsdrall6 Züge, Rechtsdrall
Visierung:Mikrometer/RampenkornMikrometer/Rampenkorn
Material/Finish:Stainless Steel, mattStahl, brüniert
Abzugsgewicht:1900 g (SA)1700 g (SA)
Gewicht:1708 g1275 g
Ausstattung:DA-/SA-Abzugssystem mit seitlich ausschwenkbarer Trommel, Lauf wechselbar, Trommelspalt einstellbar.Single Action mit geschlossenem Rahmen und seitlicher Ladeklappe, Transfer Bar.

So verlief der Test: Auswirkungen der Querschnittsbelastung

Ruger Super Blackhawk mit geöffnetem Ladefenster und Patronen Kaliber .44 Magnum.
Der Ruger Super Blackhawk schoss präzise. Der kleine Griff erfordert ein beherztes Zupacken.

Ein paar Worte zu dem fabrikneuen Ruger Super Blackhawk. Er sollte in erster Linie zur Kalibrierung herhalten, präsentierte aber auch eine sehr hochwertige Verarbeitung: Kaum Trommelspiel im gespannten Zustand, eine allen Ansprüchen gerecht werdende Visierung und ein sauber auslösender Abzug. Der kurze Durchgang in der Schießmaschine bestätigte die hohe Meinung der Tester, die Zehn hält die Waffe zumindest mit der kleinen Munitionsauswahl locker. Den Griff umfassen nur kleine Hände, schon in einer mittelgroßen Männerhand liegt der kleine Finger bereits auf der (harten) Kante auf oder krampft unter dem Griffrahmen. Ohne Angst vor Schlägen ließ sich nur die auf Sportschützenniveau gezähmte Blei-Flachkopf-Laborierung von WM Bullets verschießen, die auch die beste Präzision zeigte.

Patronenboden einer .445 Super Magnum, nach dem abfeuern mit Maximalladung.
Die leicht verstrichene Ringfuge
und der etwas gekraterte Eindruck
des Schlagbolzens einer Maximal-
Ladung in .445 Super Magnum.

Das Extrapfund Gewicht des Dan Wesson, nebst seinem Hogue-Griff ließen den 445er Revolver aus der Hand geschossen viel zahmer wirken. Kein Wunder, waren doch die Leistungen der starken Ladungen in .445 Super Magnum nur knapp über 200 J von der deftigen 44er Fabrikpatrone von American Eagle entfernt. Und das Zündhütchenbild (verstrichene Randfuge und der leicht gekraterte Eindruck des Schlagbolzens) meldete: bis hierhin und nicht weiter! Die Laborierungen mit dem Treibmittel Lil‘ Gun hingegen zeigten noch Luft nach oben, bis zur extra ausgewiesenen Maximalladung. Diese wurde mit ursprünglichem engen Trommelspalt geschossen – immerhin handelte es sich dabei um 1600 Joule. Doch die Gegenprobe in Form von Laborierung Nr. 4 rückte aus dem damit definitiv unangenehm zu schießenden Ruger dem Dan Wesson Super Magnum recht nahe. US-Ladedaten mit leider der REACH-Verordnung zum Opfer gefallenen Treibmittelsorten überschritten aus dem 6"-Dan Wesson mit 240 Grains schweren Geschossen die Marke von 1700 Joule. Das ist Einiges, aber lange nicht der Sprung wie einst von der .38 Special zur .357 Magnum oder dem Leistungsplus der .44 Magnum gegenüber der älteren .44 Special. Beeindruckender als bloße Leistungsparameter waren in Folge der Treibmittelsteigerung die Leucht- und Knalleffekte. Aber: Blitz und Donnerhall signalisieren, dass hier Treibmittel zu Feuerwerks- statt Antriebszwecken verbrennt. Erst ab 10"-Lauflänge liefen die .445 Super Mag mit einem 265-Grains-Projektil und – dem in der EU leider gebannten – Hodgdon H4227 zu knapp 2000 Joule Mündungsenergie auf. Wer großvolumige Patronen laboriert, sollte sich vorher die innen- und außenballistische Wechselwirkung vor Augen halten: Bei gleicher Masse und Geschwindigkeit treten Geschosse mit höherer Querschnittsbelastung langsamer aus, sind ab einer bestimmten Distanz aber länger schnell unterwegs. Geschosse geringer Querschnittsbelastung sind auf kürzere Distanzen leistungsfähiger, bis der Luftwiderstand gewonnen hat.

Fazit: Abschließende Worte zum Super Magnum-Revolver von Dan Wesson

Genutzt hatten die Laufwechsel-Optionen dem frühen Versuch einer Super Magnum-Kurzwaffe nichts. Der Mangel an Fabrikpatronen, der (in Verbindung mit Wechselläufen) hohe Preis und eine zwar gute, aber nicht auf höchstem Niveau liegende Verarbeitung reichten nicht aus, um breitere Käuferschichten anzusprechen. Das vom Urenkel des Smith & Wesson-Mitbegründers Daniel Baird Wesson gegründete Unternehmen ist heute mit lediglich einem 357er-Revolvermodell ein Teil der CZ-(USA)-Gruppe.


Text: Hamza Malalla und Robert Riegel

Dieser Artikel erschien zuerst in der VISIER, Ausgabe 3/2020. Das Heft ist in der Print-Version und auch als e-Paper im VS Medien-Shop zu erwerben. Dort sind neben den verwendeten Ladedaten auch alle Leistungswerte im Detail enthalten.