Feste Long-Range-Größe im Test: Mit dem Barrett MRAD in .338 Lapua Magnum auf dem Schießstand

Kaliber .50 BMG – nein, das ist nicht alles, worauf sich das Portfolio der US-Firma Barrett begründet: Hier kann man auch kleiner. Der Beweis heißt MRAD, kurz für Multi-Role Adaptive Design. Ein Gewehr, das sich vielen Aufgabenzwecken anpassen lässt und für dessen Design Junior-Chef Chris Barrett verantwortlich zeichnet. Erstmals 2013 in VISIER (die Ausgabe ist noch digital im VS Medien-Shop verfügbar.) vorgestellt, hat sich das Modell zu einer festen Größe im Long-Range-Feld entwickelt und  kürzlich sogar eine USSOCOM-Ausschreibung gewonnen. Nunmehr von Helmut Hofmann exklusiv importiert, ging aus der neuesten Serie eins der leicht modifizierten Multikaliber-Scharfschützengewehre im Kaliber .338 Lapua Magnum zum Test.

Der Schaft beziehungsweise das Chassis des Barrett MRAD in .338

Die Barrett MRAD in ihre Baugruppen zerlegt auf einem Waffenkoffer.
Die Barrett MRAD in ihre Baugruppen zerlegt und Lauf entnommen. Peli-Case im Zubehör.

Wie bei modernen Repetierern mit Chassis-System zu erwarten, ähnelt auch das MRAD da einer AR-15-Büchse. Das Chassis aus hochfestem T-7000 Aluminium teilt sich in Upper und Lower. Analog zum AR klappt man den Lower per Haltebolzen an der Vorderseite ab. Dann folgt die erste Abweichung. Statt eines hinteren AR-Haltebolzens findet sich bei der MRAD ein Riegelmechanismus, zu betätigen per Knopf unten hinter dem Pistolengriff. Will der Anwender Upper und Lower trennen, drückt er – nun wieder à la AR – den Haltebolzen seitlich heraus. Der an den Lower gekoppelte Hinterschaft lässt sich platzsparend nach rechts klappen. Dabei fixiert er den Kammerstengel im geschlossenen Zustand. An Ausstattung bietet der MRAD-Schaft beidseitig zwei QD-Schnittstellen für Riemenbügel und unten eine gut 60 mm lange Picatinny-Rail zur Monopod-Aufnahme. Als praktisch erweist sich diese gerade Fläche auch, wenn das Gewehr beim Schuss auf einem Ohrensack ruhen soll. Zum Justieren: Löst man links ein sternförmiges Mutternrad, kann die Wangenauflage stufenlos um bis zu 30 mm rauf oder runter gestellt werden. Die Schaftkappe lässt sich per Knopfdruck in 7 Stufen um bis zu 40 mm ausziehen. Zudem trägt sie ein – sehr angenehmes – Gummipolster. Beim Pistolengriff wählte Barrett das MagPul -Modell MOE, bekannt für Top-Haptik und dank Bodendeckel mit Stau-Option. Der Magazinschacht fasst eines der zwei mitgelieferten Polymer-Magazine, hier .338 Lapua Magnum. Sie beherbergen bis zu jeweils 10 Patronen (Höchstlänge: 97 mm). Weil zweireihig, fällt das Magazin sehr kompakt aus und stört nicht bei aufgelegtem Schießen.

Zwei Bilder mit der Wangenauflage in verschiedenen Positionen.
Der Hinterschaft der Barrett MRAD: links zu sehen in seiner Grundposition, zeigt ihn das Bild rechts mit jeweils voll verstellter Wangenauflage und Schulterstütze.
Eingeklappter Hinterschaft der MRAD.
Der angeklappte Hinterschaft arretiert
den Kammerstengel beim Transport.

Zum Vorderschaft und damit dem Element, das Barrett im Vergleich zur 2013er MRAD-Version modifiziert hat. Ausgenommen die Oberseite haben die übrigen sieben Flächen des Handschutzes ovale Löcher. Die ähneln zwar M-LOK-Schnittstellen, haben aber nichts mit etwaiger Montage zu schaffen – sie sparen Gewicht und verbessern die Kühlung. Zur Aufnahme von Zubehör sowie den mitgelieferten Picatinny-Schienen dienen je sechs Gewindebohrungen auf 3, 6 und 9 Uhr. Die Rails (1 x 20 cm und 2 x 10 cm) haben zusätzlich je eine QD-Schnittstelle. Zwei 1,25-Zoll-Riemenbügel des Typs Heavy Duty Quick Detach liegen ebenfalls im Peli-Case-Waffenkoffer. Auf 12 Uhr thront eine 599 mm lange Picatinny-Schiene, Long-Range-gerecht komplett mit 20 MOA Vorneigung. Barrett hat die 57 Pica-Quernuten praxisgerecht seitlich abgerundet.

Der Lauf der Long-Range-Waffe von Barrett

Mündungsfeuer der Barrett MRAD.
Die MRAD beim Test untertage in Marienberg.
Das Mündungsfeuer ist immer wieder imposant anzuschauen.

Er wiegt 2870 g, misst 612 mm (24 Zoll) und läuft konisch zu, vorn 22,5 mm, an der Wurzel knapp 32 mm. Aus Gewehrlaufstahl gefertigt und mit brünierter Oberfläche versehen, zeigt er sich zur besseren Wärmeabfuhr auf knapp 430 mm Länge achtfach kanneliert. Vorn sitzt eine Zweikammer-Mündungsbremse, montiert per ¾-24-UNF-Gewinde, mittels Kontermutter perfekt auszurichten. Die Kammern haben frontseitig 90°-Prallflächen, rückwärtig sanft abgeschrägt. Das lenkt die Gase leicht nach hinten. Im Lauf gibt es sechs Züge. Ihr recht kurzer Drall von 1:9,4 Zoll (rund 239 mm) stabilisiert auch schwere Geschosse ausreichend. Demnach eignen sich bei .338 LM die schwereren Geschosse ab 285 Grains aufwärts wohl am besten. Zumindest sollten sie dank günstiger Querschnittsbelastung für das LR-Schießen auf 1000 m und mehr ideal sein. Mehr dazu später. Wie bei den meisten Multikaliberwaffen hält eine Klemmfassung den Lauf. Soll er raus, löse man rechts am Upper zwei T30-Torx-Schrauben und ziehe den Lauf nach vorn durch den Handschutz ab. Eine über die Wurzel geschobene Hülse bildet das Gegenstück der Riegelwarzen; sie dient als Anschlag im Chassis und stützt sich gegen es ab. Eine Hülsennut sorgt für wiederholgenaues Einsetzen des Laufs. Dazu zieht man beide besagte T30-Torx-Schrauben gemäß Werksangaben an: mit 140 in/lbs (15,8 Nm). Für die MRAD hält der amerikanische Hersteller 4 Lauflängen und 7 Kaliber bereit, dazu gehören .308 Winchester, 6,5 Creedmoor und .300 Winchester Magnum. Laut Hofmann kann der Kunde diverse Konfigurationen sowie die nötigen Conversion Kits ab Haus abfragen respektive bestellen.

Verschluss und System der Barrett im Fokus

Verschlussteile der MRAD.
Die Polyamidhülse, in der die Kammer läuft,
verschließt bei verriegelter Waffe den Schlitz, in dem der Kammergriff läuft.

Die MRAD kommt als Repetierer mit Zylinderverschluss. Die Kammer läuft im System in zwei glasfaserverstärkten Polyamidröhren. Sie dienen als Staubschutz, zudem gleitet die Kammer sehr angenehm darin. Der Schlagbolzen spannt sich beim Betätigen des Kammerstengels: ein klassischer Öffnungsspanner. Der Verschlusskopf verriegelt über neun Warzen in der Laufhülse. Zum Zerlegen der Kammer dient ein Metallplättchen. Das braucht man, um beim Kaliberwechsel den Verschlusskopf zu tauschen. Zudem lassen sich so Schlagbolzen und Feder leicht reinigen und warten: Spannstück an harter Kante soweit aufdrücken, bis man die Nuten sieht. Plättchen rein. Schlagbolzenmutter spannungsfrei um 90° nach links drehen und aus Kammer entnehmen. Ist der Schlagbolzen raus, Haltebolzen des Verschlusskopfes zur Seite herausdrücken und Kopf entnehmen.

Der Abzug der MRAD in .338 Lapua Magnum im Detail

Hier vertraut Barrett auf eine hauseigene Drop-In-Version. Dennoch hat die nichts mit einem herkömmlichen AR-Abzug gemeinsam. Der Schütze kann den gekapselten Abzug selbst einstellen. Dazu die Flügelsicherung in die Mitte zwischen S und F, also Safe und Fire, stellen. Mit mäßigem Fingerdruck von rechts nach links herausdrücken. Vorn an den zwei Innensechskant-Gewindestiften deren jeweilige Kontermutter lösen. Nun kann man an der oberen Schraube den Abzugsweg und an der unteren Schraube die Abzugskraft einstellen. Hier unbedingt Geduld mitbringen: Nach jedem Verstellen heißt es, die Waffe wieder komplett zusammenzubauen, um das Abzugsgewicht zu checken.

Mit diesem Schmidt & Bender wurde das MRAD geschossen

Das im Test genutzte Schmidt & Bender Zielfernrohr auf der Testwaffe montiert.
Die eigentlich jagdliche S & B-Zieloptik
3-21x50 Exos: kompakt und mit brillanter Bildqualität.

Wie bei der 50er Barrett wählten die Tester eine Optik von Schmidt & Bender , montiert via Eratac-Blockmontage. Das der jüngsten Generation zugehörige, neue 3-21x50 aus der Exos-Linie präsentiert sich robust und bedienfreundlich. Es hat eine Absehen-Schnellverstellung (ASV),  die gleichzeitig die Türme arretiert und so ungewolltes Verstellen verhindert. Das ZF ist konzipiert für härteste Einsätze bei Temperaturen von +70° bis -40° C. Am meisten überzeugte die kristallklare Bildqualität. S & B nennt das neue Verfahren "True-Color-Technology", es geht um höchste Farbechtheit. Das, so S & B, sei Voraussetzung, um das ZF auch bei schlechtem Licht ohne ermüdete Augen zu nutzen. Das D7-Absehen gleicht dem jagdlichen Absehen 4 mit einem beleuchteten Rotpunkt. Da das Absehen in der 2. Bildebene liegt, ist es auch nicht schlimm, dass es keine Haltepunktmarken gibt. Die Korrektur erfolgt grundsätzlich über die cm-Klickverstellung an Höhen- und Seitenturm. Die Parallaxe lässt sich von 25 m bis Unendlich korrigieren. Alles in allem: rundum gelungen. Zur Jagd konzipiert, eignet sich das Glas dank der glasklaren Optik, des großen Vergrößerungsbereichs und des ebenfalls großen Verstellwegs auch zum sportlichen Schießen auf weitere Distanzen. Mit 2.999,- Euro leider nicht ganz billig, aber zweifelsfrei eine Anschaffung mit der Garantie für lange Freude.

Auf dem Schießstand

Die Tester prüften die MRAD in zwei Etappen mit acht Fabrikpatronensorten. Es begann wieder im sächsischen Marienberg, sozusagen der Hausstrecke für die LR-Versuchsreihen von all4shooters. Hier ging es im Stollen über 100, 300 und 500 m. Glas drauf, dann 20 Schuss zum Einrichten der Zieloptik und dem Glattschießen des Laufs, gefolgt von gründlichem Laufsäubern mit Bronzebürste und Solvent. Den Abzug justierten die Tester auf 1270 Gramm mit minimalem Vorzugsweg. So löste das Element glasklar wie ein Direktabzug aus – der Präzision sehr dienlich. Auch sonst schoss sich die MRAD sehr angenehm. Die Mündungsbremse arbeitete sehr effektiv, das Schaftkappenpolster erledigte den Rest. Die Kammer glitt sehr geschmeidig in ihren Polyamidbuchsen: nein, kein Klappern oder Schlagen. Den Tagessieg im Stollen holten die 250-Grains-Geschosse der Lapua Scenar und schlugen dabei nur um einen Wimpernschlag die 300-grs-Geschosse ebenfalls von Lapua. Und kein Ausreißer: Alle anderen Sorten lagen direkt dahinter. Am Folgetag ging es auf eine 1000-m-Schießbahn der Bundeswehr – wieder bei gutem Wetter: Bei 20 Grad und bewölktem Himmel wehte kaum Wind. Als Ziel diente das bewährte SMTSOLO-System zur elektronischen Trefferanzeige. Auf der langen Distanz lag nun das schwere 300 grs Geschoss der Lapua-Patrone vorn. Nur das Jagdgeschoss der RWS Speed Tip Professional hatte bei 1000 m etwas Schwierigkeiten.

Das Fazit zu der Long-Range-Büchse

Ihr Design mag einige Jahre alt sein – aber die Barrett MRAD ist immer noch ein hochmodernes Scharfschützengewehr: Die Multikaliberfähigkeit eröffnet viele Lauf- und Kalibervariationen. Der Receiver bietet zig Möglichkeiten beim Zubehöranbau. Und der Klapp-Hinterschaft erlaubt die Anpassung an jede Schützenanatomie. Dank einstellbarem Abzug und Mündungsbremse schießt sich die Waffe sehr präzise und dazu sozusagen sehr leichtfüßig. Tja, hätten die Tester die Chance gehabt, hätten sie mit der MRAD gern weiter hingelangt: Der 24-Zoll-Lauf mit seinem Drall von 1:9,4" erlaubt auf jeden Fall Distanzen weit über die 1000 m hinaus. Wer die knapp 7.500,- Euro locker machen kann, bekommt garantiert eine leistungsstarke, präzise Waffe, viele Konigurationsmöglichkeiten und vor allem den Spaßfaktor inbegriffen.


Dieser Test erschien zuerst in der VISIER, Ausgabe 10/19 . Das Heft ist im VSMedien-Shop zu erwerben und auch in einer digitalen Version verfügbar. Dort finden sich auch alle Schießergebnisse im Detail.

all4shooters.com hat auch "den Klassiker", das M95 in .50 BMG von Barrett getestet.