Wie man Parallaxenfehler beim Zielfernrohr vermeidet und den vorhandenen Parallaxenausgleich sinnvoll nutzt

Parallaxe ist die scheinbare Änderung der Position eines Objektes, wenn der Beobachter seine eigene Position durch eigene Bewegungen verändert. Leichtes, nachvollziehbares Beispiel: Wir visieren über unseren Daumen einen Lichtschalter an der Wand an. Dann bewegen wir unseren Kopf seitlich und sehen, dass sich die Position des Schalters offenbar ändert. Wenn wir nun näher zum Schalter gehen und diesen mit dem Daumen berühren, dann bleibt die Position des Daumens dem Schalter gegenüber gleich, egal wie der Kopf bewegt wird.

Parallaxe und Zielfernrohr: Um was genau geht es dabei?

Zielfernrohr Beschreibung
Zielfernrohr, Fokus und Parallaxe: 1 Objektiv, F Fokussierlinse, BE1 Bildebene 1, 2 Feldlinse, 3 Umkehrsystem, BE2 Bildebene 2, 4 Okular, ZB Zwischenbild

Parallaxe ist ein Zielfehler, der entsteht, wenn das Zwischenbild nicht in einer Bildebene mit dem Absehen sondern davor oder dahinter steht. Wird schräg durch das Zielfernrohr geblickt, entsteht der Zielfehler, weil von dieser Position des Auges sich das Zwischenbild auf einer anderen optischen Achse befindet als das Absehen. Sieht man zentrisch durch das Zielfernrohr dann ist das Zwischenbild auf der gleichen Achse wie das Absehen und es gibt keinen Parallaxenfehler. Das Bild ist jedoch nicht scharf, weil das Zwischenbild nicht in der gleichen Ebene wie das Absehen ist.

Bei Zielfernrohren mit einer 10- oder 12-fachen Vergrößerung findet man einen Parallaxenausgleich eher selten. Ist so ein Zielfernrohr dann parallaxenfrei?

4 Zielfernrohre
Testzielfernrohre (von links): Meopta Meostar R1 1-4x22 RD, Zeiss HT 1,5-6x42, Leupold VX-3 European 3,5-10x50, Schmidt & Bender PMII 5-25x56. 

Im Prinzip ja, aber nur auf der Entfernung, auf die der Hersteller die Optik parallaxenfrei eingestellt hat – was meist 100 Meter sind. In der Grafik ist diese Situation in der oberen Skizze abgebildet. Die Fokussierlinse jedoch gehört nicht zum Standardzielfernrohr. Die wird normalerweise nur verwendet, wenn das Zielfernrohr mit einem "Side Focus" ausgestattet ist. Die Erklärung der Funktion des Parallaxenausgleichs haben wir sie in unserem Beispiel (Bild oben) eingezeichnet. Wir haben das Absehen in der ersten Bildebene montiert (rot gestrichelte Linie). Der Dioptrienausgleich wird so eingestellt, dass das Absehen scharf gesehen wird. Hier ist das Zielfernrohr parallaxenfrei eingestellt. Das Zwischenbild fällt genau auf die gleiche Ebene, die erste Bildebene. Wir sehen Ziel und Absehen scharf. Das Zielfernrohr ist auf diese Entfernung (100 Meter) tatsächlich parallaxenfrei. Das bedeutet, dass es - auch wenn etwas schräg durch das Zielfernrohr geschaut wird - keine Abweichung bezüglich des Haltepunktes gibt. Auf alle anderen Entfernungen, nah oder fern, ist das System ohne Parallaxenausgleich nicht parallaxenfrei und auch nicht richtig fokussiert. Der sportlich orientierte Schütze und der Jäger, der die lange Distanz nicht vermeiden kann und mindestens eine 15-fache Vergrößerung will, braucht einen Parallaxenausgleich, weil mit der höheren Vergrößerung das Zielbild deutlich weniger scharf gesehen wird. Es ist sozusagen nicht im Fokus. Der Parallaxenausgleich vermeidet nicht nur Parallaxenfehler sondern präsentiert auch immer ein scharfes Bild. Folgerichtig bedeutet das, wenn der Parallaxenausgleich so eingestellt wird, dass das Zielbild scharf ist, dass dann das Zielfernrohr auf diese Entfernung auch parallaxenfrei eingestellt ist. 

Blick durchs Zielfernrohr 
Von links: Schmidt & Bender PMII: Parallaxenausgleich eingestellt auf 100 Meter, Vergrößerung 20fach. Die kleine Scheibe äußerst links ist scharf abgebildet. Die große Scheibe im Zentrum steht auf 200 Meter und ist unscharf. Von rechts: Schärfentest mit Schmidt & Bender PMII: Parallaxenausgleich eingestellt auf 100 Meter, Vergrößerung 20fach. Die kleine Scheibe links (100 m) ist scharf abgebildet. Die große Scheibe im Zentrum steht auf 50 Meter und ist unscharf. 

Das Absehen ist in der ersten Bildebene montiert. Wir hätten auch die zweite Bildebene nehmen können, das spielt grundsätzlich für den Parallaxenausgleich keine Rolle. Auf der Entfernung von 100 m fällt das Zwischenbild zusammen mit dem Absehen. Hierdurch stehen Absehen und das Zwischenbild in einer Bildebene und das Ziel wird scharf gesehen. Das Zielfernrohr ist auf dieser Entfernung nun parallaxenfrei eingestellt. Im der obigen Grafik wird der Ausschnitt, der die Fokussierlinse und erste Bildebene zeigt, zweifach vergrößert wiedergegeben. Die rot gestrichelte Linie der oberen Skizze ist hier als Referenz der ersten Bildebene durchgezogen. Das Ziel steht nun auf 300 Meter Entfernung, wodurch das Zwischenbild nicht in der Position der ersten Bildebene, sondern etwas weiter Richtung Okular abgebildet wird (grün gestrichelte Linie). Sieht der Schütze schräg durch das Zielfernrohr, dann entsteht ein Parallaxenfehler, weil es nun zwei Schneidepunkte entlang der Seelenachse gibt. Bei schrägem Blick durch das Zielfernrohr wird es dadurch unterschiedliche optische Achsen geben. Die rot und grün gestrichelten Linien schneiden die Seelenachse an zwei unterschiedlichen Punkten. Dadurch ist auch die optimale Schärfe nicht vorhanden. Wird nun die Fokussierlinse (F) mittels der Justiermechanik des Parallaxenausgleichs nach vorne verstellt (siehe Pfeile in Richtung der gestrichelt gezeichneten Linse), dann verschiebt sich das Zwischenbild (grün gestrichelt), sodass es sich wieder in der gleichen Ebene wie das Absehen befindet (rot gestrichelte Linie). Folge: kein Parallaxenfehler und ein scharfes Bild. 

Unsere 4 Testzielfernrohre von Meopta, Leupold, Schmidt & Bender und ZEISS: Wie sieht es hier mit dem Parallaxenfehler aus?

Bei geringen Vergrößerungen bis 12-fach bemerkt man die weniger scharfe Bildqualität kaum und der Parallaxenfehler ist zwar anwesend, aber jagdlich gesehen weniger dramatisch als oft geglaubt wird. Parallaxenfehler sind abhängig von der gewählten Entfernung und der Konstruktion des Zielfernrohres. 

Wir haben für unseren Test vier Zielfernrohre verwendet. Meopta Meostar R1 1-4x22 RD, Leupold VX-3 3,5-10x50, Schmidt & Bender PM II 5-25x56 und Zeiss HT 1,5-6x42. Zwei Zielfernrohre besitzen besondere Eigenschaften. Das Leupold, das genau wie das Zeiss und das Meopta ab Werk parallaxenfrei eingestellt ist, besitzt anders als die anderen Hersteller eine parallaxenfreie Einstellung auf 150 Yards (137 Meter). Damit ist es für größere Entfernungen etwas besser geeignet. Das Schmidt & Bender PMII weist als einziges Glas unserer Reihe einen Parallaxenausgleich mit zusätzlichem Justierturm auf. Ideal, denn so konnte zu Vergleichszwecken dieses Zielfernrohr exakt auf 100 m eingestellt und mit größerer Vergrößerung die Ergebnisse fotografisch abgelichtet werden. Für den Test haben wir die Zielfernrohre auf ein schweres Stativ montiert und auf 25, 50 und 200 Meter Entfernung festgestellt, wieviel die maximale Abweichung des Haltepunktes auf dem Ziel beträgt, wenn schräg durch das Zielfernrohr geguckt wird. Je nach Hersteller betrugen die Abweichungen zwischen 10 bis 20 mm – vom Mittelpunkt gemessen, wenn zentrisch durch das Zielfernrohr geblickt wird, im Vergleich zum maximalen Schrägblick. Die Entfernung zum Ziel spielt die größte Rolle, wenn das Zielfernrohr auf einer bestimmten Entfernung (meistens 100 Meter) parallaxenfrei eingestellt wurde. Aber auch die Konstruktion des Zielfernrohres und die gewählte Vergrößerung bringen eine geringe Varianz, die wir in einer Tabelle gelistet haben. Wir konstatieren, dass die Unterschiede des Haltepunktes, die durch den Parallaxenfehler auf dem Ziel verursacht werden, gering ausfallen. Nur das Zeiss HT tanzte bei 1,5-facher Vergrößerung etwas aus der Reihe. Obwohl dieses Zielfernrohr eine erstklassige Lichttransmission hat und ein sehr scharfes, kontrastreiches Bild liefert, ist der Parallaxenfehler bei dieser Vergrößerung schlechter als bei den anderen hier verwendeten Zielfernrohren. Bei der 6-fachen Vergrößerung war dann wieder alles vom Feinsten. 

Blick durchs Zielfernrohr bei Jagd und Sport - typische Zielfehler

Blick durchs Zielfernrohr
Parallaxentest mit Schmidt & Bender PMII: Parallaxenausgleich eingestellt auf 100 Meter, Vergrößerung 10fach. Für dieses Foto fluchtet die Kamera mit der optischen Achse des Zielfernrohrs. Das Fadenkreuz steht nahezu in der Mitte der Scheibe. Nun ist die Kamera so positioniert, das sie quasi schräg durch das Zielfernrohr sieht. Das Fadenkreuz ist nun geringfügig nach links versetzt.

Tatsache ist, dass die Abweichungen von 10 bis 20 Millimetern so gering sind, dass sie in der Präzision, die in der Jagdpraxis üblich ist, untergehen und nicht weiter berücksichtigt werden müssen. Mit dem Stichwort Praxis sollte bedacht werden, dass der schräge Blick durchs Zielfernrohr bei einer Entfernung von 200 Metern und mehr eher selten ist. Auf diesen Entfernungen nimmt man sich mehr Zeit zum Zielen und blickt zentrisch durchs Glas. Während der Bewegungsjagd sieht die Sache jedoch anders aus. Dann wird möglichst schnell das Ziel erfasst und kleine Zielfehler (Parallaxe) sind aufgrund der Geschwindigkeit vorprogrammiert. Weil das Ziel viel näher ist, spielen aber 2 bis 3 cm Zielfehler keine große Rolle. Fehlschüsse entstehen eher als Folge des Muckens oder aufgrund einer falschen Einschätzung der Geschwindigkeit des Wildes. Grundsätzlich ist vieles auf mangelndes Training zurückzuführen. Somit ist auch für den Sportschützen der Parallaxenfehler eigentlich nur ein Thema auf Nahdistanzen im dynamischen Wettkampf. Geht es um die mittlere oder gar lange Distanz, dann wird bei zunehmender Vergrößerung die Parallaxe als Zielfehler eine bescheidene Rolle spielen, weil zentrisch durch das Zielfernrohr geguckt wird. Wegen des nicht justierten Fokus bleibt jedoch die Tatsache, dass das Bild nicht scharf abgebildet unser Auge erreicht. Aus diesem Grund wird ab der 15-fachen Vergrößerung ein Zielfernrohr normalerweise immer mit einem Parallaxenausgleich ausgerüstet. 

Die Fotos zeigen deutlich, dass das Ziel sowohl bei 50 als auch bei 200 Meter unscharf abgebildet ist. Unser Auge kann hinsichtlich Schärfe etwas korrigieren, aber wenn die Entfernung zunimmt und man nicht auf eine große Vergrößerung verzichten kann, dann reicht ein Zielfernrohr, das auf einer bestimmten Entfernung parallaxenfrei eingestellt ist, nicht. Ein mechanischer Parallaxenausgleich als Zusatzausstattung des Glases ist dann notwendig. Selbst wenn absolut zentrisch durch das Zielfernrohr geguckt wird und demnach kein Parallaxenfehler vorhanden ist, wird man mit der Tatsache konfrontiert, dass nicht fokussiert wurde und sich das Zwischenbild nicht in der gleichen Bildebene wie das Absehen befindet. Die Folge? Entweder sieht man das Fadenkreuz scharf und das Zielbild nicht, oder man kann eventuell das Zielfernrohr über die Okulareinstellung so einstellen, dass das Zielbild ungefähr scharf erscheint, aber dann auf Kosten der Schärfe des Absehens.

Parallaxe-Test im Überblick: Zielfernrohre von Meopta, Zeiss, Leupold und Schmidt & Bender





Entfernung in Meter: 
Zielfernrohr
Typ
*1*225
50200
Meopta
R11-4x22
1x1520
Meopta
R11-4x22
4x101020
Zeiss
HT1,5-6x42
1,5x1530
Zeiss
HT1,5-6x42
6x101020
Leupold
VX33 3,5-10x50
3,5x1010
Leupold
VX33 3,5-10x50
10x101020
Schmidt & Bender
PMI5-25x56
5x1315
Schmidt & Bender
PMI5-25x56
25x131520

Anmerkungen: Daten der Parallaxe auf 25, 50 und 200 Meter in Millimeter 

*1. Vergrößerung und Objektivdurchmesser Zielfernrohr.

*2. Gewählte Vergrößerung während des Tests.

Unser Fazit zu den vier Zielfernrohren in Bezug auf Parallaxenfehler

Bei Zielfernrohren, die ab Werk auf eine bestimmten Entfernung parallaxenfrei eingestellt sind, werden Parallaxenfehler auftreten, wenn man schräg durch das Zielfernrohr schaut und auf einer anderen Entfernung schießt als die, für welche das Zielfernrohr parallaxenfrei eingestellt wurde. Zum Glück sind die Abweichungen nicht groß, wodurch der Parallaxenfehler auf den gebräuchlichen jagdlichen Distanzen kaum die Ursache eines Fehlschusses sein wird. Auf der anderen Seite hat sich das Leistungspotential der modernen Waffen, Kaliber und Patronen so rasant weiterentwickelt, dass auch auf größere Distanzen relativ kleine Ziele getroffen werden können. Dann schätzt man ein Zielfernrohr mit hoher Vergrößerung, bei dem fokussiert werden kann. Bei 15-fachen Vergrößerungen und mehr führt für aber den Sportschützen kein Weg an einem gut funktionierenden Parallaxenausgleich vorbei.


Dieser Artikel ist aus der caliber Ausgabe 06/2022. Sie können das Heft im VS Medien-Shop als Print- sowie als Digitalausgabe online bestellen. 

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