Was steckt eigentlich hinter ARC, Creedmoor und PRC? Das komplette Kaliber-Programm in allen Einzelheiten

Etwa ab dem Jahr 2000 fand eine Art Paradigmenwechsel in der weltweiten Munitionsentwicklung statt: Man versuchte nicht mehr, nach dem Motto "größer und dicker = besser" neue Patronen-Linien aus bestehenden Klassikern zu entwickeln, sondern ging den umgekehrten Weg, um mit neuen Projektilen die ballistischen Leistungen besser auszureizen. Die innovativen Geschosse verloren deutlich weniger Energie während ihres Fluges und brachten umgekehrt mehr Power ins Ziel, ohne dass der Schütze dadurch einen stärkeren Rückstoß an der Schulter spürte. Damit man diese fortschrittlicheren Geschosse einsetzen konnte, mussten wiederum neue Patronen entwickelt werden, um Einschränkungen etwa bei der Dralllänge oder der Gesamt-Patronenlänge in Magazin und Patronenlager zu umgehen. Das US-Unternehmen Hornady Manufacturing Company hat sich auf dieses Zusammenspiel von Geschoss und Patrone spezialisiert – im letzten Jahr feierte man 75-jähriges Jubiläum, worüber auch all4hunters.com berichtete. Gehen wir die drei von Hornady initiierten, aber inzwischen von zahlreichen anderen Produzenten verladenen Patronen-Linien ARC, Creedmoor und PRC der Reihe nach durch:

Die Patronen-Familie ARC – Advanced Rifle Cartridge

Hornady's Advanced Rifle Cartridge (ARC)
Hornadys Advanced Rifle Cartridge (ARC): Die Familie besteht aus der .338 ARC (von links), 6mm ARC und der .22 ARC.

Die Gruppe der ARC-Patronen (Advanced Rifle Cartridge) besteht aktuell aus drei Kaliber-Varianten: .22 ARC, 6mm ARC und .338 ARC (die Links führen zu detaillierten  Informationen in weiteren Artikeln bei all4shooters.com und all4hunters.com). Ziel dieser Entwicklung war es, moderne, effiziente Patronen anzubieten, die auch für andere Hersteller attraktiv sind. Anders als frühere Patronen, die teilweise nach Herstellern benannt wurden (zum Beispiel Hornady oder .308 Winchester), wurde bei den ARC-Patronen bewusst auf eine neutrale Bezeichnung gesetzt, um eine breitere Marktakzeptanz zu fördern. Technisch zeichnen sich ARC-Patronen durch eine hohe Effizienz bei relativ kompakter Hülse und optimierter Hülsengeometrie aus. Die .338 ARC wird hinsichtlich ihrer Leistungsdaten teilweise in die Nähe der .308 Winchester gebracht, bietet jedoch ein anderes Einsatzprofil. So ist die ARC-Patronenfamilie für den Einsatz speziell in der AR-15-Plattform entwickelt worden. Damit kann der Schütze aus einer relativ führigen und leichten Waffe auf starke Ballistik zurückgreifen.

Die Creedmoor-Patrone – eine Erfolgsstory auf lange Distanz

Die 6,5 Creedmoor ist eine moderne Gewehrpatrone, die für Präzisionsschießen auf lange Distanzen entwickelt wurde.
Die 6,5 Creedmoor ist eine moderne Gewehrpatrone, die für Präzisionsschießen auf lange Distanzen entwickelt wurde.

Die 6,5 Creedmoor wurde um 2007 eingeführt und hat sich seither sehr breit durchgesetzt.  In den USA hat die 6,5 Creedmoor sogar zahlenmäßig bereits die altehrwürdige .308 Winchester abgelöst – sie wird von nahezu allen Munitions- und Waffenherstellern angeboten. Sie war eine der ersten Patronen, die gezielt für neue, aerodynamisch optimierte Geschosse entwickelt wurde. Dies bedeutete, dass Parameter wie Hülsenform, Dralllänge und Setztiefe an die Anforderungen dieser neuen Geschosse angepasst wurden. Im Gegensatz zu älteren Konzepten, bei denen vor allem auf höhere Geschossgeschwindigkeit durch größeres Hülsenvolumen gesetzt wurde, zielt die Creedmoor auf Effizienz ab. Das heißt, mit weniger Pulver und kürzerem Lauf werden vergleichbare Leistungen erzielt – bei reduziertem Rückstoß und geringerer Materialbelastung. 

Übrigens: Die Bezeichnung Creedmoor deutet bereits auf den Einsatzzweck auf weite Entfernungen hin: Zum einen war Creedmoor der Name eines Schießstands in Long Island im US-Bundesstaat New York, auf dem ab 1874 einige heute noch legendäre Long-Range-Schießwettkämpfe ausgetragen wurden. Zum anderen war das moderne, auf Präzisionsschießen spezialisierte Unternehmen Creedmoor Sports gemeinsam mit Hornady an der Entwicklung der 6,5 Creedmoor beteiligt.

Die Familie der Precision Rifle Cartridges (PRC)

Dieses Kaliber verbindet hohe Energie mit einem beherrschbaren Rückstoß. Die 7mm PRC ist speziell für Long-Range-Schüsse entwickelt und überzeugt durch flache Flugbahn und hohe Präzision.
Technisch folgt die neue 7 mm PRC (Precision Rifle Cartridge, Präzisionsgewehrpatrone) dem bewährten Konzept der 6,5 und .300 PRC.

Die PRC-Patronen (Precision Rifle Cartridge) stellen eine Weiterentwicklung dieses Prinzips dar. Auch sie wurden entwickelt, um besonders langgestreckte, schwerere Geschosse mit hohem ballistischem Koeffizienten effizient nutzen zu können. Die Dralllängen der Läufe sind speziell darauf abgestimmt. Auch hier steht Effizienz im Vordergrund – mit dem Ziel, möglichst wenig Energie durch Luftwiderstand im Flug zu verlieren. Der ursprüngliche Anlass für die Geburt der PRC-Familie war seinerzeit (um 2007) ein Auftrag an Hornady, für Ruger eine Patrone mit den Leistungen einer .375 Holland & Holland zu entwickeln, die aber in die vorhandenen kürzeren Ruger-Systeme passen musste. Die 6,5 PRC bringt zum Beispiel eine deutlich höhere Geschwindigkeit im Vergleich zur 6,5 Creedmoor, was in einer flacheren Flugbahn resultiert. Die Patrone ist somit sowohl für das Long Range-Präzisionsschießen geeignet wie auch für die Jagd. Die jüngste Entwicklung ist hier die 7 mm PRC, die wir auch schon in einem umfangreichen Praxistest bis auf 1.000 Yards vorstellen konnten.

Technische Entwicklung: Von Volumen zu Geometrie

Geschossentwicklungen der letzten 25 Jahre
In den letzten 25 Jahren wurden über 60 neue Kaliber auf dem Markt präsentiert. Nur eine Handvoll davon hat sich auf dem Markt etabliert, andere blieben Exoten.

Frühere Ansätze zur Leistungssteigerung setzten meist auf größere Hülsen und mehr Pulver, was jedoch zu erhöhtem Rückstoß, mehr Laufverschleiß und längeren Waffen führte. Ein Beispiel für eine effizientere Alternative aus dieser Übergangszeit ist die .300 WSM (Winchester Short Magnum), die mit einer kurzen, dicken Hülse arbeitete. Sie stellte einen Zwischenschritt dar – allerdings wurde auch hier noch mit bestehenden Geschossen gearbeitet. Die neuen Patronenfamilien hingegen wurden um die neu entwickelten Geschosse herum konzipiert. Diese erfordern teilweise völlig andere Dralllängen in den Läufen, um die gewünschte Stabilität im Flug zu erreichen. Eine Anpassung vorhandener Systeme ist daher kaum möglich, weshalb komplette Patronenneuentwicklungen notwendig waren.

Einfluss von Dralllängen auf die Flugbahn von Geschossen

Moderne Patronen zeichnen sich durch eine verbesserte Hülsen Geometrie aus.
Moderne Patronen haben eine verbesserte Hülsen-Geometrie, die auf eine präzisere Form und eine optimale Funktion der Patrone abzielt. Dies ermöglicht eine bessere Abdichtung, verbesserte Leistung und eine größere Vielseitigkeit der Patrone in verschiedenen Waffen.

Ein zentrales technisches Problem früherer Patronen war die fehlende Abstimmung der Dralllänge auf moderne, langgestreckte Geschosse. Dies führte dazu, dass potenziell leistungsfähige Geschosse nicht nutzbar waren – entweder passten sie nicht in die Hülse oder konnten mit dem vorhandenen Drall nicht stabilisiert werden. Dieses Problem trat unter anderem bei der .260 Remington auf, die an sich leistungsfähig war, aber mit einer ungünstigen Dralllänge auf den Markt kam. Ähnliche Beispiele gab es bereits früher, etwa im Wettbewerb zwischen der .244 Remington und der .243 Winchester. Letztere setzte sich durch, weil Winchester eine praxisnähere Dralllänge wählte, was eine flexiblere Nutzung ermöglichte.

Das Fazit zu den neuen Geschossen aus den Serien ARC, Creedmoor und PRC

Die neuen Patronenfamilien ARC, Creedmoor und PRC sind nicht das Ergebnis kurzfristiger Trends oder Marketingstrategien, sondern eine logische Konsequenz technischer Entwicklungen in der Geschoss- und Hülsentechnologie. Sie ermöglichen erstmals den effizienten Einsatz moderner Geschosse, die mit älteren Patronen technisch nicht sinnvoll nutzbar sind. Diese neuen Systeme bieten Vorteile hinsichtlich Effizienz, Präzision und ballistischer Leistung – vorausgesetzt, Waffe und Munition sind entsprechend aufeinander abgestimmt: Weg von der reinen Geschwindigkeitssteigerung durch größeres Pulvervolumen, hin zur Nutzung optimierter Formen und Systeme. Damit stellt sich nicht mehr nur die Frage nach „mehr Leistung“, sondern nach intelligenterer Umsetzung unter Nutzung moderner ballistischer Erkenntnisse.