Test: Tikka T3x Arctic in .308 Winchester für die Jagd bei extremen Temperaturen. Was leistet der Repetierer in unseren Breiten?

Vor allem Inuit und Indigene, oder altmodischer formuliert, Eskimos und Indianer finden sich in ihren Reihen. Diese Männer und Frauen gehören zu jener Reservetruppe von Kanadas Militär, die man als Canadian Rangers oder als Rangers Canadiéns kennt, einem Verband von gut 5.000 Personen. Was nicht heißt, dass diese Einheit waffentechnisch stets auf dem neuesten Stand gewesen sei.

Das Gegenteil trifft zu: Seit 1947 führten sie Repetierbüchsen des Typs Lee Enfield No. 4 im Kaliber .303 British – sehr zuverlässig, fraglos, aber andernorts sind diese Mehrlader längst ausgemustert und einer zweiten Karriere bei Schützen und Sammlern zugeführt. Nun dürften da diese alten No. 4 aus Nordamerika für Nachschub sorgen, denn les Rangers Canadiéns haben sich vor einigen Jahren für Ersatz entschieden: Der heißt C19 und ist sozusagen der Vater des Gewehrs, um das es hier geht: die Tikka T3x Arctic.

Vor dem Tikka T3x Arctic Repetierer: Das alte Lee Enfield No. 4

Viele Canadian Rangers operieren in Gegenden, die ebenso entlegen wie unwirtlich sind. Sie wie auch ihr Gerät müssen mit Temperaturspannen von gut 80 bis 90°C zurechtkommen. Denn in ihren Einsatzgebieten fallen im Winter schon mal um minus 50°C an, im Sommer aber Werte um die 40°C. Nicht zu reden von hoher Luftfeuchtigkeit, in Küstennähe geschwängert mit viel Salz.

Verschluss-Zylinder der Tikka T3x Arctic ausgebaut auf ihrer Picatinny-Schiene
Typisch für den T3x-Verschluss der Tikka T3x Arctic: Die beiden Verriegelungswarzen sind so arrangiert, dass sie einen kurzen Öffnungswinkel von nur 70 Grad erlauben.

Und angesichts von vielen 100 km Distanz zum nächsten Büchsenmacher oder Waffenwart sollten die Teile der Büchsen robust genug sein, um nicht alle Naslang entzwei zu gehen und ihre Träger im Moment der Gefahr schutzlos zu lassen. Auch wenn die in insgesamt 5 sogenannte Patrol Groups gegliederten Canadian Rangers die Aufgaben einer auf Beobachtung und Wachsamkeit bedachten Miliz erfüllen sowie bei Rettungseinsätzen helfen, so haben sie es weniger mit Terroristen welcher politischen oder religiösen Couleur auch immer zu tun.

Nein, wogegen sich die Herrschaften in den typischen roten Jacken vor allem wappnen, das sind zum Beispiel Angreifer aus der Familie des Ursus Maritimus, sprich: Polarbären. Nun schwindet deren Bestand angesichts des Klimawandels zwar, dennoch bleiben Streifzüge in ihren Revieren gefährlich. Ja, und dann brauchen die Rangers bei ihren ausgedehnten Trips die Gewehre auch schlichtweg dafür, um sich im Fall der Fälle auch etwas für Pott und Pfanne schießen zu können.

Tikka T3x Arctic: Auf der Suche nach einer verlässlichen Repetierbüchse

Bei all dem funktionierten die Lee Enfield No. 4 tadellos – bis sie abgenutzt waren und die Arsenale so wenig Ersatzteile hergaben, dass sich die Rangers diese zum Teil via Internet beschafften. Also musste ein neues Modell her. Die ab zirka 2010 erfolgte Befragung der Rangers ergab wohl, dass es sich um eine Repetierbüchse auf Basis eines erprobten und robusten Systems handeln solle, genauso witterungsbeständig wie die alten Lee Enfields, zudem ausgelegt für ein allgemein verbreitetes sowie jagdtaugliches Kaliber wie .308 Winchester oder .30-06 Springfield und eingerichtet für die als gängig ermittelten Schussdistanzen bis 300 m.

Und einmal dabei, so der entsprechende offizielle Report, möge man die 2 bemängelten Schwachpunkte der alten No.4 bei der neuen Büchse beheben – verlangt waren ein stabileres Magazin und eine deutlich robustere offene Visierung, am besten aus Eisen. Nichtsdestotrotz sollte die künftige Ranger-Waffe auch ein leicht zu montierendes Zielfernrohr aufnehmen können.

Diopter-Visier Hinter der Picatinny-Schiene der Tikka T3x Arctic
Gibt‘s so nur bei der Tikka T3x Arctic: Hinter der Picatinny-Schiene der Büchse sitzt das multipel nutz- und verstellbare Diopter-Visier.

Tikka T3x Arctic: Eine Waffe aus ähnlich nördlichen Gefilden

Gewinde der angesenkten Muendung der Tikka T3x Arctic mit Traegerstück des Korns und Halbschalen-Schutzbacken Detail
Auf dem Gewinde der angesenkten Mündung sitzt bei der Tikka T3x Arctic das stählerne Trägerstück des Korns, inklusive der zwei Halbschalen-Schutzbacken.

Man entschied sich für eine Waffe aus Finnland und damit einem Land, in dem sommers wie winters ähnliche Bedingungen wie in Kanadas Wildnis herrschen. Genauer: Eine Modifikation der Modellreihe T3x, die der zum italienischen Beretta-Konzern gehörende Hersteller Sako unter dem Namen Tikka anfertigt.

Die im finnischen Riihimäki produzierten T3x gibt es in ziviler (jagdlich wie sportlich) und behördlich-taktischer Ausführung. Insgesamt handelt es sich um eine Gewehrfamilie mit 26 Varianten. Als Ausgangsmodell für die Ranger-Büchse diente die T3x Compact Tactical Rifle. Jedoch bekamen die Rangers keine Produkte aus Europa, sondern solche aus der Neuen Welt: Unter der Bezeichnung C19 entstanden sie als Lizenzfertigung bei Colt Canada.

Die um 2015/16 gestartete Produktion lief, bis wohl zur Jahreswende 2019/2020 die letzten Stücke an die Rangers gingen – übrigens ein Wechsel, den Kanadas Presse durch diverse Berichte begleitete. Zwischenzeitlich aber befanden die finnischen Verantwortlichen, diese T3x-Variation sei zu schade, um sie nur auf den ursprünglichen, eng umrissenen Kundenkreis zu beschränken: Vor einigen Jahren entstand aus dem C19-Konzept die zivile Version T3x Arctic.

Tikka T3x Arctic: Unsere Testwaffe

Magazin und Magazinschacht mit Patronen der Tikka T3x Arctic
Zum Lösen des Edelstahl-Kastenmagazins betätigt man bei der Tikka T3x Arctic die vorn im vergrößerten Abzugsbügel untergebrachte, beidseitig bedienbare Taste.

Technisch handelte es sich bei der T3x Arctic um einen Repetierer mit 51-cm-Lauf, entnehmbarem Mittelschaftmagazin und massivem Zylinderverschluss, letzterer mit kurzer Auszieherkralle und 2 Warzen, die in der Systemhülse verriegeln. 

Ein typisches T3x-Detail erspäht das Auge hinten am Verschluss: An dem – im Unterschied zur ansonsten rostträgen Ausführung schwarz gehaltenen – Schlösschen lugt ein flaches Element mit roter Punkteinlage hervor. Dies ist das Führungselement des Schlagbolzens, das dank der Farbmarkierung als Spannstandanzeiger fungiert.

Der Kammergriff wirkt T3x-mäßig tropfenförmig, wobei er sich quasi in seiner Leibesmitte stark verschlankt, ohne dabei aber fragil daherzukommen. Soweit das Allgemeine. Nun das, wodurch sich die T3x Arctic vom Rest der T3x-Familie unterscheidet.

Geschaffen für extremes Klima: Tikka T3x Arctic

Riemenbügelaufnahmen und Schraubbügel der Tikka T3x Arctic Jagdbuechse
Es gibt an der Tikka T3x Arctic zwei Riemenbügelaufnahmen, die dazugehörigen Schraubbügel lagen im Zubehör.

Nichts da mit Nussbaumschaft à la T3x Hunter, kein verstellbarer Synthetik-Schaft wie bei der T3x Compact Tactical und auch kein Camo-Muster wie bei T3x Lite Veil Alpin oder T3x Lite Veil Wideland – stattdessen saßen Lauf und System der finnischen Büchse in einem Schichtholzschaft, gehalten in Orange-Beige-Grau. Das einzige, was daran fehlt, ist das bei der Colt C19 links eingelaserte Ranger-Logo. Auch hat man die Schichtholzfarbe der Tikka T3x Arctic leicht verändert, da bei den Ranger-Gewehren dem bislang Bekannten zufolge mehr ins Rötliche spielend.

Der Schaft mit den 2 Riemenbügelaufnahmen kommt mit geradem Rücken und hat am (angenehm voluminösen) Pistolengriff und am Vorderschaft Fischhautverschneidungen. Hinten sitzt eine Moosgummi-Schaftkappe – abnehmbar. Denn zum Zubehör der T3x Arctic zählen 3 Leichtmetallstücke, um so die Anschlaglänge zu vergrößern. Vorsorglich weist das Tikka-Bedienheft daraufhin, vor entsprechenden Umbaumaßnahmen die Schraubenbohrungen im Gummi mit etwas Seifenwasser zu tränken, um Schäden zu vermeiden.

Der Schaft zeigte sich schön gearbeitet, einziger Kritikpunkt: der nicht ganz saubere Übergang von Schaftabschluss zur Gummikappe. Aber sehr gut gefiel, dass die T3x Arctic viel Luft zwischen Vorderschaft und Lauf bot. Vier Lagen handelsüblichen Laser-Druckerpapiers ließen sich hier nämlich bequem durchziehen. Ein üppiger Spielraum, wie er mit Rücksicht auf die extremen Klimaschwankungen von Kanadas Wildnis geschaffen worden war.

Eigenschaften der Tikka T3x Arctic

Im Schaft der Tikka T3x Arctic sitzt ein nominell 508 mm langer Lauf in der für Varmint-Büchsen üblichen Stärke, also vorn direkt hinter dem Kornelement 23 mm und an der Laufwurzel knapp 29 mm im Durchmesser. Die Testwaffe zeigte sich im Kaliber .308 Winchester, Tikka bietet die Arctic auch in 6,5 Creedmoor an. Wie das Systemgehäuse und der Griff der Kammer kam der Lauf in Stainless-Steel-Ausführung mit mattiertem Finish, dies aus Gründen der geforderten Witterungsbeständigkeit und der Reflexminderung.

Schaft und 3 Schaftkappen der Tikka T3x Arctic
Drei Leichtmetall-Distanzstücke sorgen dafür, dass sich die künftigen Benutzer die Schaftlängen ihrer Tikka T3x Arctic anpassen können.

Innen zeigte sich das fünfzügige Rohr mit der sanft angesenkten Mündung blitzblank poliert, der Drall betrug 1:11 Zoll (bei der 6,5er Version: 1:8"). Hinter dem Lauf kam das Systemgehäuse, laut Hersteller eins vom verbesserten Typ, also mit überarbeitetem Auswerferfenster und mit flachen Hülsenbrücken-Oberseiten, um da bequem eine Picatinny-Schiene montieren zu können. Die wiederum gehört bei der Tikka T3x Arctic dazu, sie misst 122 mm und schließt vorn bündig mit dem Systemgehäuse ab. In diesem werkelt der bereits beschriebene Verschluss. Und das tut er glatt und sauber, wenn auch mit leicht reibendem Geräusch – im Test führte er alle Patronen aus dem 10-Schuss-Stahlblechmagazin mit dem Kunststoffboden klaglos zu.

Hinten rechts saß die vor und zurück laufende Zwei-Stellungssicherung, die sich nach etwas Üben geräuschlos betätigen ließ. Auf der gegenüberliegenden Seite gab es den als geriffelten Kipphebel ausgeführten Schlosshalter, der seinen Dienst ebenfalls einwandfrei verrichtete. Wie schon bei den Tikka-Büchsen des Typs T3x CTR war auch der Abzugsbügel der T3x Arctic nach unten vergrößert, um den Schuss mit Handschuhen zu gestatten. Und vor dem Abzugsbügel der Waffe saß eine zweiflüglige, beidseitig bedienbare Tasteneinheit zum Lösen des Magazins, sowohl für Handschuhbetrieb als auch für ein Bedienen ohne Umzugreifen ausgelegt – Schießfinger ausstrecken und drücken, ging im Test klasse.

Die 3 Besonderheiten der Tikka T3x Arctic

Rund um Lauf und Systemgehäuse fanden sich folgende drei Elemente, welche die T3x Arctic einzigartig machen:

  1. Auf dem System der Tikka T3x Arctic saß eine schräg geneigte Drehscheiben-Dioptervisierung, die über sechs verschieden breite Rechteck-Einschnitte und sechs unterschiedlich große und verschieden hoch angebrachte Bohrungen für Distanzen von 100 bis 600 m verfügte. Dahinter ragten 2 stabile Schutzbacken auf.
  2. Passend zu dieser ebenso opulenten wie glasklar rastenden Dioptervisierung der Tikka T3x Arctic gab es vorn auf der Laufmündung ein ebenfalls stählernes Element, zwischen dessen halbschalenförmigen Schutzbacken ein entnehmbar montiertes, höhenverstellbares Balkenkorn steckte.
  3. Besagter Kornschutz saß mit seiner unteren Ringhälfte und per Klemmschraube montiert auf der Laufmündung. Natürlich gab es darunter das heute unverzichtbare Schalldämpfergewinde, in dem Fall des Typ 5/8 x 24 UNEF.
Tikka T3x Arctic in der Gesamtansicht von links vor Bergkulisse
Die Tikka T3x Arctic fesselt den Blick durch die Kombination von Stainless-Steel-Elementen mit einem farbig akzentuierten Laminat-Schaft.

Überblick: Technische Eigenschaften und Preis der Tikka T3x Arctic

Modell:
Tikka T3x Arctic
Preis:
2.835,- Euro (UVP incl. deutscher MWSt.)
Kaliber:
.308 Win. (Testwaffe); 6,5 Creedmoor
Kapazität:10 + 1 Patronen
Länge:1.021 mm
Lauflänge:510 mm
Dralllänge:1:11“ (1:280 mm)
Abzugsgewicht:1.400 g
Gewicht:3.993 g
Links-/Rechts-
Ausführung:
Magazinlöser beidseitig bedienbar
Ausstattung:
Repetierer mit Zylinderverschluss, Kastenmagazin, einstellbarem Druckpunktabzug, voll verstellbarer Metal-Visierung, Picatinny-Schiene. Lauf und System in Stainless Steel. Schichtholzschaft mit drei Distanzstücken und zwei Riemenbügelösen. Riemenbügel und Werkzeug im Zubehör.

Unser Fazit zur Tikka T3x Arctic:

Im Schießtest schlug sich die nordische Repetierbüchse erwartungsgemäß. Sie lieferte aus dem Varmint-Lauf anständige Fünf-Schuss-Gruppen von zirka 14 bis 25 mm Durchmesser, dies alles bei trocken brechendem Abzug. Auch wenn der Name "Arctic" einen Einsatz in Schnee und Eis nahelegt – niemand muss nach Norden und immer gerade aus, um diesen Repetierer richtig nutzen zu können.

Denn hier handelt es sich um eine sauber gearbeitete, gut schießende und robust ausgeführte Mehrladebüchse, die sich als Allrounder auch sehr gut in mitteleuropäischen Breitengraden einsetzen lassen sollte. Okay, an den auffälligen Farben mögen sich jagdliche Traditionalisten stoßen, aber das taten sie auch, als vor gut 15, 20 Jahren der Signalton Blaze Orange aufkam. Und der ist heute neben Lodengrün als zweite und quasi offizielle Jagdfarbe bestens etabliert.

Also: Die Farbwahl à la Indian Summer verhilft der Waffe zu ihrem typischen Look. Kann man drüber streiten. Nicht aber darüber, dass die Tikka T3x Arctic leistet, was sie leisten soll – denn das tut sie.


Weitere Informationen zur Tikka T3x Arctic finden Sie auf der Webeite des Herstellers.

Hier lesen Sie mehr zum deutschen Hersteller German Gun Stock, der Tikka mit seinen Schaftsystemen ausstattet.

Hier finden Sie unseren Test zum taktischen Tikka T3x TAC A1 Präzisionsgewehr für Long-Range.

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