Interview: Niels Heinrich Nationales Waffenregister

Das Nationale Waffenregister
Niels Heinrich von der Fachlichen Leitstelle des Nationalen Waffenregisters

Wie ist der aktuelle Sachstand beim Nationalen Waffenregister?

Das NWR ist zum Jahresbeginn 2013 planmäßig gestartet. Bei Projekten dieser Größenordnung und der sehr kurzen Projektlaufzeit ist das eine beachtliche Leistung. Alle Beteiligten, sowohl die örtlichen Waffenbehörden als auch die Ministerien, Softwarehersteller, Arbeitsgruppen und anderen Beteiligten, insbesondere Dr. Sturm als Projektleiter des Bundesministerium des Innern und das Bundesverwaltungsamt (BVA), haben hier Großartiges geleistet.

Seit Januar läuft nun die Stufe 1 des NWR, die aus einer zentralen Komponente (ZK) beim BVA und den Systemen der rund 550 dezentralen Erlaubnisbehörden besteht. Derzeit werden beispielsweise Maßnahmen zur Erhöhung der Qualität der Daten vorbereitet, die Schulung der zugriffsberechtigten Sicherheitsbehörden vorangetrieben und konzeptionell der weitere Ausbau bewertet und geplant.

Sie waren von Anfang an beim Projekt NWR dabei und haben auch Arbeitsgruppen geleiltet. Was war nach Ihrer Ansicht die größte Herausforderung beim NWR? 

Ein Politiker würde vermutlich das erfolgreiche und gemeinsame Wirken aller Bundesländer herausstellen. Ich betrachte das NWR überwiegend noch aus der Sichtweise der Leitung einer Waffenbehörde: Eine Vereinheitlichung von über 500 Behörden aus 16 Bundesländern, die 40 Jahre lang keinen einheitlichen Vorgaben folgen mussten und über zahlreiche unterschiedliche Softwaresysteme oder teilweise nur über Papierakten verfügten, ist eine enorme Leistung. Hierzu wurde von uns speziell der Datenaustauchstandard XWaffe geschaffen, der erstmals einheitlich Waffen und Erlaubnisse beschreibt.

Ich denke der Aufwand wäre fast vergleichbar, wenn alle Waffenhändler auf ein einheitliches Warenwirtschaftssystem umstellen würden.

Welche Verpflichtungen für den Fachhandel ergeben sich durch das NWR und XWaffe?

Keine! Für den Fachhandel ergeben sich weder durch die Einführung des NWR oder durch den Standard XWaffe irgendwelche Verpflichtungen. Allerdings ist es sinnvoll, wenn sich der Fachhandel mit der nach XWaffe standardisierten Beschreibung von Waffen und Munition vertraut machen würde.

Das NWR dient dazu, einen Teil der örtlichen Daten der Waffenbehörden bundesweit abzubilden, damit diese die Sicherheits-, aber auch die Waffenbehörden bei ihrer Arbeit unterstützen. Zudem kommt man mit dem NWR der EU-Richtlinie 2008/51 nach, die ab 2014 für jeden Mitgliedsstaat ein Register vorschreibt. 

Ergibt sich aus Ihrer Sicht ein Nutzen für den Fachhandel?

Ja, der einheitliche Standard XWaffe führt einerseits dazu, Berechtigungen besser prüfen zu können. Beispielsweise wurden immer wieder Waffenbesitzkarten (WBK) ausgestellt, die keine eindeutigen Bezeichnungen für Waffen oder Munition enthielten: Ein Voreintrag für eine Pistole in .22lr konnte sich sowohl auf eine halbautomatische Schusswaffe, aber ebenso auf eine sogenannte Freie Pistole (Einzelladepistole im Schießsport) beziehen. Eine Munitionserlaubnis zum Beispiel für eine Pistole WALTHER in 9 mm ist ebenso unklar, da der Fachhändler nicht sicher wissen kann, ob der Kunde Munition in 9 mm Luger, 9 mm Ultra oder 9 mm Browning kurz erwerben darf. Da nur die für die Waffe bestimmte Munition erworben werden darf, führte dies oft zu aufwendigen Rückfragen.

Andererseits werden Waffenbezeichnungen vereinheitlicht und helfen auch beim Führen der Handelsbücher. Wir sprechen beispielsweise von halbautomatischen Büchsen, Repetierbüchsen etc. Begriffe wie Drückjagdbüchse oder Sportgewehr verwenden wir nicht mehr, da sie nicht eindeutig sind. Diese Begriffe wurden bislang oft verwendet und beim Ankauf der Waffen durch den Händler ins Handelsbuch übernommen. Rückfragen, warum eine Drückjagdbüchse dann an einen Sportschützen überlassen wurde oder die Überlassungsmeldung „Sportgewehr“ nicht mit dem Eintrag „Jagdgewehr“ im Handelsbuch übereinstimmten waren die Folge. Bei der Verwendung des Begriffs „Repetierbüchse“ entstehen solche Fragen nicht.

Derzeit interessieren sich übrigens die Beschussämter sehr für die Nutzung des Standards XWaffe und auch einige Softwarehersteller von elektronischen Handelsbüchern haben zu uns Kontakt aufgenommen.

Dass es seitens des Fachhandels bereits jetzt ein sehr großes Interesse gibt, wurde bei den sehr gut besuchten Veranstaltungen des VDB deutlich, die in einer äußerst konstruktiven und fachlich geprägten Atmosphäre abliefen. 

Wo und wie kann sich der Fachhandel eingehend informieren?

Umfangreiche Informationen für den Fachhandel sind auf www.nwr-fl.de, dem Zentralen Informationssystem der Fachlichen Leitstelle, zu finden. Darüber hinaus gibt es auf der IWA OutdoorClassics 2014 auch wieder Vorträge im VDB-Forum. Für Fragen des Fachhandels stehen wir aber auch gern zur Verfügung. Zu beachten ist, dass alle Fragen zum NWR über das Bundesverwaltungsamt zu stellen sind, egal worum es geht. Dort wird selektiert und weitergeleitet. Die Adresse finden Sie auf der genannten Internetseite.

Man hört, dass sehr viele Waffendaten im Register falsch sind. Stimmt das?

Hier muss man differenzieren: Die im Rahmen der Erstbefüllung des Registers im NWR gespeicherten Daten entsprachen in ihrer Qualität den jeweiligen bisherigen Maßstäben vor Ort. Die Waffenbehörden waren vor Einführung des NWR weder vernetzt, noch gab es einheitliche Regelungen oder Standards in Bezug auf die Bezeichnung von Erlaubnissen und die Erfassung waffenrechtlicher Daten. Eine beispielsweise als „KK-Repetierer“ erfasste Waffe ist nicht falsch, sie entspricht nur noch nicht der einheitlichen Bezeichnung Repetierbüchse.

Falsche Waffendaten liegen beispielsweise dann vor, wenn Hersteller, Seriennummern oder Munitionsangaben nicht stimmen. Dies ist dann der Fall, wenn Beschussdaten oder Patentnummern statt der Seriennummer gespeichert sind. Ursächlich hierfür sind meist die Angaben der Waffenbesitzer bei der erstmaligen Anmeldung, die oft in den 70er-Jahren erfolgte. Die örtlichen Behörden sind auf korrekte Angaben angewiesen, da die Waffen bei der Anmeldung üblicherweise nicht vorgelegt werden.

Die Datensätze der einzelnen Waffenbehörden werden insoweit bereits jetzt und endgültig bis zum gesetzlich festgelegten Stichtag 31. Dezember 2017 bereinigt. Hierbei handelt es sich um einen Prozess, der auch den jeweiligen Ressourcen in den Waffenbehörden geschuldet ist. 

Durch die Einführung des neuen, verbindlichen Standards XWaffe konnte ein bedeutsamer Schritt zur Aufarbeitung der Datenqualität im deutschen Waffenwesen angestoßen werden. Hierbei werden die örtlichen Behörden von der Fachlichen Leitstelle unterstützt. 

Muss ein Waffenbesitzer aufgrund des Zugriffs der örtlichen Polizeibehörden bei kleineren Einsätzen, wie beispielsweise einer Ruhestörung, mit einem SEK-Einsatz rechnen, wie es in einigen Internet-Foren diskutiert wird?

Nein! Eine SEK-Lage liegt dann vor, wenn geschossen wurde oder damit gerechnet werden muss. Bei einer Reihe von Einsätzen dürfte das NWR eher zu einer Lageentspannung beitragen, wenn zum Beispiel jemand seinen Nachbarn in der Wohnung eine Waffe reinigen gesehen hat. Hier lässt sich sehr schnell die Frage nach legalem Waffenbesitz klären. Ebenso bei einer Kontrolle, wenn die WBK zu Hause vergessen wurde. Auch die Polizei weiß, dass Erlaubnisinhaber besonders rechtstreue Bürger sind.

Macht dann ein Register überhaupt Sinn, zumal niemand die Kontrolle über illegale Waffen hat?

Ja, wenn man bedenkt, dass alle illegalen Waffen einmal legale Waffen waren. Die Hersteller haben schließlich nicht zwei Fließbänder … Ziel ist es, den Weg einer Waffe durchgehend vom Händler bis zum letzten Nutzer zu dokumentieren. Illegal besessene Waffen können dann schnell zugeordnet werden und das „Leck“ im System geschlossen werden. Ich erinnere mich an zwei große Ermittlungsverfahren gegen Fachhändler, bei denen offenbar Waffen in dreistelliger Anzahl an Kriminelle überlassen wurden. Die Polizei musste sehr lange recherchieren, bis die Täter ermittelt waren und der illegale Handel beendet wurde.

Ein schnelles und konsequentes Vorgehen gegen diese wenigen schwarzen Schafe ist ein Schutz der ganzen Branche!

Die Auskunftsfunktionalitäten des NWR werden nun auch zunehmend von den Polizeibehörden genutzt.

Natürlich führt das NWR aber auch zu einer Modernisierung der Verwaltungsbehörden, und so zu einer einheitlicheren Sachbearbeitung. Gerade hier sehe ich den größten Nutzen des Registers. Derzeit ist für viele Behörden das Arbeiten im Verbund noch ungewohnt und die Software manchmal etwas „sperrig“, aber so ging es uns auch bei der Einführung des PC in Haushalte, Unternehmen und Behörden.

Muss man als Waffenbesitzer Sorge vor Hackern haben, die das Register knacken und anschließend versuchen die Waffen zu stehlen?

Ich denke eindeutig nicht. Von Anfang an war klar, dass der erforderliche IT-Grundschutz die Waffenbehörden vor eine große Herausforderung stellt. Mit der Inbetriebnahme des NWR wurden alle Waffenbehörden an die sicheren Kommunikationsstrukturen der Netze des Bundes und der Länder angeschlossen. Seit ihrer Anbindung an die Zentrale Komponente verfügen alle Waffenbehörden nachweislich über IT-Sicherheitskonzepte.

Alle Behörden haben umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen und dokumentieren müssen, die Daten werden verschlüsselt über das Behördennetz übertragen. Hier ist ein Mehr an Sicherheit erreicht worden.

Übrigens: Die Frage nach der Sicherheit wird oft von Waffenbesitzern gestellt, die per Aushang auf dem Schießstand oder in den Waffen- und Jagdzeitungen inserieren (mit voller Anschrift, Telefonnummer und teilweise sogar mit Hinweis auf Urlaubszeiten) … Diesbezüglich ist mir kein Fall eines deshalb erfolgten Einbruchs bekannt, es dürfte aber einfacher sein, eine Waffenzeitschrift zu erwerben, als das Register zu hacken

Das Nationale Waffenregister
Nationales Waffenregister

Informationen zur Fachlichen Leitstelle NWR

1. Dienststelle der Behörde für Inneres und Sport Hamburg 


2. Finanziert durch alle Länder und den Bund


3. Unterstützt die Nutzer des NWR (primär Waffenbehörden)


4. Ist auch für den Standard XWaffe verantwortlich


5. Mitarbeiter haben langjährige Erfahrungen aus den Bereichen Waffenrecht, waffenbehördlicher Praxis, (Kriminal-) Polizei, Waffentechnik und Fachhandel


6. Arbeitet eng mit dem Bundesministerium des Innern (BMI) und dem BVA zusammen


7. Führte bereits kostenlos Schulungen/Vorträge für den VDB, JSM und die anerkannten Schießsportverbände durch


8. Ist mit dem BMI auf der IWA 2014 präsent 



BU MATRIX

Die Fachliche Leitstelle hat eine praktische Übersicht der Waffentypologie inklusive einer Bedienungsanleitung erstellt. Die Matrix kann man sich kostenfrei anfordern über die für alle Fragen zum NWR einheitliche Adresse nwr-fl@bis.hamburg.de


Das Nationale Waffenregister
Jürgen Triebel, Präsident des Verbandes Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler

Was sagt der VDB dazu?

"Die Daten werden endlich abgeglichen und auf einen besseren Stand gebracht. Fehlerhafte Daten werden (hoffentlich) entfernt. Einen Wegfall des (schriftlichen) Handelsbuches begrüßen wir. Eine Online-Meldung könnte die schriftliche Meldung an die Behörde ersetzen. Die Meldefristen könnten leichter eingehalten werden. Die Schulung der Behördenmitarbeiter kann - auch durch VDB-Schulung - verbessert werden.

Nach Auffassung des VDB wird durch die Umsetzung des NWR die Kriminalität sicher nicht verringert werden." fasst Jürgen Triebel, Präsident des Verbandes Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler, die Möglichkeiten des Nationalen Waffenregisters für den Handel zusammen.