Reportage: Danielle Valkyrie & Samantha Wendel - zwei Frauen im Schießsport

Samantha Wendel auf dem Schießstand mit einer Pistole.
Samantha Wendel schießt wettkampfmäßig IPSC. Mittlerweile auch im österreichischen Nationalteam.

Danielle: Samantha, wir beide haben Vieles gemeinsam aber vor allem der Schießsport verbindet uns, auch wenn wir beide verschiedene Richtungen im Sport einschlagen. Deine Liebe zur Waffe hat begonnen, als du verletzungsbedingt den wettkampfmäßigen Bogensport aufgeben musstest. Wie ist es heute? 

Samantha: Ich schieße heute wettkampfmäßig IPSC, mittlerweile bin ich sogar im österreichischen Nationalteam und starte im November 2022 bei der Weltmeisterschaft in Thailand. Ich liebe das dynamische Sportschießen. Ein Wettkampf im IPSC besteht aus mehreren Parcours, bei dem Treffer und Zeit zählen. Also möglichst schnell den besten Weg durch den Parcours finden und präzise Treffer erzielen. Ich schieße am liebsten mit der Pistole aber IPSC gibt es auch nochmal mit dem halbautomatischen Gewehr oder der Shotgun. Für mich ist das sportliche Schießen meine große Leidenschaft. Ab und zu nehme ich an Trainings fürs Verteidigungsschießen oder Long Range teil, aber schlussendlich zieht es mich immer wieder zum Sportschießen und zu IPSC-Wettkämpfen zurück. Ich liebe einfach alles daran. Auch, dass es so abwechslungsreich ist. Mittlerweile gibt es ja IPSC auch noch mit der PCC (Pistol Caliber Carbine), also einem Gewehr mit Pistolenmunition. Du hast ja grade begonnen, in dieser Division zu trainieren aber richtig einordnen kann man Dich im Sport zu keiner bestimmten Disziplin oder? 

Daniellen auf der zweiten Stage beim Long Range Schießen in Italien, mit Büchse.
Danielle Valkyrie beim Long Range-Schießkurs in Italien.

Danielle: Ich bin tatsächlich eher die Generalistin. Begonnen habe ich im Verteidigungs-Schießsport, meine aktuellen Trainer sind Schießtrainer von Spezialeinsatzkräften und begleiten mich seit Jahren. Mittlerweile habe ich aber sehr viel ausprobiert und das auf der halben Welt. Ich habe zum Beispiel einen 3-tägigen Long Range-Schießkurs in Italien belegt (darüber gibt es bereits einen Artikel auf all4shooters.com). Ich habe außerdem bei dem Tontauben-Trick-Shot Weltrekordhalter Raniero Testa einen mehrtägigen Kurs besucht.  Vor der Pandemie habe ich in Kalifornien Taran Butler, einen Weltmeister im dynamischen Schießsport, kennenlernen dürfen. Das war eine unheimlich inspirierende Erfahrung.

Kürzlich durfte ich mit dem mehrfachen IPSC World Champion JJ. Racaza in Tennessee/Amerika einen Tag auf der Shooting Range verbringen. Aktuell reizt mich tatsächlich PCC sehr stark und ich trainiere bei Martin Thaler, einem mehrfachen österreichischen Meister im IPSC Schießsport. Und heute hatte ich das Vergnügen, das erste Mal mit einer engagierten Weltmeisterschafts-Teilnehmerin den Platz zu teilen. ;-) Also um Deine Frage zu beantworten – nein, man kann mich nicht wirklich vollständig zu einer klassischen Sparte zuordnen. Jedoch würde ich meinen Schießstil schlicht als praktisch bezeichnen. Ich habe mir von jedem Trainer die Tricks abgeschaut, die zu mir am besten passen und die für mich am effizientesten sind. Ich nutze diese, um wirkungsvoll, schnell und präzise mit all meinen Waffen zu agieren. 

Samantha: Perfekt – also das Beste aus allen Welten! Es gibt meiner Meinung nach auch keine perfekte Technik, nur perfekte Technik für Dich persönlich. Sogar die allgemeine Lehrmeinung ändert sich ja auch alle paar Jahre, in allen Sparten. Ich habe beispielsweise auch in Texas mit 15 gelernt richtig Großkaliber zu schießen und viele Verteidigungsschießtrainings gemacht. Mit 18 habe ich dann beim Texas-Besuch auch selbst als Sicherheits-Intructor für Jugendliche gearbeitet.  Was ich an Amerika, insbesondere Texas generell besonders mag, dass für Frauen der Schießsport weniger eine Rarität als ein gelebter Lifestyle ist. Es gibt also mehr Gleichgesinnte, mehr Wettbewerb, mehr Angebot. Hast du das auch so erlebt?

Danielle: Oh ja! Besonders auf den amerikanischen Messen, wie der SHOT Show in Las Vegas, trifft man wesentlich mehr Frauen als auf europäischen Messen. Aber natürlich ist der Herren-Anteil immer wesentlich größer, das sehe ich auch auf Instagram. Dort teile ich all meine Erfahrungen seit dem Beginn meiner sportlichen Laufbahn im Schießsport. Der Frauenanteil meiner Abonnenten liegt bei knappen 6%.  Kürzlich habe ich eine Diplomarbeit verfasst, in der ich das Thema Frauen und ihre Waffen angeschnitten wurde. In Österreich liegt der Anteil der Frauen unter den Waffenbesitzern bei 10% – die Tendenz ist allerdings steigend (Quelle: Statista.com). Das freut mich besonders! Wie ist das denn bei Wettkämpfen? Merkst Du da einen großen Unterschied zwischen Männern & Frauen? Gibt es deiner Meinung nach einen Unterschied im Sport? 

Samatha und Danielle mit Ausrüstung für den Schießsport.
Thema Ausrüstung für Frauen im Schießsport: Mittlerweile gibt es mehr Auswahl für Frauen – aber noch ist sie geringer als bei Männern. Links: Samantha Wendel, rechts: Danielle Valkyrie - unsere beiden Autorinnen

Samantha: Ja, ich finde den gibt es.  Zum Beispiel in der Wertung: Jeder schießt immer in der allgemeinen Wertung und Frauen werden auch nochmal separat in der Lady-Category gewertet. Das liegt einerseits am Unterschied im Körperbau und damit unterschiedlichen Leistungen zwischen Männern und Frauen. Und andererseits gibt es mental einen Unterschied. Frauen gehen nach meiner Erfahrung eher auf Nummer sicher und wollen den perfekten Schuss abgeben. Männer hingegen sind dafür eher schneller und riskieren auch mal einen Fehlschuss. Ich habe auf dem Weg zur fortgeschrittenen Schützin festgestellt, dass die meisten Männer automatisch rasch schneller werden, sich dafür auf die Präzision konzentrieren müssen. Bei mir ist es umgekehrt, ich bleibe eher präzise und muss aktiv trainieren, um schneller zu werden und zu bleiben. Ein weiterer Unterschied liegt auch bei Ausrüstung. Früher hieß es: pink it & shrink it - aber Frauen sind nicht einfach nur kleiner und schmaler, sondern sie haben in den meisten Fällen weniger Muskeln und ein anderes Mindset - und damit andere Anforderungen an ihre Ausrüstung. Zwei Beispiele: Hosen der Marke 5.11 sind so geschnitten, dass man den Gürtel auf Hüfthöhe tragen kann, kurze Hose sind lang genug, damit die Mündung nicht den Oberschenkel verbrennt. Es gibt Marken die Unisex Bekleidung anbieten aber seien wir doch mal ehrlich, auch wenn Funktionalität wichtiger ist, als die Optik (Heiße Hülsen im Ausschnitt sehen auch nicht gut aus  😉): Man will sich doch trotzdem wohl fühlen, auch optisch.

Danielle: Ja das stimmt. Vor 4 Jahren war es noch ein wenig schwerer, an passende Handschuhe, taktische Hosen, Battle Belts und so weiter zu kommen. Ich habe auch gerne ein wenig Farbe unter meinen Ausrüstungsgegenständen. Tatsächlich ist die Auswahl mittlerweile sehr groß. Amerika rüstet ordentlich auf mit Equipment für Frauen.
Ein Beispiel ist das verdeckte Tragen von Waffen – mittlerweile auch mit enganliegender Kleidung kein Problem, denn genau auf diese Anforderungen nehmen die Ausrüster nun Rücksicht. Das wird es auch bei uns bald geben, natürlich nur für jene, die ihre Waffe führen dürfen und wollen. Ein anderes Beispiel: Kürzlich hat Walther mit der F-Series eine Pistole herausgebracht, die speziell auf Frauenhände- und Bedürfnisse ausgelegt ist. Also da tut sich schon einiges in der Hinsicht. Und das macht es auch angenehmer für Frauen die mit dem Sport anfangen wollen!

Samantha Wendel und Danielle Valkyrie im Gespräch.
Im Gespräch: Samantha Wendel (links) und Danielle Valkyrie.

Was würdest du Frauen raten, die gerade erst beginnen oder beginnen wollen? 

Samantha: Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, von Beginn an die richtige Körperhaltung, denn die bedeutet auch Kontrolle über die Waffe. Die meisten Frauen sind eher kleiner und weniger kräftig, als ihre männlichen Kollegen – also müssen wir unseren ganzen Körper richtig einsetzen. Die natürliche Reaktion des Körpers auf einen lauten Knall ist die Flucht, viele stehen mit Hohlkreuz auf dem Platz. So läuft man aber Gefahr, dass die Waffe ein Eigenleben entwickelt und der Rückstoß schnell überfordert. Am besten klein anfangen und einen erfahrenen Trainer suchen, der einen bei den ersten Range-Besuchen unterstützt. Und Du? 

Danielle: Der Spaß steht neben Sicherheit für mich an erster Stelle. Ich habe viele Kurse erlebt, in denen es eher ernst und mit Horrorszenarien als Trainingshintergrund zuging. Als junge Schützin ist man da schnell mal mit einer völlig anderen Welt konfrontiert, auch wenn man ursprünglich nur ein entspanntes Kennenlernen mit der neuen Waffe unter Aufsicht geplant hatte. Sowas schreckt natürlich ab. Ich kann nur jedem empfehlen nicht schüchtern zu sein und sich etwas Neues zu trauen. Noch ein Tipp: Man muss sich nicht schämen mit Kleinkaliber-Pistolen zu beginnen, im Gegenteil. Für die richtige Handhabung ist das ideal (und die Munition ist auch günstiger). Wenn dann alles sitzt und man sich sicher fühlt, kann man dann auf was Größeres umsteigen und sich auf die Rückstoßkontrolle konzentrieren. Ich denke, das ist ein sicheres Erfolgsrezept für den Start – dies gilt allerdings für alle Anfänger, egal welches Geschlecht.  

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