Nachruf: Eine Hommage an Gaston Glock − den letzten der ganz Großen in der Welt der Waffen

Als der 34-jährige Österreicher Gaston Glock 1963 sein Unternehmen gründete, konnte niemand ahnen, dass er eines Tages zu den Genies der Waffenkonstruktion wie John Moses Browning und Samuel Colt zählen würde, sprich: zu den Persönlichkeiten, die die Welt der Feuerwaffen für immer verändert haben. Im Gegenteil, Mitte der 1970er Jahre war GLOCK noch ein kleines Unternehmen, das sich auf die Herstellung von Formteilen aus Polymer und aus Blech spezialisiert hatte. Zu den beliebtesten Produkten gehörten ganz alltägliche Dinge wie etwa Gardinenstangen. Firmengründer Gaston Glock, ein im Bereich Kunststofftechnik tätiger Maschinenbau-Ingenieur, war jedoch immer auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern, und als er 1976 erfuhr, dass das österreichische Bundesheer ein Messer/Bajonett für das neu eingeführte Sturmgewehr Steyr AUG ausschrieb, beschloss er, ein Angebot einzureichen.

Der Anfang: das Feldmesser FM 78 von GLOCK, das Ende der 1970er Jahre offiziell vom österreichischen Bundesheer übernommen wurde.

Das in enger Zusammenarbeit mit dem österreichischen Bundesheer entwickelte GLOCK-Messer war ein auf das Wesentliche bedachtes Meisterwerk: eine 165 mm lange und 5 mm starke Klinge aus auf 55 HRC gehärtetem und phosphatiertem Federstahl, ein Polymergriff und eine einteilige Formscheide. Die effektive Einfachheit von Glocks Entwurf machte sich bezahlt: Das Messer, das in Feldmesser FM 78 umbenannt wurde, wurde offiziell vom österreichischen Heer übernommen. Das Bundesheer gab auch gleich 25.000 Stück des FM 78 in Auftrag. Offenbar verbrachten Gaston Glock und seine erste Frau, die auf die logistischen Dimensionen dieser gewonnen Ausschreibung nicht vorbereitet waren, lange Nächte damit, Griffe zu fertigen, um die Bedingungen des Vertrages zu erfüllen.

Die Einführung des FM 78 war entscheidend für das Schicksal der Marke GLOCK. Sobald er einen Fuß in der Tür des militärischen Beschaffungswesens hatte, gewann der innovative und umtriebige Unternehmer auch Ausschreibungen zur Herstellung von MG-Gurten und Übungshandgranaten. Und es sollte noch mehr kommen.

Die Pistole P80, auch bekannt als GLOCK 17 − die Geburt einer modernen Legende mit Polymergriffstück

Eine originale GLOCK 17 der ersten Generation.

Zu Beginn der 1980er Jahre schrieb das österreichische Verteidigungsministerium eine neue 9-mm-Dienstpistole aus. Zu den Anforderungen an die neue Pistole gehörten ein Magazin mit hohem Fassungsvermögen, geringes Gewicht, hohe Zuverlässigkeit und einfache Handhabung. Gaston Glock erkannte hier seine Chance und nahm zusammen mit einer kleinen Gruppe fähiger Konstrukteure die bereits auf dem Markt befindlichen Pistolen unter die Lupe. Zu diesem Zweck hatte er 1980 auch die GLOCK Ges.m.b.H. gegründet. Anekdoten zufolge arbeitete er nachts in seinem Keller an seiner Pistole und feuerte sie mit der linken Hand ab, damit er im Falle einer Waffensprengung, mit der rechten Hand noch hätte weiter an der Konstruktionszeichnung arbeiten können. Nach mehreren intensiven Monaten des Studiums und Testens beendete er am 30. April 1981 seine Versuche und meldete das Patent an. Da es das 17. Patent des Unternehmens war, wurde die neue Pistole GLOCK 17 genannt. Eine Legende war geboren.

Am 29. Oktober 1982 ging schließlich die innovative GLOCK-Pistole als Sieger aus der Ausschreibung des österreichischen Bundesheeres hervor. Sie hatte alle Konkurrenten überflügelt, und unter der offiziellen Bezeichnung "Pistole 80", kurz P80, wurden zwischen 1982 und 1984 insgesamt 25.000 Pistolen an die österreichischen Streitkräfte geliefert. Österreich allein war jedoch zu wenig für Glock, und nachdem die G17 die Haltbarkeitstests der NATO bestanden hatte, wurde sie von der norwegischen Armee als Standard-Seitenwaffe ausgewählt. Kurze Zeit später stiegen auch Schweden und die Niederlande auf die neue Polymerpistole um. Im November 1985 eröffnete das Unternehmen dann seinen US-Hauptsitz in Smyrna, Georgia. Die Internationalisierung der Marke GLOCK und ihrer Produkte hatte begonnen: 1992, nur zehn Jahre nach der Einführung durch das österreichische Bundesheer, waren rund 350.000 Pistolen in mehr als 45 Ländern verkauft worden. Nicht nur an das Militär, sondern auch an Polizeibehörden und weitere Sicherheitskräfte. "First They Fired Us. Then They Hired Us." ("Zuerst haben sie uns (ab)gefeuert. Dann haben sie uns angeheuert"), hieß es 1995 auf einem GLOCK-Werbeplakat: Bis 2013 vertrauten rund 65% aller Polizeidienststellen in den USA auf eines der verschiedenen GLOCK-Modelle, die zu dieser Zeit bereits in unterschiedlichen Größen und vielen gängigen Kalibern angeboten wurden.

Einfach, zuverlässig, kostengünstig! Die Gründe für den Erfolg von Gaston Glock und seiner Polymerpistole.

Mittlerweile in der fünften Generation und trotz einiger gelegentlicher Misserfolge - wie z.B. beim Modular Handgun System Wettbewer der U.S. Army − waren und sind die G17 und ihre Geschwister weltweit sehr erfolgreich.

Wie konnte ein Mann, der nie zuvor eine Waffe konstruiert hatte, eine so perfekte Feuerwaffe schaffen, die bis heute ein echter Maßstab für jede moderne Dienstpistole ist?

Vierzig Jahre und fünf Generationen von GLOCK-Pistolen auf einen Blick, von Gen1 (links) bis Gen5 (rechts).

Gaston Glock war nicht der erste, der einen Polymerrahmen verwendete (das war Heckler & Koch mit der innovativen, aber nicht so glücklichen VP70 im Jahr 1970); er erfand auch nicht das Schlagbolzenschloss (die Borchardt C93 verfügte bereits 1893 darüber). Was das Verschlusssystem betrifft, wählte er das bekannte und bewährte Browning-Petter-SIG-System. Die Genialität von Gaston Glock bestand vielmehr darin, die besten bereits vorhandenen Features und Lösungen auszuwählen und sie geschickt bei kompromissloser Qualität in einem zuverlässigen Industriedesign zu kombinieren oder weiterzuentwickeln, das nicht nur kostengünstig herzustellen, sondern zudem auch einfach zu bedienen ist. "Dass ich nichts wusste, war mein Vorteil", pflegte er zu sagen. Steht er auf den Schultern von Giganten der Waffengeschichte? Vielleicht. Aber er verstand auch, dass Zuverlässigkeit in der Einfachheit liegt, und konstruierte deshalb seine Pistole mit so wenigen Teilen wie möglich, um die Komplexität zu minimieren: Die ursprüngliche G17 hatte insgesamt 32 Komponenten, während eine moderne GLOCK-Pistole aus durchschnittlich nur 35 Teilen besteht. Und der teil-vorgespannte "Safe Action"-Abzug mit der im Abzugszüngel integrierten Sicherung sowie interner automatischer Fall- und Schlagbolzensicherung erfordert keine zusätzlich, manuell zu betätigenden Bedienelemente, um eine ungewollte Schussabgabe zu verhindern.

Der Siegeszug der GLOCK-Pistolen verlief jedoch weder einfach noch reibungslos. Gaston Glock musste mit vielen Vorurteilen aufräumen, zum Beispiel über die Haltbarkeit des Materials Kunststoff in Schusswaffen. Während er die Marke populär machte, wurde in den Mainstream-Medien und in Hollywood auch das unsägliche Gerücht verbreitet, seine "Plastikpistole" sei eine Terroristenwaffe, weil sie bei Flughafenkontrollen nicht eindeutig zu erkennen sei. Zudem musste sich das Unternehmen als Newcomer aus Europa in den patriotisch gesinnten USA gegen alteingesessene Firmen wie Colt, Ruger und Smith & Wesson behaupten.

Die Person Gaston Glock: Von seinem Privatleben drang nur wenig an die Öffentlichkeit...

Aus dem privaten Umfeld von Gaston Glock ist wenig bekannt. Für Aufsehen sorgte vor allem ein Ereignis: Im Juli 1999 beauftragte Charles Ewert, einer von Glocks engsten Finanzberatern, der Gelder veruntreut hatte, einen Auftragskiller. Dieser sollte Glock mit einem Gummihammer töten, um einen Unfall vorzutäuschen. Glock, zu diesem Zeitpunkt bereits 70 Jahre alt, musste um sein Leben kämpfen und überlebte, wurde aber bei dem Mordanschlag schwer verletzt. Es war wohl eines der dramatischsten und schockierendsten Erlebnisse, die man sich vorstellen kann, und es machte einen ohnehin schon verschlossenen Mann noch wortkarger und unzugänglicher.

Und doch hatte Gaston Glock am Ende viel bewegt und war erfolgreich: Er revolutionierte die Welt der Handfeuerwaffen für immer. GLOCK-Pistolen werden weltweit verwendet und geschätzt, und heute ist sein Name selbst Laien als Synonym für halbautomatische Pistolen bekannt.

So gesehen reiht sich Gaston Glock als der letzte der ganz Großen in der Welt der Waffen ein. 


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