Tagebuch einer Skeet-Schützin: Meine Erfahrungen bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio

Chiara Costa auf dem Schießstand mit Vincent Hancock.
Chiara Costa trainiert unter dem wachsamen Auge des Amerikaners Vincent Hancock, der die Goldmedaille im Skeetschießen bei Olympia 2020 in Tokio gewann

Mein Name ist Chiara Costa und ich bin italienische und senegalesische Skeet-Schützin. Ich bin Teil des all4shooters-Teams in Italien und möchte heute von einen ganz besonderen Erlebnis berichten: Aufgrund meiner doppelten Staatsbürgerschaft habe ich den Senegal bei den kürzlich beendeten Olympischen Spielen 2020 in Tokio vertreten und möchte euch daran teilhaben lassen.

Es war meine erste Teilnahme an Olympischen Spielen, deshalb habe ich keine großartigen Vergleichsmöglichkeiten - aber es waren sicherlich ganz besondere Spiele: Corona-Abstriche, Plexiglas, Kontaktbeschränkungen und so weiter...

Jeden Morgen mussten wir Athleten und die uns begleitenden Techniker einen Corona PCR-Test machen. Der war Voraussetzung, um Zugang zu unseren jeweiligen Wettkampf- oder Trainingsbereichen zu erhalten. Das brachte zwar einige Komplikationen mit sich, aber wir fühlten uns dadurch auch kontrollierter und sicherer im Umgang mit dem Virus. Der begleitet uns alle nun schon eineinhalb Jahre...

Video: Die Olympischen Spiele in Tokio aus der Sicht von Chiara Costa, Teammitglied von all4shooters.com (in englischer Sprache)


Die japanische Organisation der Olympischen Spiele 2020

Chiara Costa mit Trainer und senegalesischem Vertreter.
Chiara Costa nach der ersten 25er Serie, mit Berettas Trainer Stefano Accalai und dem senegalesischen Vertreter auf der Tribüne.

Mein erster Eindruck: Die perfekte japanische Organisation hatte zahlreiche Probleme - vor und während der Veranstaltung - hervorragend bewältigt. Ungefähr 11.000 Athleten und ebenso viele Offizielle wurden bereits 14 Tage lang vor der Abreise getestet und überwacht. Jeder von uns musste eine App (OCHA) herunterladen, die uns von zwei Wochen vor der Abreise bis zu unserer Rückkehr nach Hause überwachte.

Bei unserer Ankunft in Japan mussten alle Teilnehmer vier bis sechs Stunden am Flughafen warten, bevor wir in das olympische Dorf durften. Ein hervorragend organisiertes Dorf, wenn man die Covid-19 betreffenden Vorsichtsmaßnahmen und Einschränkungen bedenkt.

Chiara Costa mit Amber English und einer Goldmedallie.
Amber English (links), Goldmedaillengewinnerin in Tokio, feiert mit Chiara Costa unmittelbar nach dem olympischen Finale.

Ein Restaurant auf zwei Etagen, 24 Stunden am Tag geöffnet, mit allen kulinarischen Spezialitäten von asiatisch bis europäisch, um jeden Geschmack zu treffen. Große Gebäude, in denen verschiedene Nationen untergebracht waren, aber auch Dienstleistungen wie Wäscherei, Frühstück zum Mitnehmen und vieles mehr. Ich wohnte in einem Miniappartement für 8 Personen mit zwei Bädern. Gemeinsam gab es ein kleines Wohnzimmer, das wir oft als Besprechungsraum nutzten, da der Missionsleiter bei uns schlief.

Mein typischer Olympia-Tag begann mit dem Aufwecken um 5:30 Uhr, einem Speicheltest durch den Arzt unseres Landes, einem Frühstück im Restaurant und dem Bus um 6:30 Uhr, der uns zum Schießstand brachte.


Die Hinfahrt dauerte etwa eine Stunde, die Rückfahrt bei japanischem Verkehr mindestens eineinhalb Stunden. Normalerweise nahm das Skeetschießen die Hälfte des Tages in Anspruch und Trap die andere Hälfte. Wir trafen uns also nur mittags mit den Trap-Schützinnen, beim Schichtwechsel.

Auf dem Schießstand: Drinnen kühl, draußen drückende Hitze

Chiara Costa mit Vincent Hancock.
Chiara Costa mit einer weiteren Goldmedaille, der von Vincent Hancock im Skeetschießen.

Am Schießstand gab es mehrere Räume für die Sportler, alle mit Toiletten, Informationsbüro, Getränkeautomaten, Obst und (kostenlosen) Sandwiches und natürlich einer Klimaanlage.

Stadtion der Olympischen Spiele 2020 in Tokio.
Das Stadion, in dem die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2020 in Tokio pandemiebedingt im August 2021 stattfand.

Meiner Meinung nach war die Luft zu kalt, so dass fast jeder ein Sweatshirt oder ein Handtuch über den Schultern tragen musste. Draußen hingegen war es unglaublich heiß. Abgesehen von den 35°C machten 80-90% Luftfeuchtigkeit das Schießen sehr schwierig (eigentlich sogar das Atmen!) – zumindest für diejenigen, die wie ich an eine andere Temperatur gewöhnt sind. Vincent Hancock ging oft an mir vorbei und lachte, als er sagte: "In Texas, bei mir zu Hause, ist es viel wärmer als hier... daran bin ich gewöhnt! Du musst zu uns kommen und mit uns schießen..."

Mit Vincent, Austen und Amber habe ich die ganze freie Trainingswoche über geschossen und es hat so viel Spaß gemacht. Sie sind ein sehr eingespieltes Team, denn Vincent ist auch Austens Trainer (der genau am Tag des offiziellen Trainings 20 Jahre alt wurde). Sie feuern sich gegenseitig an, lachen, scherzen, unterhalten sich lautstark mit Ausbildern und Kollegen... man hat den Eindruck, dass sie nicht bei den Olympischen Spielen sind! Und doch, genau im richtigen Moment, treten sie plötzlich in den Wettkampf ein - und schießen keinen einzigen Schuss daneben.

Olympia 2020: Ein Ereignis zum Erinnern und zum Weiter-Erzählen

Chiara Costa und Binti Diongue.
Chiara Costa posiert in den olympischen Ringen in Tokio zusammen mit Binti Diongue, der senegalesischen Degenmeisterin.

Für mich war es eine wunderbare Erfahrung, an ihrer Seite zu sein – alles Spitzensportler, Profis, jeder in seiner eigenen Gruppe. Ich schieße etwa 10-20 Tausend Patronen pro Jahr (je nach Urlaubszeiten, Verfügbarkeit von Geldmitteln usw.) und fühlte mich anfangs etwas unwohl, mit Sportlern zu schießen, die normalerweise 120-150 Tausend Patronen pro Saison schießen.

Chiara Costa und Thomas Bach, der IOC-Präsident.
Chiara Costa mit dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Kommittees, Thomas Bach. 

Amerikaner trainieren in Sportzentren, die nur dafür ausgelegt sind: Sie schlafen dort und kehren nur am Wochenende nach Hause zurück, sie schießen morgens und nachmittags... in den Pausen gehen sie ins Fitnessstudio oder zum Physiotherapeuten und zum Mentaltrainer.

Wenn ich daran denke, dass ich um 7 Uhr morgens aufstehe, um zur Arbeit zu gehen, und bis 17 Uhr zur Schule gehe, und wenn ich im Herbst und Winter rausgehe, ist es schon dunkel... und ich kann nur am Wochenende schießen... inmitten der Hobbysportler, die am Wochenende die Stände füllen. Oft kann ich mir nicht einmal einen Schießstand sichern, um die Wurfscheibe zu wiederholen, die ich verpasst habe... Das ist leider kein Vergleich.

Natürlich gibt es Wochen, in denen die Situation besser ist: Weihnachtsferien, Ostern oder die beiden Sommermonate (auch wenn die amerikanische Schule, in der ich arbeite, schon geöffnet hat, mit den ersten Treffen bereits Ende August), also muss ich diese Zeiten nutzen, um so viel wie möglich zu trainieren, und versuchen, die Wettkämpfe auf die gleichen Zeiträume zu konzentrieren, um keine Arbeitstage zu verlieren. Und dennoch habe ich es bis zu den Olympischen Spielen geschafft. Das macht macht mich natürlich auch sehr stolz.

Abschließender Dank an meine Partner

In dieser Hinsicht kann ich mich glücklich schätzen: Die Schule, an der ich unterrichte, die American Overseas School of Rome, erlaubt mir oft, ein paar Tage frei zu nehmen, um an einigen World Cups teilzunehmen (natürlich nicht an allen!), was es mir ermöglicht hat, mich für eines der besten Abenteuer meines Lebens zu qualifizieren.

Natürlich darf ich auch meine Partner und Sponsoren Beretta und Castellani nicht vergessen, die mich seit Beginn dieses Abenteuers begleiten, seit ich mit 31 Jahren zum ersten Mal eine Sportflinte in die Hand nahm!

Jetzt ist alles ein bisschen realer: Ich habe an den Olympischen Spielen "Tokio 2020" im August 2021 teilgenommen, und das verdanke ich meiner Familie, meinem Partner, meinem Physiotherapeuten, meinem Trainer... und all den Menschen, die mir zur Seite gestanden und es mir ermöglicht haben, sowohl als Sportler als auch als Mensch zu wachsen.

Nächstes Ziel: Weiterhin Spaß bei der Ausübung des Schießsports zu haben! Denn um zu schießen, gibt es keine Alters-, Zeit- oder Geldgrenzen, wie man uns manchmal glauben machen will. Ich habe es aus eigener Kraft geschafft. Es ist machbar!

Olympischer Pass.
Der olympische Pass wird benötigt, um Zugang zu den verschiedenen Bereichen des Dorfes und den Trainingsständen zu erhalten.
Das Restaurant des olympischen Dorfes mit den allgegenwärtigen Plexiglaswänden.
Das Restaurant mit den allgegenwärtigen Plexiglaswänden. Es war 24 Stunden am Tag geöffnet und bot Speisen aus aller Welt an. 
Die senegalesische Olympia-Delegation.
Die senegalesische Mannschaft bei der Eröffnungsfeier der Spiele von Tokio 2020.
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