Pro und Contra: Molybdän-Beschichtung für Geschosse

Um den Laufverschleiß bei häufig geschossenen Waffen so niedrig wie möglich zu halten, verwendet zum Beispiel der Munitions- und Wiederladekomponenten-Hersteller Norma für die Fabrikpatronen der Black-Diamond-Serie Geschosse mit einer Molybdän-Beschichtung:

Fein pulverisiertes Molybdän(IV)-sulfid (Molybdändisulfid, Molybdänglanz oder Molybdänit, kurz: Moly) mit Teilchengrößen zwischen 1 und 100 μm ist ein technisches trockenes Schmiermittel. Es wurde in den 1940er Jahren zuerst von der Firma Dow Corning unter dem Handelsnamen "Molykote" vermarktet, der auch heute noch als Synonym für Molybdän(IV)-sulfid steht. Bei Dow Corning werden jedoch heute auch andere Spezialschmierstoffe so genannt. An der Luft oxidiert es schon ab 315°C, der Schmelzpunkt liegt bei etwa 450°C. Unter Ausschluss von Sauerstoff ist die Anwendung bis 1.100°C möglich. Der schwedische Rüstungsbetrieb Bofors AB führte Testreihen durch, bei denen sich herausstellte, dass die Struktur des NC-Pulvers durch den Festschmierstoff Molybdändisulfid – allerdings bei 100-fach höherer Konzentration – zerstört wird. Um dies zu verhindern, wachste unter anderem Norma die Geschosse nach der Beschichtung einfach ein. Somit verhält sich Moly neutral gegenüber dem Treibladungsmittel.

Drei Geschosse im Vergleich: von der Fabrik beschichtetes Projektil von Berger (v.l.), daneben selbstbeschichtete Variante von Sierra und unbeschichtet von Hornady.
Ausgangsbasis für die Beschichtung mit Molybdän(IV)-sulfid sind hier die unbeschichteten Geschosse von Hornady aus Grand Island, Nebraska.

Jedoch zeigte sich, dass die Zwischenreinigung bei Verwendung von fabrikmäßig beschichteten Geschossen ebenso unabdingbar ist, als wenn unbeschichtete verwendet werden. Wichtig ist in erster Linie eine gute Vorauswahl stimmiger Ladekomponenten. Das letzte Quäntchen Perfektion des Gesamtpaketes "Laborierung" ist meiner Ansicht nach trotzdem die Geschossbeschichtung. Diese wirkt sich indirekt auf die Präzision aus. Zum einen erhält sie länger die gute Schussleistung einer Waffe respektive des Laufes durch den verminderten Verschleiß, ist also eine Frage der Ökonomie des Schützen. Zum anderen sorgt die Verwendung von Moly für gleichmäßigere Verhältnisse im Lauf. Der Abrieb eines unbeschichteten Geschosses auf der (gereinigten) Laufoberfläche wird mit jedem abgegebenen Schuss zunehmen. Er wird sich lagenweise aufbauen, somit kann von einer erstrebenswerten Gleichmäßigkeit von Schuss zu Schuss keine Rede sein. Die für die Präzision und Lauflebensdauer notwendigen Zwischenreinigungen sind je nach Kaliber und verwendetem Geschoss alle 20 bis 60 Schüsse nötig.

Zwischenfazit:

So stellte ich im Eigenversuch fest, dass mit denselben Komponenten selbstentwickelte Laborierungen, einerseits mit beschichteten und andererseits unbeschichteten Projektilen, im Mittel die Streukreisabweichung mit unbeschichteten Geschossen signifikant höher waren als bei denen mit Beschichtung.

Als Testwaffen dienten mir dabei zwei Benchrest-Büchsen in den Kalibern .222 Remington und .308 Winchester. Die Messung erfolgte durch die Geschossgeschwindigkeits-messanlage Mehl BMC 18, die Abweichungen der Geschossgeschwindigkeit v3 (die v0-Messung ist mit diesem Messgerät aufgrund der eingesetzten Lichtschranken-Technik nicht möglich, da die Gaswolke beim Mündungsaustritt mindestens die erste Lichtschranke stört). In der Folge ist es demnach so, dass der Lauf ein gleichmäßigeres Schwingverhalten beim Durchtrieb des Projektils erfährt, so dass die Mündungsauslenkung geringer wird und der Streukreis einer Schussgruppe kleiner – vorausgesetzt, das Projektil ist beschichtet.

Das überzeugende Ergebnis der Arbeit: vom Verfasser Fabian Bonk selbstbeschichtete Geschosse der Sierra mit Sitz in Sedalia, Missouri.
Fabrikware: Diese Projektile von Berger aus Fullerton, Kalifornien, die schon werkseitig beschichtet sind. Der Unterschied zum obigen Bild ist auffallend.
Geschosse vor dem Arbeitsgang "Beschichten" in einer mit Stahlkugeln befüllten RCBS-Sidewinder-Trommel vom Verfasser Fabian Bonk.

Das Beschichten der Geschosse:

Bevor die Geschosse getumbelt werden, müssen sie von den in der Regel aufgebrachten Versiegelungen befreit werden. Dies geschieht mittels Waschen in Aceton oder Isopropylalkohol. Hierzu sei anzumerken, dass Geschosse mit Polymerspitze durch den längeren Kontakt mit den Chemikalien Schaden nehmen können, das Bad darin darf also nur sehr kurz sein. Zudem ist festgestellt worden, dass einige dieser Vorab-Geschossbeschichtungen sich als so hartnäckig erweisen, dass sie mittels Granulat mechanisch entfernt werden müssen. Ganz wichtig ist, dass die Projektile nicht mit den ungeschützten Händen berührt werden, da sie vollkommen fettfrei in die weiteren Arbeitsschritte übergeben werden müssen. Anhaftende Fettreste könnten zu Fehlstellen innerhalb der Beschichtung führen. In einer weiteren Trommel, die mit gut fünf Kilogramm Stahlkugeln im Durchmesser <2mm etwa zu einem Viertel gefüllt ist, werden (je nach Kaliber) etwa 100 Geschosse zeitgleich mit höchstens (!) einer Messerspitze voll Molybdändisulfid so lange getrommelt, bis eine gleichmäßige Schwarzfärbung der Geschosse festzustellen ist. Dies ist meistens nach etwa 20 bis 30 Minuten der Fall. Ein Kontrollrhythmus des Beschichtungsvorganges alle fünf bis zehn Minuten sei empfohlen. Es kann sein, dass die Zugabe von weiterem Moly nötig ist. Hier heißt es: Lieber häufiger gefühlvoll nachdosieren als (unnötig) zu viel verwenden.

Bei den Geschossherstellern würden nun nach Abschluss des Auftrages der Moly-Beschichtung die Geschosse dem letzten Arbeitsschritt, dem Wachsen, übergeben werden. Ich persönlich halte diesen Schritt für nicht notwendig. Stattdessen werden die Projektile einfach weitere 15 Minuten unter fast minutenweiser Kontrolle weitergetrommelt. Und zwar so lange, bis sie einen zarten Bronzeton aufweisen. Die bronzefarbenen Geschosse, die aus dem Sandfang geborgen werden konnten, wiesen augenscheinlich geringere Geschossfahnen am Heck auf als ihre "nackten" Schwestern. Die Schnelligkeit der Lauferwärmung war deutlich langsamer und ein Zwischenputzintervall entfiel, wie die nahezu perfekten Streukreise bestätigten (gemessen 4,4 mm Streukreis-Ø bei 10 Schuss auf 100m mit der .308 Winchester). Zwischenzeitlich konnte in weiteren Versuchen festgestellt werden, dass die vorher verwendeten Pulverchargen bei gleichbleibend guten Ergebnissen weiter reduziert werden konnten. Somit konnte die Lauferwärmungsgeschwindigkeit und damit einhergehend der Verschleiß nochmals gesenkt werden.

Beschichtungsende: Nach mehreren Minuten im Stahlkugelbad (vorher mit Moly "aufgeladen") in der Sidewinder-Trommel sind die Geschosse fertig.

Durch die mikroskopisch kleinen Molybdänteilchen wird die poröse Oberfläche der Geschosse aufgefüllt. Die Stahlkugeln verhelfen zu einer sehr kompakten Ummantelung. Die nun mit Moly aufgefüllte Oberfläche weist logischerweise einen deutlich geringeren Reibungskoeffizienten gegenüber dem unbehandelten Geschossmantel auf. Eine merkliche Änderung kann sich deshalb beim Rückstoßverhalten einer Waffe ergeben. Sensible Schützen spüren das weichere Verhalten im Schuss im Gegensatz zum ansonsten gewohnten Rückstoß. Erklärbar ist dies durch den leichteren Eintritt des Projektils in die Züge und Felder, des sich somit schneller vergrößernden Brennraumes im Patronenlager- und Laufbereich hinter dem Geschoss und damit einhergehend der eher parabelförmig verlaufenden Gasdruckkurve; der Druckanstieg ist insgesamt verzögerter und kommt nicht so schlagartig.

Laufverschmierung als Gleitschicht:

Dass die verwendete Waffe nach dem vorhergehenden Gebrauch grundgereinigt ist, setzt sich als Selbstverständlichkeit voraus. Dies stellt auch das Problem für die wünschenswerte Gleichmäßigkeit der Laufverhältnisse von Schuss zu Schuss dar: Der Lauf ist sauber, mit jedem Schuss legen sich Anhaftungen an der Laufinnenseite ab. Vor der Verwendung die Waffe, die mit beschichteten Geschossen betrieben wurde, nicht zu putzen, um die Gleichmäßigkeit zu erhalten, ist aber auch keine Option.

Was kann also der geneigte Präzisionsschütze tun?

Die gewünschte Laufverschmierung mit Moly, denn sie ist natürlich erwünscht, erfolgt durch den Abriss und Oberflächenabtrag von Moly-Teilchen beim Geschossdurchgang durch das Rohr. Diese Gleitschicht wird meiner Ansicht nach bei fabrikbeschichteten Geschossen durch die Wachsschicht jedes Mal dadurch gestört, dass sie durch die Reibungstemperaturen des vom Gasdruck angetriebenen Projektils aufgeweicht und nach Geschossdurchgang wieder abgekühlt und somit verfestigt wird. Die Temperatur der Verbrennungsgase tut ein Übriges dazu. Von Gleichmäßigkeit demnach keine Spur, zumal sich die Wachsschicht schneller stark an den Laufwandungen aufbaut, als es die hier vorgestellte im Eigenversuch entwickelte Moly-Schicht, auch aufgrund der Partikelgröße, je tun könnte.

Bereit zum Einsatz: Ein beschichtetes und verladenes Geschoss in der Verwendungsstelle: dem Patronenlager.
Überprüfung: Unten rechts verladene Geschosse. Einmal selbstbeschichtet (links) und einmal unbeschichtet.

Geht man von der ausschließlichen Verwendung selbstbeschichteter Geschosse aus, so muss der vollständig gereinigte Gewehrlauf für das Training mit Einschränkungen, aber für den Wettkampf auf jeden Fall vorbereitet werden. Dazu werden einfach fünf bis zehn Patronen warm delaboriert, ohne das Rohr wirklich heiß zu schießen. Der ausreichende Eintrag von Molybdän in die Poren der Metalloberfläche der Laufinnenwand ist sichergestellt. Aber auch danach gibt es noch einiges zu tun. Wegen des Durchtriebs des aus Gasschlupfgründen meist übermaßigen Projektils durch den im Diameter kleineren Lauf gibt es immer eine mehr oder minder große Mantelreibung einhergehend mit Abriebverlusten des weicheren Materials. In der Regel also des Geschosses. Bei mit Molybdän vergüteten Geschossen ist dies augenscheinlich weniger der Fall als bei "blanken" Projektilen, tritt aber dennoch auf. Auch wird sich das Moly beim Laufdurchgang in Teilen aus den Poren und von der Oberfläche des Geschosses lösen und so Rückstände im Lauf verbleiben.

Nach der Waffennutzung gilt es diese Rückstände zu entfernen. Der Grund dafür ist einfach: Korrosion! Auch bei sogenanntem Stainless Steel beziehungsweise rostträgen Stählen unterschiedlicher Laufhersteller kann dieses Phänomen auftreten.

Vorsicht – Rost:

Wie man der Struktur entnehmen kann, besitzt Molybdän(IV)-sulfid unter anderem auch Schwefelbestandteile. Diese verhalten sich in Verbindung mit Wasseranteilen (wie etwa Kondenswasser im Tresor beim Einstellen der kalten Waffe) auf der Laufinnenwandoberfläche korrosiv. Deswegen sei dem Nutzer dieser Beschichtung angeraten, nach erfolgtem Training oder Wettkampf die Waffe gründlich zu reinigen. Ein kleiner Warnhinweis zum Umgang mit Moly sei aber auch angebracht. Die Verwendung von feinen Stäuben, denn hierum handelt es sich, sollte nur unter Berücksichtigung von Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel der Nutzung von Feinstaubmasken, bei der Verarbeitung erfolgen.

Alternativen:

Neben dem hier vorgestelltem Molybdändisulfid gibt es natürlich auch noch andere Beschichtungsmittel für Geschosse. Hier seinen unter anderem die Stoffe Wolframdisulfid und das noch relativ neue hexagonale Bornitrid genannt, das im Gegensatz zu den beiden anderen Stoffen weitaus weniger gesundheitsgefährdende Nebenwirkungen hervorrufen können soll. Vorsicht ist aber auch bei der Verwendung von Bornitrid angebracht. Das kubische Bornitrid (CBN) bildet gleich nach dem Diamant den härtesten bekannten Werkstoff auf unserem Planeten. Er hat entsprechend negative Auswirkungen auf die Lauflebensdauer, sollte er für Geschossbeschichtungen verwendet werden.


Weitere Informationen über die Molybdän-Beschichtung für Geschosse erhalten Sie in der aktuellen VISIER-Ausgabe 02/2015.

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