Trends bei Dienstpistolen - das und Vieles mehr lesen Sie jetzt im neuen VISIER Special

FN Browning M1910 Sarajewo-Tatwaffe
Pistolenschüsse können sich weltpolitisch auswirken. Diese FN Browning M1910 verwendeten die Attentäter von Sarajewo
am 28. Juni 1914. Der Mord an dem österreichisch-ungarischen
Thronfolger Erzherzog Franz-Ferdinand und dessen Gattin Sophie Herzogin von Hohenberg löste den Ersten Weltkrieg aus.
Luger-Pistolen
Die Lange Pistole 08 wartet mit einem 200 mm langen Lauf auf, jener der Standard-
version kommt auf 102 mm.

Entwickelt an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, zählte die Pistole alsbald zum infanteristischen Werkzeugkasten moderner Streitkräfte weltweit. Zwar blieb das Gewehr bis heute die querschnittliche Primärwaffe des Soldaten. Aber sobald es die Taktik erfordert, erfolgt die Transition von der Lang- auf die Kurzwaffe. Das geschieht nicht nur beim individuellen Kämpfer in Gefechtssituationen, sondern auch im übertragenen Sinne bei größeren Truppenkörpern, sobald es die Lage erfordert. So erlebte die Pistole im Ersten Weltkrieg insbesondere in den Grabenkriegen auf allen Seiten eine steigende Bedeutung als Kampfmittel, beispielsweise für Stoß- und Spähtruppunternehmen: „Unvergesslich sind solche Momente auf nächtlicher Schleiche“, schildert es der Schriftsteller Ernst Jünger, der die Schrecken des Ersten Weltkriegs als junger Offizier an vorderster Front miterlebte, in dem ihm eigenen schwülstig-drastischen Stil. „Der Atem geht stoßweise; man muß sich zwingen, sein keuchendes Wehen zu dämpfen. Mit kleinem metallischen Knacks springt die Sicherung der Pistole zurück; ein Ton, der wie ein Messer durch die Nerven geht. Die Zähne knirschen auf der Zündschnur der Handgranate. […] Man zittert unter zwei gewaltigen Gefühlen: der gesteigerten Aufregung des Jägers und der Angst des Wildes.“

Die Aufgaben der Kurzwaffen änderten sich mit der Einsatz-Distanz

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hatten einige Streitkräfte ihr Kurzwaffenarsenal erneuert. Seinerzeit lösten oft Pistolen die Revolver ab. Das deutsche Kaiserreich etwa führte 1908 die von Georg Luger konstruierte Parabellum-Pistole samt der zugehörigen Munition ein – als Ordonnanzwaffe Pistole 08 sowie Pistolenpatrone 08. Schon vier Jahre zuvor beschaffte die Marine sie als Pistole 04. 1913 wiederum kam für Feldartillerie und Flieger mit der Langen Pistole 08 – auch als „Ari-08“ bekannt – zudem eine Art „Persönliche Verteidigungswaffe“ in die Arsenale. Sie wies statt des 102 Millimeter langen Standard- Laufs einen 200 Millimeter langen Lauf auf, was ebenso wie das bis auf 800 Meter verstellbare Visier und das Anschlagbrett für höhere Reichweiten sorgen sollte. Zudem speiste sie sich ab 1916/1917 über ein 32-Schuss-Trommelmagazin. Diese Waffe und die Magazine für mehr Munition am Mann machte man sich teilweise in den Grabenkämpfen zunutze, etwa bei der Ausstattung von Sturmbataillonen und Jägertruppe. Als weitere Beispiele moderner Waffen jener Epoche seien noch FN M1910, Steyr M1912 oder die von John Moses Browning konstruierte US-amerikanische Colt M1911 genannt.

In den Dekaden nach dem Ersten Weltkrieg spielte die Kurzwaffe dann wieder eine eher untergeordnete Rolle, insbesondere beim Militär. Das bedeutete zwar nicht, dass es keine technischen Innovationen auf dem Dienstpistolensektor gab. Das doppelreihige Magazin der FN High Power 1935, der Spannabzug der Walther P.38 und später P1, das Kunststoffgriffstück der Heckler & Koch HK VP70, der Rollenverschluss der HK P9 oder das Safe-Action-System der P80 alias GLOCK 17 seien hier nur als einige wenige Beispiele angeführt.

Aufklärungssoldat weiblich
Eine Soldatin des Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr mit P30 im Anschlag. Die Zahl der Waffenträgerinnen steigt in Streitkräften und Sicherheitsbehörden.

Aber bei allen Innovationen diente gerade die Pistole in den Streitkräften weltweit in erster Linie als persönliche Verteidigungswaffe für Spezialisten, Großgerätebediener oder Führungspersonal. Wohl auch deshalb, weil mit der ab 1918 erstmals durch die „Alte Armee“ in großem Stil eingeführten Maschinenpistole ein weiteres Element den infanteristischen Werkzeugkasten bereicherte. Diese Kurzwaffenmunition verschießenden, handlichen Langwaffen schließen seither die Lücke zwischen Pistole und Gewehr. Die Einsatzrealität des „Global War on Terror“ in der Folge des 11. September 2001 ließ die Militärplaner dann wieder umdenken. Insbesondere in den asymmetrischen Bedrohungslagen kam es neben dem klassischen gezielten Schuss auf die mittleren und weiten Entfernungen – Stichwort „infanteristischer Halbkilometer“ – nun zusätzlich darauf an, überraschend auftretende Gegner im Nahbereich bis 50 Meter schnell und treffsicher bekämpfen zu können. Das sollte sowohl mit dem Gewehr erfolgen als auch mit der Pistole als „Back-up“, also Zweitwaffe. „Für die Bundeswehr war das ein Paradigmenwechsel“, berichten hierzu die deutschen Streitkräfte auf ihrer Homepage in einem Artikel zum 2010 eingeführten Neuen Schießausbildungskonzept. „Die Pistole fristete ein Mauerblümchendasein. Heute ist sie als Zweitwaffe im Einsatz Standard.“

Pistolen als dienstliche Zweitwaffe werden immer wichtiger

Norweger mit GLOCK 17
Norwegischer Infanterist mit seiner GLOCK 17 als Back-up im Häuserkampf.
Polizei Bayern mit HK P7
Im Gegensatz zum Militär bildet die Pistole bei der Polizei die Primärwaffe – hier zeigt sich noch eine Heckler & Koch P7 bei der bayerischen Polizei.

Tatsächlich ist der Einsatz der Pistole weltweit wahrscheinlicher und auch vielseitiger geworden. Heute nutzt der Soldat seine Kurzwaffe meist dann, wenn seine Hauptwaffe störungsbedingt ausfällt. Oder in Umgebungen, in denen eine Langwaffe zu sperrig wäre – etwa beim Marsch in Fahrzeugen, beim Einsatz in Gebäuden, Bunkersystemen oder auf Schiffen. Darüber hinaus dienen besondere Pistolen noch als Bewaffnung von Spezialkräften, etwa mit Schalldämpfern oder in Verbindung mit Nachtsichtgeräten. Das wiederum lässt die Nachfrage nach Optics-Ready-Versionen steigen, also nach solchen Waffen, die eine Zieloptik tragen können. Die gestiegene Bedeutung der Pistole als querschnittliche Zweitwaffe spiegelt sich nicht zuletzt in den höheren Stückzahlen heutiger Beschaffungsprojekte wider.

Évaluations PSA STAT
Das französische System Pistolet Semi-Automatique (alias GLOCK 17 Gen 5 FS) umfasst neben der Waffe unter anderem auch Ersatzmagazine, Holster, Schalldämpfer, Putzzeug und Exerziermunition.
FN HighPower
Die auch nach fast einem Jahrhundert immer noch genutzte FN High Power – die US-Tochter FNH USA der Lütticher Waffen-
schmiede brachte 2022 eine modernisierte Variante des Klassikers heraus – unter anderem beidseitig bedienbar, mit separatem Zerlegehebel und 17 statt wie ursprünglich 13 Schuss im Magazin.

Führen Polizei oder Militär neue Systeme ein, lässt sich durchaus von einem Generationswechsel sprechen. Nimmt man für einen solchen Generationenabstand etwa 30 Jahre an, dann überdauert die Nutzungsdauer militärischen Gerätes oft sogar mehrere Altersstufen. Als prominente Beispiele aus dem Pistolensektor können die dänische M/49 alias SIG 210-DK und die französische MAC-50 dienen. Die Ziffern in deren Namen beziehen sich auf die Einführungsjahre 1949 beziehungsweise 1950. Die Skandinavier ersetzen seit 2019 die M/49 durch die SIG P320 XCarry. Und bei den westlichen Nachbarn der Deutschen folgt seit 2020 die Pistolet Semi-Automatique (PSA) alias Glock 17 Gen 5 FS der MAC-50. Damit standen diese Oldtimer sieben Dekaden, also mehr als zwei Generationen, im Dienst. Die Dänen und die Franzosen befinden sich damit in guter Gesellschaft, das belegen weitere jüngere Pistolenprojekte vieler Armeen (Tabelle auf Seite 23 der gedruckten Ausgabe). Als einer der letzten Klassiker befindet sich bis zum heutigen Tag noch die im Jahr 1935 erstmals eingeführte FN High Power im Dienst: in Kanada in Form der Lizenzversion Inglis No. 2 Mk 1 und in Australien als Self Loading Pistol 9 millimetre Mark 3 ((Anmerkung: Ende September 2022 meldete das australische Verteidigungsministerium, dass künftig die SIG Sauer P320 XCarry Pro die Mark 3 ablösen wird)).

Freilich dauert es nicht immer so lange, bis Ablösung kommt. Das vergleichsweise gigantische Vorhaben Modular Handgun System (MHS) der US-Streitkräfte kann hier als Beispiel dienen. 2017 fiel die Entscheidung für die SIG P320 MHS, die als M17 in der Full Size- und als M18 in der Kompaktversion zuläuft. Sie löst die im Vergleich zu FN High Power, M/49 und MAC-50 noch vergleichsweise junge, weil erst 1985 eingeführte M9 alias Beretta 92FS ab.

Generationenwechsel bei den Dienstpistolen für Militär und Polizei

Ein derartiger Umstieg bei militärischem oder polizeilichem Gerät erfolgt meist, wenn sich taktisch-technologische Neuerungen nicht mehr durch bloße Einsatzwertsteigerungen des vorhandenen Arsenals auffangen lassen. So erfolgte etwa in den 1970er Jahren bei der deutschen Polizeibewaffnung ein Umbruch. Damals kam die erste Ge­neration von Pistolen in den Dienst, welche nach bundesweit definierten Technischen Richtlinien qualifiziert wurden. Doch welche weiteren Anstöße gab und gibt es für Neubeschaffungen und welche Trends herrschen derzeit im Dienstpistolensektor?

Diese und viele weitere Fragen rund um die aktuellen Dienstpistolen beantwortet nur die gedruckte Ausgabe des VISIER Special 106 „Pistolen bei Militär und Polizei“, die Sie bequem und direkt hier bestellen können. Eine ausführliche Vorstellung des Sonderhefts mit Leseprobe finden Sie auch hier bei all4shooters.com.

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