Chiappa Charging Rhino 60DS: Der 9-mm-Sportrevolver mit hochschlagmindernder Laufanordnung im Test

Was macht den Chiappa Charging Rhino so einzigartig?

Chiappa Charging Rhino DS60
Der Rhino wirkt vor allem durch den Dural-Laufmantel mit Montageschienen bullig und futuristisch zugleich.

Beim Chiappa Charging Rhino 60DS läuft einiges anders. So dreht die Trommel wie bei einem Spannabzugsrevolver von Colt im statt gegen den Uhrzeigersinn, fluchtet der Lauf zur unteren statt wie üblich zur oberen Trommelbohrung. Der größte Teil des italienischen Sechsschüssers besteht aus Aluminium und das Auge des Betrachters sucht vergebens nach einem Hahnsporn. Aber ganz so neu ist einiges in Wirklichkeit nicht, denn diese tatsächlich stark hochschlagmindernde Laufanordnung hatte Emilio Ghisoni bereits in den 1980er Jahren entwickelt. Dessen konsequente Umsetzung der physikalischen Möglichkeit, den Hochschlag im wahrsten Wortsinn in den Griff zu bekommen, also den Abstand zwischen der Laufseelenachse und der Verlängerung der Linie von Handgelenk und Unterarm zu minimieren, führte auch bei seinen Mateba-Revolvern zu dem gewöhnungsbedürftigen Design. Als Emilio Ghisoni im Jahr 2008 verstarb, wurde seine Erfindung von Chiappa übernommen und weiterentwickelt.

Die konstruktionelle Andersartigkeit im Vergleich zu anderen Revolvermarken setzt sich hier auch im Detail fort. So muss zum Ausschwenken der Trommel, einer Flügelsicherung ähnlich, der Entriegelungshebel hinunter gedrückt werden. Die Trommel lässt sich nur entspannt ausschwenken. Ist die Trommel ausgeschwenkt, sieht man die vordere Trommelarretierung oben im Rahmen statt vorn in der Ejektorstange. 

Der spornlose Hahn des Chiappa Charging Rhino DS60
Der spornlose Hahn und die Bicolor-Optik gehören zu den Markenzeichen des Match-Modells in Neun Para.

Die hintere Verriegelung des italienischen Revolvers erfolgt mittels eines federbelasteten Stiftes nach altbewährtem Muster. Einen Hahnsporn benötigt der 60DS Charging Rhino nicht, denn diese Variante ist für reinen Spannabzugsbetrieb ausgelegt. In der Kombination mit den martialischen Picatinny-Ausfräsungen an der oberen und unteren Laufmantelfläche und den lichtfangenden Fiberglas-Einlagen in Korn und Kimme erschließt sich rasch die Auslegung des bullig wirkenden Sportmodells: Fallplatten oder IPSC-Scheiben sollen damit möglichst rasch zu Fall gebracht oder perforiert werden, ohne sich wie bei einem konventionell konstruierten Revolvern für schnelle Disziplinen einen Bruch zu heben. Mit nur 950 g Leergewicht überrascht die Haptik, der Sechszöller sieht schwerer aus, als er ist. Lediglich den dünnen Lauf (Liner) innerhalb des Mantels sowie Trommel, Kran und Stoßboden fertigt Chiappa aus Stahl, der Rest besteht aus schwarz eloxiertem Aluminium. Einen technisch guten Eindruck hinterließ die konventionelle Visierung, die Kimme rastet sauber in den Klicks. Das Korn bietet im 3,0-mm-Kimmenspalt eher zu geruhsamem Präzisions- anstelle von schnellem Action-Schießen passenden Kontrast, doch helfen die leuchtenden Fiber-Stäbchen bei der Zielerfassung. Etwas gewöhnungsbedürftig ist der eher für kleine bis mittelgroße Hände ausgelegte Laminatgriff. Schützen ab Handschuhgröße Acht werden sich wohl einen voluminöseren Griff wünschen. Die Handlage ähnelte durch das hohe Griffhorn eher einer Sportpistole als der eines konventionellen Revolvers. 

Für durchweg positive Überraschung sorgte der ungewöhnlich leichtgängig und sauber laufende Spannabzug: kein Ruckeln und die über den gesamten Abzugsweg gleichmäßige Kraftverteilung bei einem Gewicht von rund 3.000 g. Chiappa bietet verschieden stark konfigurierte Federsätze an, die Abzüge zwischen 2.500 und 4.200 g ermöglichen sollen. Bei den Leichtesten rät man allerdings zu den Zündhütchen des Typs Federal 100. Der Einbau dieser, den Abzugswiderstand reduzierenden, "Performance Kits" sollte dem Büchsenmacher vorbehalten bleiben. Subjektiv reduzierend dürfte auch der mit 12 mm ungewöhnlich breite Abzug wirken. Übrigens kann erst abgezogen werden, wenn der Trommelstopp komplett in einer Stoppnut einrastet – eine clevere Innovation, dieses quasi zwangsverordnete Timing.

Technische Daten des Chiappa Charging Rhino 60DS im Überblick:

Modell:Chiappa Charging Rhino 60DS
Preis:1.300,- Euro
Kaliber:9 mm Luger
Kapazität:6 Patronen
Maße (L x B x H):270 x 36 x 147 mm
Lauf:152 mm, 482-mm-Drall
Gewicht:950 g
Abzugsgewicht:3.000 g
Ausführung:Picatinny-Schienen, verdeckter Hahn, DAO-Abzugssystem,
Vollmond-Ladeclips, Laminatgriff, in Höhe und Seite
verstellbares Mikrometervisier.

Was leistet der Charging Rhino von Chiappa auf dem Schießstand?

Chiappa Charging Rhino DS60 liegen mit offener Trommel, daneben aufmunitionierter Crimp
Für den Schießstand wurde auf der Picatinny-Schiene ein RTS-2 von C-More Sights montiert.

Zur Überprüfung der Präzision wurde ein Rotpunktvisier vom Typ C-More RTS 2 montiert. Der breite, kantige Laufmantel des Rhino erlaubte ein hartes Auflegen auf ein mit dünner Pappe maskiertes Metallprofil, während der Griff lediglich auf die Holzauflage gedrückt wurde. An dieser Stelle sei auf den fingernahen Trommelspalt (0,2 mm) hingewiesen: Die Warnhinweise in der Bedienungsanleitung, wo der Schütze seine Fingerkuppen nicht platzieren sollte, verdienen Beachtung! Während des Präzisionsschießens kam es bei 3 Patronen der Marken Sellier & Bellot und Magtech zu Versagern. Dies war aber lediglich dem besonders sanften Abstreicheln des Abzuges während der Präzisionsüberprüfung geschuldet. Mit artgerecht etwas schneller durchgezogenem Abzug zündeten diese Patronen einwandfrei, nicht umsonst rät Chiappa bei den extraleicht konfigurierten Wettkampfabzügen zu den als besonders zündfreudig bekannten Federal-Zündhütchen. Als essentiell erwies sich das "Declipping-Tool", ein im Lieferumfang enthaltenes Werkzeug, mittels dessen die abgefeuerten Hülsen aus den beiliegenden Vollmondclips entsorgt werden können – ohne geht gar nicht! 

Mündung des Chiappa Charging Rhino DS60
Die Lichtsammler-Einsätze gehören bei der Visierung des Charging Rhino ab Werk dazu.

Die große Überraschung der Schießstandsitzung kam beim Abhängen der ersten Scheibe. Der eine oder andere Streukreis sah aus der Distanz rekordverdächtig gut aus, immerhin wurde ja nur aufgelegt mit Rotpunkt geschossen. Aus der Nähe zeigten jedoch viele Gruppen Langlöcher und sogar Querschläger! Das ist in keinem Fall gut. Die Verwirrung steigerte sich, als nach Ende der Testreihe einige Gruppen mit Querschlägern in Größenordnungen rangierten, die gar nicht mal so schlecht dastanden. 

Unsere Analyse: Es sind zwei Faktoren für das teils schlechte Trefferbild in Betracht zu ziehen. Da wäre zum einen der enorme - schon in Zentimetern messbare - Freiflug. Dazu gesellt sich der Lauf, dessen Drall, statt 250 mm wie für 9 mm Luger üblich, fast doppelt so lang ist. Da dies dem Kaliber .357 Magnum entspricht, liegt hier der Verdacht nahe, dass der Hersteller beim Charging Rhino einen im Vergleich zur Neun Para geringfügig weiteren Lauf in .357 verbaute. Dies könnte die feinen Streukreise ohne Langlöcher erklären, wenn Patronen mit dünnen Geschossmänteln wie von Magtech zum Einsatz kamen, die auch mit entsprechend viel Dampf beschleunigt werden. Diese Mantelgeschosse werden gestaucht und passen sich, genau wie die verkupferten Projektile von Haendler & Natermann, zwangsläufig an. Anders sah es bei langsameren Geschossen aus, welche gemäß der Spuren im Lauf gerade über dessen Felder rutschten. Damit, gleich wie in glattläufigen Läufen beschleunigt, erklären sich auch die noch akzeptablen Streukreise trotz Langlöchern: eine innen- wie außenballistisch sehr ungewöhnliche Gemengelage, die so eigentlich für den Kunden nicht akzeptabel ist.

Unser Testurteil zum Revolver Chiappa Charging Rhino 60DS:

Der Rhino-Besitzer muss leider mit dem technischen Mangel leben, dass die definitiv guten Streukreise nur mit bestimmten Munitionssorten oder selbstgeladenen Patronen zu erzielen sind. Wer sich darauf einlässt, hat aber, im Rahmen des nicht auf den letzten Millimeter angewiesenen Einsatzschwerpunktes, ein innovatives Produkt in den Händen, dessen technisch-physikalische Eigenschaften die derzeitige Spitze im modernen Revolverbau darstellen. Der Preis geht mit diesen Einschränkungen gerade noch ok, weil es keine 1:1 Alternative gibt. Aber auch andere Hersteller bieten Revolver an, die ohne diesen Makel ausgeliefert werden.


Dieser Test stammt aus der VISIER, Ausgabe 4/19. Das Heft ist im VSMedien-Shop erhältlich, auch in digitaler Version. Darin sind die detaillierten Schießergebnisse enhalten.

Darf es noch einzigartiger sein? Es gibt den Chiappa Rhino in der Version DS30 auch mit 3"-Lauf.

Im Langwaffenbereich hat Chiappa auch ein Unikum zu bieten. Hier erfahren Sie mehr über die dreiläufigen Flinten Chiappa Triple Threat und Triple Crown.

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