VISIER Test: GLOCK 30S

GLOCK 30S? Du meinst doch sicher die 30SF?!“ Diese Frage in der VISIER Redaktion zeigt gleich zwei Dinge an. 

Erstens: Die GLOCK-Nomenklatur kann auch Profis manchmal Übersichtsprobleme

bereiten. 

Zweitens: Bei den Österreichern ist auch nach über 30 Jahren immer noch eine Menge Innovationsfreude vorhanden. Dabei lag der eingangs Fragende gar nicht so weit entfernt, denn die neue GLOCK 30S (S für Slim = schlank) stellt in der Tat eine enge Verwandte der GLOCK 30SF (Short Frame = kurzes Griffstück) dar. Der einzige äußerliche Unterschied zwischen beiden Pistolen ist der Schlitten der einreihigen GLOCK 36, welcher bei dem Neuzugang GLOCK 30S auf der Waffe sitzt. 

Doch dazu später mehr, denn um die Raison d‘être der Neuen zu verstehen, muss man zunächst einen Blick auf den Werdegang der kompakten 45er GLOCKs werfen.


Kleine Geschichtsstunde zu GLOCK

Die zehnschüssige GLOCK 30 in .45 Auto startete 1997 als Kompaktvariante der 13-schüssigen Full-Size GLOCK 21. Die kleine GLOCK wurde über die Jahre zur 30SF weiterentwickelt. Die GLOCK G30 war und ist eine ziemlich üppige Kompaktpistole, deren Hauptvorteil vor allem darin liegt, dass sie eine GLOCK ist - mit den Vorteilen der gleichen Ergonomie wie bei den großen Geschwistern, aber auch mit allen Nachteilen der Konstruktion. 

Die SF-Bezeichnung steht für das (im Unterschied zur GLOCK G21) verkleinerte Griffstück. Es soll neben der kürzeren Gesamtlänge auch die Höhe der Waffe reduzieren - ideal für verdecktes Führen, etwa in einem Knöchelholster.

Die Geschichte der hier behandelten GLOCK 30S beginnt mit der “Special Investigations Section” (SIS = Abteilung für spezielle Ermittlungen) des Los Angeles Police Departement (LAPD). Die SIS suchte nach einer Version der GLOCK 30SF, die sich noch besser verdeckt führen ließ. 

Der Grund dafür: Die Hauptaufgabe der SIS besteht darin, Kriminelle schon während der Verübung einer Straftat festzunehmen. Dafür setzt der Dienst zahlreiche Ermittler in Zivilkleidung ein.

Die benötigen naturgemäß aber auch adäquate Bewaffnung, da sie im Gegensatz zu ihren uniformierten Kollegen meist allein inmitten von Straftätergruppen arbeiten. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass man so direkt Zweifel an Schuld oder Unschuld eines Verdächtigen ausräumen kann. Die GLOCK 30SF war für diese „Arbeitsweise“ schon gut geeignet. 

VISIER Test: GLOCK 30S
In Einzelteilen zeigt sich der einfache Aufbau der GLOCK 30S. Die doppelte Verschlussfeder ist Gen 4-konform. Magazin, Griffstück, Verschlussgehäuse (Schlitten), Lauf und Verschlussfeder-Set samt Führungssstange.
VISIER Test: GLOCK 30S
GLOCK 30S: Im Vergleich zum Schlitten einer normalen GLOCK G30 wird der Materialschwund der neuen GLOCK deutlich.

Jetzt, mit dem Schlitten der GLOCK 36, lässt sie sich als GLOCK 30S noch besser verdeckt führen - die SIS reagierte begeistert. Anfangs gehörte die GLOCK 30S nicht zur ofiziellen GLOCK-Produktpalette. Als allerdings immer mehr Ermittlungsbehörden und Zivilisten Wind von der Pistole bekamen, nahm die GLOCK Inc. das Modell schnell in den Katalog auf.


GLOCK 30S im Detail

Um sich die neuen Abmessungen der GLOCK 30S zu verdeutlichen, zogen die VISIER-Tester eine klassische GLOCK 30 aus dem ersten Baujahr 1997 als Vergleichsobjekt heran. Hier werden die Unterschiede beider Waffen schnell deutlich: Der kürzere Rahmen der GLOCK 30S zeigt sich beim Vergleich der Grifflängen.  

Bei den Griffen selbst kommt der geringere Umfang der neuen GLOCK durch ein einfaches Maßband zutage: 152 Millimeter gegen 155 Millimeter. Auch die weiteren Abmessungen des GLOCK 30S verdeutlichen die “Hungerkur”. Der Schlitten misst in der Höhe nur noch 55 mm gegen 60 mm bei der normalen GLOCK 30. Auch die Breite schrumpfte gehörig, der GLOCK 30S Schlitten misst hier nur noch 25,4 mm.

Bei diesem Materialschwund wundert es nicht, dass auch das Gewicht des Schlittens sank: 453 Gramm bringt er mit eingesetztem Lauf noch auf die Waage, Besitzer der alten GLOCK G30 müssen hier mit 552 Gramm noch 99 Gramm mehr mit sich herumschleppen. Die Lauflänge änderte sich mit 96 Millimetern Länge indes nicht. Beide Schlitten ließen sich problemlos auf die jeweils andere Waffe montieren und auch trocken abfeuern - hier verzichteten die Tester aus Sicherheitsgründen auf die Nagelprobe mit scharfer Munition. Dazu sei ergänzt, dass GLOCK keine einzelnen Schlitten verkauft.

Wie ihre dickere Schwester, die GLOCK 30SF, kommt auch die GLOCK 30S mit einer Picatinny-Rail an der Unterseite des Dust Covers. Die Schiene nahm die ITI M2X-Lampe der Tester problemlos auf. Die GLOCK 30S besitzt die doppelte Schließfeder der Gen4-Waffen. Ebenfalls zu dieser neuen Generation gehört der beidseitig montierbare Magazindrücker. 

Apropos Magazine: Zu der Waffe zählen gleich zwei zehnschüssige Tanks. Sie ragen jeweils ein Stück weit aus dem Magazinschacht hervor und bieten so dem kleinen Finger eine gewisse Auflagefläche. Wie die 30SF wartet auch die GLOCK 30S mit grob gecheckerten Fingerrillen an Griff-Front und -Rücken auf. Die Seitenflächen verfügen zudem über Mulden für den Daumen der Schießhand.

VISIER Test: GLOCK 30S
Der Ladezustandsanzeiger befindet sich im Auswurffenster. Direkt darunter liegt der Zerlegehebel - neben Abzug, Schlittenfang und Magazindrücker das einzige Bedienelement der GLOCK.
VISIER Test: GLOCK 30S
Die Gen 4-Magazine erkennt man an der doppelten Einfräsung für den umsetzbaren Magazindrücker. Alte Magazine passen so allerdings nicht mehr in die 30S.
VISIER Test: GLOCK 30S
Die GLOCK 30S frisch aus dem Koffer: Zur Waffe gehören neben zwei zehnschüssigen Magazinen auch Putzzeug sowie eine Ladehilfe.

Standardmäßig kommt die Visierung der GLOCK 30S mit der GLOCK-typischen Kombination aus weißem Kontrastpunkt am Korn und passendem Rahmen um den Kimmenausschnitt. Eine Trijicon-Nachtvisierung gibt es als Extra. Die eingeschwalbte Kimme lässt sich zur Seite verstellen. 


Der letzte Blick der Tester vor dem Schießstandbesuch galt dem Abzug. Der wird GLOCK-üblich mit 2.500 Gramm angegeben; GLOCK-üblich ebenfalls, dass er erst bei rund 3.000 Gramm auslöste.

Auf dem Schießstand

Da zogen die Prüfer ein weiteres Mal die alte GLOCK 30 als Vergleich hinzu. Als Testmunition kamen Patronen von COR BON (230 Grains, Vollmantel-Rundkopf), BLACK HILLS (200 Grains, Teilmantel-Hohlspitz) und FEDERAL (165 Grains, Low Velocity, Hydra-Shok) zum Einsatz. Passend zum Grundgedanken der GLOCK als Verteidigungswaffe schossen die Tester auf 15 Yards (13,7 Meter) entfernte Ziele.  

Hier lagen die Gruppen zwischen 38 und 82 Millimeter auseinander. Obwohl von den Abmessungen her nicht signifikant kleiner, bockte die kleine 30S im Schuss viel mehr als die normale GLOCK 30.

Die Tester fanden, dass die alte GLOCK G30 im Feuer noch eher einer Full-Size-Pistole nahekommt, wohingegen die GLOCK 30S viel eher an andere zeitgenössische subkompakte Pistolen erinnert. Auch wenn sich die Neue mehr wie eine Taschenpistole anfühlt, waren sich die Tester einig, dass dem Griff die 16 Jahre Evolutionszeit gut getan haben: Bei Fingerrillen und Checkering gab es nichts zu bemängeln. Die Vorteile der Waffe zeigten sich auch beim Führigkeits- Test. 

Den vollzogen die Tester aus Ermangelung eines GLOCK 30S-Holsters mit in den Gürtel gesteckten Waffen - diese Trageweise, in Kombination mit einer Art Schuh über dem Abzugsbügel, findet momentan in den USA immer mehr Anhänger. Wie beim Griff zeigte das Züngel der Waage auch hier deutlich in Richtung der neueren GLOCK: Durch die schmaleren Maße trägt sie kaum auf. Selbst bei einer derart behelfsmäßigen Trageweise scheint das Konzept von GLOCK also aufzugehen. Und mit einem bündig abschließenden Magazin gäbe es wohl noch ein gewisses Mehr an Verdeckbarkeit herauszuholen.

VISIER Test: GLOCK 30S
GLOCK 30S auf dem Schießstand

GLOCK 30S im Überblick 

ModellGLOCK 30S
Preis:
€ 741,– (über Importeur RUAG Ammotec)
Kaliber:
.45 ACP
Kapazität:
10 + 1 Patronen
Maße in mm (L/B/H):
177 x 32 x 122 mm
Lauflänge:
96 mm
Abzugsgewicht:
3.000 g
Visierlänge:
150 mm
Gewicht:
575 g

Ausführung: Safe-Action-Pistole mit Polymergriffstück. Kimme und Korn mit Kontrasteinlagen. Doppelreihiges Magazin. Dustcover mit Rail.


Fazit

Die GLOCK 30S schließt die Lücke zwischen den Modellen GLOCK 30 und GLOCK 30SF einerseits und der noch schmaleren aber einreihigen GLOCK 36 auf der anderen Seite. Mit dem Grundgedanken des verdeckten Führens kann man den Ingenieuren in Österreich ein „Zur vollsten Zufriedenheit“ attestieren. 

Nach Deutschland kommt die Waffe über RUAG Ammotec und dürfte hier vor allem Jäger ansprechen, die so eine kompakte und leichtgewichtige Fangschusswaffe sicherlich zu schätzen wissen. 

Wer sich allerdings regelmäßig und ausgiebig auf dem Schießstand austoben möchte, der greife eher zu einem Modell mit „vollwertigen“ Abmessungen.