Es ist immer wieder beeindruckend, wie schmal der Systemkasten von Unterhebel-Repetierern ausgeführt werden kann. Am Henry Carbine kamen nur knapp 25 Millimeter zusammen. Mit dem Attribut "zierlich" ist diese kleine Langwaffe bestens umschrieben. Das etwas längere Henry-Gewehr, offiziell "Golden Boy Silver Rifle" genannt, kommt auf drei Millimeter mehr Breite am Systemkasten und übertrifft den Carbine um gut zehn Zentimeter in der Länge. Doch es sind eher die Merkmale wie der Achtkantlauf, die klassische Buckhorn-Kimme in Verbindung mit der Messingperle im Korn und vor allem der hochglänzend vernickelte Systemkasten wie auch die Beschlagteile, die den sicheren Eindruck einer typischen "Wild-West-Waffe" erwecken. Dagegen sieht der Karabiner eher nüchtern-zweckmäßig aus. In die Redaktion geschickt hatte beide Gewehre der Deutschland-Importeur, Waimex aus Fürth. Doch nun der Reihe nach:
Lang oder kürzer? Die beiden Henry-Unterhebler im Detail

Der erste zur Mechanik gewonnene Eindruck war ausgesprochen positiv: Der Repetiermechanismus arbeitet absolut glatt und gleichmäßig. Gut, Patronen im Kaliber .22 l.r. laufen wesentlich geschmeidiger als die für diese Gewehre eher typische .30-30 Winchester. 22er wiegen im Verhältnis jedoch auch kaum etwas und sind viel kürzer. Aber auch der leere Gang von Hebel und Verschluss überzeugt, kein Hakeln oder Kratzen stört die typische Handbewegung. "Butterweich" scheint die beste Umschreibung für den Schlossgang. Beim Anschlagen gab es von groß gewachsenen Personen etwas Kritik: Der Abstand von Mitte Radius Abzug bis Mitte Schaftkappe ist mit rund 35 Zentimetern etwas kurz. Beiden Henrys gleich ist die Ladeweise. Nachdem der Druckkörper, eine lange Stange mit Federstück, aus dem Magazinrohr gezogen ist, werden die jeweils mit Geschoss in Schussrichtung weisenden Patronen über eine Öffnung im Magazinrohr geladen. Nach dem Auffüllen von 12 (Carbine) respektive 16 Patronen im Gewehr wird der Druckkörper wieder in das Magazinrohr gesteckt und mittels eines kleinen Zapfens in der korrespondierenden Ausfräsung verriegelt.

Damit ist – nach einmaligem Durchrepetieren – die Sache schussbereit. Und gleichermaßen kann dadurch auch die Nähe zum Herstellernamen Henry belegt werden. Denn die Ur-Versionen dieser wohl amerikanischsten Langwaffe wurde ebenfalls über die Patronen-Einfüllung ins Magazinrohr geladen. Also anders als bei den später populäreren Winchester-Gewehre mit ihrer Ladeklappe am Systemgehäuse. Der Karabiner kann sowohl über die offene Visierung als auch, der 11-mm-Prismenschiene wegen, über Zielfernrohr geschossen werden. Bei der Silberbüchse scheiden Alters- oder Fehlsichtige aus – entweder geht es (noch) über die offene Visierung oder das Gewehr bleibt besser beim Händler. Beiden gleich ist wieder die einfache, aber subjektiv stimmige Holzqualität des laut dem Hersteller als "American Walnut" zu identifizierenden Schaftes. Die Passungen zum Metall sind, nun ja, vorhanden ... Allerdings können die rund 1.200,- beziehungsweise 800,- Euro als UVP festgelegten Preise von US-Waffen zu heutigen Inflationszeiten sogar als relativ günstig angesehen werden. Der Hinterschaft der Büchse ist oben abgeplattet, die Schaftkappe verläuft in einem Radius. Die Kappe des Karabiners ist gerade geschnitten, der Schaftrücken hingegen normal gerundet.
Auf dem Schießstand: Die Kleinkaliber-Unterhebelgewehre von Henry zeigten sich von der Munitionsvielfalt unbeeindruckt

Der wesentlich höheren Aussagekraft zur Präzision wegen kam die Carbine-Variante zum Einsatz. Auf deren Prismenschiene fand ein sehr einfaches Zielfernrohr, ein Ares Arms 4 x 32 AE, seinen Platz. Diese Billigoptiken sind im Netz einschließlich Ringe für rund 75,- Euro zu haben. So viel vorweg: Auf eine Entfernung bis 50 Meter und unter passablen Lichtverhältnissen eingesetzt, reicht so ein simples Ding völlig aus. Für wie lange, ist allerdings eine andere, hier nicht zu beantwortende Frage. Die Frage nach Munitionsempfindlichkeiten sollte die Auswahl der Testpatronen beantworten. Vom "Hyper"-schnellen und leichten verkupferten Aguila-Geschoss über die Standard-Geschossmassen und -formen bis zum langsamen Subsonic-Geschoss decken die fünf Laborierungen die Spannweite an Möglichem ausreichend ab. Das Absehen 4 der Ares-Optik erlaubte, den kleinen, um 50 Millimeter messenden "Kringel" auf einer DSU-Kadett-Scheibe zu vierteln. Die sagenhaft gute Abzugscharakteristik des Karabiners gestattet es, überraschend enge Gruppen in den Karton zu stanzen.

An beiden Gewehren verdienen die Abzüge der exzellenten Charakteristik wegen durchaus den Vornamen "Match". Da kaum zu erwarten ist, dass die Schussleistung der längeren Büchse in der Theorie schlechter ausfällt, wurde auf den Test über die offene Visierung verzichtet. Letztlich trägt auch die kleine Patrone zur guten Schussleistung bei. Trotz des etwas kurzen Hinterschaftes. Denn beim Sitzend-Aufgelegt-Schießen kann sich der Schütze ohne Schussangst völlig auf das Absehen und Abkrümmen konzentrieren.
Eher kommt Schuss-Spaß auf. Löcher in Kartons schießen? Gut, da weiß man, was hinsichtlich der Präzision von welcher Laborierung zu erwarten ist. Aber rote Verschlusskappen von PET-Flaschen lassen sich auf 50 Meter ebenfalls häufig treffen. Und riefen dann bei jedem Treffer ein lange vermisstes, weil behördlich nahezu totreguliertes Gefühl hervor: Spaß am Schießen! Einfach so. Und damit wurde auch die Erkenntnis hervorgerufen, wie goldrichtig die generelle Bezeichnung dieser günstigen KK-Gewehre in ihrem Herkunftsland ist: "Youth Rifle". Und mit Jugend sind nicht durch psychologische Fleischwölfe gedrehte 15- oder 16-Jährige gemeint, sondern tatsächlich Kinder von um und unter 10 Jahren. Denn in den wildreichen Gegenden der USA ist es durchaus üblich, dass die jagenden Eltern ihre Sprößlinge ab dem 13. oder 14. Lebensjahr schon mit zur Jagd auf das Deer, das amerikanische Rehwild-Pendant, mitnehmen. Darauf schießt der jagdliche Nachwuchs dann mit Kalibern wie der .30-30 oder .308 Winchester, hat aber zuvor mit 22ern schon längst Zielen und Treffen gelernt.
Technische Daten und Preise: Henry Arms Silver Rifle und Carbine
Hersteller: | Henry Repeating Arms |
Henry Repeating Arms
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Modell: | Golden Boy Silver Rifle | Carbine |
Kaliber: | .22 long rifle |
.22 long rifle
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Kapazität: | 16 Patronen | 12 Patronen |
Maße (L x B x H): | 980 x 38 x 140 mm |
875 x 38 x 150 mm
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Lauflänge: | 510 mm |
410 mm
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Visierlänge: | 430 mm | 320 mm |
Ausschnitt Kimme: | Buckhorn |
ca. 2,1 mm
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Kornbreite: | ca. 2,1 mm |
ca. 2,0 mm
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Abzugswiderstand: | ca. 1.300 g |
ca. 1.300 g
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Gewicht: | ca. 2.350 g |
ca. 2.000 g
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Preis: | 1.215,- Euro |
794,- Euro
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Ausstattung: Balkenkorn mit Messingperle, Achtkantlauf, Buckhorn-Kimme, vernickelter Systemkasten, vernickelte Metallschaftkappe, Nussbaumschaft. |
Ausstattung: 11 mm-Prismenschiene, Balkenkorn, U-Kimme, in
Stufen höhenverstellbar, großer Fingerbügel, Kunststoff-Schaftkappe,
Walnussholz-Schaft.
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Bilder-Galerie: Die Unterhebel-Repetierer Silver Rifle und Carbine von Henry Repeating Arms in der Schieß-Praxis
Das Fazit: Wieviel Schieß- und Technik-Spaß bieten die beiden Unterhebler Silver Rifle und Carbine von Henry Arms?
Die beiden Hernrys sind günstige, im mechanisch-funktionellen Bereich sehr gut verarbeitete Waffen. Nochmals zur Abzugscharakteristik: Um diese zu toppen, benötigen auch teurere Fabrikate meist eine Abzugsüberarbeitung. Dazu kommt die günstige Munition, welche im Zweifel, oder besser bei Windstille, für Erfolgserlebnisse bis 100 Meter reicht. Und es gibt eine Fülle explizit für Unterhebelrepetierer existierender Disziplinen der Dachverbände. Ob die Entscheidung nun für ein eher klassisches oder ein praktisches Aussehen fällt, bleibt dem Geschmack – oder den Augen – des Käufers überlassen. Eine glatte Kaufempfehlung gibt es von uns für beide Henrys.
Die beiden Testgewehre stellte uns der Importeur und Großhändler Waimex aus Fürth zur Verfügung – vielen Dank! Auf der Website ist auch der aktuelle Waimex-Katalog 2025 herunterladbar.
Diesen Artikel finden Sie auch in der VISIER, Ausgabe 1/2025. Das Heft ist, auch als ePaper, im VS Medien-Onlineshop erhältlich.