Wissenwertes zur Waffenhandhabung bei der Jägerausbildung − ein Erfahrungsbericht

Grafik zur Günstigsten-Einschieß-Entfernung
Vor der Praxis stand die Theorie auf dem Lehrplan, wie hier die Grafik zur GEE (siehe Text) verbunden mit der Erklärung zur Notwendigkeit des 4-cm-Hochschusses.

Die Jagd umfasst weit mehr als nur das Schießen – das dürfte jedem klar sein, der sich auch nur ein wenig damit beschäftigt. Doch der Umgang mit einer Schusswaffe – um Jagdarten wie die Fallenjagd oder auch die Beizjagd außen vor zu lassen – gehört eben zum kleinen Einmaleins des Waidmannes. Der Weg zum grünen Abitur gestaltet sich lang und steinig. Geschenkt bekommt man hier nichts. Viel Wissen muss man sich aneignen, um dann zum Kreis derer zu gehören, die mit Waffen auf die Jagd gehen dürfen. Große Hürden: Im Herbst des Jahres 2018 ging es dann eben auf diesen Weg, um am Ende hoffentlich die Jägerprüfung zu bestehen. Aber wo sollte das angegangen werden?

Die eigene Wahl fiel auf eine Jagdschule in Hessen, genauer gesagt auf die Jagd- und Naturschule Hessen in Schotten im Vogelsbergkreis. Noch relativ jung und erst vor wenigen Jahren gegründet, zeigte sich doch bei der Recherche, dass die vorangegangenen Besucher durchweg zufrieden waren. Unter den Schülern finden sich auch bekannte Namen wie Peter Tauber, seines Zeichens Bundestagsabgeordneter, ehemaliger CDU-Generalsekretär und seit dem 14. März 2018 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung. Dieser absolvierte im Vorgängerkurs erfolgreich seine Prüfung. Vom ersten Eindruck her also eine Schule, die die richtige Wahl zu sein schien. Und das sei schon einmal verraten: Sie war es auch. Vor allem im Hinblick auf die Waffenschulung war und ist man hier sehr gut aufgestellt. 

Was sagen Schüler und Lehrer zur Waffenausbildung beim Jägerkurs?

Kipphase auf dem Flintenstand
Auf dem Flintenstand musste der Kipphase fallen. Doch auch Trap stand auf dem Lehrplan, was bei vielen anfänglich zu ein wenig Frust führte.

Insgesamt 8 Schüler umfasste die Klasse des Kurses. Ein Berufsjäger übernahm die Ausbildung, wobei schon direkt am 1. Tag des Kurses die Waffentheorie auf dem Plan stand, bevor die angehenden Jäger erstmalig die realen Werkzeuge in die Hand nehmen konnten. Waffenarten, auch die kalten Waffen, Geschosse, Patronen, Kaliber, Verschlüsse und vieles weitere prasselte schon von Anfang an auf die Schüler ein. Im Vorfeld erfolgte deswegen der Rat, sich schon vor dem vor dem offiziellen Beginn mit den Unterlagen intensiv zu beschäftigen, die die Schule jedem Teilnehmer zustellte. Und selbst zu dem dicken Ordner kamen dann weitere Notizen, bei mir waren am Ende anderthalb Schreibblöcke vollgeschrieben.

Dabei schon obligatorisch zu Beginn des Kurses: Die Frage nach den Beweggründen für den Jagdschein. Anina Best, die einzige Frau im Kurs, sagte dazu folgendes: "Der Auslöser für mich war eigentlich mein Hund. Es ist mein erster eigener, den ich auch jagdlich ausbilde. Ich wollte das Ganze optimieren und mit ihm zusammen zur Jagd gehen. So kam es eben, dass mein Interesse an dem gesamten Thema Jagd wuchs. Außerdem freut es mich, nach der hoffentlich bestandenen Prüfung mit meinem Mann zusammen auf die Jagd zu gehen. Nur vor dem Schießen habe ich etwas Bammel."  Dieses Problem hatten aber manche. Einige hatten noch nie eine Waffe in der Hand gehabt, bevor sie diesen Kurs besuchten. 

Das brachte dann auch direkt ein paar Fragen an die Verantwortlichen mit sich, die gerade im Hinblick auf die Waffen enorm wichtig erschienen. Michel Lauer, Ausbildungskoordinator der Jagdschule, nahm sich die Zeit, um am Rande des Unterrichts dazu etwas zu sagen:

Alexander Losert auf dem Flintenstand
Das Schießen mit der Flinte war nicht jedermanns Sache, doch die Ausbilder waren unerbittlich, bis alles saß.

all4hunters.com: Warum ist die Waffenausbildung für die Jagd so wichtig?
Michel Lauer: Nur wer gut an der Waffe ausgebildet ist, kann ein Stück Wild schmerzlos und leidensfrei erlegen. Nur wer im Umgang mit der Waffe geübt ist, kann unfallfrei und professionell, also ohne Fremd- oder Eigengefährdung auf die Jagd gehen.

all4hunters.com: Was sagen Sie Jagdschülern, die nur kommen, um an eine Waffenerlaubnis zu gelangen?
Michel Lauer: In den persönlichen Gesprächen mit den Jagdschülern merkt man schnell, wer warum bei uns einen Kurs belegt. So einen Fall hatten wir bisher noch nicht. Wer die Jagd als Mittel zum Zweck zum Erwerb von Waffen sieht, ist bei uns falsch.

all4hunters.com: Stichwort Waffenhandhabung: Wie läuft diese ab?
Michel Lauer: Im Vorfeld werden die Jagdschüler schon auf ihre waffentechnischen Vorkenntnisse abgefragt, so dass wir uns auf jeden Kurs individuell einstellen. Zunächst gibt es eine theoretische Einführung und eine Demonstration der korrekten Waffenhandhabung an den einzelnen Ausbildungswaffen. Anschließend geht es für die Jagdschüler an das praktische Erlernen, das heißt konkret: die Waffe in die Hand nehmen und kennenlernen, Funktionsweise und sichere Handhabung sowohl verstehen als auch anwenden können. Durch ständiges Wiederholen und Üben während der Ausbildung werden die Jagdschüler auf die sichere Handhabung vorbereitet.

Teilnehmer des Jägerkurses üben die Waffenhandhabung
Und wer gerade nicht schoss, der musste bei der Waffenhandhabung sein, die auch zu den Prüfungsfächern zählte.

all4hunters.com: Jemand hat Probleme mit Waffen, der Handhabung oder etwas anderem. Wie helfen Sie ihm?
Michel Lauer: Der erste Schritt ist hier die Analyse, was ist das Problem, wie kommt es zustande und so weiter. Dann werden in der Eins-zu-Eins-Betreuung das Problem konkret angesprochen, Lösungswege und vor allem Lösungshilfen gegeben. Diese werden dann unter Anleitung und ständigem Wiederholen gefestigt.

Und diese Einstellung, wie sie Michel Lauer stellvertretend für seine Schule darlegte, zog sich auch durch das gesamte Training. Wo es haperte, halfen die Lehrer individuell. Auch was nicht prüfungsrelevant war – Flintenschießen und Kurzwaffe – übte man dennoch bis zum sprichwörtlichen Erbrechen.

So mancher hatte dann seine Probleme mit den Disziplinen wie dem Kipphasen oder dem Laufenden Keiler. Aber selbst diejenigen, die schier am Verzweifeln waren, die beruhigten die Ausbilder und nahmen sich die entsprechende Zeit, um die Fehler zu erkennen und diese zu korrigieren. Denn mit einmal praktischem Schießen war es ja nicht getan. An mehreren Terminen auf unterschiedlichen Ständen bei mitunter widrigen Bedingungen schossen und lernten die Schüler. Stillstand gab es dabei zu keiner Minute. Wer nicht schoss, musste zur Waffenhandhabung, wobei hier auch das Verstehen ein Schwerpunkt war. Der angehende Jäger sollte verstehen, warum etwa die Sicherung so funktioniert oder welchen Zweck die Günstigste-Einschieß-Entfernung GEE beim jagdlichen Schießen hat.

Kurzwaffenweltmeister Max Wiegand als Ausbilder:

Max Wiegand erklärt Anina Best das Flintenschießen
Max Wiegand und Anina Best auf dem Trap-Stand. Es gab heitere Stunden – und alle lernten sehr viel von ihm.

Eine besondere Überraschung bot sich, als es hieß, ein Weltmeister würde uns in der praktischen Handhabung unterweisen. Max Wiegand, mehrfacher Kurzwaffenweltmeister und einer der anerkanntesten Schießausbilder in Deutschland, gab sich ein Stelldichein, um die Schüler zu unterrichten, sowohl im Flintenschießen als auch bei der Büchse und auch mit der Kurzwaffe. Zweimal drehte er alle durch die Mangel. Mit seiner unnachahmlichen Art (Zitat: "Nicht geschlagen ist auch gelobt") verlangte er allen auch viel ab. Ein echtes Unikum, wird er allen für immer im Gedächtnis bleiben, denn gelacht haben alle herzlich mit ihm. Aber er verstand es auch, den Schülern sein Wissen zu vermitteln und jeden ein wenig besser zu machen oder anderen die Angst vor der Prüfung zu nehmen. Vor allem beim Flintenschießen – nicht gerade eine Paradedisziplin für mich – stand am Ende doch eine sichtliche Verbesserung der eigenen Trefferleistung.

Was wird in der praktischen Prüfung für den Jagdschein erwartet?

Flinten von Beretta und Munition von Fiocchi
Beretta und Fiocchi. Zwei Flinten und Hunderte Schrotpatronen standen für die Schüler zum Üben parat.

Gut vorbereitet ging es dann nach dem Ende des Kurses ans Finale. Die Prüfungen standen an. Und gleich zu Beginn die Schießprüfung mit integrierter Waffenhandhabung. Neben der schriftlichen und auch der mündlich-praktischen Prüfung – in denen jeweils auch noch einmal das Thema Waffen auf dem Plan stand – muss der angehende Jäger hier beweisen, dass er mit Waffen umgehen und auch schießen kann. Drilling, Mauser-System, Blaser R8, Beretta-Flinten und S & W-Revolver nebst SIG Sauer P320, alles Waffen, bei denen gezeigt werden sollte, wie man sie handhabt. Jagdsituationen wurden beschrieben, worauf der Schüler dann richtig zu reagieren hatte. Einstechen oder auch entstechen, Zustandsbeschreibung, Kaliberkontrolle und ähnliches wollten die Prüfer sehen. Die Nervosität war allen anzumerken. Vor allem das "Vorder- und Hintergelände frei, natürlicher Kugelfang ist gegeben" musste immer wieder ins Hirn gepresst werden, da man zwar selbst dran denkt, es den Prüfern aber ja auch kundtun muss. Erst wenn an der Stelle alles passte, durfte die scharfe Prüfung beginnen. Hier ein entscheidender Fehler, ein "Klick" im falschen Moment – Durchgefallen!

Das Schießen selbst bestand dann aus dem Sitzend-Aufgelegt-Durchgang auf eine Bockscheibe in 100 Metern Entfernung, dem Schuss auf den Laufenden Keiler und dem auf den Kipphasen mit der Flinte. Nach zehn Schuss und als schlechtestem Schuss eine Neun beim laufenden Keiler war die Prüfung dann für mich selbst erfolgreich beendet. Auch Anina Best schaffte die Schießprüfung und zeigte sich hinterher erleichtert, obwohl sie vor dem Gang großes Nervenflattern hatte: "Die Waffenausbildung war unglaublich, da ich bei gefühlt -120 angefangen habe. Ich denke, dass ich nun ganz gut Bescheid weiß. Aber ich sage jedem, der mich danach fragt, es ist, wie in 3 Wochen eine Fremdsprache zu lernen. Aber jetzt geht es natürlich mit dem ständigen Üben weiter", fasst Anina Best nach der bestandenen Schießprüfung zusammen.

Das Fazit zur Waffenhandhabung bei der Jägerausbildung:

Analyse des laufenden Keilers
Tim Bornmann, Ausbilder und Berufsjäger, bei der Trefferbesprechung am Laufenden Keiler.

An die Schießprüfung schlossen sich noch 2 weitere an, aber eben diese Erste bedeutet für viele eine große Hürde. Wer schon mit Waffen Erfahrung hat oder gar als Sportschütze in die Prüfung geht, hat definitiv Vorteile beim Waffenpart, auch was den Umgang und die sichere Handhabung angeht. Aber auch der Unbedarfte, der vielleicht vorher nie damit etwas am grünen Hut hatte, kann diese Hürde meistern. Dabei kommt es aber ganz auf die Ausbildung an und wie intensiv man vorbereitet wird. Auf der besuchten Schule wird auf alle Fälle großer Wert darauf gelegt, dass mit dem primären Arbeitsgerät sicher umgegangen wird. Hier trennt sich eben auch die Spreu vom Weizen. Ein Ratschlag war, der auch vielen im Gedächtnis blieb und bleibt: "Übt! Geht in einen Verein und schießt dort immer wieder. Nur durch Üben könnt Ihr sichere Schützen werden, Fehlschüsse minimieren und zu guten Jägern werden." Ganz am Ende gab es dann das in diesem Fall wirklich wohlverdiente grüne Abitur und später den feierlichen Jägerschlag. Doch damit – das dürfte wiederum allen klar sein – fängt der Weg erst so richtig an. Und das Schießen muss weiter geübt, geübt und geübt werden. Denn egal für wie fit sich der Schütze hält – nur mit ständigem Training bleiben die Fähigkeiten erhalten und werden verbessert. Das führt dann auch zu waidgerechten Schüssen, so wie es jeder Jäger anstreben sollte. Wer nur der Waffen wegen den Jagdschein anstrebt, der wird sicherlich scheitern. Gerade die Hürde mit den Waffen – neben der Wildbrethygiene – gehört zu den Feldern, an der sehr viele Aspiranten scheitern. Soll man die Anforderungen deswegen senken? Nein, auf keinen Fall. Gerade in unseren schwierigen Zeiten muss eben jeder Jäger sicher mit seiner Waffe umgehen können. Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Für mich ist sie es.