Verbot von Blei in Feuchtgebieten: Das Europäische Gericht weist alle Rechtsmittel zurück. Bleischrote sind ab Mitte Februar 2023 auf EU-Ebene endgültig verboten

Keine guten Nachrichten von der EU-Front zum Thema Verbot von Bleischroten in Wetlands: Am 21. Dezember 2022 entschied der European General Court (EGC, im Deutschen als das Europäische Gericht bezeichnet) in Luxemburg über die von Firearms United Network und anderen Stakeholdern eingereichte Klage gegen die REACH-Verordnung (EU) 2021/57. Letztere wird im Februar 2023 in Kraft treten und verbietet das Abfeuern und Mitführen von Bleischrot in oder innerhalb von 100 Metern von Feuchtgebieten. Firearms United Network, eine Vereinigung von Schusswaffenbesitzern in Europa, beantragte die Nichtigerklärung der Verordnung und führte dabei 15 rechtliche Gründe an, die von einem Verstoß gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Es geht dabei um eine Verletzung der Freiheit und des Rechts auf Jagd und Sportschießen, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, eine Verletzung des Raums der Freiheit einschließlich der Rechtssicherheit und des Rechts, einen Ermessensmissbrauch bis hin zu offensichtlichen Beurteilungsfehlern in Bezug auf die von Bleischrot in Feuchtgebieten ausgehenden Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt.  Und siehe da - das Europäische Gericht wies alle Klagen mit der Begründung ab, denn es seien keine Beweise dafür vorgelegt worden, dass die Schlussfolgerungen der EU-Organe offensichtlich fehlerhaft waren. Die politische Agenda hat gesiegt!

Die ECHA hat Recht, weil die ECHA Recht hat - keine Chance mehr für Bleimunition in Feuchtgebieten

Die Lektüre des Gerichtsurteils ist in gewisser Weise lehrreich: In vielen Fällen ist es ein schönes Beispiel für einen so genannten Zirkelschluss. Zu den Themen Bleikontamination in Wildfleisch und Vogelsterben (die "Umweltsäule") haben wir hier auf all4shooters.com bereits erklärt, warum die Schlussfolgerungen der ECHA falsch, stark übertrieben, wenn nicht sogar falsch sind. Dennoch kommt das Europäische Gericht zu de Urteil, dass die Verwendung von Blei in Schrot in Feuchtgebieten ein Risiko für Wasservögel darstelle und dass jede Art von Bleiexposition ein Risiko für die menschliche Gesundheit sei, weil... die ECHA das eben so sagt.

Die wichtigsten vom Firearms United Network aufgeworfenen Fragen zum Verbot von Bleischroten waren:
a) Der Geltungsbereich der Beschränkung (d.h. die Definition von "Feuchtgebiet")
b) Die Umkehrung der Unschuldsvermutung für den Jäger, der Bleischrote bei sich trägt
c) Die besondere Stellung der Verbraucher im Rahmen von REACH (europäische Chemikalienverordnung)
d) Die Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit

Wie FACE, die Europäische Föderation für Jagd und Naturschutz, hervorhebt, enthält das Urteil zwei besonders kritische Punkte, die erwähnenswert sind: Erstens argumentierten die Kläger, dass der Anwendungsbereich der Verordnung 2021/57 ("Feuchtgebiete") so ungenau sei, dass "die Bürger/Jäger nicht in der Lage wären, die Folgen ihres Handelns vorherzusehen", was einen Verstoß gegen die Rechtssicherheit darstelle. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Beschränkung zum Schutz von Wasservögeln erlassen wurde und der Begriff "Feuchtgebiete" daher im Lichte dieses Ziels, das den Anwendungsbereich der Maßnahme abgrenzt, auszulegen ist. Der Begriff umfasst keine Gebiete, die nicht geeignet sind, Wasservögeln Lebensraum zu bieten, wie z. B. Pfützen nach Regenfällen. Zusammenfassend stellte der Gerichtshof fest, dass die Maßnahme "hinreichend klar und präzise ist, da sie die betroffenen Personen unmissverständlich informiert". Diese Klarstellung hat eine begrenzte Wirkung, da Jäger und Vollzugsbeamte dennoch von Fall zu Fall an Ort und Stelle entscheiden müssen, ob ein Gebiet wie ein Moorgebiet ein Feuchtgebiet ist und wo dieses Gebiet genau beginnt und endet. Ärger und Rechtsunsicherheit sind als vorprogrammiert. Das geht hin bis zum Rechtsverstoß der Dimension "Straftat".

Umgekehrte Beweislast und Recht auf ein ordentliches Verfahren – die Interessen der Jäger haben keine Chance

Zweitens hat die Verordnung 2021/57 zur Folge, dass Jäger als schuldig im Sinne des neuen Verbots gelten, wenn sie Bleischrot mit sich führen, während sie sich in einem Umkreis von 100 Metern um ein Feuchtgebiet bewegen, es sei denn, sie können beweisen, dass das Mitführen nicht der Wasservogeljagd diente. Die Kläger argumentierten, dass eine solche umgekehrte Beweislast gegen die Unschuldsvermutung verstößt. Das Gericht wies die Klage ab. Es stellt fest, dass kein Verstoß gegen diesen Grundsatz vorliegt, da die Vermutung widerlegbar ist, das heißt, es obliegt dem Jäger, der Bleimunition mit sich führt, zu beweisen, dass er nicht auf Wasservögel in der 100-Meter-Pufferzone gejagt hat, sondern diese lediglich durchquert hat.

FACE hat bereits unterstrichen, dass eine solche Widerlegung rechtssicher leider völlig unmöglich ist: Wie könnte ein Jäger das Gegenteil ("Ich habe keine Enten gejagt") und die Zielsetzung ("Meine Absicht war es, Raufußhühner zu jagen") nachweisen? Außerdem gibt es Mitgliedstaaten, die Verstöße gegen die Beschränkung sogar strafrechtlich ahnden. In Strafsachen gilt der Angeklagte normalerweise als unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist. Die neue Verordnung 2021/57 kann also eine rechtlich heikle Situation schaffen, indem sie die traditionellen Rechte auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren und, als direkt anwendbare EU-Maßnahme, die vorherrschenden nationalen Bestimmungen, sogar in der nationalen Verfassung, zu diesen Rechten außer Kraft setzt.

Aber wie FACE betont, "hätte das Gericht die Definition von ´Feuchtgebieten´ als zu unklar für die Umsetzung angesehen, wäre die einzige Option die Nichtigerklärung der Verordnung gewesen". Die EU-Gerichte zögern jedoch stets, gesetzgeberische Maßnahmen aufzuheben − ganz gleich, ob sie falsch, willkürlich und nachteilig sind. Und wieder spüren wir die politische Agenda, die hier sogar bis hin zum Bruch von fest verankerten Grundsätzen im EU-Recht geht.

Was nun zu tun bleibt? Es ist wohl nur noch der Weg über den Europäischen Gerichtshof (EuGH) möglich, um diese Diskrepanzen im Urteil von höchster Instanz prüfen zu lassen. Verbände wie die AFEMS, ANPAM, FACE und viele mehr werden diese Option sicher in Betracht ziehen.

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