Jäger wissen: Der Schuss auf Wild ist nur dann waidgerecht, wenn die Flugbahn des Geschosses frei ist. Doch was passiert, wenn Kugeln auf Hindernisse wie Gras, Zweige oder Maispflanzen treffen? Um dieser Frage nachzugehen, führten wir einen praxisnahen Test mit Hubert Bodächtel von Waimex durch. Mit zwei unterschiedlichen Geschossen – bleihaltig und bleifrei – wurde untersucht, wie sich verschiedene Medien auf die Flugbahn, die Stabilität und die Wirkung der Projektile auswirken. Wichtig vorweg: Es muss klar sein, dass wir einen Feldtest durchführten. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Erprobung unter Laborbedingungen.

Die Testkandidaten: Nosler E-Tip und Whitetail Country im Waimex-Beschusstest



Die Testumgebung mit Kugelfang und Details zur verwendeten Repetierbüchse
Geschossen wurde in einem abgesicherten Schussfeld mit massivem Kugelfang. Als Hindernisse dienten realistische Vegetationsmedien, die in Rahmen eingespannt wurden. Folgende Medien kamen als Hindernisse zum Einsatz: Getreidehalme, Mais, Fichtenzweige und eine Schwarzdorn-/Schlehenhecke. Ziel: Sehen, wie sich bleihaltige gegenüber bleifreien Projektilen verhalten.
Geschossen wurde von einem Anschusstisch mit einer Anschütz 1782 mit GRS Bifrost-Schaft im Kaliber .30-06 Springfield. Montiert mit einem Glas aus dem Hause Noblex, dem NZ8 2,5-20 x 50 LR Inception. Zu beachten ist, dass unsere Ergebnisse so natürlich nur auf ein ähnliches Setup in Bezug auf Waffe und insbesondere Kaliber, und auch hier nur grob übertragbar sind. Bereits eine .308 Winchester-Laborierung kann hier − auch wenn diese mit dem gleichen Geschoss laboriert wurde (identischer Geschossdurchmesser und Gewicht, gleiche Projektilsorte) − anders verhalten. Das Gleiche gilt übrigens auch bei Verwendung einer anderen Waffe. Hier spielen einfach zu viele innen- und außenballistische Einflussgrößen mit, sodass die von uns erzielten Ergebnisse nur als Anhalt und zur Verdeutlichung und zur Sensibilisierung für diese Problematik dienen können. Die von uns verwendeten Fabriklaborierungen waren übrigens die bleifreie Nosler E-Tip mit einem Geschossgewicht von 168 grs und die bleihaltige Nosler Whitetail Country mit 165 grs. Doch nun zu den Ergebnissen (alle Details gibt es in unserem über 45 Minuten langen Video oben im Beitrag!):
Ergebnisse im Detail: Was lenkt im Jagdrevier ein Geschoss besonders ab, worauf sollte der Jäger unbedingt achten?
1. Getreidehalme:
Die weit verbreitete Annahme, dass bereits ein dünner Halm, Geschosse weit ablenken könnte, ließ sich nicht bestätigen.
- Bleihaltig und bleifrei: Beide Geschosstypen zeigten kaum Abweichung.
- Splitterbildung: Keine nennenswerte Wirkung.
Fazit: Schüsse durch Getreide bleiben im Wesentlichen stabil und tödlich wirksam.


2. Fichtenzweige:
Holzfasern und Äste erwiesen sich als kritisches Hindernis.
- Bleihaltig: Splitterbildung, Abweichungen sichtbar.
- Bleifrei: Ebenfalls leichtes Taumeln und leichte Querschläger, Wirkung im Zielkörper möglicherweise eingeschränkt.
Fazit: Fichtenäste verändern die Geschosswirkung – unabhängig vom Material.


3. Maispflanzen
Beim Mais änderte sich das Bild deutlich.
- Bleihaltig: Geschosse gerieten ins Taumeln, teilweise mit massiver Splitterwolke.
- Bleifrei: Noch stärkere Tendenz zum Querschläger, teilweise vollständiger Kontrollverlust.
Fazit: Schon wenige getroffene Maisstängel können das Geschoss so stark beeinflussen, dass Trefferlage und Wirkung unvorhersehbar werden.


4. Schwarzdornhecke
Die Schlehe (Schwarzdorn) zeigte in unserem Test die stärksten Auswirkungen.
- Bleihaltig und bleifrei: Beide Geschosse wurden ins Taumeln gebracht, zahlreiche Splitter und massive Ablenkungen.
Fazit: Eine dichte Hecke wirkt sich extrem auf die Flugbahn aus – der Weg des Geschosses ist nicht mehr kalkulierbar.


Was bedeutet das praktisch für die Jagd?
- Flugbahn prüfen — immer. Selbst kleine Ästchen, Dornen oder Maisstängel in Mündungsnähe können einen waidgerechten Schuss verhindern.
- Abstand zum Hindernis zählt: Je näher das Hindernis an der Mündung, desto größer die Ablenkung.
- Bleifreie Munition ist nicht „sicherer” gegen Ablenkung — sie verhält sich nur anders. Beide Munitionsarten benötigen freie Schussbahnen.
- Bei Mais & dichter Hecke: Erhöhte Vorsicht — Nachsuchenrisiko und Fehlschusswahrscheinlichkeit steigen stark.
- Mehrfachschüsse zur Kontrolle (auf der Schießbahn): Sinnvoll bei Testreihen — aber in der Jagdpraxis hilft nur freie Sicht.
Besondere Erkenntnisse zur Ablenkung von Geschossen: Das Fazit


Ein Schuss, der nur kurz hinter der Mündung ein Hindernis traf, wurde derart stark abgelenkt, dass das Geschoss ca. 10 Meter vor der Zielscheibe im Boden einschlug. Dies verdeutlicht, dass gerade Äste oder Pflanzen in unmittelbarer Nähe der Laufmündung eine enorme Gefahr darstellen. Unser Versuch zeigt deutlich: Geschossablenkung ist keine theoretische Gefahr, sondern jagdliche Realität. Sicherheit und Waidgerechtigkeit verlangen, dass die Flugbahn des Geschosses immer frei ist. Auch wenn moderne Munition viel leisten kann – die Gesetze der Physik lassen sich nicht überlisten. Für alle Details schauen Sie oben in das Video!