Sauer 202 bei Alljagd

Der englische Begriff „take down“ bedeutet soviel wie etwas ab- oder herunternehmen. Im Zusammenhang mit Repetierbüchsen ist dieses „Etwas“ in der Regel der Lauf, der abgenommen werden kann. Das muss sich allerdings ohne Werkzeug machen lassen - nur dann spricht man von einer echten „Take Down“. 

Unter den Waidmännern gelten solche schnell zerlegbaren Repetierer als ideale Begleiter für Jagdreisen. Sie lassen sich in handlichen Koffern anstatt in langen verräterischen Futteralen unterbringen. Zudem können sie in den im Ausland oft weitläufigen Revieren sogar in einem Tagesrucksack untergebracht werden - lassen sich somit sehr bequem zu ihrem Einsatzort verbringen.

Auch Kaliberwechsel gestalten sich bei den Take Downs in der Regel einfacher und weniger zeitintensiv als bei herkömmlichen Repetierern.

Lange Zeit gab es leicht demontierbare Jagdrepetierer etwa auf Mauser-Basis nur als reine Custom-Waffen. Versierte Büchsenmacher fertigten sie lediglich auf Wunsch von zahlungskräftigen Kunden an. Das änderte sich Ende der 1990er Jahre. Zusammen mit Alljagd brachte der gelernte Werkzeugmacher Manfred Orth eine 98er Büchse mit Take-Down-System auf den Markt. Der Preis der Basiswaffe lag mit über 7.500 Euro aber immer noch im Budgetbereich des eher betuchten Käufers. 

Beim Jagdwaffenhersteller J. P. Sauer & Sohn erregte das Patent von Orth Aufmerksamkeit. Man holte Orth ins Boot und brachte ihn mit Sauer-Kons- trukteur Horst Röh zusammen. Das gemein-same Ziel: eine für die breite Masse erschwingliche Take Down auf Basis der S 202. 

Gute Voraussetzungen: Die S 200er Reihe verriegelt, wie das Orth-System, direkt im Lauf. Die Sauer sogar mit sechs in zwei Reihen angeordneten Warzen. Das sorgt im Schuss für eine stets sichere Verbindung von Rohr und System. Auch das dazu erforderliche längere Rohrende brachte das Sauer-Modell konstruktionsbedingt gleich mit. 

Der Lauf findet seine korrekte Position per Nut- und Federsystem. Dazu greift eine Führungsnocke am Rohr in eine entsprechende Aussparung am Gehäuse. Der Vorderschaft muss den Lauf im Prinzip nur halten, wenn die Kammer geöffnet ist.

Während Orth bei seiner 98er Take Down auf eine vertikale Schiebeverbindung setzte, entschied sich Röh bei der S 202 Take Down für eine Verbindung mit kegelförmigem Steckbolzen. Der verankert den Handschutz mit sechs radial herausragenden Klemmbolzen. Die Bolzen lassen sich - ähnlich einem Purdey-Drücker - per Druck auf die Stirnseite des vorderen Riemenbügels entriegeln. Schließlich kann der Handschutz in axialer Richtung abgezogen werden. 

Das Take-Down-System der Sauer 202 basiert auf einem kegelförmigen Steck-bolzen. Dieser greift in eine Bohrung im Systemgehäuse und wird mittels sechs Querbolzen arretiert. Die Nocke mit der Kreuzschraube dient als Verdreh-sicherung.
Rechts neben dem Take-Down-Modell steht zum Vergleich die etwas führigere S 202 „Team Sauer“ mit kanneliertem 51-cm-Rohr und Synthetikschaft. Der längere Lauf der Take Down bringt aber auch ein Plus an Präzision.
Nachdem der Handschutz entfernt wurde, kann der Lauf entnommen werden. Dazu hält die rechte Hand das Rohr zwischen Daumen und Zeigefinger, so dass die restlichen Finger den Schaft fest in die Hand drücken, dann den geöffneten Verschluss nach unter fallen lassen – den Rest erledigt die Masse-trägheit des Rohres.

Der Ausbau des Laufes erfolgt so: Mündung nach oben. Daumen und Zeigefinger der rechten Hand umfassen das Rohr so, dass die übrigen drei Finger den Schaft mit dem Handballen fest umschließen können. Die freie Hand lässt den zuvor geöffneten Verschluss aus seiner höchsten Position frei nach unten fallen. Dank des Trägheitsprinzips löst sich der minimal konisch aus-geführte Laufansatz aus dem Gehäuse, wenn die Kammer unten anschlägt. Funktioniert dies nicht auf Anhieb, muss das ganze Spielchen wiederholt werden. Ansonsten unterscheidet sich die Büchse technisch nicht von der „Normalausführung“ der S 202.

Inzwischen zogen einige Anbieter nach: etwa die Schweizer Firma Markura mit der Ulrich Take Down auf R 93-Basis, der französische Hersteller Verney-Carron mit der Impact Plus Take Down und auch die Suhler Waffenschmiede Merkel mit ihrer Helix. Dennoch gilt die S 202 Take Down noch immer als Maßstab für Serien-Take-Downs. In Kooperation mit der Waffenhandelsfirma Alljagd (www.alljagd.de) legte Sauer nun eine spezielle „Edition Alljagd“ des beliebten Repetierers auf. 

Die speziell auf sie abgestimmte Polsterung des stabilen Eisele-Koffers aus Aluminium schützt die Take-Down-Büchse beim Transport. Leider besitzt der Kasten keine Zahlenschlösser.

Alle Varianten der Edition kommen im stabilen Eisele-Gewehrkoffer und mit vorbereiteter Sauer-Schwenkmontage nach Wahl (wird in den Alljagd-Filialen montiert), je einem Zwei- und Vier-Schuss-Magazin sowie Trageriemen zum Kunden. Der kann zwischen den Kalibern .30-06, 9,3 x 62, .300 Winchester Magnum sowie .375 Holland & Holland (560 Euro Aufpreis) wählen. 

Daneben unterschieden sich die Pakete „Monte Carlo“ (4.768 Euro) und „Hatari Light“ (5.158 Euro) lediglich in der Schaftform. Für Afrikajäger sind gegen Aufpreis auch die Kaliber .416 Remington und .458 Lott zu haben.

Die S 202 Take Downs aus der Edition Alljagd werden mit Sauer-Schwenk-montage geliefert. Im Premiumpaket gehört ein Zeiss Varipoint 2,5-10 x 50 T* Zielfernrohr zum Liefer- umfang. Anders als auf diesem Foto besitzt das Ziel-fernrohr dann eine Absehen-Schnell-Verstellung am Höheneinstellturm.

Im Paket „Premium“ für 7.378 Euro liegt im Koffer zusätzlich ein bereits vormontiertes und eingeschossenes Zeiss-Zielfernrohr Victory Varipoint 2,5-10 x 50 T* Absehen 60 mit Absehen-Schnell-Verstellung (ASV). Der enthaltene gerade Safari- respektive Hatari-Schaft rangiert hier in der Holzstufe 3 statt 2. Mit dieser Edition bot sich für VISIER die Gelegenheit, einmal nachzu-schauen, ob die S 202 Take Down ihrer Musterrolle noch immer gerecht wird. Dies sollte schließlich eine Büchse aus dem Premiumpaket im rasanten Kaliber .300 Winchester Magnum im Test auf der 100- und 200-Distanz beweisen:

Abweichend vom Katalogtext lag in dem in silberner Hammerschlag-Optik gehaltenen Alu-Koffer jedoch ein Zeiss-ZF ohne ASV und ein Kammerstängel mit flachem statt rundem Profil. Der Safari- Schaft mit Deutscher Backe fiel aufgrund seiner Maserung sehr gefällig aus. Weder die hand-geschnittene Fischhaut noch die Passungen zu den Metallteil gaben Grund zum Mäkeln. Auch nach dem ersten Zusammenbau aller Teile gab es keinen Anlass zur Kritik. Der Lauf saß spielfrei im Systemgehäuse, und die Metallplatten an der Nahtstelle im Vorderschaft lagen plan aufeinander.

So gerüstet ging es zunächst auf den 100-Meter-Stand. Hier musste sich die S 202 mit insgesamt sieben verschiedenen Fabriklaborierungen beweisen. Nach etwa 30 Schuss von der Sandsackauflage hatte der Vorderschaft plötzlich ein deutliches seitliches Spiel. Auch ein leises Klappern war zu vernehmen. Das wirkte sich jedoch nicht auf die Schussleistung aus, wie die nach Auftreten des Spiels geschossene 23-Millimeter-Schuss-Guppe mit der RWS Doppelkern belegt. Auch ein wiederholtes Zerlegen und Zusammensetzen der Take-Down-Büchse ohne erkennbare Treffpunktverlagerung bestätigte diesen Eindruck. 

Besonders positiv: Die mittleren Treffpunkte aller geschossenen Laborierungen lagen im Umkreis von rund zwölf Zentimetern zusammen. Also fuhren die Tester einige Tage später auf den Schießstand Schmidtenhöhe bei Koblenz und setzten den Präzisionstest auf der 200-Meter-Bahn fort. Trotz leicht wackelndem Vorderschaft gab es auch hier ansprechende Ergebnisse. 

Insbesondere die leichteren Geschosse bis 165 Grains taten sich mit Streukreisen knapp über acht Zentimetern hervor. 

Schließlich galt es noch, die Ursache für den losen Vorderschaft zu klären. Dazu verwies Alljagd-Geschäftsführer Wilhelm Goddek direkt an Hersteller Sauer. Aufgrund des nahen Redaktionsschlusses ging die Waffe nach Rücksprache mit Sauer-Chef Matthias Klotz per Express ins Werk nach Isny. Die Rückmeldung gab es bereits am nächsten Tag: Während des Schießens hatte sich ein kleiner Grat an der Führungsnocke des Laufs gebildet. „Das ist eine Stelle, auf die wir eigentlich immer besonders achten“, erklärt Klotz. „Irgendwie hat sich da das Material minimal gestaucht. Das darf eigentlich nicht passieren, aber der Teufel steckt manchmal im Detail“, so Klotz weiter. Die Erklärung ist plausibel. 

Kleine Ursache, große Wirkung: Beim Schießen bildete sich an der Führungsnocke des Laufes ein winziger Grat. Dadurch saßen die Metallplatten an der Verbindungsstelle (Pfeil 2) im Vorderschaft nicht mehr Plan aufeinander. Während die Metallteile nur wenige Zehntel Millimeter auseinander gingen, ließ sich der Handschutz vorn fast an den Lauf drücken, und der gegenüberliegende Spalt (Pfeil 1) nahm entsprechend zu.

Die Verbindungsstelle wird mit einer Toleranz von nur 2/1000 Millimetern gefertigt. Wegen der Länge des Vorderschaftes wirkt sich selbst der geringste Spielraum an den Verbindungsplatten entsprechend aus. Auch dass es sich dabei um eine Ausnahme handelt, so Klotz, ist aufgrund der

ansonsten berüchtigten Sauer-Qualität nachvollziehbar. 

Für den Verfasser bleibt die S 202 Take Down daher trotzt des kleinen Fauxpas die Messlatte, wenn es um den Einsteigerbereich der handlichen Schnellzerlegebüchsen geht.

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