Waffenrecht 2020: Der Bundestag hat ein neues deutsches Waffengesetz beschlossen − das Waffengesetz tritt ab 1.9.2020 vollständig in Kraft. Diese Änderungen kommen

Der Deutsche Bundestag hat am 13.12.2019 ein neues Waffengesetz beschlossen. Für viele Schützen und Jäger werden sich neue, einschneidende Änderungen ergeben. Zusammengefasst lässt sich konstatieren, dass der Gesetzgeber hier die EU-Feuerwaffenrichtlinie deutlich schärfer umgesetzt hat, als die meisten anderen EU-Staaten. Man muss von nicht weniger reden als dem "absoluten Super-GAU", der sich für alle Legalwaffenbesitzer durch den Kompromiss der Großen Koalition  ergibt.

Das sind die wichtigsten Änderungen im neuen deutschen Waffengesetz 2020 für Sportschützen und Jäger

Die wichtigste Frage zuerst: Was ist seitens des Deutschen Bundestages am 13.12.2019 beschlossen worden? Hier eine Liste mit den 9 wichtigsten Regelungen des neuen deutschen Waffengesetzes 2020:

  1. Ermächtigung für die Landesregierungen zum Erlassen von Rechtsverordnungen für Waffenverbotszonen.  Dies auch, ohne dass es sich um einen "Hot Spot" in Sachen Verbrechen handelt. Darin auch vorgesehen: Ein Führverbot von Messern (feststehend, feststellbar) mit einer Klingenlänge ab vier Zentimetern. Jedoch soll es Ausnahmen geben (Paragraph 42).

  2. Verbot für Hi-Cap-Magazine (über 20  Schuss für die von Kurzwaffen, über 10  Schuss für die von Langwaffen) . Und  (unserer Lesart nach) Verbot von Halbautomaten mit Festmagazinen jenseits der erlaubten Kapazität . Konsequenz: Magazine Abgeben oder Antrag beim BKA stellen (Paragraph 58 mit Verweis auf § 40). Der AfIuH rät aber zu Ausnahmeregelungen für Sportschützen durch Ausnahmebewilligungen über das Bundeskriminalamt (BKA). Wieder unserer Lesart nach: Nicht betroffen Repetierer mit Festmagazinen >10  Schuss ( BT-Drs. 19/13839, Nr. 38).

  3. Ebenso das Verbot für Salutwaffen dann, wenn aus einer verbotenen Waffe (Kategorie A der EU-Feuerwaffenrichtlinie beruhend; gemäß Paragraph 58 mit Verweis auf Paragraph 40).

  4. Bedürfnisbewilligung künftig unterschieden nach Bedürfnis zum Erwerb und Bedürfnis zum Besitz. Verpflichtende Kontrolle alle 5 Jahre.

  5. Bedürfnis zum Besitz von erlaubnispflichtigen Waffen in den ersten zehn Jahren mit dezidierten an jeden Waffentyp (Lang- und Kurzwaffen) geknüpften Schießnachweisen, nach zehn Jahren reicht Vereinsbescheinigung über sportliche Schießtätigkeit.

  6. Regelabfrage beim Verfassungsschutz bei Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Das Ganze auch im Sprengstoffrecht. Inklusive des Risikos des Verlusts der Zuverlässigkeit.

  7. Gelbe Waffenbesitzkarte beschränkt auf maximal zehn Waffen. Dieser Punkt war vor dem GroKo-Kompromiss nicht ansatzweise angedeutet worden und wäre durch die EU-Richtlinie auch nicht notwendig gewesen.

  8. Schießstandüberprüfung alle vier Jahre bei Ständen für erlaubnispflichtige Waffen, alle sechs Jahre bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen.

  9. Ermächtigung für die Bundesländer zur Festlegung von Ausbildungskriterien für Schießstandsachverständige.


+++ UPDATE 3 +++ Beispiel Niedersachsen: Selbstauskunft mit Rechtsmittelverzicht

Wie der "Weser-Kurier" berichtet, werden in Niedersachsen derzeit nach wie vor keine zeitnahen Überprüfungen durch den Verfassungsschutz durchgeführt. Bei der Beantragung oder Verlängerung eines Jagdscheines soll im Moment das Unterschreiben einer Selbstauskunft reichen. Die Krux bei der Sache: Begleitend zu dieser Auskunft soll der Jäger einen Rechtsmittelverzicht unterschreiben. Das bedeutet, wenn der Jagdschein aufgrund einer Erkenntnis des Verfassungsschutzes später wiederrufen wird, sind dagegen keine Rechtsmittel mehr möglich. Aus Sicht von all4shooters.com ein rechtsstaatlich höchst problematisches Verfahren. Nach Angaben des Weser-Kuriers waren im Land Niedersachsen in diesem Jahr 20.000 Jagdscheinverlängerungen fällig. Die Abfragen sollen durch das Landesamt für Verfassungsschutz jedoch mittlerweile in Arbeit sein.

+++ UPDATE 2 +++ BKA veröffentlicht Leitfaden zu wesentlichen Teilen von Schusswaffen

Eine bisher wenig im Fokus der Waffenbesitzer stehende Änderung des neues Waffengesetzes 2020 ist der deutlich kompliziertere Umgang mit wesentlichen Waffenteilen. Hierzu hat das Bundeskriminalamt als zuständige Behörde in Fragen von Präzisierungen zum Waffengesetz eine Handreichung veröffentlicht. Diese ist auf den Seiten des BKA abrufbar.

+++ UPDATE +++ Hier kommen wichtige praktische Aspekte der deutschen Waffenrechtsnovelle 2020 nach der aktuellen Veröffentlichung des Gesetzestextes:

Leitfaden zu den wesentlichen Waffenteilen  vom Bundeskriminalamt.
Der Leitfaden zu den wesentlichen Waffenteilen steht beim BKA zum download bereit.
  1. Ab sofort dürfen Jäger bei Vorlage eines gültigen Jagdscheins Schalldämpfer für Langwaffen (mit Zentralfeuermunition) kaufen. Der bisher notwendige Voreintrag entfällt.

  2. Nachsicht Vorsatz- und Aufsatzgeräte dürfen ab sofort ebenfalls an Jäger unter Vorlage eines gültigen Jagdscheins verkauft werden. Es sind aber die individuellen Regelungen der jeweiligen Landesjagdgesetze vom Nutzer zu beachten.

  3. Ab sofort werden die Verfassungsschutzämter bei der Bedürfnisprüfung miteinbezogen.

Für alle anderen Regelungen gelten die unten stehenden Übergangsfristen. Die Meldung an das Nationales Waffenregister wird ab dem 01.09.2020 Pflicht. Im täglichen Umgang mit Waffen für Waffenbesitzer und Handel wird sich ab sofort zunächst nur wenig ändern. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Waffenbuchführungspflicht sowie die Anzeigepflicht bei Waffenverkäufen zunächst unverändert bestehen bleiben!

Wie das Thema "große Magazine" (Meldefristen für Altbesitz) in der Praxis geregelt wird, ist leider noch immer unklar. Weder die Betroffenen, noch die Waffenbehörden haben dazu ein klares Bild, weil das Waffengesetz unklar und praxisfremd formuliert ist. Das sind die ersten Konsequenzen. Es wird deshalb hierzu weitere Ausführungsbestimmungen geben müssen. Ob es darauf hinausläuft, dass alle großen Magazine, die nach dem 13. Juni 2017 gekauft wurden, illegal sind? Theoretisch ja. Aber wer soll das Kaufdatum wie nachweisen, und wer soll das alles prüfen? Klar ist, dass die Meldefristen für den Altbesitz von Magazinen ab 01.09.2020 beginnt! Leider haben wir vom Gesetzgeber aktuell zu vielen Details noch keine Antworten auf diese drängenden Fragen...wir bleiben für Sie am Ball.


Kommentar zum Waffengesetz 2020 von VISIER Chefredakteur Matthias S. Recktenwald: "Der Super-GAU..."

...  so titelte die Waffenrechtsaktivistin und Fachhändlerin Katja Triebel und das mit Recht. Es gab Eingaben mit konstruktiven und lebensnahen Änderungsvorschlägen, es gab Gespräche, es gab Briefe in schwerer Masse, es gab aus der Behörde den Hinweis, dass weitere Verschärfungen nur mehr Kriminalität auf  dem Papier, aber nicht in der Realität erzeugt und man hier bitte mit Maß agieren möge, es folgten zwei Petitionen  – trotzdem haben die Mitglieder des Bundestages so entschieden und damit Deutschland einmal mehr waffenrechtlich auf einen betont restriktiven Sonderweg gezwungen. Der wiederum führt weg von dem, was die EU mit ihrer Richtlinie auch angestrebt hat, nämlich eine Harmonisierung zwischen den unterschiedlichen nationalen Waffengesetzgesetzgebungen der einzelnen Schengen-Mitgliedsländer zu schaffen. Noch schlimmer aber ist das Procedere in Berlin zu werten, bei dem alle Tagungen in nicht öffentlicher Weise stattfanden, so dass die betroffenen Verbände stets nur im Nachhinein und dann in handstreichartiger Manier reagieren konnten.  

Der Kompromiss der Koalition zum neuen Waffenrecht im Detail:

Die Verfassungsschutzabfrage:

Dass nachweisliche Terroristen, Reichsbürger und andere bewiesenermaßen verfassungsfeindliche Gesonnene keine Legalwaffen haben sollten, das liegt auf der Hand. Aber warum macht es der Verfassungsschutz nicht so, dass er zweifelsfrei als entsprechend eingestufte Personen ans Nationale Waffenregister (NWR) meldet?   Mit Blick auf die täglichen Abläufe wäre das sicher weniger umständlich und unfair, als bei JEDER Zuverlässigkeitsüberprüfung generalverdachtsweise JEDEN betroffenen Legalwaffenbesitzer beim VS abfragen zu müssen. Mal abgesehen von der Frage, wie man erfährt, dass man gegebenenfalls verfassungsfeindlich und damit waffenrechtlich unzuverlässig eingestuft worden ist.

Stichwort Magazine mit hoher Kapazität:

Man darf mir glauben - uns hängt die Beratungsresistenz der Politiker bei dem Punkt zum Hals heraus. Trotzdem nochmal: Magazine sind für Schützen Verbrauchsmaterial , die Dinger gehen, gerade bei intensivem Gebrauch, auch mal kaputt. Also bevorratet jeder, der viel schießt. Was man meistens nicht getan hat, ist, die Rechnung dazu aufheben. Nun haben diese Patronentanks keine Seriennummern oder Ähnliches, anhand derer sie sich zweifelsfrei a)  identifizieren und b)  chronologisch genau einstufen ließen. Das sind meistens einfach Elemente mit einem Korpus aus Blech (zunehmend auch mit einem aus Kunststoff), daran oft eine Lochskala zum Patronenzählen, darin eine Zubringerfeder und das entsprechend geformte Zubringerelement, das die Patronen nach oben hebt und so beim Repetieren ihre Zufuhr gewährleistet. Davon sind in Deutschland Massen im Umlauf , deren Zahl sich sicher nicht zuverlässig schätzen lässt. Hinzu kommt: Magazine sind ein Sammelfeld, das fängt an mit Raritäten wie der berühmten 32-Schuss-Trommel für die Nullacht-Pistole und geht weiter mit den Mags unzähliger Firmen, die derlei etwa für die Colt M 1911-Familie oder die Gewehre der AR-Plattform gebaut haben. Wer will hier wie nachweisen, wann was erworben wurde? Hier dürfte bei der Frage der seit dem viel diskutierten Stichtag des 13.6.2017 noch legal erworbenen, aber nachträglich verbotenen Stücke auch das greifen, was im aktuellen VISIER-Heft 1/2020 schon angesprochen wurde, nämlich der Tatbestand der "echten Rückwirkung" , der als verfassungsrechtlich nicht zulässig gilt.

Waffenbesitzkarten (WBK) und Bedürfnis:

Dann die Fragen rund ums Thema Bedürfnis und Waffenbesitzkarte. Hier gleich die Nummer mit der Zehn-Waffen-Begrenzung auf der "Gelben" - ein echtes Kampfmittel beim Kampf gegen den Terror, ich bin begeistert. To be serious: Wo kommt dieser Vorschlag nun in den letzten Minuten vor Toresschluss her? Worauf gründet er sich? Wo ist der kriminalistisch relevante wie belegbare und in entsprechender Häufung auftretende Umstand, der hier eine Regulierung fordert?
Dann die Fragen zum Bedürfnis: "est omnis divisa in partes duae", um einmal Gaius Julius Caesars legendären Anfang aus seinem Bericht über den Gallischen Krieg zu verballhornen. Sprich: Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Bedürfnis im Zusammenhang mit Waffen: Das zum Erwerb und das zum Besitz.  Zum Erwerb 12  Monate mindestens einmal pro Monat sportlich mit EWB-Waffen schießen und dann ein für die Disziplin zugelassenes und erforderliches Stück haben wollen, soweit klar. Zum Besitz-Bedürfnis: Man muss per Bescheinigung (Verband/Verein) belegen, dass man die letzten 24 Monate vor Bedürfnisprüfung mit einer eigenen Waffe gesportelt hat. Und zwar mindestens 1x im Quartal oder mindestens 6x binnen 12 Monaten. Wichtig: Besitzt das Mitglied sowohl Lang- als auch Kurzwaffen, so ist der Nachweis für Waffen beider Kategorien zu erbringen. Wichtig auch: Zehn Jahre nach WBK-Erstausstellung reicht dann für die Fortdauer des Bedürfnisses, eine Vereinsbescheinigung zur Mitgliedschaft.

Stichwort Waffenverbotszone:

Um hier mit den Messern loszulegen: Das Gezerre um die Klingenlängen erinnert an den alten Manöver-Spruch von "Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln": Erst sollte alles über sechs Zentimeter verboten werden,  dann war der Vorschlag wieder vom Tisch, um jetzt in verschärfter Form eine Renaissance zu erleben. Es ist abzusehen, dass das Gesetz eine überregulierte und praxisferne Bürokratiemonstrosität nach sich ziehen wird – das Warum sei im Folgenden näher beleuchtet. Zum Ersten: Die Ermächtigung ist, wie oben gesagt, nicht an Ecken geknüpft, in denen es drüber und drunter geht, stattdessen erhalten die Länder maximale Freiheit fürs Einrichten solcher Zonen. Derart großzügige Erweiterungen erfordern aber auch Personal zum Überwachen  –  woher nehmen? Dann die Ausnahmen. Und da lassen die AfIuH-Formulierungen zucken: den "Inhabern waffenrechtlicher Erlaubnisse", steht da zu lesen – also jeder mit einer WBK (wofür auch immer) oder einem Jagdschein? Oder soll es künftig WBKs für Messer ab 40  mm Klingenlänge aufwärts geben? Dann: Gewerbetreibende (bei beruflicher Tätigkeit), Leute bei der Brauchtumspflege und alle, die ein Messer nicht zugriffsbereit von hier nach da schaffen –  Frage: Was ist "nicht zugriffsbereit", wird das jetzt endlich mal genau gesagt? Das alles im Einzelfall überprüfen und einordnen zu wollen, wird für die ausführenden Polizeibeamten unüberschaubar  – wenn denn JEDER in einem solchen Waffen-Hundepfui-Bereich gecheckt werden soll. Oder nach welchen Kriterien will man überhaupt die "Prüflinge" auswählen?

Abschließende Wertung zum neuen deutschen Waffengesetz, das heute verabschiedet wurde:

Voll daneben, da überreguliert und nicht lebensnah. Dass auch dies den Verdruss über die hier entscheidenden Parteien mehren wird und denjenigen, der nicht so gern gesehenen Fraktionen neue Anhänger zutreiben dürfte, das ist dann die ebenso absehbare wie betrübliche Folge einer solchen Gesetzgebung. Das neue deutsche Waffengesetz wird sowohl für Sportschützen und Jäger, aber auch für den Handel und die Hersteller erhebliche negative Folgen haben.  Das alles unter dem Deckmäntelchen "Innere Sicherheit" und "Terrorismusabwehr". Die Legalwaffenbesitzer und die damit verbundene Industrie zahlen einmal mehr die Zeche für schlampige Analysen, bei denen Ursache und Wirkung nicht zu Ende gedacht sind. Auf alle Gegenargumente oder sogar die "vielbeachtete" Petition ist man nicht im Geringsten eingegangen. Dafür aber weit über die Vorgaben der EU hinaus vorgeprescht. Da möchte man gerade sagen: "typisch deutsch" – und das wirklich nicht im positiven Sinne. Wir sind enttäuscht und entsetzt.

Wichtige Informationen zum Inkrafttreten des neuen deutschen Waffengesetzes in 2020:

Zitiert aus Artikel 5: Inkrafttreten, Außerkrafttreten - veröffentlicht am 19.02.2020 im Bundesgesetzblatt:

(1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich der Absätze 2 bis 4 am 1. September 2020 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Nationales-Waffenregister-Gesetz vom 25. Juni 2012 (BGBl. I S. 1366), das zuletzt durch Artikel 86 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist, außer Kraft.

(2) Artikel 1 Nummer Buchstabe j, Nummer 3a, 5, 26 und 26a sowie die Artikel 4a und 4b Nummer 3 treten am Tag nach der Verkündung in Kraft.

(3) Artikel 4 tritt am 1. Mai 2020 in Kraft.

(4) Artikel 4b Nummer 1 und 2 tritt am 1. März 2020 in Kraft.


all4shooters.com hat den Gesetzgebungsvorgang zum neuen deutschen Waffenrecht 2020 von Anfang an begleitet und über einzelne Schritte berichtet.

Außerdem kommentierten wir bereits das aktuelle Urteil des EuGH zur EU-Feuerwaffenrichtlinie.