Der Familienname Walther, stets mit "th" geschrieben, hat in der internationalen Welt der Waffen einen ganz besonderen Klang. Es dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass das vor allem auf Carl Wilhelm Freund Walther zurückzuführen ist. Dieser 1858 in Zella-St. Blasii in Thüringen geborene Büchsenmacher stammte bereits aus einer Familie mit Waffenherstellungstradition, und so gründete er 1886 mit gerade 28 Jahren sein eigenes kleines Unternehmen, das ein Jahrhundert später weltweit für seine exzellenten Sport-, Jagd- und Verteidigungswaffen bekannt sein würde.

Carl Walther und seine Frau Minna zogen fünf Söhne auf: Fritz, Georg, Wilhelm, Erich und Lothar als Jüngster, von dem auch diese Geschichte handeln wird. Während Fritz Walther als ältester Sohn nach dem plötzlichen Tod des Firmengründers 1915 die Firma übernahm und sie nach und nach auf die Produktion der populärer werdenden Selbstladepistolen umstellte, erlernte der am 3. Mai 1899 geborenen Lothar zunächst das Werkzeugmacherhandwerk im elterlichen Betrieb. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Flugmechaniker auf einer Flugzeugwerft der Kaiserlichen Luftwaffe. Danach nahm er ein Ingenieurstudium am Technikum in Hildburghausen und Frankenhausen auf, was heute einer Fachhochschule entsprechen würde.

Wieder in den elterlichen Betrieb zurückgekehrt, konnte Lothar dort seine fachlichen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten weiter vertiefen. Dennoch blieb dort für den jüngsten Sohn kein Platz für eine verantwortungsvolle Stelle im Familienunternehmen. Auf Initiative seiner älteren Brüder erhielt er daher seinen Anteil am Erbe ausgezahlt. Die ihm zugesprochene, bescheidene Abfindung verlor infolge der Inflation ihren gesamten Wert. Im Jahre 1920 entschloss er sich daher zu einem längeren Aufenthalt in Übersee.
Die Reise ging von Hamburg über La Coruna in Spanien, von dort mit dem Dampfschiff „Danzig“ nach Buenos Aires in Argentinien. Dort arbeitete er als Motorenmechaniker in einer Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt. Die nächste Station dieser abenteuerlichen Reise waren die Erdölfelder Südamerikas. In Comodore Rivadavia am Golf von San Jorge lernte er die raue Welt der Erdölförderung und Verarbeitung kennen.

Lothar Walther gründete seine Firma im ehemaligen Elternhaus der Familie Carl Walther

Mit vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken, aus dieser zur damaligen Zeit so fremden Welt, kehrte Lothar Walther 1921 in seine deutsche Heimat zurück. Seine Kenntnisse aus der Mechanik und die Vorbildung im Waffenbau wollte er kombinieren, und so wagte er am 1. Mai 1925 den Sprung in die Selbstständigkeit. Das immer erfolgreicher werdende Unternehmen seiner Familie war inzwischen in ein neues Fabrikgebäude umgezogen. Im alten Elternhaus und den angrenzenden, ungenutzten Werkstatträumen gründete er die Firma „LOTHAR WALTHER Werkzeug- und Waffenfabrik“. Von Beginn an konzentrierte er sich auf die Herstellung von Läufen, denn deren Präzision und Haltbarkeit sind wesentliche Elemente einer guten Schusswaffe. Das kannte er auch aus eigener Praxis: Als erfolgreicher Sportschütze mit der Gebrauchspistole und der Olympischen Schnellfeuerpistole gehörte er in den dreißiger und vierziger Jahren lange Zeit der deutschen Pistolen-Nationalmannschaft an. Er gewann deutsche Einzel- und Mannschaftsmeisterschaften, die Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften 1927 und nahm an vielen Länderkämpfen teil. Diese Praxiserkenntnisse wirkten sich natürlich auch auf seine Expertise im Waffen- und Werkzeugbau aus.

In der Firma wurde er intensiv durch seine Ehefrau Gerda (geborene Triebel) unterstützt, die er 1926 geheiratet hatte und mit der er fünf Kinder aufziehen sollte. Lothar Walther entwickelte über viele Jahre hinweg die sogenannte spanlose Laufzieherei, also das Kaltfließpressverfahren – eine Technik, die den bis dahin üblichen spanabhebenden Methoden deutlich überlegen war. Bei diesem innovativen Verfahren werden Züge und Felder des Laufes in einem einzigen Arbeitsgang mithilfe eines Kaltfließpresswerkzeugs ohne Materialabtrag geformt. Dadurch entsteht im besonders beanspruchten Innenbereich des Laufes eine wesentlich höhere Festigkeit als im ursprünglichen Werkstoff, während die Festigkeit des übrigen Laufes unverändert bleibt.

Dieses Wissen brachte den Läufen von Lothar Walther, die bald an zahlreiche Waffenhersteller zugeliefert wurden, einen sehr guten Ruf ein, der aber nicht ungefährdet war. Die Wirren des Zweiten Weltkriegs und die Politik griffen auch hier ein. Kurz vor Kriegsende wurde Lothar Walther durch einen Wehrmachtsbeschluss gezwungen, seine bislang als Betriebsgeheimnis geltende Laufherstellungstechnik auch für andere Hersteller freizulegen. Die Zeit in Zella-Mehlis war bei Kriegsende aber ohnehin vorbei. Wie bei vielen anderen Thüringer Waffenherstellern, auch beim Bruder-Unternehmen Carl Walther, sorgten die amerikanischen Besatzer dafür, dass sie schnell in einen von ihnen kontrollierbaren Bereich zwangsumgesiedelt wurden: Thüringen sollte unter die Regie der Sowjets fallen, und die Amerikaner wollten das hier ansässige Fachwissen zum Waffenbau für sich sichern.
Auf einfachen Lastwagen und mit nur wenig Habseligkeiten ging die Reise am 29. Juni 1945 über 15 Stunden durch das vom Krieg verwüstete Deutschland nach Heidenheim an der Brenz in Württemberg. Vom dort eingerichteten Auffanglager wurde die Familie von Lothar und Gerda Walther wenige Tage später nach Ochsenberg, einem heutigen Teilort von Königsbronn, weitergeleitet und in einem leerstehenden Bauernhaus untergebracht.
Wie andere Hersteller wurde auch Lothar Walthers Familie 1945 in die amerikanische Besatzungszone umgesiedelt

Dort begann ein neuer Lebensabschnitt, allerdings zunächst natürlich ohne jeden Bezug zu Schusswaffen. Eine alte Drehbank mit Vorgelege, eine Feldschmiede zum Schmieden der benötigten Drehstähle sowie ein einfacher Schleifblock: Mehr stand dem mittlerweile Fünfzigjährigen für seinen zweiten Neuanfang nicht zur Verfügung. Da die Besatzungsmächte die Waffenproduktion bis in die 1950er Jahre untersagten, fertigte Lothar Walther zunächst Bolzenschussapparate und übernahm jeden verfügbaren Auftrag zur Herstellung mechanischer Bauteile. Als schließlich Luftgewehre, die zuvor eher als Spielzeuge abgetan wurden, wieder zugelassen wurden (ab 1950 mit glatten und ab 1953 mit gezogenen Läufen), begann der Lauf-Spezialist mit der Herstellung von Läufen für diese aufkommenden Sport- und Freizeitwaffen – und legte damit den Grundstein für den späteren internationalen Erfolg seines Unternehmens.
Besonders Läufe für präzise Luftgewehre und Custom-Büchsen machten weltweit Karriere – und die nächste Generation stieg ein

Unternehmen seines Vaters weiter und übergab die Firmenleitung schon 1997 an seine Söhne Gerd und Frank, die dritte Generation.
Lothar Walther-Luftgewehrläufe gelten heute weltweit als Goldstandard, wenn es um höchste Präzision geht, denn allein das kleinere Kaliber von Druckluft- zu Feuerwaffen reicht nicht aus, um engste Schussbilder zu erreichen. Dazu ist mehr Know-how notwendig. Im Ausland sind höhere Mündungsenergien als die auf 7,5 Joule limitierten in Deutschland zulässig. Besonders der britische Markt, wo mit Pressluft- und Federdruckgewehren sowohl gejagt wie auch sportlich „Field Target“ geschossen wird, profitierte in den folgenden Jahrzehnten von den importierten „LW-Läufen“ aus Königsbronn, dorthin war das Unternehmen schon Ende 1949 wegen der besseren Verkehrsanbindung gezogen. Das Firmengebäude wurde weitgehend in Eigenleistung errichtet. Am 3. Mai 1974 feierte Lothar Walther seinen 75. Geburtstag und die gleichnamige Firma ein Jahr darauf ihr 50-jähriges Geschäftsjubiläum. Lothar Walther selbst war immer noch mit im Unternehmen tätig, jetzt unterstützt durch seine beiden Söhne Klaus und Carl, welche die Geschäftsleitung mittlerweile übernommen hatten.
Zu diesem Zeitpunkt umfasste das Fertigungsprogramm Läufe und Einsteckläufe für Gewehre, Pistolen und Revolver, dazu Trainingsläufe für Flinten, Reduzierhülsen für Sport- und Jagdpatronen, Trainingsschießscheiben, Signaleinsätze und Puffereinsätze für kombinierte Jagdwaffen und Spezialwerkzeuge. In den Folgejahren wurden zusätzlich noch Armbrüste für den Sport und Freizeit ins Herstellungsprogramm aufgenommen. Mit der Sportarmbrust „Match Tell“ wurden viele internationale Erfolge errungen. Die unter dem Namen „Hobby Tell II“ sowie „Hobby Tell II Sport“ vertriebenen, günstigeren Freizeitmodelle fanden gute Absätze.
Neben Match-Läufen, Einsteckläufen und Messläufen gehören zum Lieferprogramm von Lothar Walther auch Hobby-Armbrüste

Zu diesem Zeitpunkt umfasste das Fertigungsprogramm Läufe und Einsteckläufe für Gewehre, Pistolen und Revolver, dazu Trainingsläufe für Flinten, Reduzierhülsen für Sportund Jagdpatronen, Trainingsschießscheiben, Signaleinsätze und Puffereinsätze für kombinierte Jagdwaffen und Spezialwerkzeuge. In den Folgejahren wurden zusätzlich noch Armbrüste für den Sport und Freizeit ins Herstellungsprogramm aufgenommen. Mit der Sportarmbrust „Match Tell“ wurden viele internationale Erfolge errungen. Die unter dem Namen „Hobby Tell II“ sowie „Hobby Tell II Sport“ vertriebenen, günstigeren Freizeitmodelle fanden gute Absätze. 1979 feierte Lothar Walther seinen 80. Geburtstag und war noch immer im Werk anzutreffen. Am 6. April 1983 verstarb der Firmengründer im Alter von fast 84 Jahren.

Zu Jahresbeginn 1987 übernahm der Sohn Klaus Walther die alleinige Geschäftsführung, unterstützt durch seine Söhne Dr. Frank Walther und Gerd Walther. Im Oktober 1994 bezog die Firma in Königsbronn in der Paul-Reusch-Straße 34 einen umfassenden Erweiterungsbau. Dort waren innerhalb eines Jahres moderne Büroräume und Produktionsanlagen entstanden sowie ein technisch besser ausgestattetes Lager für eine schnelle Belieferung des Handels. Der Sprung in die USA und damit die Verbesserung der dortigen Marktversorgung folgte dann 1995. Gemeinsam mit dem langjährigen Vertreter in den USA wurde eine Produktion und Vertriebsgesellschaft gegründet. Schnell wurden die angemieteten Räumlichkeiten zu klein, die US-Kunden wünschten sich zudem schnellere Lieferzeiten. So wurde der Sitz der Firma Lothar Walther Precision Tool Inc. nach Cumming (Georgia) nördlich von Atlanta verlegt. Auf einem etwa 6.000 Quadratmeter großen Grundstück entstand eine moderne Fertigung.


Seit 1997 führen die Söhne von Klaus Walther, Dr.-Ing. Frank Walther und Handwerksmeister Gerd Walther, das Unternehmen. Unter ihrer Leitung wurde die Firma konsequent modernisiert und strategisch weiterentwickelt. Durch stetige Investitionen in hochmoderne Fertigungsanlagen und innovative Technologien veränderte sich das Unternehmen vom reinen Rohteillieferanten zu einem Systempartner für einbaufertige Läufe und Präzisionskomponenten. Am 10. Januar 2023 ist Seniorchef Klaus Walther, der bis ins hohe Alter noch auf Messen langjährige Geschäftspartner getroffen hatte, im Beisein seiner Familie im Alter von 87 Jahren verstorben. Im Jubiläumsjahr zum 100. Bestehen, das die Königsbronner mit allen Mitarbeitern im Juli dieses Jahres mit einem Betriebsausflug feierten, verfügt das Unternehmen über die weltweit größte Kaliberpalette an Läufen: von Kaliber 4 mm bis 14,5 x 114 mm sowie von .17 Remington bis hinauf zum Großwildkaliber .577, alles für Jagd, Sport- und Verteidigung.
Das vom Vater gesammelte Fachwissen, modern aufbereitet und ergänzt, führt zu Schlüsseltechnologien bei Lothar-Walther-Läufen
Dank der Beherrschung beider Schlüsseltechnologien – Button Rifling und Kaltschmieden – kann Lothar Walther alle Kundenwünsche erfüllen und Präzision auf höchstem Niveau garantieren. Mit Fertigungs-, Lager- und Bürostandorten auf zwei Kontinenten, modernster Automatisierungstechnik und hochqualifiziertem Fachpersonal ist das Unternehmen hervorragend aufgestellt, um der stetig steigenden Nachfrage nach Komplettlösungen im Bereich der Waffentechnik gerecht zu werden. Daher steht auch eine umfangreiche Erweiterung der Produktionskapazitäten in den USA an: Neue Maschinen, die Produktionsfläche deutlich vergrößern und das Team vor Ort verstärken. Die komplett selbstständige Fertigung vor Ort und das wichtige Merkmal „Made in USA“ dürften sich gerade in der aktuellen politischen Lage und drohenden Strafzöllen für Stahlwaren als strategisch richtige Entscheidung erweisen.

Das Unternehmen beliefert heute sowohl den traditionellen, handwerklichen Büchsenmacher, ebenso aber auch Behörden, Beschussämter, Munitionshersteller und führende Unternehmen im Bereich Defence. Läufe für AR15-Selbstladegewehre oder solche für Scharfschützen-Büchsen im Kaliber .50 zeigen die Bandbreite, ebenso, dass die Firma auch selbstbewusst auf Behördenmessen wie der EnforceTac vertreten ist. Das Leistungsspektrum reicht von Entwicklung und Prototypenbau über Einzelfertigungen bis hin zu Klein- und Großserien. Ob Freizeitwaffe, Präzisionsgewehr oder Spezialanfertigung für historische Waffen: Läufe und Komponenten mit dem Lothar Walther-Schriftzug finden sich heute in nahezu allen Waffenarten, von Druckluftwaffen für Olympia bis zu Scharfschützenwaffen, von Schwarzpulver- bis Nitrosystemen.
Neben dem Waffenbereich öffnen sich die beiden Walther-Brüder mit ihrem Programm aber auch für andere Märkte, um die Stabilität des Unternehmens zu sichern. Dank des außergewöhnlichen Maschinenparks, mit modernster Technik zum Tieflochbohren, Honen, Reiben und Kaltumformen, fertigt das Unternehmen auch hochpräzise feinmechanische Bauteile für Kunden weltweit. Neben bestehenden Partnerschaften in der Optik-, Automobil- und Luftfahrtindustrie rückt insbesondere die Medizintechnik zunehmend in den Fokus. So entwickelte sich innerhalb des ersten Jahrhunderts der Firmenname Lothar Walther zur eigenständigen und weltweit bekannten Marke, und auch das ja quasi verwandte Unternehmen Carl Walther wirbt (wie viele andere bekannte Hersteller) mit Lothar Walther-Läufen als Qualitätskriterium.

Zur modernen Firmenlinie passt auch die aktuelle Präsentation in den modernen Medien: Auf der Firmen-Website gibt es nicht nur das komplette Lieferprogramm, sondern auch zahlreiche Videos zu einzelnen Produktionsschritten und zur Firmengeschichte – sehenswert!
Hier finden Sie die Unternehmens-Chronik der Firma Lothar Walther auf Youtube.


