ISSF Academy: Schießtrainer für olympische Disziplinen werden künftig weltweit aus- und weitergebildet

Die ISSF-Academy (um in der internationalen Schreibweise zu bleiben) ist eine neue Coaching-Plattform, die mit hohem Aufwand entwickelt wurde, um die Entwicklungsbedürfnisse von Schießsportlern auf allen Leistungsstufen zu erfüllen. Sie wurde erstmals öffentlich beim italienischen Weltcup in Lonato in Italien im Juli 2023 diskutiert (Video der ISSF-Pressekonferenz). ISSF-Präsident Dr. Luciano Rossi stellte dort Vesa Nissinen, den Präsidenten des finnischen Schießsportverbandes SAL, der Presse vor, weil dieser jetzt eine neue Rolle in der ISSF übernimmt: Nissinen steht der neu gegründeten ISSF Academy als Direktor vor. Anschließend wurde die Vereinbarung in München von ISSF-Generalsekretär Alessandro Nicotra di San Giacomo und Nissinen selbst gemeinsam unterzeichnet. Das ISSF-Exekutivkomitee genehmigte die Entwicklung der Akademie dann auf seiner Sitzung in Rom am 21. Februar 2024.

Bei der Akademie handelt es sich um ein zunächst online zugängliches Ausbildungssystem, das Sportler, Trainer, Manager und Sportförderer, einschließlich der Schießsportindustrie, zusammenbringen soll. Die ISSF ist für die Führung der offiziellen Register der einzelnen Trainer und die Erteilung ihrer jeweiligen Lizenzen zuständig.

Die vier Kurs-Stufen der neuen ISSF Academy zur Trainerausbildung

Das Logo der ISSF-Akademie.

Es gibt vier Kurse, wobei D der Grundkurs und C die Leistungsstufe ist. Für diese beiden kann man sich auch individuell anmelden, ohne über einen nationalen Verband gehen zu müssen. Die Mindestvoraussetzung ist die Mitgliedschaft in einem Schießsportverein und der erfolgreiche Abschluss des ADEL-E-Learning-Kurses der WADA für Hochleistungstrainer. Die ersten D-Kurse sollen bereits im September 2024 beginnen.

Die Kurse D und C dauern 12 Wochen und erfordern etwa fünf Stunden pro Woche, um die zugewiesenen Aktivitäten zu absolvieren, und kosten je 490 Euro. Die Kurse B (internationales Niveau) und A (Master-Niveau) können nur über die nationalen Verbände absolviert werden und erfordern zusätzlich zu den Qualifikationen der niedrigeren Kursstufen aktive Trainererfahrung. Sie werden derzeit noch definiert. Für die B-Stufe gibt es eine Woche "vor Ort" in einer olympischen Akademie, während die A-Stufe ein Intensivkurs ist, der durch Präsenzunterricht vermittelt wird und 7 bis 10 Tage dauert. Die B-Kurse sollen im Herbst 2025 und die A-Kurse Anfang 2026 starten.

Pilot-Online-D-Kurse werden ab Mai 2024 mit ausgewählten Teilnehmern organisiert, während Online-C-Kurse ab Anfang 2025 angeboten werden sollen. Spezifische Lehrmodule mit Schwerpunkt auf den paralympischen Schießdisziplinen werden ebenfalls 2025 eingeführt. "Die Akademie arbeitet mit neuen Managern, Trainern, neuen Fähigkeiten für die Zukunft", sagte ISSF-Präsident Luciano Rossi. "In den 20 Jahren, in denen ich ISSF-Vizepräsident war, war dies einer meiner Vorschläge. Ich freue mich, dass das Projekt nun diesen bedeutenden neuen Schritt in Richtung Realität gemacht hat und ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit unseren finnischen Freunden und Kollegen."

Ein Interview mit Vesa Nissinen, dem Direktor der ISSF Academy

Anfang März 2024 unterzeichneten der Generalsekretär des ISSF, Alessandro Nicotra di San Giacomo (links), und Vesa Nissinen, der als Akademiedirektor fungiert, in München die Kooperationsvereinbarung.

Vesa Nissinen, 61, war bis 2019 Offizier in der finnischen Armee und ist derzeit CEO von Comanleas Inc. Beruflich befasst er sich mit der Entwicklung von Bildungssystemen für die Entwicklung von Führungskräften und Coaching. Seit 2006 ist er außerordentlicher Professor und Schöpfer des Deep Lead-Programms, das seit 1998 mehr als 200.000 Menschen geschult hat. Außerdem hat er zehn Bücher zu diesem Thema veröffentlicht. Er ist Schießlehrer auf A-Level und hat zwei Weltmeister trainiert.

all4shooters: Herr Nissinen, sind Sie immer noch Präsident des finnischen Schießsportverbandes? Was ist Ihr Spezialgebiet im Schießsport?

Vesa Nissinen: "Ich bin derzeit der Präsident der FSSF/SAL, ein Amt, das ich seit 2017 innehabe. Ich bin ebenso ein finnischer Meister im Gewehrschießen in der dritten Generation und trete damit in die Fußstapfen meines Vaters und Großvaters. Meine Lieblingsdisziplinen sind dabei das Luftgewehr und der 50-Meter-Gewehr-Liegendwettbewerb".

all4shooters: Was ist die Comanleas Group Inc., also das Unternehmen, dessen CEO Sie sind?

Vesa Nissinen: "Die Comanleas Group Inc. ist unser Familienunternehmen mit Sitz in Litauen. Es ist im Moment nicht sehr aktiv."

all4shooters: Ist die ISSF Academy eine private Organisation?

Vesa Nissinen
Vesa Nissinen (61) war bis 2019 Offizier in der finnischen Armee. Beruflich arbeitet er an der Entwicklung von Bildungssystemen für die Entwicklung von Führungskräften und Coaching.

Vesa Nissinen: "Gemäß der am 6. März 2024 mit der ISSF unterzeichneten Vereinbarung wird die ISSF Academy als unabhängige Einrichtung mit dem Recht zur Nutzung des ISSF-Logos tätig sein. Comanleas Inc. ist ein zweites Unternehmen mit Sitz in Finnland, das für den praktischen Betrieb der Akademie verantwortlich ist, ohne jegliche finanzielle Unterstützung durch die ISSF. Daher überwacht die ISSF-Leitung die Aktivitäten der Akademie über den Vorstand der Akademie."

all4shooters: Welche Grundsätze des Schießtrainings werden in der Akademie vermittelt?

Vesa Nissinen: "Wir konzentrieren uns auf olympische Flinten-, Pistolen- und Gewehrdisziplinen und Schießtechniken. Das ist die grundlegende Ebene. Auf der Leistungsebene zielen wir darauf ab, das Wissen der Trainer sowohl im Bereich des mentalen als auch des physischen Trainings zu vertiefen, neben vielen anderen Dingen. Eines der Grundprinzipien besteht darin, die Schießtrainer darin zu schulen, mit allen Menschen nach unseren Grundwerten umzugehen: Respekt, Vertrauen, Begeisterung und Lernen. Der Aufbau eines professionellen Trainingsumfelds ist eines der Hauptziele. Schließlich trainieren die Athleten, um zu gewinnen, und ein Trainer muss wissen, worauf es ankommt. Der Schießsport ist ebenso sehr ein mentaler wie ein physischer Sport.

Ein Schaubild, das die Ausbildungsstruktur und die Ziele der vier von der ISSF Academy konzipierten Kurse veranschaulicht.

all4shooters: Werden Sie zusätzlich zu den ISSF-Regeln auch Lehrbücher für den Schießsport erstellen?

Vesa Nissinen: "In diesem frühen Stadium haben wir noch keine Pläne für diese spezielle Initiative. Allerdings bieten wir im Rahmen unserer derzeitigen Ressourcen hochwertige Schulungsmaterialien an. Es ist auch erwähnenswert, dass die Akademie in Zukunft in der Lage sein wird, neben der Trainerausbildung auch Kurse und Schulungen zu organisieren.

all4shooters: Wie viele internationale Trainer gibt es derzeit in den verschiedenen Schießsportarten?

Vesa Nissinen "Eine gute Frage, und tatsächlich ist mir die genaue Antwort derzeit nicht bekannt. Es sind mehr als tausend. Wir haben damit begonnen, Informationen zu sammeln, um die Situation genau einschätzen zu können. Es wird voraussichtlich einige Zeit dauern, bis diese Aufgabe abgeschlossen ist, mindestens mehrere Monate. Wir werden weiter fleißig daran arbeiten, ein vollständiges Lagebild über die olympischen Disziplinen zu erstellen.

all4shooters: Wir verstehen, dass bereits zertifizierte Trainer sich in der Akademie erneut "validieren" müssen...

Die ISSF-Akademie hat das Ziel, Ausbilder in allen Schießsportdisziplinen auszubilden.

Vesa Nissinen: "Unser Leitgedanke ist, dass ein Kurs zwar grundlegende Informationen vermitteln kann, ein Coach aber erst durch praktische Erfahrung wertvolles Wissen erwirbt. Folglich können aktive Coaches ihre Lizenzen problemlos revalidieren. Denjenigen mit inaktiven Lizenzen empfehlen wir die Teilnahme an Seminaren, um eine Auffrischung zu erhalten. Es ist erwähnenswert, dass unser Online-Grundkurs der Stufe D im Vergleich zu früheren Versionen erheblich verbessert wurde; daher kann es auch für Inhaber einer aktuellen Lizenz von Vorteil sein, den Kurs freiwillig zu wiederholen."

(Das Interview führte Massimo Vallini für all4shooters.com)


HINWEIS: Das CAR-Formular (Coach Activity Report) ist bereits auf der Website verfügbar und kann von allen Inhabern einer ISSF-Trainerlizenz ausgefüllt werden.

Das Programm soll Trainern das Wissen und die Fähigkeiten vermitteln, die sie benötigen, um ihren Sportlern zu helfen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Es basiert auf den neuesten Erkenntnissen der Sportwissenschaft und Trainingstheorie und wird von einem Team erfahrener Trainer und Sportwissenschaftler durchgeführt. Das Programm ist so konzipiert, dass es flexibel und zugänglich ist und es den Trainern ermöglicht, in ihrem eigenen Tempo und in ihrer eigenen Zeit zu lernen.

Englischkenntnisse erleichtern die Absolvierung des Kurses, aber die Lernplattform ermöglicht auch die Übersetzung der Materialien in die Muttersprache des Lernenden. Trainer, die das Programm abschließen, erhalten ein Abschlusszertifikat von der ISSF Academy. Nissinen schätzt, dass es möglich sei, Hunderte von Personen in ein oder zwei Jahren auszubilden.

Das sind die namhaften Trainer der neuen ISSF Academy

Zum Personal der ISSF-Akademy gehören neben Direktor Vesa Nissinen auch der britische Ausbildungsleiter John Leighton-Dyson und die Verwaltungsleiterin Karoliina Nissinen, die Ehefrau von Vesa. Hier kommen die wichtigsten Namen:

Agathi Kassoumi bringt sechs Olympia-Teilnahmen und fünf Weltcup-Medaillen in die Position als Chefausbilderin für Pistole ein.
Zu den Ausbildern der ISSF Academy gehört die dreifache Olympiasiegerin im Flintenschießen, Kim Rhode (links), hier mit Tanja Loch vom all4shooters-Team.
Susan Natrass
Susan Nattrass aus Kanada leitet die Flinten-Sparte der neuen ISSF Academy als Chefausbilderin.

Für die Flintendisziplinen ist die mehrfache  Trap- und Doppeltrap-Weltmeisterin Susan Nattrass aus Kanada die Chefausbilderin, für Gewehr der Slowake Anton Belak und für Pistole die Griechin Agathi Kassoumi. Für jede Schießdisziplin haben die Chefinstruktoren bereits ein multinationales Team rekrutiert. Weitere "alte" Bekannte in diesen Teams: die Amerikanerin Kim Rhode, ISSF-Vizepräsidentin und dreimalige Olympiasiegerin in Skeet und Doppel-Trap; der Australier Russell Mark, Olympiasieger und zweimaliger Weltmeister; der Italiener Daniele Di Spigno, zweimaliger Doppeltrap-Weltmeister und ab 2021 Trainer der Trap-Junioren-Nationalmannschaft; der Inder Mansher Singh als vierfacher Olympia-Starter und der Australier Lauryn Mark, zweimaliger Olympiateilnehmer und Trainer der australischen Skeet-Mannschaft. 

Für die Gewehrdisziplinen: Elham Hashemi Masoumi, iranischer Trainer und Mitglied des ISSF-Trainerkomitees; Ray Keane, irischer Trainer und ehemaliges Mitglied der Nationalmannschaft seines Landes; Anjali Bhagwat, dreimalige Olympiateilnehmerin und Trainerin aus Indien; Anna Belakova aus der Slowakei, ehemalige Trainerin der Nationalmannschaften der Schweiz, Kuwaits und Kasachstans; Andrea Palafox aus Mexiko, Psychologin, Trainerin und Mitglied der Nationalmannschaft; Rashmi Trivendi aus Indien, Trainerin und Teamassistentin. 

Für die Pistolendisziplinen: Die Georgierin Nino Salukvadze, die 2024 zum zehnten(!) Mal an Olympischen Spielen teilnimmt und schon Olympiasiegerin und Weltmeisterin mit der Pistole war; der Italiener Roberto Di Donna, mehrfacher Weltmeister, Gold- und Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele 1996 in Atlanta, heute Trainer der italienischen Pistolennationalmannschaft; der Bulgare Emil Dushanov, Cheftrainer der japanischen Nationalmannschaft; der Ägypter Seif Eldin, Trainer A der ägyptischen Pistolennationalmannschaft und der Grieche Nektarios Stavrou, Professor für Sportpsychologie und Bewegungsverhalten an der Universität Athen.


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