„Stellen Sie sich vor, Sie schießen mit einem Maschinengewehr auf ein Flugziel in der Größe eines Schuhkartons, das 80 Meter von Ihnen entfernt in 20 Meter Höhe schwebt. Die Geschosse aus Ihrer Waffe gefährden das gesamte Umfeld!“ So anschaulich verdeutlicht Dr. Florian Pfaff, Director Program Management / R&D von der RWS GmbH, die Problematik. Der Gefahrenbereich eines Vollmantel-Weichkerngeschosses aus einer Waffe im Kaliber 7,62 mm x 51 kann bei bis zu 5.000 Metern liegen. „Vertretbar ist der Schuss mit Gefechtsmunition auf eine Drohne eigentlich nur direkt an der Front, wenn die Schussrichtung zum Feind hin geht", so Pfaff weiter. Wegen der hohen Beweglichkeit der kleinen Drohnen ist aber auch das problematisch. Folgt man mit der Waffe dem Ziel, kann der Einschlagsort der Geschosse schnell bei der eigenen Truppe liegen. Im urbanen Verdichtungsraum wäre es eigentlich gar nicht statthaft, in die Luft zu schießen. Zu leicht könnten Menschen von den herabfallenden Geschossen verletzt oder Infrastruktur beschädigt werden.
Der Wunsch war demnach einfach formuliert: Es sollte ein Wirkmittel entwickelt werden, mit dem selbst im urbanen Verdichtungsraum kleine Drohnen abgeschossen werden können, ohne das Umfeld unnötig zu gefährden. Oder anders formuliert: viel Wirkung, aber nur auf kurze Distanz.
Erste Überlegungen zur Patrone für die Drohnenabwehr bei RWS
Denkansätze gab es bei der RWS GmbH zunächst verschiedene. „Als Hersteller von Munition für Jagd und Schießsport richtet sich der Blick fast schon zwangsläufig auf Schrotpatronen“, verrät Pfaff. Das Verhältnis aus Wirkbereich und Gefahrenbereich überzeugte allerdings nicht. Ein Schrotschuss mit den bislang bekannten Patronen würde gegen eine kleine Drohne allenfalls auf Entfernungen von maximal 80 Metern wirken – der Gefahrenbereich wäre allerdings mehrere hundert Meter, abhängig von der Größe der verwendeten Schrote. Weitere Ideen zielten in Richtung eines sich nach einer definierten Flugzeit selbst zerlegenden Geschosses.
Die Lösung lag dann aber eigentlich schon parat. Denn bei RWS gibt es seit Jahrzehnten ein Produkt, das den genannten Anforderungen im Kern entspricht – die Plastik-Trainingspatrone.
Historie der blauen Üb-Patrone 7,62 mm x 51 für die Bundeswehr
Machen wir einen Sprung zurück auf der Zeitleiste – mitten hinein in die Zeit des kalten Krieges. Hinein in eine Bundesrepublik, in der militärisches Übungsgelände nur begrenzt zur Verfügung stand und zudem auch von ausländischen Stationierungskräften stark belegt war.

Die Bundeswehr wünschte eine Übungspatrone, mit einem gegenüber der Gefechtspatrone stark reduzierten Gefahrenbereich. Nachdem man in den frühen Tagen noch Kleinkaliberbüchsen für die Schießausbildung nutzte, war man zunächst zu Kleinkalibereinstecksystemen für das Gewehr G3 übergegangen. Die neue Patrone sollte aber – zumindest in Verbindung mit einem Üb-System – eine Schießausbildung mit den Einsatzwaffen ermöglichen und dabei die Zielaufbauten so wenig wie möglich schädigen. Die dann bei der seinerzeit noch unter dem Namen Dynamit Nobel bekannte Firma entwickelte Plastik-Trainingspatrone wurde bei der Bundeswehr als Üb-Patrone Kaliber 7,62 mm x 51 DM 18 eingeführt und kam mit dem Gewehr G3 etwa zur Ausbildung auf der sogenannten Waldkampfbahn zum Einsatz. Verwendet wurde sie aber auch in Verbindung mit dem Maschinengewehr MG3 auf Lafette zur Ausbildung in der Flugzielbekämpfung. Das nur 0,7 Gramm schwere, an der Mündung aber 1.200 Meter pro Sekunde schnelle Kunststoffgeschoss der Plastik-Trainingspatrone hat genug kinetische Energie, um auf kurze Entfernung Klappscheiben umzuwerfen oder Luftballons zum Platzen zu bringen. Aufgrund seiner extrem geringen Querschnittsbelastung verliert es aber schnell an Geschwindigkeit und damit an Energie. Der Gefahrenbereich schrumpft auf 400 Meter – Schüsse auf fliegende Ziele sind möglich.
Die neue Antidrohnenpatronen Urban Drone Defence Heavy und Light von RWS mit geringem Gefahrenbereich

Die erstmals auf der Enforce Tac 2025 vorgestellte UDD im Kaliber 7,62 mm x 51 knüpft genau hier an. Allerdings ist sie eine komplette Neuentwicklung – hat mit der bisherigen Üb-Patrone nur die Idee gemeinsam. Bei der Üb-Patrone sind Geschoss und Hülse in einem Stück aus blau eingefärbten Kunststoff gespritzt. Der aus Metall gefertigte Patronenboden wird separat eingesetzt. Beim Schuss reißt das Geschoss an einer definierten Stelle von der Hülse ab. Das Geschoss ist deshalb auch etwas kürzer als das der Einsatzpatrone.

Die UDD folgt diesem technischen Ansatz nicht. Hier ist das Geschoss aus einem modernen Polymer gefertigt, wird klassisch in eine Patronenhülse aus Messing gesetzt. Was an Gemeinsamkeit bleibt, ist das äußerst geringe Gewicht des Geschosses und die hohe Mündungsgeschwindigkeit. Aktuell vorgesehen ist die UDD-Patrone mit zwei unterschiedlichen Geschossen. In der Version „Light“ liegt das Geschossgewicht bei rund einem Gramm, in der Version „Heavy“ bei drei Gramm. Wobei die UDD Light bereits im Militär und Behörden-Programm von RWS gelistet ist. Die Mündungsgeschwindigkeit liegt bei bis zu 1.300 Metern pro Sekunde. Daraus ergibt sich bei der UDD-Light ein Wirkbereich von bis zu 120 Metern, bei einem Gefahrenbereich von bis zu 500 Metern. Bei der UDD-Heavy vergrößert sich der Wirkbereich auf bis zu 400 Meter, verbunden mit einem Gefahrenbereich von bis zu 1.300 Metern.
Aktuell in Vorbereitung sind zudem Varianten der UDD mit einem Leuchtspurgeschoss, um Feuerstöße sicher ins Ziel lenken zu können.
Verschossen werden kann die UDD aus allen Waffen des Kalibers 7,62 mm x 51. Bei automatischen Waffen mit Eigenantrieb ist zum Erhalt der Selbstladefunktion ein Üb-System erforderlich. Dabei zeigt die Patrone auf 50 bis 80 Meter gute Präzision, sodass sie auch zum Übungsschießen verwendet werden kann.

Zur Abwehr von Drohnen werden UDD-Patronen aber idealerweise aus einer vollautomatischen Waffe mit hoher Kadenz verschossen. „Das MG 6 der Bundeswehr bietet mit einer Feuergeschwindigkeit von 3.000 Schuss pro Minute beste Voraussetzungen für den Einsatz zur Drohnenabwehr“, erklärt RWS-Entwicklungsleiter Pfaff. Denn beim Schuss auf fliegende Ziele gilt, was man ansonsten grundsätzlich in Frage stellen darf: Viel hilft viel!
Weitere Infos zu der Militär und Behörden vorbehaltenen Patrone erhalten Sie auf der Produktseite der RWS GmbH zur UDD.
Hier finden Sie ein Herstellervideo zur RWS UDD mit Beispielszenarien aus der Drohnenabwehr.










