Handgranaten aus Russland - Teil 2


Kombinierte Granaten

Diese Munitionsart gewährleistet eine kombinierte kinetische Wirkung gleichzeitig mit anderen nicht tödlichen Wirkungsfaktoren (Knall, Licht, Reizgas, elektrischer Impuls, Markierung mit Farbe), da ihre Bestandteile in der Zusammenwirkung wesentlich effektiver sind.

Ein gutes Beispiel für eine Handgranate mit kombinierter Wirkung ist die Sturmhandgranate „Krol“. Ihr roter Kunststoffkörper enthält eine kleine Sprengladung, ein Pulver mit einem Reizstoff sowie 9 Gummikugeln. Bringt der Verzögerungs-Aufschlagszünder die Sprengladung zur Explosion, wird sehr schnell (in ca. 0,1 Sekunden) eine Aerosolwolke mit einem Volumen von 50 m³ erzeugt. Die von der Ladung beschleunigten Gummikugeln besitzen genügend Energie für Mannstoppwirkung, aber sie sind für den Gegner nicht tödlich. Der Zünder der Granate ist dem Zünder UDZ für die Splittergranaten RGO und RGN sehr ähnlich. Der Splitterradius beträgt 2 bis 10 Meter. Die Verzögerungszeit liegt bei 2-3 Sekunden. Die Betriebstemperatur beträgt -40° C bis +40°C. Dieses Modell ist aktuell im Einsatz bei der russischen Polizei. 

In den Jahren 2006-2007 wurde die kombinierte Granate 1-OP-06 „Drofa“ getestet, die sich durch drei Wirkungsweisen (Reiz, Knall- und Lichteffekt) auszeichnet. Die Granate erzeugt während 10 Sekunden eine 50-m³-Gaswolke aus Tränengas CR (Dibenzoxazepin) oder CS-Reizgas. Die Lichtstärke beträgt 2 Millionen Candela, der Schalldruck liegt bei 120 dB auf einer Distanz von 5 Meter. Da die Orientierung der Zielperson durch die Zündung der Granate vorübergehend eingeschränkt wird, ist diese nicht in der Lage, rechtzeitig die entsprechenden Schutzmaßnahmen gegen Reizgas, wie die Verwendung von Atemmasken, nassen Tüchern, Antidot-Tranquilizern oder Zurückwerfen der Granate, auszuführen. Die Granaten „Drofa“ haben sich sehr gut in der Praxis bewährt. Die russische Miliz verwendete sie zum Beispiel bei Krawallen nach einigen Fußballspielen. Die Fußballhooligans konnten nicht, wie gewöhnlich, die Granaten greifen und zurückwerfen. Deshalb ist es mit dem Einsatz dieser Modelle sehr schnell gelungen, die randalierende Masse der Fußballfans zu vertrieben. Die „Drofa“ wurde vom MWD (dem Russischen Innenministerium) eingeführt und in FKP „SMZ“ in kleinen Serien produziert. Derzeit produziert das russische Werk die Granate mit einer verstärkten Leistung unter der Bezeichnung „Drofa-PM“. Die verstärkte Version hat einen blauen Körper, während die normale „Drofa“ über einen grünen Granat-Körper verfügt. So kann man beide Varianten besser unterscheiden.     

Teil 2: Russische Handgranaten
Die russische Granate „Drofa“ 1 -OP-06

Die Schockgranate „Vjuschka“ explodiert mit einem lauten Knall (130 dB in 10 Meter Entfernung) und sehr hellem Licht (2 Millionen Candela). Durch die Lautstärke und die Druckwelle lenkt sie den überraschten Täter von der eigentlichen Polizeiaktion ab. In der Zündmischung befinden sich auch 750 Gummikugeln mit einem Durchmesser von 7,5 mm, die bei der Explosion mechanisch auf den Täter wirken. Der Kunststoffhandgranatenkörper hat eine knallrote Farbe. Die Betriebstemperatur ist -30 bis +50°C. Optisch unterscheidet sich die Granate „Vjuschka“ von der Granate „Vprysk-P“ lediglich durch die Farbe des Körpers.

Die Granaten-Modelle GSZ-T und GSZ-Sch sind die verstärkten Ausführungen der Granate GSZ, die neben einem Lichtblitz mit einer Stärke von 2 Mio. Candela durch einen lauten 130-dB-Knall (GSZ-T) oder Gummiposten (das Modell GSZ-Sch, enthält 44 Gummikugeln) auf den Täter zusätzlich wirken. Außerdem erzeugen sie bei der Explosion während 4 Sekunden eine starke Rauchentwicklung.

Die Schockgranate GSZ-F „Vystrel“ wirkt auf die Zielperson durch einen sogenannten Blitz-Knall-Satz sowie mit 24 Gummikugeln. Im Unterschied zu anderen Schockgranaten ist sie in Form einer Scharfgranate F-1 ausgeführt, wodurch ihr Einsatz einen stärkeren psychologischen Effekt hat. Optisch kann man die „Vystrel“ kaum von der in Russland sehr bekannten und weit verbreiten Granate F-1 unterscheiden. Die Granate verwendet den Zünder UZRGM mit einer speziellen Sprengkapsel. Die Blitz- und Knall-Eigenschaften sind der Granate GSZ ähnlich.  

Die RGK-60KD ist eine Kombination der Granaten RGK-60RD und RGK-60SD, die sowohl mit Gas-Submunitions RZ als auch mit Knall- und Licht-Submunitions ausgestattet ist.

Thermobarische Granaten 

Sie gehören zu den tödlichen Waffen. Allerdings haben sie einen kleineren aber stabilen Wirkungsradius, da keine großen Splitter bei ihrer Explosion entstehen. Im Unterschied zu Splittergranaten vernichtet sie das Ziel durch eine Druckwelle und die große Hitzeentwicklung. Deshalb ist diese Granatenart insbesondere für den Antiterror- und Polizeieinsatz gut geeignet.

Die thermobarische Handgranate RG-60TB gehört zu einer Anfang der 2000er Jahre vom Forschungsinstitut NIIPKh entwickelten Familie von speziellen Handgranaten, die einen ähnlichen Aufbau und einen identischen Durchmesser von ca. 60 mm haben. Die RG-60TB dient für Sturmangriffe und kann gegen Feinde im offenen Gelände sowie in unterschiedlichen Befestigungen oder auch in geschlossenen Räumen eingesetzt werden. Außerdem ist die Granate in der Lage, ein ungepanzertes Fahrzeug, z.B. ein Auto, völlig zu zerstören. Sie verfügt über einen ovalen Handgranatenkörper und einen traditionellen Verzögerungszünder vom Typ UZRGMDa. Die brennbare Substanz der RG-60TB enthält fast kein Oxidationsmittel. Die Explosion wird durch die Luftentzündung wesentlich erhöht. Das TNT-Äquivalent dieses Brennstoffes beträgt 0,5 kg, wodurch die Wirkung der RG-60TB mit einem Geschoss im Kaliber 76-85 mm vergleichbar ist. Der Wirkungsradius beläuft sich auf 7 Meter.

Nebelgranaten

Die bekannte und weit verbreitete Granate RDG-2 wurde Ende der 1940er Jahre im NIIPKh (damals NII-862 GKOT) entwickelt und 1949 in die Bewaffnung der Sowjetarmee und des Warschau Paktes aufgenommen. Sie wird zur Tarnung und Blendung des Gegners, sowie als Übungsmittel zur Imitierung von brennender Militärtechnik benutzt. Die Granate besteht aus einem Kartonzylinder, der von oben und unten mit zwei Kartondeckeln geschlossen ist. Innerhalb des Zylinders befinden sich die Aerosol- und Brandmischung sowie der Reibungszünder. Um die Granate zur Explosion zu bringen, muss man eine von zwei Maschen herausreißen. Die Mischung fängt an zu brennen und erzeugt eine Nebelwolke. Die RDG-2 ist wasserdicht und kann einen Nebelvorhang auf dem Wasser erzeugen. Die Granate RDG-2 gibt es in drei Versionen, die optisch identisch aussehen und sich nur durch die Markierung unterscheiden: RDG-2b, RDG-2tsch und RDG-2kh. Die Zündungszeit ist 10 Sekunden, die Wurfweite beträgt 30 bis 35 Meter. Der Nebelvorhang der Granate RDG-2b ist weiß und ca. 30-35 Meter lang. Er wird in 50-90 Sekunden nach der Explosion erzeugt. Die Granate RDG-2tsch hat die gleichen Eigenschaften, aber ihre Nebelwolke ist schwarz. Die Variante RDG-2kh erzeugt eine Nebelwolke aus Reizgas und imitiert so einen chemischen Angriff des Gegners. Die Granaten der RDG-2-Familie wurden intensiv im Afghanistankrieg eingesetzt, wobei sie nicht nur als Schutzschirm (er reduzierte die Verluste von Personal und Technik um den Faktor 2 bis 4)) sondern auch für das Ausräuchern der Mudjaheddin-Kämpfer aus Deckungen und Gebirgshöhlen eingesetzt wurden.

Teil 2: Russische Handgranaten
Russische Nebelgranaten RDG-2tch (links) und RGD-2kh

Bei der Handgranate RDG-P (in Dienst ab 1981) handelt es sich um eine verbesserte Ausführung der RDG-2 mit dem Handgranatenkörper aus Kunststoff, der mit einem Metallring verstärkt ist. Der vor dem Wurf abzunehmende Gummideckel schützt der Reibungszünder. Die Granate entwickelt in 3 Sekunden nach der Zündung dunkel-grauen bis hell-grauen Tarnrauch. Durch Zugabe von Aluminiumpulver erzeugt die RDG-P eine besonders hohe Temperatur/Druck-Kombination. Deshalb kann man mit ihr auch Angriffs-Ziele in Brand stecken. Der Einsatzbereich der Granate bewegt sich in einem Temperaturspektrum vom -50°C bis +50°C. Überwiegend wird diese Granate bei Marineinfanterie, Aufklärungs- und Spezialeinheiten eingesetzt, wo eine besonders zuverlässige Zündung, insbesondere bei Feuchtigkeit und Nässe, notwendig ist.

Die RDG-K gehört zu Signalgranaten. Sie erzeugt innerhalb von 60 Sekunden eine Nebelwolke, die unterschiedliche Farben haben kann. Die Granate verfügt über einen langen, zylindrischen Körper, den üblichen Verzögerungszünder mit einem Sicherheitshebel und einem Sicherheitssplint mit Ring.  

Die Brand- und Nebelgranate RG-60DZ der vereinheitlichten Granatenfamilie RG-60 erzeugt eine Nebelwand von mindestens 10 Meter Länge und 3 Meter Höhe. Zudem ist sie in der Lage, bis zu 10 Brandherde gleichzeitig zu produzieren.

Die Nebelgranate RDG-M „Dym“ ist für den Einsatz auf die kurze Distanz (5-20 Meter) entwickelt worden und dient zur Tarnung von Soldaten im offenen Gelände. Sie kann sehr schnell, nur in 1-2 Sekunden eine 10 Meter lange und 3 Meter hohe Aerosol-Nebelwolke erzeugen. In Abhängigkeit von der Windstärke beträgt ihre Nebeldauer 20 bis 30 Sekunden (mindestens 15 Sekunden). Die Granate wurde laut Verordnung der russischen Regierung Nr. 261-r vom 10.03.2007 in die Bewaffnung von Truppen des Innenministeriums aufgenommen.

Die Nebelgranate mit sehr hoher Augenblickwirkung GRD erzeugt schnell (unter 1 Sekunde) eine 250 m³- Nebelwolke. Dafür ist sie mit einem Aufschlags-/Verzögerungs-Standardzünder ausgestattet. Sie wurde im Auftrag des FSB (Russischer Geheimdienst) entwickelt und mit den Granaten „Vprysk-P“ und „Vjuschka“ technisch vereinheitlicht. Damit die GRD sich von diesen Granaten unterscheidet, ist ihr Körper schwarz gefärbt.

Chemische Übungsgranaten

Die chemische Übungsgranate IGN imitiert die Explosion einer chemischen Munition, die einen flüchtigen Kampfstoff enthält. Sie besteht aus zwei Kartonzylindern und ist mit einem Reizstoff vom Typ UBNOV-1 gefüllt. Das ist eine Mischung aus 52% Cloracetofenon und 48% Torfmehl. Als Zünder dient ein zylindrischer Standard-Knallkörper, der in den inneren Zylinder gesteckt werden muss. Bei der Explosion erzeugt die IGN eine Gaswolke mit 5 x 5 Meter Durchmesser, wobei der Übungsgiftstoff auf eine Distanz von 100 bis 500 Meter wirkt. Der Sicherheitsradius beläuft sich auf 50 Meter. 


Brandschutzgranaten

Diese absolut neue Munitionsart wurde dank der Rüstungskonversion entwickelt und wird nur für zivile Einsatzzwecke verwendet. 

Die Granate RISP-1 „Lotos“ dient dem Ablöschen von Bränden in Gebäuden. Insbesondere bei Explosionsgefahr in kleinen Räumen bis zu 10 m³. Im Unterschied zu üblichen Feuerlöschmitteln braucht man hier keinen Zutritt zu dem brennenden Raum. Die Granate „Lotos“ kann durch Fenster oder Türen in den Brand „eingeworfen werden“. Die „Lotos“ besteht aus einem Zünder und einem runden Körper aus Polyethylen, der mit Sodapulver gefüllt ist. Die Granate zündet mit einer Verzögerung von 3 bis 5 Sekunden. Dann zerstört der Zünder den Körper an den vorgesehenen Sollbruchstellen, so dass die Granate sich einer Lotosblume ähnlich öffnet. Löschpulver wird aus dem Granatenkörper ausgestoßen und wirkt auf die Flamme sowohl mechanisch (durch den Pulverstrahl) als auch chemisch. Zudem dringt der Löschstrahl hinter jedes Hindernis ein. Dadurch werden Schäden für die Innenausstattung des Raums minimiert. Die „Lotos“ wurde in Auftrag des russischen Ministeriums für Zivilschutz im Ingenieur-Forschungsinstitut FGUP „NIII“ in der Stadt Balaschicha bei Moskau entwickelt, das sonst hauptsächlich mit Minenabwehr und Unterseebootbekämpfung beschäftigt ist. Im Jahr 2010 wurde eine Versuchsserie der Granaten zur Erprobung beim Zivildienst hergestellt. 

Teil 2: Russische Handgranaten
Schnittmodell der russischen Granate RISP-1 „Lotos“

Übersicht über die russischen Handgranaten-Modelle:

Teil 2: Russische Handgranaten
Die Granatenfamilie RG-60 von NIIPKh: a) RGK-60KD; b) RGK-60SZ; c) RGK-60RD; d) RGR „Rulet-VV“; e) RG-60TB; f - RG-60AZ

Die Hersteller der sogenannten „speziellen Handgranaten“ sind derzeit OAO FNPZ „NIIPKh“ in Sergijew Posad (RG-60Az, „Dreif-2“, RGK-60RD, RGK-60SZ, RGK-60KD, RG-60TB, RDG-M „Dym“, RGR „Rulet-VV“, „Zarja-3“, GSZ), FKP „Mechanisches Werk Saransk“ („Drofa“, „Zarja-2“, „Plamja“, „Plamja-M“, „Fakel“, „Fakel-S“), FGUP „Produktionsvereinigung Tscheboksary namens W.I. Tschapajew“ (RDG-2), OAО/FGUP „Signal“ in Tscheljabinsk (RGD-P).



Technische Daten der russischen Handgranaten

(1) Russische kombinierte Granaten / technische Daten: 

Bezeichnung
Einführungsjahr
 & Entwickler
Granat-
körper
Wirkungs-ladung
Gewicht, kg
Länge, mm
Durch-messer mm
Krol

Kunststoff

0,5


1-OP-06 Drofa
NPO „KROS-T“
Nichtmetall




Vjuschka

(SW-1319)

NIIPKh
Kunststoff

0,135
137
66 x 66
GSZ-T, GSZ-Sch
NIIPKh

44 Kugel
0,56
95
55
RGK-60KD
2008, NIIPKh
Kunststoff

0,175
173
58,2


(2) Russische thermobarische Grananten / technische Daten: 

Bezeichnung
Einführungsjahr
 & Entwickler
Granat-
körper
Wirkungs-ladung
Gewicht, kg
Länge, mm
Durch-messer mm
RG-60TB
2006, NIIPKh
Kunststoff
240 g Aerosol-sprensstoff
0,35
175
58

(3) Russische Nebelgranaten / technische Daten: 

Bezeichnung
Einführungsjahr
 & Entwickler
Granat-
körper
Wirkungs-ladung
Gewicht, kg
Länge, mm
Durch-messer mm
RDG-2kh (VO.21)
1949
Karton
450 g Nebelstoff
0,5-0,6


RDG-2b (VO.28)
1949
Karton

300-350 g

Nebelstoff

0,5-0,6
215
53
RDG-2tsch (VO.22)
1949
Karton

300-350 g

Nebelstoff

0,5-0,6
220
53

RDG-P (VO.2.02.00)

1981
Kunststoff oder Metall

0,52


RDG-K
NIIPKh


0,3
190
50
RG-60DZ
Anfang 2000, NIIPKh
Kunststoff
250 g 
Füllstoff
0,35
175
58
RDG-M Dym
2006, NIIPKh
Kunststoff

0,35
13766
GRD (SW-1357)
NIIPKh


0,35
175
58

(4) Russische chemische Übungsgranaten / technische Daten: 

Bezeichnung
Einführungsjahr
 & Entwickler 
Granat-
körper
Wirkungs-ladung
Gewicht, kg
Länge, mm
Durch-messer mm
Uch. JaDG
1950er, 
Staatliche 
Unternehmen
Karton

190-210 g

Mix UBNOV-2

0,25-0,27
135
47
IGN
1950er, 
Staatliche 
Unternehmen
Karton
100 g Giftstoff UBNOV-1
0,18
100
71
IGS
1950er, 
Staatliche 
Unternehmen
Karton
450 g Giftstoff IV-B
0,81
100
120
IGS-P
1950er, 
Staatliche 
Unternehmen
Kunststoff
450 g Giftstoff IV-B
0,5
93
105

(5) Russische Brandschutzgranate / technische Daten: 

Bezeichnung
Einführungsjahr
 & Entwickler
Granat-
körper
Wirkungs-ladung
Gewicht, kg
Länge, mm
Durch-messer mm
RISP-1 Lotos
1990er, FGUP „NIII“
Kunststoff
1.300 g Feuer-löschstoff+5 g Spreng-ladung DRP-3
1,5
240
128