Alexander John Forsyth und die Erfindung der Perkussionszündung

Alexander John Forsysth
Der presbyterianische Pfarrer und Erfinder Alexander John Forsysth.

Der Norden der britischen Inseln ist ein raues Land. Nass oder kalt, oft beides gleichzeitig. Dabei immer windig. Die Eingeborenen erzählen zwar, dass es auch schöne Zeiten geben soll. Aber warum destillieren sie dann Lebenswasser, essen Schafinnereien und stechen Torf? Außerdem sind die Schotten religiös und ihre Priester recht erfinderisch. Dass sich diese Fähigkeiten nicht nur auf den lieben Gott beziehen, bewies Alexander John Forsyth. Am 28. Dezember 1769, in Belhelvie, Aberdeenshire als Sohn eines presbyterianischen Pfarrers geboren, studierte er am Kings College in Old Aberdeen und nahm 1791 die Stelle seines verstorbenen Vaters ein. Da die Kirche auf den Inseln auf Spenden oder Vermögen angewiesen war (und ist), war die Jagd auf den Sonntagsbraten mitunter notwendig – und das führte wieder zum Wetter.

Warum suchte Forsyth nach einem neuen Zündpulver und einem neuen Gewehrschloss?

Forsyth ärgerte sich an seinem Gewehr über das zu dieser Zeit gängige Steinschloss. Nicht nur musste er das Pulver trocken halten, sondern auch verhindern, dass der Wind es nicht von der Zündpfanne seines Schlosses blies. Dazu musste er dieses umwickeln. Bis er diese Partie wieder ausgepackt hatte, war so mancher Braten in spe verschwunden. Und dann erst die Moorhühner! Forsyth stellte fest, dass das clevere Federvieh schon beim Aufblitzen des Zündpulvers in der Pfanne Deckung nahm. Nun hatte er als Pfarrer seiner kleinen schottischen Landgemeinde viel freie Zeit – und gute handwerkliche Fähigkeiten. Er richtete sich im Garten einen Schuppen ein, bald bekannt als "Forsyths smithy" (= Schmiede). Dort tüftelte er an Mechanischem wie Chemischem. Erstes Ziel: ein nässeunempfindliches Zündpulver, und, da schon einmal dabei, auch ein gegen Feuchtigkeit gefeites Gewehrschloss – Ziel zwei.

Knallquecksilber als Detonationsmedium war bereits bekannt, hatte aber Nachteile, da sehr schlag- und stoßempfindlich. Experimente mit dem Quecksilber-Fulminant funktionieren unter Laborbedingungen, in der Praxis zerfällt es leicht und ist hochgiftig. Also hieß es, etwas zur Stabilisierung beizumengen. Forsyth probierte Holzkohle und Graphit. Er mischte schließlich ein Zündpulver, das sich ohne Probleme transportieren ließ und auch bei Feuchtigkeit einwandfrei zündete: Problem eins war gelöst. Blieb das Steinschloss. Dessen Hahn wollte er beibehalten. Er zeigte ja auch sicher an, ob die Waffe gespannt war. Die Zündpfanne war der Störenfried – wie aber sonst den Zündstrahl in den Lauf bringen?

Forsyths erste Version: Scent Bottle

Forsysth Perkussionsschloss
Die Funktionsweise: Der fallende Hahn schlägt auf den Schlagbolzen. Der entfacht das Zündmittel im Inneren der „Flasche“. Von da aus geht der Zündstrahl zum Treibladungspulver.

Forsyth verlängerte das Zündloch nach außen. Hier brachte er einen hohlen Schraubgewindestift an und drehbar daran gelagert einen Behälter, der sein Zündmittel enthielt. Weil die Box aussah wie ein Riechfläschchen, nennt die Fachwelt das so bestückte, unverwechselbare Schloss "Scent Bottle Lock". Oben im Fläschchen sitzt ein gefederter Schlagbolzen. Den treibt der Schlag des Hahns nach unten auf das Zündmittel. Im Mittel und je nach Konsistenz reichte die Menge im Behälter für fünf bis sechs Zündungen. Befüllt wurde durch eine (später mittels Kork- oder Elfenbeinplättchen) verschlossene Bohrung. Diese Partie ist auch als Entlastung für den Fall gedacht, dass sich das Zündmittel einmal komplett entzünden sollte. Oben verschließt eine per Gabelschraubendreher zu lösende Mutter den Behälter. Der waagerechte Schraubgewindestift steckte seitlich im Lauf und hatte zwei in rechtem Winkel zueinanderstehende Minibohrungen. Die vertikale Bohrung war oben etwas größer zu einer runden Kammer ausgeführt. Hier drin erfolgt die eigentliche Zündung durch Perkussion, also per Schlag. Daher war diese Kammer zum Schutz gegen Ausbrennen häufig mit Platin gefüttert, wie Sammler es von den Zündlöchern hochwertiger Stein- und Perkussionsschlosswaffen kennen. Von der Kammer aus trifft der Zündstrahl auf die kleine vertikale Bohrung, dann geht er rechtwinklig durch den Gewindestift auf die Pulverladung im Lauf.

Aufbau Forsyst Perkussionsschloss
Waagerecht von dem Element mit Zündmittel und Schlagbolzen geht ein hohler Gewindestift ab: Er verbindet das Zündelement mit dem Lauf und leitet den Zündstrahl zu ihm hin.

Die Waffe wurde wie gewohnt von vorn durch den Lauf geladen. Nun drehte der Schütze das Fläschchen um zirka 180 Grad. Entsprechende Ausfräsungen begrenzten den Weg exakt. Stand der Schlagbolzen unten, rieselte aus dem Behälter so viel Zündpulver in die vertikale Gewindestift-Zündkammer, bis sie voll war. Jetzt die Flasche zurückdrehen, der Schlagbolzen lag oben, die Waffe war bereit. Sie ließ sich so sicher transportieren. Zum Schuss den Hahn spannen. Beim Feuern schlug er auf den Schlagbolzen, der die Anzündladung zündete. Dabei kam es außen am Gewindestift zu geringen Schmauchspuren. Die musste man wegen der hohen Präzision des Elements sofort abwischen, um ein Festfressen zu vermeiden. Dazu gab es im Fläschchen auf der Drehfläche eine rechteckige Ausfräsung. In ihr saß ein gefettetes Leder- oder Korkstückchen. Damit wurde der Gewindestift regelmäßig geschmiert. Diese Schlossart wurde ständig weiter verbessert. Anfangs wurde der Gewindestift durch die Schlossplatte in den Lauf geschraubt. Auch das Fläschchen war erst nach dem Lösen von Schrauben abnehmbar, was das Zerlegen arg erschwerte. So schraubte man später den Gewindestift direkt in den Lauf, die Schlossplatte hatte eine entsprechende Ausnehmung und die Flasche ließ sich via Federschnäpper ebenfalls unproblematisch entfernen. Und statt einer gab es später zwei Ausfräsungen mit Schmierläppchen.

Forsyths zweite Version: Sliding Lock

Hier ist der Zündmittelbehälter mit dem Hahn gekoppelt. Diese Variante heißt gleitend (= sliding), weil der Zündpulverbehälter auf einer Schiene am Schloss vor und zurücklaufen kann. Beim Hahnspannen holt eine Koppelstange den Behälter nach hinten. Zündmittel rieselt in eine runde Bohrung, die als Zündkammer dient. Der Hahn schlägt ab und entfacht die Anzündladung. Dazu hat er eine spezielle Form. Der eigentliche Schlagbolzen ist im Hahn eingeschraubt. Auch er ist ein Verschleißteil. Während der Hahn abschlägt, schiebt er über die Stange den Zündpulverbehälter aus der Gefahrenzone.

Im Dienste Seiner Majestät:

Forsyth Pistole mit Schiebesicherung hinter dem Hahn
Hinter dem Hahn sitzt eine typisch englische Schiebesicherung. Vor der Zündmittelflasche begrenzt ein Anschlag die Drehbewegung.

Forsyth hatte einflussreiche Verwandte mit guten Verbindungen zur Regierung. Sie machten im Februar 1806 Francis Rawdon-Hastings, den Earl of Moira, darauf aufmerksam – der Mann, der verantwortlich für das britische Kriegsmaterial war. Der Edelmann bat Forsyth, sein Schloss im Tower weiter zu verbessern, um es auch kriegstechnisch einsetzen zu können. Das begann sofort unter strikter Geheimhaltung. Forsyth bekam eine erste Zahlung von 100 Pfund. Die Weiterentwicklung dauerte länger als gedacht, der Pfarrer musste um Urlaub von seiner Kirche bitten und einen Vertreter stellen. Diese Kosten übernahm das Kriegsministerium. Als Honorar vereinbarte Forsyth den Gegenwert des in zwei Jahren durch die Einführung seines Schlosses bei der Armee eingesparten Schießspulvers. Lord Moira verbot ihm, seine Erfindung während der Arbeit im Tower patentieren zu lassen. Moira erhielt das erste gefertigte Doppelgewehr zum Privatgebrauch. Gleichzeitig begann die Arbeit an einem Zündschloss für Kanonen. Aus Geheimhaltungsgründen verlagerte Forsyth seinen Arbeitsplatz in eine gemietete Werkstatt außerhalb des Tower. Dort arbeitete er mit seinem Gehilfen Joseph Vicars.

Forsyth Pistole Einfüll- und Entlastungsöffnungen
Unten an der Flasche gibt es eine Einfüll- und Entlastungsöffnung, sie ist per Elfenbeinplättchen verschlossen: ein weiteres Detail dieser edlen Pistole. Man beachte die feinen Gravuren und die exzellenten Passungen.

Im April 1807 kam ein neuer Zeugamtschef. Der ließ die Arbeiten flugs einstellen. Möglich, dass er den Nutzen von Forsyths Arbeit nicht erkannte – wohl aber sah er die damit verbundenen Probleme: Sollte das Riechfläschchen-Zündsystem sicher funktionieren, musste man das filigrane Teil mit höchster Präzision fertigen, unter anderem mit von Hand einzuschleifenden Gewindepassungen. Und das Auswechseln ausgebrannter Kleinteile wie Schlagbolzen und Feder war nichts, was im Feld die grobmotorischen Hände ungeübter Soldaten hinbekommen hätten, ganz zu schweigen von dem Mini-Deckel der Entlastungsöffnung. Die Regierung hatte die Angelegenheit knapp 604 Pfund gekostet, nach heutigem Wert rund 119.000,- Euro. Da das Schloss nicht eingeführt wurde, sah Forsyth kein Geld. Da ging er andere Wege.

Alexander John Forsyth – der Unternehmer:

1807 erhielt Forsyth das Patent No. 3032. Die dafür notwendige Zeichnung fertigte ein Freund namens James Watt – richtig, der mit der Dampfmaschine. Die Schrift nennt die Zusammensetzung des Forsyth-Zündpulvers: 3 Teile Kaliumchlorat, 0,5 Teil Schwefel und 0,5 Teil Holzkohle. Um seine Erfindung zu vermarkten, gründete er mit seinem finanzstarken Cousin James Brougham im Juni 1808 die Forsyth Patent Gun Company. Hier verbauten Forsyth und seine Mitarbeiter – unter ihnen der später für seine Flinten bekannte James Purdey – die neuen Zündsysteme. Zuerst Schlosstyp eins, also das Riechfläschchen, zu finden bei allen Gewehren, aber nur selten bei Pistolen. Von zirka 1813 bis ungefähr 1828, dem Beginn der Zündhütchen-Ära, nutzte Forsyth speziell für Pistolen seine zweite Schlossvariante, bei der der Hahn mit dem Zündelement gekoppelt war. Es entstanden 4.500 Stück aller Typen, jedes Schloss ist nummeriert. Vermutlich entstanden nicht ganz so viele komplette Waffen, denn Forsyth lieferte die Schlosse auch solo, um alte Waffen umzubauen. Das Unternehmen hatte von Anfang an einen ausgezeichneten Ruf und gehörte zur Creme de la Creme der Londoner Büchsenmacher. Ihre Waffen waren teuer, aber eben auch vorzüglich. Und so bestand das Unternehmen bis zum 29. September 1852, dessen Ende erlebte Forsyth nicht mehr. Am 11. Juni 1843 verstarb er mit 73 Jahren beim Verzehren eines Frühstückseis. Ungefähr zum Zeitpunkt seines Todes gestand ihm die Regierung eine finanzielle Anerkennung von 1.000 Pfund für seine Tüftelarbeit zu. Geld, das posthum unter seinen Verwandten verteilt wurde. Die sorgten für Forsyths Bestattung auf dem Friedhof in Belhelvie, nahe seinem Wohnhaus Manse – das Grab ist noch vorhanden, die Forsyth-Schmiede im Garten freilich verschwunden. Immerhin erinnern im Tower von London und in der Universität Aberdeen Bronzeplatten an den erfinderischen Gottesmann.

Aber auch solche Ehrungen täuschen nicht darüber hinweg, dass Forsyths Weg in eine Sackgasse geführt hat. Seine beiden Systeme waren zu aufwändig und zu empfindlich. Und schon ungefähr zur Zeit seiner Experimente im Tower erfand Jean Samuel Pauli in Paris den Hinterlader für Zentralfeuerpatronen. Doch legte Forsyths Arbeit anderswo die Basis: Zwischen 1814 und 1822 begannen Männer wie die Büchsenmacher Joseph Manton, William Smith und der Landschaftsmaler Joshua Shaw damit, Schlosse mit Zündkanal-bewehrten Nippeln ("Pistons") zu versehen und dafür per Hahnschlag zu zündende Metallkäppchen zu entwickeln. Und diese Zündhütchen waren anfangs bestückt mit jenem Zündmaterial, das Forsyth entwickelt hatte.

Hinweise zum Kauf von Forsyth-Waffen:

Forsyth Pistole in rechter Seitenansicht
Forsyth-Pistole mit Zündsystem in Flaschenform. Bräunierter Damaststahllauf, buntgehärtet, graviert, Nussbaumschaft mit handgeschnittener Fischhaut: alles in ebenso atemberaubender Verarbeitung wie Erhaltung.

Wegen ihrer technischen Bedeutung sind Forsyth-Waffen gesucht und teuer. So erzielten in der Mai-Auktion bei Hermann Historica eine bildschöne und seltene Pistole mit Riechfläschchenschloss 12.000,- Euro und ein loses Schloss 2.800,- Euro, jeweils plus Aufgeld. Ein britischer Sammler entnahm seinem Kasten etwas von dem damals schon 180 Jahre alten Zündpulver, befüllte das Magazin und schlug mehrfach ab. Die Waffe funktionierte einwandfrei. Zur Strafe durfte er putzen, denn die Mischung ist nicht rostfrei. Was selten ist, wird gern gefälscht: Um 1900 erkannten die Briten, dass amerikanische Sammler tief in die Tasche langten für etwas, das man im Vereinigten Königreich bloß als "alten Schrott" ansah. Flugs entstanden mit Hilfe echter Schlösser neue Forsyth-Gewehre, auch baute man die Schlösser nach. Allerdings beides nicht in der überragenden Qualität der Originalstücke. Deshalb aufgepasst, Forsyth stempelte alle Schlösser mit "Forsyth & Co Patent" auf der Schlossplatte. Bei den Riechfläschchen-Varianten steht zusätzlich unten am Pulverbehälter halbmondförmig "Patent", darüber "F". Auch den in den Lauf geschraubten Bolzen gilt es zu prüfen. Das Original ist zum Lauf hin stets leicht konisch. Beim Sliding Lock steht auch "Forsyth & Co. Patent" auf der Schlossplatte, aber nur selten "Forsyth Patent" auf dem Pulverbehälter. Faustregel für Sammler: Wenn das Schloss unpräzise gefertigt, erscheint, Finger weg.

Text: Stephan Rudloff und Matthias S. Recktenwald


Vielleicht ist bei der nächsten Mai-Auktion von Hermann Historica wieder eine Forsyth-Waffe dabei. Die Auktion findet zu verschiedenen Themenbereichen vom 26. Mai bis zum 2. Juni 2021 statt. Besonders interessant für Sie dürfte sicherlich die Auktion "Schusswaffen aus fünf Jahrhunderten" am 28.5.2021 sein.

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