
Der italienische Waffenhersteller Victrix aus Cazzano Sant‘Andrea, nahe Bergamo in Norditalien, ist für hervorragend verarbeitete und präzise schießende Waffen bereits weit über die Grenzen Italiens hinaus bekannt. Neben den taktischen Repetierer-Modellen wie Pugio, Gladio, Scorpio, Tormento und Corvo stellt Victrix aber auch reinrassige Sportgewehre her. Dabei deckt die Kaliberpalette den gesamten sportlichen Bereich von .22 l.r. bis zur .50 BMG ab. Interessant sind vor allem die verfügbaren Lauflängen, die zum Beispiel im Kaliber .308 Match, .300 Norma Magnum und .338 Lapua Magnum bis zu 813 mm oder 32 Zoll betragen können. Beim sportlichen Modell Crown in den Kalibern .375 CheyTac und .408 CheyTac beträgt die Lauflänge gar 965 mm oder 38 Zoll. Insgesamt sechs Modelle bietet Victrix auch im beliebten (und preisgünstigeren) Kaliber .22 l.r. an. Hierbei reichen die Lauflängen je nach Modell von 406 mm respektive 16 Zoll beim Modell Pugio Small Bore bis hin zu 686 mm oder 27 Zoll beim Modell Scepter Small Bore. Einzig bei diesem Modell werden neben der Standard-Dralllänge von 1:16 Zoll auch 1:10 Zoll und sogar 1:7 Zoll offeriert. Die Small Bore-Modelle (kurz: SB) sollen als Trainersysteme zu den baugleichen großkalibrigen Büchsen mit Zentralfeuerpatronen dienen. Die hier vorgestellte Waffe ist die Small Bore-Ausführung der Victrix Gladio, welche ansonsten in den Kalibern 6,5 Creedmoor, .260 Remington, .308 Winchester und .308 Match angeboten wird. Zunächst werfen wir einen ausführlichen Blick auf die Technik der Victrix Gladio SB.
Die Läufe der Victrix Gladio Small Bore kommen in drei Längen
Beim Lauf handelt es sich um einen gezogenen Match-Lauf aus dem Hause Lothar Walther. Victrix produziert die Gladio SB in den drei Lauflängen 559, 610 und 660 Millimeter (22, 24 und 26 Zoll). Im Laufinneren übernehmen acht Züge und Felder die Geschossrotation, eine volle Umdrehung ist nach 406 mm oder 16 Zoll abgeschlossen, diese Dralllänge ist Standard für die .22 Long Rifle. Die Mündung versieht der Hersteller mit einem metrischen Feingewinde M18x1. Auf diesen hat das Unternehmen Reimer Johannsen als Lieferant der Testwaffe eine verstellbare Mündungsbremse des deutschen Herstellers Sinus Brake montiert. Direkt nach dem Gewinde misst der Lauf 20 mm im Durchmesser. Dieser steigt gleichmäßig auf 23 mm bis rund 150 mm vor der Laufwurzel an. Am System misst der Lauf bereits 29 mm im Diameter.
System, Sicherung und Abzug der Victrix Gladio in .22 long rifle

Die Anbindung des Laufes im System ist technisch sehr aufwendig gefertigt. Dazu steckt die Laufwurzel auf einer Länge von 31,5 mm mittels einer sogenannten Übergangspassung im System. Um den Lauf in der Systembohrung zu fixieren, ist an der Laufwurzel eine schräg verlaufende Nut eingedreht. Am System befinden sich sechs radial verteilte Schrauben, die unter dem gleichen Winkel wie die Nut schräg nach hinten wirken. Die Schrauben drücken auf die Nut und pressen somit die Laufwurzel an ein Widerlager im System auf Block. Zusätzlich drücken acht weitere radial verteilte Schrauben am System im rechten Winkel auf die Laufwurzel, um diese zu klemmen. Somit übernehmen insgesamt 14 kleine Schrauben die Laufaufnahme. Zusätzlich sind Lauf und System als Verdrehsicherung verstiftet. Der Verschlussabstand wird über einen maßgefertigten Rückstoßstollen justiert. Bei der Testwaffe trägt dieser die eingelaserte Zahl 7,0, was auch seiner Dicke in Millimeter entspricht.
Das System an sich besteht aus einem hochfesten, rostträgen Stahl, welcher in der Industrie so auch für Hydraulikzylinder oder Propellerwellen bei Schiffen verwendet wird. Verschluss und System sind mit einer PVD-Beschichtung versehen. Diese Dünnschichtbeschichtung dringt nicht in das Trägermaterial ein, weist aber eine hohe Härte und somit Verschleißfestigkeit auf. Am hinteren Ende des Magazinschachtes ist der feststehende Ausstoßer für den Hülsenauswurf mit dem System verstiftet. Gegenüberliegend auf der Systemoberseite ist eine 151 mm lange Picatinny-Schiene mit einer Vorneigung von 20 Winkelminuten dreifach mit dem System verschraubt. Um einen sicheren Hülsenauswurf zu gewährleisten, ist die Schiene im Bereich des Auswurffenster zusätzlich freigefräst.


Am hinteren Ende des Systems ist die Abzugsgruppe mit diesem verstiftet. Beim Abzug selbst handelt es sich um einen "Single Stage" oder Direktabzug. Dieser ist vom Abzugswiderstand und vom Rasteingriff her justierbar und ab Werk auf 250 g eingestellt. Bei der Testwaffe betrug der Abzugswiderstand 2,2 Newton (222 Gramm). Um die Abzugscharakteristik zu verbessern, sind die Achsen des Abzugszüngels mit winzigen, im Durchmesser sechs Millimeter messenden Kugellagern versehen. Dieser Aufwand lohnt sich auf jeden Fall, da der Abzug eine exzellente Arbeit leistet. Trotz allen Aufwands, den Victrix bei der technischen Umsetzung der Gladio SB betreibt, handelt es sich bei der Zweistellungssicherung lediglich um eine Abzugssicherung. Leider hat diese keine definierten Rastpunkte für die beiden Stellungen, sondern sie lässt sich bei gleichbleibendem Widerstand verschieben.
Der Verschlusskopf trägt zwei um 180 Grad versetzte Auszieher. Dazwischen auf 12 Uhr sitzt der Schlagbolzen mit abgeflachtem rundem Querschnitt. Die abgeflachte Spitze hat den Vorteil, dass die Kerbwirkung auf den Hülsenrand reduziert wird, was wiederum die Gefahr von Durchbläsern senkt. Interessant ist die Anordnung der beiden Verschlusswarzen. Diese sind asymmetrisch in einem Winkel von 150 Grad zueinander angeordnet und verriegeln auf Höhe der Kammerstängelposition. Aufgrund der beiden Verriegelungswarzen musste die eigentliche Verschlusshülse aus einem deutlich größeren Durchmesser gefertigt und der Raum zwischen den Warzen dabei aufwendig "gezeilt" werden (siehe Detailfoto). Somit floss in die Fertigung des Verschlusses viel Bearbeitungszeit, und es musste viel Material zerspant werden. Auch der Kammerstängel ist sehr aufwendig aus einem Stück spanend herausgearbeitet und mit einer der beiden Verschlusswarzen verschraubt. Der Kammerfang dient zugleich als Verdrehsicherung des Verschlusses. Die Gladio SB ist ein Öffnungsspanner mit einem Öffnungswinkel von 60 Grad.
Victrix Gladio Small Bore mit hochwertigem Aluminium-Klappschaft
Der Schaft besteht aus den vier Komponenten Schulterstütze, dem Gelenk für den Klappschaft, dem zentralen Chassis und dem Handschutz. Die Schulterstütze ist aus einer hochfesten Aluminiumlegierung aus dem Vollem gefräst und skelettiert, um Gewicht einzusparen. Auf Knopfdruck lässt sich die Schaftkappe in sieben Rastungen à 10 Millimeter um insgesamt 60 mm in der Höhe verstellen. Nach Lösen eines Klemmhebels lässt sich die Schaftlänge stufenlos um 30 mm einstellen. Zusätzlich ist die Schaftkappe um 360 Grad frei drehbar, solang die Klemmung aufgehoben ist. Ebenso frei drehbar ist die Schaftbacke, welche zusätzlich um 31 Millimeter stufenlos in der Höhe verstellt werden kann. Zudem kann der Schaftrücken axial um gut 30 Millimeter nach vorn versetzt werden. Ein weiterer Klemmhebel gibt den auf der Unterseite montierten Erdsporn frei. Dieser lässt sich mittels einer Schnellverstellung über 68 Millimeter hinweg stufenlos justieren. Eine Feinverstellung erlaubt über ein Feingewinde weitere fünf Millimeter Verstellweg.

Die Verbindung zwischen Chassis und Schulterstütze wird mittels jeweils vier Schrauben vom Klappschaftgelenk übernommen. Dieses ist axial und radial absolut spielfrei, was einerseits durch sehr toleranzarme Passungen und andererseits durch Teflonscheiben bewerkstelligt wird. Der Klappschaft legt sich an die rechte Waffenseite an. Dadurch verringert sich die Länge der Büchse um 247 mm. Ein Ankerpunkt verriegelt diesen dann in dieser Position. Zum Entriegeln muss nur seitlich an der Schulterstütze gezogen werden. Das Chassis ist das zentrale Bauteil der Waffe. Es nimmt die "Barreled Action", den Handschutz sowie die Schulterstütze auf. Das System verbinden bei der Gladio SB drei Schrauben mit dem Chassis. Um die mittlere Schraube zu erreichen, muss zuerst der Pistolengriff und dann der Abzugsbügel entfernt werden.

Der Magazinschacht weist einen einseitigen Magazintrichter auf, da der Schachtrahmen auf der linken Waffenseite großzügig freigefräst wurde. Dadurch lässt sich das Magazin zwar besser greifen und entnehmen, der Magazinsitz wird dadurch jedoch klapprig. Das Magazin selbst wird im Spritzgussverfahren hergestellt und wirkt äußerst stabil. Da der Magazinschacht die Größe der regulären Gladio besitzt, ist das zehn Patronen fassende Kleinkalibermagazin in den eigentlichen Magazinkörper integriert. Durch den beidseitig bedienbaren Schieber lässt es sich sehr bequem laden.
Am vorderen Ende des Chassis befindet sich auf der Unterseite eine direkt aus dem Material herausgearbeitete, 140 mm lange Picatinny-Schiene. An dieser ist der für Victrix typische, sehr massiv gehaltene Aluminium-Tragegriff mittels Klemmung befestigt. Zu guter Letzt bleibt der im Querschnitt oktagonal geformte Handschutz zu erwähnen. Dieser hat auf 12 Uhr eine 420 mm lange Monobloc-Picatinny-Schiene, teilungsgleich und mit gleicher Vorneigung wie die Schiene auf dem System. Gegenüberliegend auf 6 Uhr befindet sich eine weitere Monobloc-Schiene mit einer Länge von 160 Millimeter, zum Beispiel zur Aufnahme eines Zweibeins. Auf 9 und 3 Uhr befinden sich jeweils zehn M-Lok-Aufnahmen. Victrix schützt alle Aluminium-Schaftkomponenten mit einer Keramik-/Polymer-Beschichtung (Cerakote), zu haben in den Farbvarianten Dark Grey, Dark Olive, Drab Green, Medium Flat Brown und Armor Black.
Auf dem Schießstand mit der Kleinkaliber-Repetierbüchse Victrix Gladio Small Bore und dem Laser-Entfernungsmesser Vectronix Vector X

Long Range-Schießen an. Die RWS R Plus Long Range hat dafür ein 43 Grains
schweres Geschoss entwickelt, die anderen verwenden ein Geschoss mit den
standardmäßigen 40 Grains. Speziell für das KK Long Range bietet sich das
neue Messgerät Safran Vectronix Vector X mit integrierter Ballistik Software sehr gut an.
Für die Streukreisermittlung der insgesamt 17 Laborierungen besuchten die Tester einen 300-Meter-Schießstand. Als Optik diente das Kahles-Zielfernrohr K328i auf einer Blockmontage mit verstellbarer Vorneigung. An der unteren Picatinny-Schiene des Handschutzes wurde ein Fortmeier Zweibein mit breiten Kufen montiert, am Hinterschaft kam eine Benchrest-Auflage zum Einsatz. Die Waffe wurde zuerst auf 50 Meter Fleck angeschossen. Danach folgten die Distanzen 100, 150, 200 und 250 Meter. Da die Tester noch den Laser-Entfernungsmesser Vectronix Vector X mit integrierter Applied Ballistics-Software zur Verfügung hatten, wurde für die langsamste Laborierung (Laborierung 13 mit v3 322 m/s) ein Profil im Vector X mit der gemessenen v3 angelegt. Da die Kleinkaliber-Geschosse aufgrund ihrer geringen Geschwindigkeit eine stark gekrümmte Flugbahn aufweisen, wurden vor jedem Distanzwechsel die ballistischen Daten, sprich in diesem Fall der Geschossabfall zu der Fleckschussdistanz, mit dem Vector X gemessen. Die angezeigten Werte stimmten sehr genau, was die Treffer um den Haltepunkt herum eindrücklich zeigten. Dies vereinfachte die Höhenverstellung am Zielfernrohr nach einem Distanzwechsel erheblich.

auf der Waffenunterseite ist typisch für die
taktischen Büchsen von Victrix. Der aus
Aluminium gefertigte Griff wird mittels
Picatinny-Schiene an der Rail befestigt.
Normalerweise laden die Tester bei der Streukreisermittlung jede Patrone einzeln direkt ins Patronenlager, um möglichst reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten. Bei KK-Waffen ist dies jedoch meist eine arge Fummelei, sodass hier die fünf Patronen direkt ins Magazin geladen und aus diesem auch geschossen wurden. Insgesamt wurden aus der Victrix Gladio SB knapp 450 Patronen verschossen. Probleme bei der Zuführung oder dem Hülsenauswurf gab es keine. Dank des hohen Waffengewichtes von gut 7,5 kg inklusive Optik wanderte die Gladio SB im Schuss nur minimal axial nach hinten. Auf die größeren Distanzen ließ sich der Geschossflug im Zielfernrohr somit immer wieder gut beobachten. Alle schützenspezifischen Einstellungen an der Schulterstütze haben über den gesamten Test ihre Position beibehalten und alle Klemmungen blieben fest. Bezüglich der Präzision hat sich die Italienerin hervorragend geschlagen. Die speziell für das Long Range-Schießen abgestimmten Laborierungen Eley Ultra Extreme Long Range, Lapua Long Range und Lapua Super Long Range, SK Long Range Match und die RWS R Plus Long Range, konnten auf der Viertel-Kilometer-Distanz mit umschlossen gemessenen Streukreisen zwischen 94 bis 133 mm überzeugen, auch wenn diese Werte teilweise von den anderen Laborierungen unterboten wurden (die kompletten Schießergebnisse finden Sie in der gedruckten Ausgabe VISIER 5/2025, zu bestellen über den Link unter diesem Beitrag).
Technische Daten und Preis der Kleinkaliber-Repetierbüchse Victrix Gladio Small Bore
Modell: | Victrix Gladio SB |
Kaliber: | .22 long rifle |
Kapazität: | 10 + 1 Patronen |
Länge: | 1153 mm / 906 mm Klappschaft angelegt |
Lauflänge: | 661 mm (Stoßboden bis Mündung) |
Dralllänge: | 406 mm (1:16"), 8 Züge Rechtsdrall |
Abzugsgewicht: | 222 g / 2,2 N Direkt- Abzug |
Gewicht: | 6,2 kg |
Links-/Rechtsausführung: | Rechtsausführung |
Preis: | 4.184,- Euro |
Ausstattung: Repetierbüchse, Lothar Walther Match-Lauf, multifunktionaler Handschutz, lange Picatinny Rail mit 20 MOA Vorneigung, Tragegriff, Abzugssicherung, kugelgelagerter Match-Abzug, Klappschaft, multifunktionale Schulterstütze. |
Fazit: Leistung und Ausstattung der Victrix Gladio Small Bore
Die Victrix Gladio SB ist hervorragend verarbeitet. An den spanend bearbeiteten Metallteilen sind keine Werkzeugspuren sichtbar, alle technischen Oberflächen sind ohne jeden Makel. Technisch gesehen ist die Waffe sehr aufwendig konstruiert und gefertigt, hier sind der Handschutz, der Abzug, die Schulterstütze, die Laufaufnahme und der Verschluss besonders hervorzuheben. Der Abzug arbeitet exzellent, wie auch das absolut spielfreie Klappschaftgelenk. Beim Erdsporn, der Sicherung und dem Magazinsitz gäbe es aber für die Konstrukteure noch etwas Nachholbedarf. Zugegeben: Mit einem Listenpreis von 4.184,- Euro für eine Kleinkaliberwaffe ist die Victrix Gladio SB ganz sicher kein Schnäppchen. Doch die feine Verarbeitung, die verwendeten Materialien, die Verstellmöglichkeiten und die Vielzahl interessanter technischer Lösungen sind den Preis jedoch auf jeden Fall wert.
Die Testwaffe stellte der Importeur, die Firma Reimer Johannsen aus Neumünster zur Verfügung. Testmunition steuerten die Firmen AKAH (Eley und Winchester), Nammo Schönebeck (Lapua und SK) sowie RWS bei – vielen Dank!
Dieser Beitrag stammt aus der VISIER-Ausgabe 5/2025, in der auch die kompletten Schießergebnisse aller 17 Laborierungen abgedruckt sind – hier direkt im VS Medien Shop bestellbar.
Zum Laser-Entfernungsmesser Vectronix Vector X, das für diesen Schießtest eingesetzt wurde, finden Sie bereits einen ausführlichen Testbericht bei all4shooters.com.