UPDATE: "Keine Schalldämpfer für Jagdwaffen" - das BVerwG stellte Bedürfnis für Jäger in Frage, aber das Innenministerium stellt nun sogar eine Freigabe in Aussicht

Die aktuelle rechtliche Situation bei Schalldämpfern für Jagdwaffen in Deutschland (Stand Januar 2019)

Mit einer Änderung des Waffengesetzes auf Bundesebene könnte nun die sehr unterschiedliche Rechtsraxis zum Thema Schalldämpfer erstmals in allen deutschen Bundesländern auf eine einheitliche Grundlage gestellt werden. Dies hat das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf ein Schreiben des Deutschen Jagdverbandes (DJV) und des Forum Waffenrechts in Aussicht gestellt. Die Verbände hatten nach dem anders lautenden Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2018 eine Klarstellung auf Bundesebene gefordert. Der DJV begrüßt diesen Schritt hin zu rechtlicher Klarheit für alle Jäger und insbesondere hin zu einem wirksamen Gehörschutz. Die verbindliche rechtliche Klärung des Einsatzes von Schalldämpfern bei der Jagd ist auch aus Sicht der Hersteller und des Handels dringend erforderlich. 

In den letzten Jahren hatten immer mehr Bundesländer ein Bedürfnis für Jäger zur Nutzung von Schalldämpfern anerkannt. Die Genehmigungspraxis fiel dabei aber sehr unterschiedlich aus. In einigen Bundesländern werden leider nach wie vor keine Erlaubnisse erteilt. Dagegen wurden in vielen anderen Bundesländern bestehende, jagdrechtliche Verbote inzwischen aufgehoben.

Die Bundesländer hatten damit auch auf eine Einschätzung des Bundeskriminalamtes reagiert, dass es keine Sicherheitsbedenken beim Einsatz von Schalldämpfern bei der Jagd gibt. Schalldämpfer reduzieren zwar den Mündungsknall sehr wirksam - der Schuss bleibt aber immer noch sehr deutlich hörbar. Was überwiegt, ist der Schutz des menschlichen Gehörs und der Umwelt.

Das Waffengesetz wird in Deutschland im Jahr 2019 geändert werden - in erster Linie zur Umsetzung der sogenannten EU-Feuerwaffenrichtlinie. Mit einem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist nicht vor Spätherbst 2019 zu rechnen. Der DJV wünscht sich eine Neuregelung bis spätestens Oktober und damit zum Start der neuen Drückjagdsaison. Dem können wir uns aktuell nur anschließen.


UPDATE vom 05.12.2018: In Bayern werden Schalldämpfer für Jäger weiterhin genehmigt!

  • BJV-Präsident Prof. Dr. Jürgen Vocke traf sich kurzfristig zu einem persönlichen Gespräch mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, um die Rechtsfolgen der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu klären. 
  • Das Fazit: Bayern hat an der Gerichtsentscheidung erheblich Zweifel.
  • Genehmigung von Schalldämpfern für Jagdwaffen: Staatsminister Herrmann sieht keinen Anlass, die Verwaltungspraxis in Bayern zu ändern. Also werden Schalldämpfer für die Jagd mit dem Bedürfnis Gehörschutz auch weiterhin genehmigt.

(Quelle: Landesjagdverband Bayern)

Wie sieht die aktuelle Lage realiter aus? Wir haben Gunnar Petrikat von RWS nach seiner Einschätzung und einem Ausblick gefragt:

Wie kam es überhaupt zum Urteil des BVerwG im November 2018?

Vorausgegangen war die Klage eines in Berlin ansässigen Jägers, der in Brandenburg jagt und der zwecks Schutz seines Gehörs einen Schalldämpfer beantragte, den ihm aber der Berliner Polizeipräsident ablehnte. In der Konsequenz hat das Bundesverwaltungsgericht dem nun recht gegeben. Mehr dazu lesen Sie hier auf der Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts. Kurz ein Blick über die Grenzen: In vielen anderen europäischen Ländern sind Schalldämpfer für den Einsatz bei der Jagd leider nicht zulässig. Da war die bisherige deutsche Politik und die neu geschaffene Rechtsgrundlage in vielen Bundesländern für die mögliche Erlaubnis von Schalldämpfern durchaus ein Lichtblick. Doch das könnte jetzt vorbei sein - zumindest für alle, die noch keinen Eintrag auf ihrer WBK haben.

Unser Kommentar zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts "Keine Schalldämpfer für Jagdwaffen" (November 2018):

Was an anderer Stelle zur Begründung für den Schalldämpfer diente, nämlich der Gehörschutz, das wurde nun hier ins Gegenteil verkehrt. Die Bundesrichter bestätigten nämlich "im Wesentlichen", was das Verwaltungsgericht schon in seiner Ablehnung dargelegt hatte – Zitat: "Das Verwaltungsgericht hat angenommen, auch Jäger benötigten für den Erwerb eines Schalldämpfers für ihre Jagdlangwaffen eine gesonderte Erlaubnis, deren Erteilung ein waffenrechtliches Bedürfnis voraussetze. Der Schutz des Gehörs der Jäger könne ein solches Bedürfnis nicht begründen."  Und weiter: "Das Verwaltungsgericht hat bindend festgestellt, dass andere Mittel des Gehörschutzes gleich wirksam sind (Ohrkapseln, Im-Ohr-Schutz)." 

Was daraus folgt, ist nichts weniger als eine allgemeine rechtliche Verunsicherung: Wie wird das künftig mit den Schalldämpfern gehandhabt, was ist mit den bereits genehmigten Exemplaren? Müssen deren Genehmigungen folglich widerrufen werden? Was wird mit den bereits erfolgten Änderungen diverser Landesjagdgesetze,  in denen es darum geht, unter welchen Konditionen Jäger Schalldämpfer bekommen dürfen? Kann das so bestehen bleiben oder hebelt dieses Urteil das alles aus? Heißt das, dass das Bundesverwaltungsgericht das Waffengesetz und das Jagdgesetz wieder auf den Stand zurückstuft, den es seit Görings unseligen Zeiten viel zu lange in Sachen Schalldämpfer einnimmt, nämlich diese "Silencer" Wilderer-Gegenständen gleichzusetzen?

Fragen über Fragen, auf die wir auch heute noch keine abschließenden Antworten geben können. Auch die Industrie ist betroffen. Wird man Schalldämpfer in Zukunft in Deutschland überhaupt noch kaufen / verkaufen können? Ist damit Spezial-Munition für Jagdwaffen mit Schalldämpfern obsolet? Oder gibt es noch immer eine Ermessensgrundlage der Ordnungsämter?

Das Innenministerium und auch das BKA (Bundeskriminalamt) waren in Deutschland voll in den Genehmigungsprozess von Schalldämpfern für Jagdwaffen involviert und haben die Genehmigungsverfahren unterstützt. Auch hier wird man sich Fragen stellen, wie das Bundesverwaltungsgericht zu solch einem unverständlichen Urteil kommt.


Hier haben wir noch eine erste rechtliche Einschätzung zum Verbot von Schalldämpfern für Jagdwaffen von unserem Rechtsanwalt und VISIER Autor, Hans Peter Lindner:

Frage: Welche Folgen wird das Urteil im Einzelfall für die Jäger in deutschen Bundesländern haben, die bereits Schalldämpfer besitzen und diese auf der Jagd legal einsetzen?

Antwort Hans Peter Lindner: "Solange Jäger über einen Schalldämpfer verfügen, der in eine Waffenbesitzkarte eingetragen ist, passiert erst mal gar nichts. In den Fällen, in denen aufgrund ministerialer Erlasse die Verwaltungsbehörden ersucht wurden, bei Jägern aus waffenrechtlichen Gründen ein Bedürfnis zum Erwerb von Schalldämpfern anzuerkennen ist, wird es dann zu Problemen kommen, wenn die jeweiligen (Landes-)Innenministerien - unter dem Eindruck des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts - diese Erlasse aufheben. Ob dies geschehen wird, bleibt abzuwarten. Eine Verpflichtung zur Rücknahme der Erlasse besteht aus meiner Sicht für die Ministerien nämlich nicht. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht ist nicht allgemein rechtlich bindend. Sie ist nur in einem konkreten Einzelfall ergangen.

Sollte es aber Zurücknahme/Aufhebung der Erlasse durch die Landesinnenministerien kommen, wird bei den Verwaltungsbehörden wahrscheinlich die Ansicht vertreten werden, dass von Anfang an ein Bedürfnis zum Erwerb eines Schalldämpfers nicht bestanden habe. Die daraus ableitbaren Folgen ergeben sich dann "knochentrocken und humorlos" aus dem § 45 Abs. 1 Waffengesetz: Die erteilte waffenrechtliche Erlaubnis ist /wäre zurückzunehmen. Erneut zeigt das Bundesverwaltungsgericht, dass es nicht geneigt, ist die berechtigten Interessen von Jägern und Sportschützen anzuerkennen".


Das sagen die Hersteller - Rechtsanwalt Klaus Gotzen vom JSM (Verband der Hersteller von Jagd-, Sportwaffen und Munition) teilte in einer Verbandsinfo mit:

"Inwiefern sich dieses Urteil auf die bisher bestehenden Erlasse einzelner Bundesländer (z.B. Bayern und NRW), mit denen ein Erwerb von Schalldämpfern ermöglicht wird, auswirken wird, kann erst abschließend geklärt werden, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. ... Ebenfalls sollten auch weiterhin Erwerbserlaubnisse von Schalldämpfern in den Bundesländern, in denen entsprechende Erlasse vorliegen, erteilt werden."

Ingo Meinhard, der Geschäftsführer des VDB (Verband der Deutschen Büchsenmacher), verbreitet im aktuellen Verbands-Newsletter ebenfalls Zuversicht:

"Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist im doppelten Sinne von vorgestern - die Ablehnung eines Schalldämpfers bei Jägern mit dem Bedürfnisgrund "Gehörschutz" widerspricht gängigen Erkenntnissen und einzelnen Urteilen einiger Verwaltungsgerichte. Auch einige Landesjagdgesetze wurden schon entsprechend geändert. Trotzdem kein Grund, als Jäger oder Händler die Flinte ins Korn zu werfen. Der VDB arbeitet bereits gemeinsam mit den anderen Interessenverbänden an einer gemeinsamen Strategie und wird Sie dann zeitnah informieren. Für Händler ist auch der etwaige Bestand an Schalldämpfern nicht gefährdet, es handelt sich ja seit 1972 nicht mehr um "verbotene Gegenstände."

(Stand: 02.12.2018)

Wir von all4shooters.com / all4hunters.com werden Sie zu diesem brisanten Thema auf dem Laufenden halten. In jedem Fall sind nun alle Interessenvertreter gefragt, ebenso wie die Rechtssprechung, hierzu schnell für positive Klarheit für Nutzer, neue Käufer sowie Hersteller und Handel zu sorgen.




Viele weitere technische Informationen zum Thema Schalldämpfer finden Sie im VISIER Special 78.