Jungjäger fragen: Macht die Jagd auf Schwarzwild bei Vollmond überhaupt Sinn?

Es gibt eigentlich keine Umgebungseinflüsse, die das Ausüben der Jagd komplett sinnlos erscheinen lassen. Beim Angeln gibt es ein Sprichwort – nur nasse Schnüre können fangen, was auf die Sauenjagd übertragen bedeutet: Vom Sofa aus wirst du kein Schwarzwild erlegen, dazu musst du schon raus, egal wann! Dennoch würde ich unterschreiben, dass in einer normalen wolkenlosen Vollmondnacht andere Herangehensweisen von Nöten sind, als es bei einer Neumondphase der Fall ist. Aber eins nach dem anderen.

Wildschweine wissen, dass Vollmond für sie gefährlich ist

Aufsatz von Vorsatzgerät auf das Zielfernrohr.
Nacht- und Thermalsichttechnik: Vor dessen Aufkommen, war der Jäger auf den Vollmond zur Schwarzwildbejagung angewiesen.

Über die Jahre hat unser Schwarzwild verinnerlicht, dass gerade die Zeit des Vollmondes gefährlich für sie ist. Denn in den Jahrzehnten, in denen es keine Vorsatztechnik gab, war der Jäger auf die Performance seines lichtstarken 56 mm Zielfernrohrs angewiesen. Da ein solches Zielfernrohr zumindest etwas Restlicht zum Visualisieren von Wild benötigt, nutzte der Jäger früher oft den Vollmond, um Sauen zu bejagen. Denn damals, ohne jegliche Vorsatztechnik in Zeiten von Neumond, war eine Bejagung beziehungsweise ein sicheres Ansprechen und Erlegen oftmals trotz geringer Distanzen von 20 bis 30 Meter fast unmöglich. Ich denke, jeder Nachsucheführer, der schon einige Jahre als solcher tätig ist, kann von Nachsuchen berichten, in denen der vermeintliche Kammerschuss in einem Keulenschuss endete. Der Jäger hatte in der Dunkelheit versehentlich die Seiten des Wildkörpers verwechselt.


Des Weiteren haben die Sauen wohl verinnerlicht, dass ein gewisser Zeitraum bei Vollmond besonders gefährlich sein kann. Die meisten Jäger unter uns haben einen Hauptberuf und üben die Jagd lediglich als ihre private Leidenschaft aus. Da man aber nicht bis zum Arbeitsbeginn des Hauptjobs ansitzen kann (zu mindestens nicht jedes Mal), treten viele Jäger gerade unter der Woche mit Sicherheit spätestens um 24 Uhr die Heimreise an und baumen ab. Meiner Beobachtung nach haben Sauen daher ein gewisses Gefühl dafür entwickelt, dass man bei Vollmond nicht zu früh auf die Wiesen treten sollte. Der Jäger oder die Jägerin wird zu frühen Uhrzeiten in Vollmondphasen tendenziell eher weniger Sauen auf den sonst so jagdlich attraktiven Wiesen in Anblick bekommen. Ausnahmen gibt es aber natürlich immer wieder. Solltest Du während einer Vollmondphase lediglich bis 23 Uhr Zeit zur Jagdausübung haben, dann ist zwar die Chance tendenziell geringer, Sauen in Anblick zu bekommen, aber sie ist nicht so gering, dass es sich überhaupt nicht lohnen könnte.

Silhouette eines Jägers in der Nacht.
Späte Stunde: Erfahrungsgemäß gibt es bei Vollmond zu fortgeschrittener Uhrzeit mehr Anblick.


Schwarzkittel sind Lebewesen, die nicht immer nach Schema F funktionieren und die auf diverse Umwelteinflüsse reagieren. Selbst wenn eine Rotte gar nicht plant, auf eine hell ausgeleuchtete Wiese zu ziehen, kann es durch Einflussfaktoren, wie Fortpflanzungszeit, nächtliche Mountainbiker, Spaziergänger oder Gassi gehende Hundebesitzer immer zu einem fluchtartigen Verlassen des Einstandes außer Plan kommen. Meiner Erfahrung nach ist die Chance auf Jagderfolg, je später oder länger der Jäger in den Vollmondphasen jagen geht, umso erfolgversprechender. Wenn Du beispielsweise gegen zwei Uhr in der Nacht ins Revier zur Pirsch/Jagd fährst, können die Chancen sehr gut stehen. Zu diesen Uhrzeiten kam es schon häufiger vor, dass ich Sauen mitten im wolkenlosen Vollmondschein auf einer Wiese entdecken und erlegen konnte. Ein Schlüsselerlebnis war für mich vor einigen Jahren, als zwei Jagdkollegen im Revier pirschten und keine Sauen in Anblick bekamen. Ich meldete mich und bat darum, mir Bescheid zu geben, wenn die zwei den Weg nach Hause antreten würden. Gegen 01:30 Uhr kam die Nachricht über WhatsApp "Wir fahren nach Hause, hatten keinen Anblick. Dir viel Waidmannsheil!“. Ich schnappte mir meine Ausrüstung und keine 30 Minuten später zog ich mit meinem Bergegurt eine erlegte Sau zum Auto.

Steht der Mond hoch, dann kann man meist beobachten, wie sich die Sauen im Schatten der Bäume auf der Wiese am Waldrand bewegen und nur selten auf die durch den Vollmondschein hell beleuchtete Wiese treten. Dabei konnte ich schon vermehrt beobachten, dass gerade junge und unerfahrene Sauen sich der potenziellen Gefahr weniger bewusst sind, und ab und zu doch in den Mondschein treten. Daher sollte sich der Jäger stets bereitmachen und auf seine Chancen hoffen. Diese entstehen immer wieder. Erfahrene Bachen und Keiler wird man aber tendenziell nicht bei einem solchen Fehltritt beachten können. Denn diese sind erfahren, weil sie eben schon viel erlebt haben und genau wissen, was passieren kann.

Steht der Vollmond hingegen noch nicht sehr hoch (z.B. am frühen, aber schon dunklen Abend), dann können diese Zeiträume ebenfalls sehr erfolgsvorsprechend sein. Denn genau dann haben die Sauen ein für diese Zeit vergleichsweise dunkles Zeitfenster, um auch mitten auf den Wiesen nach Nahrung zu suchen. Ich konnte allerdings schon des Öfteren beobachten, dass Schwarzwild in Zeiten der Vollmondphasen eher etwas nervöser und zügiger unterwegs ist und weniger vertraut zieht und bricht. Besonders erfahrene Stücke wissen, dass die Helligkeit Gefahr bergen kann! 

Bei Vollmond auf Ansitz oder Pirsch – was solltest Du beachten?

Detailansicht des Vollmonds.
Vollmond: Mit entsprechenden Hilfsmitteln kann der Jäger seine Jagd bei Vollmond planen.

Wenn Du dir während der Vollmondphase überlegst, auf einen Ansitz oder eine Pirsch zu gehen, dann solltest du Dir vorab immer Gedanken machen, aus welcher Himmelsrichtung der Mond an diesem Abend aufgeht und wohin er dann seinen Schatten wirft. Aus welcher Richtung der Mond aufgeht, kannst Du ganz einfach aus dem Internet erfahren. Auf der Website timeanddate.de kannst Du Dir zum Beispiel diese Informationen herauslesen. Steht dort zum Beispiel, dass der Mond aus östlicher Richtung aufgeht, dann kannst Du mit Hilfe von Google Earth prüfen, auf welche Stellen im Revier (z.B. Wiesen) durch den Mond ein Schatten geworfen wird. Sind das Wiesen in der Nähe von großen zusammenhängenden Waldgebieten, Einständen, bekannten Wechseln, Wasser oder Nahrung (z.B. Getreidefelder), dann sind genau das die Stellen, die durch den Jäger fokussiert werden sollten.

Das gleiche Phänomen lässt sich in Revieren mit künstlichen Lichtquellen beobachten. Wir haben in Waldnähe das Fußballstadion des örtlichen Fußballvereins. Gerade, wenn es im Herbst und Winter früher dunkel wird, wird zum Zwecke des Trainings der Platz mit Hilfe von Scheinwerfern ausgeleuchtet. Diese sind so hell, dass alle Wiesen in einer Distanz von 500 m analog zum Vollmond ausgeleuchtet sind. Wenn die Sauen zu diesem lichtstarken Zeitpunkt umherziehen, dann ausschließlich im Schatten der Bäume. Dieses Wissen kann der Jäger nutzen.

Etwas anders sieht die Situation aus, wenn es während der hellen Vollmondphase eine absolut dicht geschlossene Wolkendecke gibt. Dies sind meiner Erfahrung nach ebenfalls sehr gute Zeitpunkte für die Bejagung des Schwarzwildes. Denn wie zuvor schon beschrieben, sind Sauen zur Zeit des Vollmondes eher in Alarmbereitschaft und tendenziell vorsichtiger. Wenn dann während dieser Phase eine Nacht mit komplett geschlossener und dichter Wolkendecke (im Idealfall mit Regen der den Boden aufweicht = leichter brechen) entsteht, dann gibt dies den Sauen eine Art Sicherheitsgefühl und die Rotte wird sich auch mit höherer Wahrscheinlichkeit einmal außerhalb des Waldes aufhalten. Genau diese Nächte sind für die Sauen eine gute Chance, unter dem dunklen Schutz der Wolkendecke in einer eher hellen Zeit nach eiweißhaltiger Nahrung die Wiesen zu brechen.

Jäger mit Thermalsichtgerät und Büchse.
Mit entsprechender Technik macht man sich die Vermeidung der Sauen von Vollmond auch zunutze.

Du solltest also auf Grund der zuvor beschriebenen Thematiken immer den Mondkalender im Auge behalten. Ich kann es leider nicht oft genug sagen, aber Sauen wissen, dass hell = gefährlich ist. Ergo spüren sie auch, dass sie einige Tage vor dem Vollmond häufiger auf die Wiesen ziehen sollten, da ja bald eine helligkeitsbedingte "Wiesenpause" eingelegt werden muss. Das gleiche gilt natürlich analog auch für einige Tage nach der Vollmondphase. Man kann sich die Situation vorstellen wie ein Bodybuilder, der einmal im Monat einen Cheatday einlegt und sich freut, dass er essen darf, was er möchte. Einige Tage nach der Vollmondphase ist der Cheatday der Sauen, denn sie mussten sich einige Zeit bei dieser Art von Nahrungsquelle einschränken. Das sind genau die Zeitpunkte, in denen du schwerpunktmäßig jagen solltest.

In diesem Sinne wünsche ich Dir viel Waidmannsheil und ganz viele Vollmondsauen!

Für die jagdlichen Anfänger unter euch kann ich mein Buch "Die nächtliche Pirsch auf Schwarzwild" empfehlen. Dort findest du eine Auflistung von Grundlagen, sodass du nicht eigenes Lehrgeld auf der Jagd zahlen musst, denn das habe ich schon für Dich erledigt :)

Dein Jungjägerguide – Christian Seif

Diesen Artikel gibt es auch in dieser Sprache: