Bundesjägertag 2023 – was halten die Jäger von einer Waffenrechtsverschärfung? Die Podiumsdiskussion im Video und eine erste Zusammenfassung

Entsprechend klar waren die Positionen in der Podiumsdiskussion verteilt – an der erstaunlicherweise keine Vertreter der Schützen- oder Jagdverbände teilnahmen: Es waren eigens externe Experten eingeladen worden für unabhängige Stellungnahmen.

Jessica Däbritz, Leiterin der Abteilung für Bevölkerungsschutz, nahm als Vertreterin des BMI dabei an der Debatte teil und präsentierte die aktuellen Überlegungen zur Waffenrechtsnovellierung. Unterstützt wurden sie in den Forderungen dabei von Marcel Emmerich von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Recht schnell kristallisierte sich dabei eine klare Kritik heraus, die bereits durch ein zuvor aufgezeichnetes Eingangsstatement von Christian Lindner (FDP) artikuliert wurde: Das Problem seien die illegalen Waffen, nicht die legalen.

Waffenrecht: Das Problem in Deutschland sind illegale Waffen

Das ist eine Position, die erstaunlich einhellig von den anwesenden Experten geteilt wurde. Olaf März vom Bund Deutscher Kriminalbeamter stellte dabei heraus, dass bisher in Statistiken nicht zwischen illegalen und legalen Waffen in den Kriminalstatistiken unterschieden werde und somit überhaupt nicht klar sei, wo die zu lösenden Probleme bestünden. Entsprechend sprach sich März für ein zu gründendes Fachgremium aus, um die Datenlage zu verbessern.

Bundesjägertag in Fulda 2023
Bundesjägertag in Fulda am 16. Juni 2023: Podiumsdiskussion zur geplanten Verschärfung des deutschen Waffenrechts

Eine Forderung, die so auch von den anderen Teilnehmern unterstützt wurde. Der Journalist Lars Winkelsdorf verwies dabei ausdrücklich darauf, dass die gegenwärtige Diskussion über reflexartige Verschärfungen sogar ganz konkret Menschenleben in Gefahr brächte und mahnte, sich auf eine Bekämpfung des Waffenmissbrauchs durch Straftäter und Terroristen zu konzentrieren, statt eine sinnfreie Hatz auf Legalwaffenbesitzer zu betreiben.

Der Rechtsanwalt Ralph Müller-Schallenberg kritisierte, dass die aktuellen Planungen des BMI vor einer Evaluierung stattgefunden haben und die gegenwärtige Evaluierung eher pro forma betrieben werde, da sich diese lediglich auf die letzte Gesetzesänderung beschränke, es also an jedweder Wissenschaftlichkeit mangele. Der ehemalige Vorsitzende des Landesjagdverbandes NRW griff damit unmittelbar die zuvor von Christian Lindner geäußerte Kritik auf, dass in der Gesetzgebung nur auf Grundlage konkreter Zahlen und statistischer Daten agiert werden dürfe.

Gegen eine anlasslose Überprüfung von Waffenbesitzern sprach sich Christian Grad zu Bentheim aus. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sah einen Mehrwert lediglich bei anlassbezogenen Untersuchungen, wobei hier in erster Linie eine bessere Vernetzung der jeweiligen Behörden und den begutachtenden Stellen bestehen müsse. Er warnte dabei auch vor dem Entstehen einer "Prüfungsindustrie", die die Neuregelungen im geplanten neuen Waffenrecht verursachen könnten.

Erstaunlich war, dass in dieser Veranstaltung übergreifend die Einrichtung eines Sachverständigengremiums befürwortet und gefordert wurde, als klare Reaktion auf die augenscheinlich im Bundesinnenministerium inzwischen völlig fehlende Sachkunde bei waffenrechtlichen Fragestellungen. Eine Überlegung, der sich auch Marcel Emmerich nicht verschloss und sich sogar ausdrücklich unter Bezugnahme auf die gravierenden Vollzugsdefizite Überlegungen zu einer Zentralisierung von Waffenbehörden, zumindest auf Ebene der Länder, anschloss.

Journalist Lars Winkelsdorf
VISIER Autor Lars Winkelsdorf war auf dem Bundesjägertag live vor Ort - und Teilnehmer der Podiumsdiskussion

Eindeutig äußerten alle Teilnehmer und Verbandsvertreter, dass Extremisten, Straftäter und psychisch Kranke keinen Zugang zu Schusswaffen haben dürfen. In der Sache wäre man sich damit also durchaus einig, gestritten wird aktuell lediglich noch über das Wie.

VISIER Autor Lars Winkelsdorf fasst seine Eindrücke von der Podiumsdiskussion auf dem Bundesjägertag 2023 wie folgt zusammen: "Warum ist ein Waffengipfel keine Selbstverständlichkeit, auf dem Experten ihre langjährige Erfahrung einbringen? Schließlich geht es um Menschenleben."


Das ist die DJV-Position zum geplanten Waffengesetz (2023):

Für Jägerinnen und Jäger stellen Schusswaffen ein unverzichtbares Werkzeug bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben dar – die auch im öffentlichen Interesse liegen und dem Allgemeinwohl dienen. Ebenso wie andere legale Waffenbesitzer, beispielsweise Sportschützen und Sammler historischer Waffen, gehen Jägerinnen und Jäger verantwortungsvoll mit Waffen um, sind sachkundig und werden regelmäßig sowie umfassend behördlich überprüft.

1. Keine Waffen für Kriminelle, Extremisten und Terroristen
Gewisse Hürden für den privaten Waffenbesitz und seine Kontrolle sind dabei erforderlich, um Missbrauch von Waffen und den Waffenbesitz von Kriminellen, Extremisten und Terroristen zu verhindern. Wir sehen allerdings die Gefahr, dass durch immer weitere Verschärfungen des Waffenrechts dieses Ziel verfehlt wird – und gleichzeitig als "Kollateralschaden" die Anforderungen an den legalen Waffenbesitz in unverhältnismäßiger Weise steigen – ohne, dass die innere Sicherheit davon profitiert. Verschärfungen des Waffengesetzes treffen nur diejenigen, die sich an die Gesetze halten – nicht Kriminelle, Extremisten, Terroristen und andere illegale Waffenbesitzer.

2. Immer mehr Bürokratie erschwert Kampf gegen illegalen Waffenbesitz
Durch einen immer höheren bürokratischen Aufwand wird die Arbeit der Waffenbehörden erschwert und es werden Kapazitäten mit weitgehend sinnlosen Aufgaben gebunden, die dann für die Bekämpfung des illegalen Waffenbesitzes fehlen.

3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren
Die Praxis zeigt, dass der verfassungsrechtlich bedeutsame Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unter die Räder gerät, indem jegliche Abwägung mit Verweis auf die Gefährlichkeit von Waffen zu Lasten des zuverlässigen, sachkundigen und verantwortungsbewussten legalen Waffenbesitzers geht. Deutschland hat schon jetzt eines der strengsten Waffengesetze der Welt. Weitere Verschärfungen bringen kaum einen Sicherheitsgewinn. Im Gegenteil: Sie können sogar kontraproduktiv sein. Bei einer Änderung muss zudem geprüft werden, wo Erleichterungen möglich sind und ob bestehende Regelungen verhältnismäßig sind. Insbesondere in Fragen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ist eine differenzierte Kasuistik erforderlich, die an nur geringfügige Verstöße keine drastischen Maßnahmen knüpft.

4. Zurückliegende Anpassungen ergebnissoffen evaluieren
Die Erfahrung zeigt, dass nicht fehlende oder unzulängliche gesetzliche Regelungen das Problem sind, sondern eine mangelhafte Anwendung der bestehenden Regelungen. Fast schon reflexartig wird nach Straftaten, die so gut wie nie mit legalen Waffen verübt werden, nach einer Verschärfung des Waffengesetzes gerufen. Dabei ist das Waffengesetz in den letzten Jahren wiederholt angepasst worden. Weitere Verschärfungen bedürfen daher einer besonderen Begründung. Vor einer weiteren Änderung müssen die zurückliegenden Anpassungen ergebnisoffen evaluiert werden. Evaluation geht vor Novellierung.

5. Straftaten mit legalen und illegalen Waffen separat erfassen und analysieren
Straftaten, die mit legalen und illegalen Waffen verübt werden, müssen separat erfasst und analysiert werden, um zu sehen, wo das Problem liegt. Zudem muss geprüft werden, wo Ergänzungen und Nachbesserungen der letzten Änderungen überhaupt sinnvoll und geboten sind. Vorhandene (aber bedauerlicherweise nicht aktuelle) Daten zeigen, dass das wesentliche Problem die illegalen Waffen sind, nicht die legalen. Daher muss der Fokus des Gesetzgebers und der Behörden auf der Bekämpfung des illegalen Waffenbesitzes liegen.


Fulda, DJV-Präsidium, 15. Juni 2023 (das Statement wurde einen Tag vor der Podiumsdiskussion veröffentlicht).