Hessen stellt Antrag im Bundesrat: Nachtzieltechnik für Jäger erlauben, auch Laser-Projektoren und Lichtquellen

Am 8. Mai 2025 stellte das Land Hessen einen unerwarteten Gesetzes-Antrag an den Deutschen Bundesrat: "Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes - Aufnahme von Nachtzieltechnik", aufgenommen als Bundesrats-Drucksache 203/25 (alle externen Links finden Sie gesammelt unter diesem Beitrag). Die Bundesländer sind nach Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes dazu berechtigt: "...können Gesetzentwürfe von der Bundesregierung, durch den Bundesrat oder aus der "Mitte des Bundestages", also von mindestens 5 % der Mitglieder des Bundestages oder einer Fraktion, eingebracht werden". Jetzt steht der Antrag für den 23. Mai 2025 als Tagesordnungspunkt 1 auf der Tagesordnung der 1054. Plenarsitzung im Bundesrat und würde dann an die entsprechenden Ausschüsse zur Beratung weitergeleitet.

+++++ Update vom 23.5.2025: Der Bundesrat hat den im Folgenden näher erläuterten Gesetzesantrag des Landes Hessen inzwischen den betreffenden Ausschüssen zur Beratung zugewiesen. +++++

Konkret fordert die hessische Landesregierung, dass für Jäger künftig der Umgang mit Nachtzielgeräten sowie mit Vorrichtungen, die das Ziel beleuchten, aber auch mit so genannten Zielpunktprojektoren (also Geräten, die direkt etwa einen roten Punkt auf den Wildkörper projizieren) erlaubt sein soll:

Ein Auszug aus dem Antrag: "...Nach derzeitiger Rechtslage (§ 2 Abs. 3 des Waffengesetzes) ist der Umgang mit Waffen oder Munition, die in der Anlage 2 (Waffenliste) Abschnitt 1 zum Waffengesetz genannt sind, grundsätzlich verboten. Nach § 40 Abs. 3 WaffG dürfen Inhaber eines gültigen Jagdscheins jedoch abweichend von dieser Regelung Nachtsichtvorsätze und -aufsätze für jagdliche Zwecke verwenden. Rechtlich unproblematisch sind dabei solche ohne Vorrichtung, die das Ziel beleuchten, etwa Wärmebild-Vorsatzgeräte (ob die Verwendung künstlicher Lichtquellen von der Erlaubnis erfasst ist, ist juristisch umstritten). Diese werden an das Zielfernrohr montiert und bereits heute in der Jagd, insbesondere zur Bejagung von Schwarzwild im Rahmen der ASP-Prävention, erfolgreich eingesetzt (§ 40 Abs. 3 Satz 4 WaffG). Die jüngste Evaluation des Waffenrechts hat keine sicherheitspolitischen Bedenken ergeben. 

Nachtzielgeräte hingegen sind von dieser Erlaubnis bislang nicht umfasst. Sie werden eigenständig auf eine Waffe montiert (vergleichbar mit einem Zielfernrohr) und entsprechend justiert. Bei Dunkelheit erleichtern sie die Ansprache des Wilds und ermöglichen eine präzise Schussabgabe. Diese Regelung ist inkonsistent und für Jägerinnen und Jäger schwer nachvollzieh-
bar."

Die Unterschiede zwischen Nachtsicht- und Nachtzieltechnik – was will Hessen mit dem Gesetzesantrag 203/25 erreichen?

Pulsar Thermion auf Blaser R8
Bei Nachtzielfernrohren bieten die vergrößernde Optik und die elektronische Umwandlung des Zielbilds eine kompakte Einheit, während die bisher zugelassenen Nachtsichtgeräte separat gehalten und bedient werden müssen. Derzeit das wohl leistungsstärkste Nachtzielgerät auf dem zivilen Markt: Mit dem Pulsar Thermion 2 LRF XL50 kann man bis zu 800 Meter entfernte Ziele ausmessen, hier montiert auf einer Blaser R8 Professional Success.

Wer die diffizilen und teilweise logisch nicht nachvollziehbaren Unterscheidungen zu jagdlich erlaubten und verbotenen Zielgeräten im deutschen Waffenrecht kennt, horcht auf. Bisher müssen zur Beurteilung, ob ein Zielgerät erlaubt ist oder nicht,  nicht nur das Waffengesetz, die Waffen-Verordnung und die Waffen-Verwaltungsvorschriften, sondern auch das Bundesjagdgesetz und die teilweise sehr unterschiedlichen Landesjagdgesetze herangezogen werden. Und die widersprechen sich oft, sind nur vage formuliert oder schränken ein.

Ein Video-Testbericht von all4hunters.com (aus rechtlichen Gründen in Österreich erstellt, wo es jagdlich zulässig ist) zeigt, was ein modernes Nachtzielfernrohr auch auf weitere Distanzen erreichen kann und wie die momentane deutsche Rechtslage aussieht. Und hier der entsprechende Auszug aus der Anlage 2, Abschnitt 1 des Waffengesetzes:

Verbotene Waffen
Der Umgang, mit Ausnahme der Unbrauchbarmachung, mit folgenden Waffen und Munition ist verboten:
(...) für Schusswaffen bestimmte
1.2.4.1
Vorrichtungen sind, die das Ziel beleuchten (z. B. Zielscheinwerfer) oder markieren (z. B. Laser oder Zielpunktprojektoren);
1.2.4.2
Nachtsichtgeräte und Nachtzielgeräte mit Montagevorrichtung für Schusswaffen sowie Nachtsichtvorsätze und Nachtsichtaufsätze für Zielhilfsmittel (z. B. Zielfernrohre) sind, sofern die Gegenstände einen Bildwandler oder eine elektronische Verstärkung besitzen

Das Land Hessen begründet seinen Gesetzesantrag in Kurzfassung: "Die Initiative des Landes Hessen zielt auf eine Verbesserung des Waffenrechts für Jägerinnen und Jäger. Es soll praxisnäher und tierschutzgerechter gestaltet werden, ohne dabei sicherheitspolitische Risiken zu erhöhen. Nachtzielgeräte wie z. B. Laser und Zielpunktprojektoren sind bislang verboten, obwohl sie technisch vergleichbar mit bereits erlaubten Vorsatzgeräten sind. Sie sollen für die Jagd zugelassen werden. Auch die Montage von Lichtquellen (z. B. Zielscheinwerfer) an Jagdwaffen soll nach der Initiative zugelassen werden, um die Handhabung, die Sicherheit und damit auch den Tierschutz zu verbessern."

Wie reagieren die Jäger und ihre Verbände auf die hessische Gesetzes-Initiative "Pro Nachtzieltechnik"?

Matthias Klotz
Matthias Klotz, Vorsitzender und Geschäftsführer des BZL, musste die Ansicht seines Verbands (der ja auch den Deutschen Jagdverband) nach heftiger Kritik neu formulieren.

Natürlich wurde der Gesetzesantrag 203/25 sofort nach Bekanntwerden auch unter den betroffenen Jägern intensiv diskutiert. Eine Woche nach dem Antrag hatte der Bundesverband Zivile Legalwaffen (BZL), in dem auch der Deutsche Jagdverband vertreten ist, am 15. Mai eine Stellungnahme veröffentlicht: "Der BZL befürwortet die Freigabe von Nachtzielgeräten und IR-Aufhellern für Restlichtverstärker, da diese Geräte technische Risiken minimieren, ohne das derzeit gesetzlich erlaubte „Wirkungsspektrum“ bei der Jagdausübung zu erhöhen. So eliminieren Nachtsichtzielfernrohre alle opto-mechanischen Schwächen der Aufsatz- und Vorsatzgeräte, IR-Aufheller wiederum sind notwendig, um Restlichtverstärker wirklich sinnvoll und den Wärmebildgeräten ebenbürtig einsetzen zu können. Auch die organisierte Jägerschaft setzt sich bereits seit Jahren für die Legalisierung dieser beiden Technologien für die Jagd ein. Anders jedoch verhält es sich aus Sicht des BZL mit den so genannten Zielpunktprojektoren – also z. B. Laserpointern, die einen „Roten Punkt“ direkt auf den Wildkörper strahlen und so den Treffpunkt der Kugel anzeigen. Hier wird ohne hinreichend dargelegte Notwendigkeit eine weitere Dimension der Zielerfassung geöffnet."

Diese Einschränkung führte sofort zu Kritik aus den Praxiserfahrungen, die offenbar bei der BZL-Stellungnahme nicht genügend eingeflossen waren. Daher korrigierte der BZL am 20. Mai seine Position und schwenkte ein: "Egal, ob Nachsuchenführer, erfahrene Jäger oder auch Experten aus dem Bereich der Nachtsicht- und Zielgerätetechnik – die in der Meldung vom Freitag geäußerten Vorbehalte bzgl. der „Laserpointer“ wurden aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln bewertet und mit guten Argumenten widerlegt. So konnten viele Gesprächspartner anschaulich von konkreten Nachsuchen- und Unfallwildsituationen berichten, in denen ein auf dem Wildkörper sichtbarer „roter Punkt“ für einen weit besseren Ausgang der Geschichte hätte sorgen können. Auch die Tatsache, dass nicht wenige von ihnen neben der Langwaffe auch eine Kurzwaffe bei der Nachsuche mit sich führen und gerade bei Letzterer diese Technologie als absolut sinnvoll erachten, war ein wertvoller Hinweis aus der Praxis, den es auch in der politischen Diskussion noch einmal zu bewerten gilt."

Auch der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB), der mit Sitz in Marburg auch im antragstellenden Bundesland Hessen ansässig ist, veröffentlichte eine eigene Stellungnahme zum Gesetzesantrag: "Wir begrüßen diesen Antrag ausdrücklich und haben dies in einem Schreiben gegenüber der hessischen Landesregierung zum Ausdruck gebracht. Bereits während der Novellierung des 3. WaffRÄndG im Jahr 2019 hat sich der VDB für eine Freigabe von Nachtzieltechnik eingesetzt – damals noch als einer von wenigen Verbänden. Ebenso haben wir uns in der Stellungnahme zur Evaluierung des 3. WaffRÄndG zu einer Freistellung geäußert und dies in unserer Kampagne Next:Guneration − Operation Reset gefordert."