Test: RETAY Gordion und Masai Mara – was können die beiden Selbstladeflinten aus der Türkei?

Wie viele andere Waffenhersteller findet sich auch der RETAY-Unternehmenssitz in Konya, Hauptstadt und zugleich der Name der Provinz im Herzen der Türkei. Anders als die meisten anderen türkischen Flintenhersteller konzentriert man sich dabei aber ausschließlich auf Selbstladeflinten und auf diesem Sektor ausnahmslos auf Rückstoßlader: die Baureihen Gordion und Masai Mara.

Die Modelle Gordion und Masai Mara ähneln in vielen Bereichen beliebten Benelli-Baureihen Montefeltro oder der Raffaello. Das in den 1960ern von Bruno Civolani entwickelte Intertia-System wird nicht nur von Benelli verwendet. Die Drehkopf-Verriegelung des Rückstoßladers findet sich heute nach ähnlichem Basis-Design bei immer mehr Anbietern. RETAY selbst bietet die Gordion und die Masai Mara in der Türkei in unterschiedlichen Farben, Kalibern, Lauflängen und Schäften an - das macht sie zu einer interessanten Alternative zu deutlich hochpreisigeren Marken. 

In Deutschland finden sich a jeweils zwei Varianten von Gordion und Masai Mara im Sortiment des Großhändlers RUAG Ammotec. Dort gibt es für den Fachhändler die beiden Flinten wahlweise in Holz oder mit einem MAX-5-Kunststoffschaft, stets in 12/76 und mit einer Lauflänge von 71 Zentimeter. Dies gilt bei vielen Jägern für jagdliche Halbautomaten als universell beste Lauflänge. Mit knapp über 1,25 Meter Länge passen die beiden Flinten auch komplett zusammengebaut noch in die meisten Langwaffentresore.

RETAY Gordion – Einstiegsmodell für unter 700,- Euro:

RETAY Gordion in linker Seitenansicht
Das "Inertia Plus"-System der RETAY Gordion soll ein möglichst lautloses und zuverlässiges Laden von Hand erlauben.

In ihrem Grundgerüst ähnelt die günstige Gordion in vielen Bereichen einem Einsteiger-Modell von Benelli: ein 12/76er Inertia-Rückstoßlader mit Drehkopf, ein einteiliges, geschlossenes Duralgehäuse, dazu der systembedingt schlanke Vorderschaft, Verschlussfeder im Hinterschaft, auch die Bedienhebel und deren Anordnung ähneln sich. Auf rückstoßdämpfende Spezialitäten oder ausgefeilte Optionen zum Variieren der Schäftung muss man bei der RETAY verzichten. Den Rückstoß bekämpft allein die Schaftkappe. Und die Senkung lässt sich durch Zwischenlagen (shims) justieren. Der Lieferumfang der Stahlschrot-tauglichen Flinte umfasst 5 Wechsel-Chokes. Wer sich bei den Chokes noch weitere Alternativen wünscht, der wird bei dem US-Hersteller Trulock fündig – dort führt man vielerlei Würgebohrungen auch für RETAY im Sortiment.

Bedienhebel der RETAY Gordion
Verschluss-Entriegelung und Spannhebel bieten bei der RETAY Gordion Flinte leicht vergrößerte Bedienhebel. Die Munition kommt von Rottweil.

Das Max-5-Muster des Polymer-Schaftes gehört heute mit zu den beliebtesten Tarnschemen für Flinten. Ansonsten gibt es die Flinte auch in schwarzem Nussbaum-Schaft. Typisch für die RETAY-Flinten: Das Verschluss-Prinzip namens "Inertia Plus".

Kleine Modifikationen am italienischen Vorbild sollen die Möglichkeit verbessern, den Verschluss möglichst lautlos und trotzdem zuverlässig von Hand zu laden. Des Weiteren soll das Verschluss-Konzept verhindern, dass der Verschluss aus verschiedenen Gründen einmal nicht komplett schließt. 

Dabei sollte aber nicht verschwiegen werden, dass viele Sportler und Jäger von ihrem bewährten Inertia-Rückstoßlader oftmals seit Jahren oder gar Jahrzehnten ausgesprochen regen Gebrauch machen und diese Problematik schlichtweg nie auftritt. Bei den RETAY-Testmustern ließ sich jedenfalls der Verschluss tatsächlich leise und sicher über einer Patrone im Lager von Hand verriegeln.

RETAY Masai Mara – Selbstladeflinte mit cleveren Extras:

RETAY Masai Mara linke Seitenansicht
Die RETAY Masai Mara hat einen Nussbaumholz-Schaft mit griffiger Fischhaut.

Die obere Gehäusehälfte ist hier anders als bei der Gordion fest mit dem brünierten Lauf verbunden, grundsätzlich arbeitet der Inertia Plus-Verschluss der Masai Mara nach dem gleichen Prinzip. Das Gehäuse der vorliegenden Flinte schützte eine silbergraue Cerakote-Beschichtung vor Beschädigungen. Die Masai Mara wartet gegenüber dem günstigeren Basismodell allerdings mit einigen Extras auf. Da wäre zunächst der im Bereich des Pistolengriffes und des Vorderschaftes ein klein wenig fleischigere Schaft aus lebhaft gemasertem Nussbaum. Auch die Fischhaut hat uns gut gefallen, sowohl was die Gleichmäßigkeit als auch die Griffigkeit des Rautenmusters betraf.

Abzugsgruppe der RETAY Masai Mara
Die Abzugsgruppe samt Abzugsbügel lässt sich bei der Masai Mara mittels eines kleinen Knopfes über der Sicherung mit einem Griff herausnehmen.

Clever: Die gesamte Abzugsgruppe samt Ladelöffel lässt sich bei der RETAY Masai Mara ohne Werkzeug kinderleicht demontieren: Ein Knopfdruck rechts oberhalb des Abzugs, dann ein Druck auf die Verschluss-Entriegelungstaste unter dem Patronenlager, und die gesamte Baugruppe lässt sich mit einem Griff aus dem Gehäuse ziehen und ebenso leicht wieder befestigen. Bei einer Doppelflinte zahlt man für vergleichbar komfortable Lösungen heftig Aufpreis. Bei Slide Actions oder Halbautomaten gibt es das normalerweise gar nicht. Wie bei der Gordion auch verbirgt sich unter der Vorderschaft-Abschlusskappe eine kurze und innen hohle Gewindestange. Eine Magazinverlängerung passt bei diesem Design nicht mehr an das Magazinrohr für vier Patronen. Dafür lässt sich hier mit einem Griff der stangenförmige Magazinbegrenzer in die Gewindestange einstecken oder bei Bedarf mit einem Griff entfernen. Auch dies eine sehr benutzerfreundliche Lösung, ähnlich wie der leicht austauschbare Ejektor.

Verarbeitung und Finish von RETAY Gordion und Masai Mara:

Schaftkappen von RETAY Masai Mara und RETAY Gordion
Die oben angeschrägten Schaftkappen aus rückstoßdämpfendem Weichplastik bieten an den RETAY-Selbstladern das richtige Maß an Grip.

Auf den ersten (und auch den zweiten) Blick zeigten sich beide Rückstoßlader außen wie innen sauber verarbeitet, wie es sich für eine moderne Selbstladeflinte gehört. Die Läufe, die Verschlüsse samt deren Träger und die Alu-Gehäuse präsentierten auch innen sorgsam bearbeitete Oberflächen. Grundsätzlich erschienen die beiden Flinten gut verarbeitet.

Auch mit zünftig fest geschraubter Abschlusskappe ließen sich die beiden Vorderschäfte mit sanfter Gewalt seitlich minimal verwinden – jegliches Längsspiel konnte aber über die Schraubkappe beseitigt werden. Der Hinterschaft-Abschluss, die Schaftkappen und deren Zwischenlage aus Polymer waren nicht hundertprozentig miteinander verblendet – das ist nicht fein, kommt aber auch bei manch teurerer Semi-Auto-Flinte vor. Was dagegen besonders gut gefiel: RETAY fertigt auch den Abzugsbügel aus Leichtmetall. Das ist in dieser Preisklasse kaum üblich und auch bei vielen erheblich teureren Modellen setzen andere Hersteller hier doch eher auf Kunststoff. Ebenfalls ein Plus: Die ventilierten und auf der Oberseite sauber geriffelten Laufschienen machten einen prima Eindruck, das sieht bei der ähnlich preisgünstigen Konkurrenz nicht immer so aus. Und dann wären da noch die Schaftkappen positiv hervorzuheben. Ansprechend aus Weichplastik mittlerer Stärke gefertigt, kommen sie nicht ganz an die (zudem oft leicht auswechselbaren und individuell anpassbaren) Hightech-Kappen der italienischen Premium-Marken heran. Im Schuss machen sie das, was sie sollen und stören beim schnellen Anschlagen nicht: Hier gibt es bei anderen Unternehmen in vergleichbaren Preisbereichen teilweise noch Nachholbedarf.

Technische Daten und Preise der Selbstladeflinten von RETAY:

Modell:RETAY GordionRETAY Masai Mara
Preis:699,- Euro1.239,- Euro
Kaliber:12/7612/76
Kapazität:4 (2) + 1 Patronen4 (2) + 1 Patronen
Gesamtlänge:1.255 mm1.260 mm
Lauflänge:710 mm710 mm
Schaftlänge:366 mm368 mm
Abzugsgewicht:2.300 g2.650 g
Gewicht:3.100 g3.250 g
Links-/Rechtsausführung:rechtsrechts
Ausstattung:Rückstoßlader mit Drehkopfverschluss, Gehäuse aus Leicht metall, Realtree Max-5-Tarndruck, 5 Wechsel-Chokes, Abzugseinheit verstiftet.
Rückstoßlader mit Drehkopfverschluss, Alugehäuse mit Cerakote-Beschichtung, Wechselchokes, Hartschalenkoffer, Nussbaumschaft.

RETAY Gordion und Masai Mara – unser Test-Fazit:

Die neuen RETAY-Rückstoßlader aus Konya hinterließen unter dem Strich technisch einen guten Eindruck. Wie sie sich auf dem Schießstand schlugen, lesen Sie in VISIER 9/2020. Nach unserem ersten Eindruck können wir sagen: Wer auf leichteste Schrotvorlagen verzichten kann, findet hier einen wertig verarbeiteten Rückstoßlader mit bewährtem Grundkonzept. Bei der vorliegenden RETAY Masai Mara wird dies durch einen Holzschaft und kleine technische Finessen aufgewertet - das alles zu einem sehr konkurrenzfähigen Preis. Die Gordion im Max-5-Tarnmuster punktete durch die Verbindung von guter Qualität und einem besonders günstigen Preis - hier bekommt man wirklich viel Flinte für wenig Geld, wenn man auf den Klang eines großen Namens verzichten kann.


Weitere Informationen zu den Selbstladeflinten Gordion und Masai Mara erhalten Sie auf der Homepage von RETAY oder beim Importeur RUAG Ammotec.

Den vollständigen Test mit allen Eindrücken vom Schießstand finden Sie in VISIER 9/2020 – ab 26.8.2020 im Handel erhältlich.