Ruger Scout Rifle: Zylinderverschluss-Repetierer in .308 Winchester im Test – eine Büchse für Alles?

Die Grundidee der Scout Rifle geht auf Colonel Jeff Cooper zurück. Prinzipiell soll solch ein Gewehr seinem Besitzer als „Mädchen für alles“ dienen: Zum Training, zur Jagd auf alles vom Waschbären bis hin zum Hirsch, zur Verteidigung von Haus und Hof und im schlimmsten Fall auch dazu, die "marodierenden Horden des Königs von England abzuwehren". Als handlicher Begleiter für die Werkeltage musste die Scout-Büchse aber auch kurz und leicht ausfallen, im Idealfall nicht länger als einen Meter und mit einer Zieloptik bestückt und beriemt nicht schwerer als maximal 3,5 Kilo, besser nur 3 Kilogramm. Ein integriertes Zweibein wäre wünschenswert, aber nicht essenziell. Als Kaliber bot sich stets die .308 Winchester an, als System ein zuverlässiger Zylinderverschluss – halbautomatische Gewehre in 5,56 mm wären für eine Cooper’sche Scout Rifle zu schwach, solche in .308 Winchester zu schwer, zumal allzu oft mit miserablen Abzügen ausgestattet.

Typisch für eine frühe Custom-Scout Rifle war als Basis ein Mauser 98-System mit kurzem Lauf; ein kompaktes und leichtes „Scout“-Zielfernrohr mit extralangem Augenabstand wurde hier vor dem System auf dem Lauf befestigt. Der überlange Augenabstand erlaubt bei niedrigsten Vergrößerungen, das Ziel besonders schnell mit beiden Augen geöffnet aufzunehmen. Ein weiterer netter Nebeneffekt: So blieb trotz Zielfernrohr der Bereich über dem Verschluss frei und solch eine Scout Rifle erhielt ihren Munitionsnachschub über traditionelle Ladestreifen – billiger, leichter und schneller kann man einen Zylinderverschluss-Repetierer kaum mit Munition versorgen.

Ruger Scout Rifle im Detail:

Ruger Scout Rifle Verschluss nach Bauart Ruger 77.
Das Ruger Scout Rifle kommt mit dem 77er-Zylinderverschluss mit zwei Verriegelungswarzen und festem Ausstoßer und langer Auszieherkralle.

Das Scout-Konzept von Sturm, Ruger & Company stellt zu weiten Teilen eine moderat verbesserte Version der ursprünglichen Idee dar. Als Basis dient Rugers seit Jahrzehnten bewährter 77er Zylinderverschluss, der sich wiederum stark an Mausers großem Wurf von 1898 orientiert. Das heißt aufgeschlüsselt: eine Verschlusshülse und ein Zylinderverschluss mit zwei großen Verriegelungswarzen im Kopf, das alles in Ganzstahlbauweise. Auch das Markenzeichen des 98ers ist bei Ruger mit an Bord, der fest installierte Ausstoßer und vor allem die lange, beim Repetieren nicht mit rotierende Auszieherkralle. Letztere ist nicht nur besonders robust, sie ergreift beim Repetieren die Auszieherrille der Patronenhülse bereits sofort beim Aufsteigen der Patrone aus dem Magazinschacht, nicht erst beim Schließen des Verschlusses. 

Drei-Stellungs-Sicherung des Ruger Scout Rifle.
Die Drei-Stellungs-Sicherung der Ruger Scout Rifle funktioniert ähnlich wie beim allseits bekannten Mauser 98.

Auch die Drei-Stellungs-Sicherung der Ruger funktioniert ähnlich wie bei einem Mauser 98: In der letzten Position blockiert der Sicherungshebel die Kammer, den Abzug und legt den Schlagbolzen fest. In der mittleren Stellung wird bei Ruger nur der Abzug gesichert, in der dritten Position ist die Büchse feuerbereit. Anders als bei einer klassischen Mauser arbeitet der Sicherungsflügel bei Ruger griffgünstig für den rechten Daumen von hinten nach vorn, nicht seitlich nach oben und unten, was bei einer originalen, unmodifizierten Mauser-Sicherung das niedrige Montieren eines ZF erschwert und auch ein fummeliges Hantieren unter dem ZF-Okular bedingt. Der Direktabzug der Testwaffe konnte nicht so recht überzeugen. Er löste am Druckpunkt leicht reibend aus, dies bei einem Abzugswiderstand von 1.860 g. Für einen modernen Jagdrepetierer mit Zylinderverschluss ist das nicht der Weisheit letzter Schluss. Zum Glück gibt es für Rugers 77er Abzüge hochwertige Alternativen von Zubehörspezialisten, etwa von Timney. Den Munitionsnachschub besorgen bei Ruger hauseigene Kunststoffmagazine nach AICS-Standard, von denen der Waffe gleich zwei Exemplare beiliegen. Das ist zwar nicht ganz so billig wie 98er Ladestreifen, aber Magazine im AICS-Stil offerieren heutzutage viele Hersteller mit unterschiedlichen Kapazitäten sowohl aus Polymer als auch Blech und viele sind im Vergleich zu anderen Repetierermagazinen angenehm preiswert zu erstehen. Dass Ruger solchen Magazinen den Vorzug gibt, bietet aber den Vorteil, dass man auch direkt auf dem System Optiken montieren kann. Der laminierte Holzschaft fühlt sich sehr solide und weitestgehend auch akkurat verarbeitet an, die Spaltmaße zwischen Metall und Holz waren völlig okay und eine Postkarte passte problemlos zwischen Rohr und Vorderschaft – so soll es ja auch sein. Kleinere Punktabzüge gibt es für die Fischhautverschneidungen, die flachen Rauten geben den Händen nur mittelprächtigen Halt. Dann wären da noch die Übergänge vom Laminat-Hinterschaft zu den auswechselbaren Plastikzwischenlagen und der dicken (und angenehm weichen) Gummischaftkappe. Ruger liefert mehrere der Zwischenlagen gleich ab Werk mit, somit lässt sich die Hinterschaftlänge gut an den Schützen anpassen.

Ruger  Scout Rifle Basismodell zerlegt.
Für eine typische Scout Rifle ist Rugers Basismodell ein wenig schwer. Gründe dafür: Das Stahlsystem, der relativ massiv gehaltene Lauf und der robuste Schichtholzschaft.

Optionen: Große Auswahl bei der Visierung des Ruger Scout Rifles

Der Nutzer einer Ruger Scout Rifle kann ein Reflexvisier oder alternativ ein typisches Scout-Zielfernrohr vorn auf der 15 cm langen Picatinny-Schiene montieren. Muss man aber nicht: Wie für die 77er Baureihe üblich, bietet auch der Scout-Repetierer in das Verschlussgehäuse integrierte Montagebasen – ein Zielfernrohr lässt sich ergo auch ganz konventionell auf der Systemhülse befestigen. Die passenden Montageringe liefert Ruger freundlicherweise direkt mit – leider für ein ZF mit 25,4-mm-Mittelrohr. Das wirkt schon seit Jahren für ein großkalibriges Gewehr eher altertümlich, zumal man da nur noch wenig Auswahl an qualitativ hochwertigen Optiken hat.  Selbstverständlich bekommt man für die Ruger-Repetierer nachträglich auch Montageringe mit größerem Durchmesser. Doch unabhängig davon, mit welchen Ringen man ein ZF auf die Gehäuse-Basen setzt – die kompakte Ghost Ring-Lochkimme muss dann auf jeden Fall abgenommen werden, ist sie doch auf der hinteren Montagebasis verschraubt. Ruger kombiniert die Lochkimme mit einem von seitlichen Kornbacken umfassten Korn. Das resultierende Visierbild der mechanischen Visierung ist für ein multifunktionales Gewehr praxisgerecht. Aber Ruger muss sich schon die Frage gefallen lassen, warum das Korn bei der Scout Rifle seine seitlichen Schutzbacken in der Höhe überragt – üblicherweise ist es aus nachvollziehbaren Gründen genau umgekehrt.

Ruger Scout Rifle mit Leupold Vari X II.
Das Ruger Scout Rifle bietet viele Montageoptionen für die Optik. Für den Test entschieden wir uns für ein schon älteres  Leupold Vari X II.

Die Modellpalette der Scout Rifles von Ruger:

Das vorliegende Basismodell Scout Rifle kommt brüniert mit einem dunklen, grau-grün marmorierten Schichtholzschaft, nur der Zylinderverschluss aus rostträgem Stahl bleibt blank. Die Lauflänge beträgt 409 mm (16,1 Zoll), das Mündungsgewinde bestückt Ruger mit einem militärisch anmutenden Feuerdämpfer. Alternativ bietet der Hersteller eine ähnliche Konfiguration auch mit einem 18,7 Zoll langen Rohr (475 mm) an, dann allerdings mit Systemgehäuse und Lauf aus blank belassenem Stainless Steel. Wem das zu lang oder zu schwer erscheint: Ruger produziert die Stainless-Spielart auch mit einem kurzen Lauf, einer Mündungsbremse anstelle des Feuerdämpfers und einem leichten Kunststoffschaft anstelle des laminierten Holzschaftes. Zu diesen gängigen Versionen gesellen sich in den USA noch einige Sondermodelle, etwa eine Linksversion, eine in Nussbaum geschäftete Spielart in .450 Bushmaster sowie ein Ableger im Kaliber .350 Legend.

Mit dem Ruger Scout Rifle auf dem Schießstand:

Die Nachfrage nach reinrassigen Scout-Zielfernrohren scheint in Deutschland eher gering zu sein. Leupold hat so etwas im Sortiment, aber eine Nachfrage bei Helmut Hofmann GmbH, Importeur für die Optiken und Montagen des US-Herstellers, ergab, dass hier zwar Scout-ZF-Nachschub geordert und auch im Anrollen sei, man aber mit einer deutlichen Wartezeit rechnen müsse. Für den Besuch der 100-Meter-Bahn wurde deshalb ein leicht betagtes Leupold Vari X II (3-9-fache Vergrößerung, Absehen 4, 25,4-mm-Mittelrohr) aus dem Fundus der Tester ausgewählt und mittels ARMS-Schnellverschluss-Ringen vorn auf der Picatinny-Schiene der Ruger-Büchse befestigt. Das Vari X II bietet akzeptable Voraussetzungen als Ersatz für ein „echtes“ Scout-Zielfernrohr, dies wegen des aus heutiger Sicht ungewöhnlich langen Mittelrohrs mit schmalen Stelltürmen und auch wegen des relativ langen Augenabstands. 

Mündungsfeuerdämpfer des Ruger Scout Rifle in der Detailansicht.
Auf dem Schießstand zeigte der Mündungsfeuerdämpfer des Ruger Scout Rifle eine ordentliche Performance.

Die beste Präzision lieferte mit 27 Millimetern Streukreis die Plus von GECO. Der Feuerdämpfer leistete auf dem vergleichsweise kurzen Lauf saubere Arbeit, von störenden Mündungseffekten bleibt man bei der Scout Rifle weitgehend verschont. Der Repetiervorgang unterscheidet sich in nichts von einem herkömmlicher 98er. Wer gut mit dem berühmten Mauser-Verschluss zurechtkommt, findet sich hier zu 100 Prozent wieder. Funktionsstörungen wurden angesichts der seit Jahrzehnten bewährten Konstruktion nicht erwartet und traten auch nicht auf. Alle Munitionssorten wurden aus dem Einsteckmagazin reibungslos einrepetiert und die abgefeuerten Hülsen schwungvoll ausgeworfen. 

Bedientechnisch bereitete die Testwaffe keinerlei Probleme. Das Magazin im AICS-Stil ließ sich bequem aufmunitionieren und auch das Einführen sowie Entnehmen des Magazins ließen sich völlig problemlos bewerkstelligen. Zerrt man mit Absicht an dem in den Schacht eingeführten Magazin, hat das Ganze zwar ein leichtes Spiel, aber nur durch schlichtes Hantieren oder auch Schütteln der Waffe bewegt sich da nichts Ungebührliches und man hört auch kein störendes Klappern. Fast genauso leise bleibt die Drei-Stellungs-Sicherung: Lässt man den Hebel grobmotorisch in die jeweils nächste Rastposition schnalzen, quittiert die Sicherung dies mit einem vergleichsweise leisen Klickgeräusch. Geht man mit den Daumen etwas behutsamer vor, bleibt die Sicherung lautlos. Einen übervorsichtigen „Pinzettengriff“ des Hebels zwischen Daumen und Zeigefinger braucht es dazu nicht, ein Minimum an Gefühl im rechten Daumen genügt für das lautlose Betätigen.

Ruger Scout Rifle: Technische Daten und Preis

Modell:

Ruger Scout Rifle

Kaliber:

.308 Winchester

Kapazität:

10 + 1 Patronen

Lauflänge:

409 mm

Dralllänge:

250 mm (1:10”)

Abzugsgewicht:

1.860 g

Gesamtlänge:ab 940 mm (Schichtholzschaft in der Länge durch Plastikscheiben anpassbar)

Gewicht:

3.220 g

Links-/Rechts-Ausführung:

Linksversion erhältlich

Preis:

1.879,- Euro

Ausstattung:

Stahl-System, Zylinderverschluss, Drei-Stellungs-Sicherung, AI-Stil-Magazine, Picatinny-Schiene, Ghost Ring-Visier, Feuerdämpfer.

Ruger Scout Rifle komplett von hinten rechts.
Präsentierte sich als solider Repetierer für die Jagd: Das Ruger Scout Rifle.

Fazit: Das kann das Ruger Scout Rifle

Für eine reinrassige Scout Rifle nach Jeff Coopers Konzept wäre die hier vorliegende Basisversion etwas zu schwer. Aber Ruger offeriert ja auch leichtere Varianten mit Polymer-Schaft. Und Hand aufs Herz: Den meisten potenziellen Käufern einer Scout Rifle in Deutschland geht es nicht darum, mit ihrer Büchse auch im Notfall von ihrem Hof den König von England zu vertreiben. Als führige, universell einsetzbare Jagdwaffe für den Ansitz, zum Durchgehen oder für die Nachsuche ergibt das Konzept viel Sinn. Zudem stimmt hier die Relation von Preis und Leistung: Konzeptionell wie auch qualitativ bekommt man hier von Ruger eine soliden Repetierer mit praktischer Ausstattung zu einem fairen Preis. Nur eine Bitte an den Hersteller: Legt der Scout Rifle doch zeitgemäße 30-mm-Montageringe bei.


Dieser Test erschien auch in der VISIER, Ausgabe 5/2025. Dort finden Sie auch die detaillierten Schießergebnisse mit  sechs Laborierungen zwischen 123 und 180 grains. Das Heft können Sie im VS Medien-Shop online kaufen. Dort steht es auch als ePaper zur Verfügung.

Weitere Informationen zur Waffe erhalten Sie beim Hersteller Ruger sowie beim Deutschland-Importeur AKAH. 

Wir bedanken uns bei Hauck Waffenbau für das Testexemplar.