Jagdpraxis: all4hunters.com im Gespräch mit der IPSC-Schützin und Jungjägerin Samantha Wendel aus Österreich

all4hunters.com: Hast du einen jagdlichen Background innerhalb der Familie?

Samantha: Leider nein. Ich bin in Deutschland in einer Familie von Sportschützen aufgewachsen. So hatte ich von Kindestagen an Kontakt zu Waffen, angefangen mit Bogen, dann Luftpistolen und -gewehre, über Kleinkaliber bis hin zum sportlichen, dynamischen IPSC Pistolen Schießen. Doch für mich war immer die Pistole interessanter als das Gewehr.  Auch habe ich jung mit dem Reiten angefangen, wobei ich das entspannte Ausreiten alleine in der Natur immer am meisten genossen hatte. Ich war also sehr früh schon Natur- und Waffen verbunden, jedoch nur nicht jagdlich. 

all4hunters.com: Warum hast Du Dich dazu entschieden, die Jagdprüfung zu machen?

Samantha: Vor einigen Jahren bin ich zu meinem Freund nach Österreich gezogen. Er und seine Familie sind äußerst jagdbegeistert. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch kaum etwas mit der Jagd zu tun, war allerdings sehr begierig zu erfahren, worum es bei der Jagd wirklich geht und wie sich diese gestaltet. Ich habe meinen Freund oft begleitet, wobei für mich die Arbeit an den Rotwildfütterungen und das ausnehmen und Verarbeiten immer am interessantesten war.  Aber natürlich möchte man dann doch auch mal selber Hand anlegen.

Samantha Wendel in Jagdbekleidung
Samantha Wendel in jagdlicher Kluft

all4hunters.com: Wie hast Du Dich auf die Jagdprüfung vorbereitet?

Samantha: Schon bevor ich mich für die Jagdprüfung angemeldet habe, habe ich meinen Freund gebeten, mich in das Gewehrschießen näher einzuführen. Ich bin zwar eine exzellente Pistolen Schützin, doch ein Gewehr war für mich lange nur ein unhandlicher Stock. Bei den vielen Schießtrainings habe ich mich dann in seine STEYR CL II Carbon in 6,5 Creedmoor verliebt und kurzerhand entschieden, dass ich diese Waffe nicht mehr hergebe. Mit der Liebe zum passenden Gewehr fand ich auch die Begeisterung am Gewehr schießen. 

Anschließend habe ich mir den "Österreichischen Jagdbehelf" gekauft und bin jeden Abend ein paar Seiten gemeinsam mit meinem Freund durchgegangen. Dabei hat es mir am meisten geholfen, seinen Jagdgeschichten zuzuhören. So konnte ich mir das Wild oder die Jagdsituation bildlich vorstellen und nicht nur theoretisch auswendig lernen. Gut gerüstet habe ich dann die Jagdprüfung im ersten Anlauf im Oktober 2021 bestanden.

all4hunters.com: Wie geht es nach der bestandenen Jagdprüfung weiter?

Samantha: Für mich steht jetzt im November 2022 erstmal die Weltmeisterschaft im dynamischen IPSC Pistolen Schießen an. Daher bin ich leider nicht so viel im Revier unterwegs wie ich es mir wünschen würde. Vorerst helfe ich bei den Revierarbeiten und begleite meinen Lehrprinzen, um noch mehr Erfahrungen zu sammeln. Zu einem Abschuss bin ich leider noch nicht gekommen, ich hatte zwar schon einige Stück im Anblick vor meinem eignen Zielfernrohr, doch leider war noch nichts Passendes dabei. 

all4hunters.com: Bist Du berechtigt, allein zu jagen oder nur in Begleitung mit erfahrenen Jägern?

Samantha Wendel mit einem Deutsch Drahthaar
Samantha Wendel: In Begleitung eines Deutsch Drahthaar

Samantha: Nur weil ich jetzt die Jagdkarte (so heißt der Jagdschien in Österreich) besitze und alleine jagen gehen darf, heißt das noch nicht, dass ich auch alleine jagen gehen sollte. Für mich ist es sehr wichtig, dass wenn ich den Abzug drücke, ich mir auch zu 100 % sicher bin, dass es passt. Dass ich das Stück richtig angesprochen habe, dass der Schuss perfekt sitzt, dass das Stück im Feuer fällt, ich es gut bergen kann, etc…

Keine selbstverständlichen Voraussetzungen in einem Bergrevier, in dem die Schussentfernungen meist bei 200-300 m liegen und fast immer in einem steilen Winkel nach oben oder unten. Dies mögen zwar perfektionistische Ansichten sein, doch ich bin JEGANERin, ich jage des Fleisches wegen. Ich möchte das wertvollste und hochwertigste Lebensmittel ernten, und es nicht entwerten, weil mein Schuss nicht richtig sitzt und das Stück hochflüchtig Adrenalin ausstößt und dann im schlimmsten Fall noch abstürzt und eine Bergung erschweren. 

all4hunters.com: Was ist ist aus Deiner persönlichen Sicht das Schöne, Besondere an einem Pirschgang, an der Jagd an sich?

Samantha: Die Naturverbundenheit. Wenn ich pirsche, dann nehme ich die Natur mit all meinen Sinnen auf. Ich achte auf die Windrichtung, die Gegebenheiten um mich herum. Ist dieses Gebiet in dieser Jahreszeit überhaupt ansprechend für Wild? Kann ich Losung entdecken oder riechen? Oder kann ich eventuell sogar schon Rotwild riechen? Welche Geräusche macht der Wald? Ist der nahe Bach gut oder schlecht für mich? So ergeht es mir auch wenn ich Wildfleisch daheim in meiner Küche verarbeite. Dieses Fleisch kommt direkt aus der Natur und ist auf kürzestem Wege zu mir gelangt. Es war nie in einer Fabrik oder im Supermarkt.  Das gibt mir einfach ein gutes Gefühl.

Samantha Wendel in Tarnkleidung
Samantha Wendel mit einer X JAGD Demorphing Camo Sturmhaube

all4hunters.com: Was ist für Dich die größte Herausforderung bei der Jagd?

Samantha: Meine Ungeduld, mein Perfektionismus und mein Kälteempfinden. Wie bereits angesprochen bin ich sehr perfektionistisch, es muss alles "perfekt passen". Doch bin ich leider auch ungeduldig und hibbelig. Mehr als 3 Stunden still sitzen ohne einen Anblick ist für mich eine sehr große Herausforderung. Zudem kommt auch noch, dass ich sehr schnell friere. Daher ist meine Wunderwaffe ein gutes Buch und die richtige Bekleidung. So banal das klingt, aber wenn ich friere, habe ich keine Lust mehr, und wenn ich so dick und eng eingepackt bin, dass ich nicht mal mehr die Arme hoch bringe um in den Anschlag zu gehen, habe ich erst recht keine Lust mehr. Ich setzte daher auf die JAGDHUND Lodenbekleidung, da mich diese maximal warmhält ohne mich einzuengen und eine X JAGD Demorphing Camo Sturmhaube. Einerseits um meine blonden Haare zu verstecken, andererseits um mich selbst auf dem Hochstand nicht durch ruckhafte Kopfbewegungen zu verraten. 

all4hunters.com: Wie wohl fühlst Du Dich als junge Frau in einer Männerdomäne?

Samantha: Dadurch, dass ich früh mit dem Schießsport angefangen habe, bin ich es gewohnt, mich als eine von wenigen Frauen in einer Männerdomäne zurechtzufinden. Tatsächlich stört es mich kaum. Allerdings merke ich immer wieder, dass viele Männer nicht dieselben Herausforderungen wie ich bei der Jagd erleben. Die meisten frieren weniger, sind geduldiger und schneller bei der Schussentscheidung. Und, auch wenn ich den unbrechbaren Willen besitze, ein Stück selbst bergen zu wollen, fehlt mir manchmal doch einfach die körperliche Kraft. Zum Glück, und das ist das Schöne in einer Männerdomäne, finden sich meist schnell hilfsbereite Gentlemen, die ich um Hilfe fragen kann. 

all4hunters.com: Danke für das interessante Gespräch – wir freuen uns, mehr von Dir zu hören.